Aus dem puren Leben gegriffen

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Kleine Ursache – große Wirkung

Wir Menschenrasse sind ja nun leider oder Gott sei Dank, je nachdem von welchem Blickpunkt und Einstellung man das Ganze so sieht, nicht die einzigsten Geschöpfe des allen wohlbekannten Schöpfers, welcher in die Geschichte der Welt als Paul Gott eingegangen ist.

Wieso ich hier von Paul Gott spreche?

Warum sollte der liebe Herr Gott nicht auch einen ihm zugeordneten Vornamen wie alle hier auf Erden haben? Ich hasse es, wenn man doch recht herablassend von sich gibt: „Der Müller hat aber wieder Scheiße gebaut.“ Es klingt doch viel persönlicher und zivilisierter, wenn man sich folgendermaßen auszudrücken pflegt: „Der Paule Müller hat aber einen gewaltigen Mist verzapft.“ ,oder etwa nicht?

So kreucht und fleucht, wie es immer so wunderschön „dichterisch“ heißt, so einiges angenehmes und unangenehmes über unsere gute alte Mutter Erde.

Etwas sehr angenehmes ist da meine allerbeste Lebensgefährtin, denn diese Perle von einer Schöpfung kann super kochen usw.. Mit usw. möchte ich mich etwas ausschweigen, denn wenn ich noch detaillierter von ihr berichte, stehen morgen bestimmt einige einsame Männchen Schlange vor unserem kleinen Häuschen, in der Hoffnung, dass ich endlich das Zeitliche segnen tue.

Aber Pustekuchen, ich bin noch recht frisch und munter, wenn auch meine Unterlippe schon stellenweise etwas schlaff nach unten zu hängen versucht.

Nun aber schnell wieder zurück zur allerbesten Lebensgefährtin, denn sonst verfange ich mich noch in einer Offenbarung über meine total am Boden herumliegende Gesundheit und im Nebel befindlichen seelischen Verfassung.

Was meine allerbeste Lebensgefährtin betrifft, ich nenne sie im weiteren ganz einfach „Hase“, denn erstens ist das 19 Buchstaben kürzer und zweitens pflege ich sie ausschließlich mit dieser netten Bezeichnung anzusprechen., außer ich bin mal ganz, ganz wütend. Dann nenne ich sie für ganz kurze Zeit mein „Hase!!!“, was aber wirklich nur drei- bis fünfmal im Laufe eines Jahres vorkommt. Es können auch acht oder neun Wutausbrüche sein.

Na ja, ich habe dann noch nie exakt Buch darüber geführt.

Wenn ich ganz am Anfang dieser Storie von verschiedenen Schöpfungen sprach, dann aus dem Grund, dass es natürlich auch verschiedene Situationen und Reaktionen gibt, wenn diese verschiedenen Gotteswerke irgendwo und irgendwie aufeinander treffen.

So ist z.B. allgemein bekannt, dass ein Löwe auf Grund eines leeren Magens ab und zu eine kranke Antilope verspeist, manchmal auch ein gesundes Herumspringetier. So genau weiß man das in Fachkreisen aber auch schon wieder nicht.

Nun ist das zwar ein blödes Beispiel, wenn ich davon berichten möchte, wie es ist, wenn mein „Hase“ auf eine winzig kleine Fliege trifft, aber mir fiel im Moment nichts besseres ein.

Natürlich verspeist mein regelmäßig auch sehr hungriger „Hase“ diese unscheinbare Masse an Fleisch nun wirklich nicht, denn dann bräuchte man so um die 253 147 Fliegen, um ihr kleines Bäuchlein restlos zu füllen.

Nun nimmt man so ein kleines Flugungeheuer draußen auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt oder in einem Weizenfeld kaum so richtig war, aber in einem geschlossenen Raum von ungefähr 20 Quadratmetern Bodenfläche ist das schon etwas ganz anderes.

Ich muss an dieser Stelle aber noch unbedingt erwähnen, dass mein „Hase“ eigentlich gar keine richtige Angst vor den verschiedenen Tierchen dieser Erde hat. Ich kann fast sagen, sie ist schon ganz schön mutig für ihr Alter, denn wir besitzen immerhin selbst zwei ausgewachsene Hauskatzen und die sind ganz bestimmt etwas größer und gefährlicher, als so eine mickrige Fliege. Natürlich ist mein Hase mit einer gehörigen Portion Selbsterhaltungstrieb versehen und würde sich bestimmt nicht an eine noch lebende Krokoledertasche heranwagen,

Wer würde das schon?

Irgendwie hat ja jeder Mensch, wenn er mal ehrlich auf sich herabblickt, so seine kleinen Mucken und Schwächen. Meistens werden solche Maroden von der näheren Umwelt der Betroffenen leicht verziehen oder ganz diskret einfach übersehen. Aber es gibt bei den angeborenen Schwächlein der Mitmenschen schon mal welche, da kommt die eine oder andere Körperflüssigkeit zum kochen.

Das muss aber im Endeffekt schon jeder selbst mit sich ausmachen.

Mein „Hase“ hat da eine gewisse Phobie, wenn es um Tierchen geht, die kleiner sind, als unsere recht zahmen Hauskatzen. So z.B. Mäuse, Hamster, Spinnen und natürlich auch diese schon erwähnten Fliegen. Wenn man Bakterien und Viren dank Elektronenmikroskopaugen auch täglich zu Gesicht bekommen würde, dann wäre das bestimmt die Hölle auf Erden für meinen „Hasen“.

Nun bin ich selbst vom lieben Paul Gott mit einigen vernünftigen Dingen bedacht worden. So besitze ich die göttliche Gabe, außer sinnloses Zeug auf mehreren DIN-A4 Seiten zu kritzeln, dass mir, im Gegensatz zu unzähligen anderen Mitmenschen, welche seltsamerweise zwei linke Hände an ihren Körper angebaut bekommen haben, zwei von den rechten zur Verfügung stehen. Damit handwerkele ich ab und zu rings in und um unser kleines Häuschen herum. Manchmal wird etwas vernünftiges daraus, aber häufiger gibt es da schon mal die eine oder andere Reklamation von allerorts und jedem. Da ich aber kein eigens Büro und die dazugehörende sexy Sekretärin besitze und somit diese Beanstandungen ordnungsgemäß bearbeiten kann, bleibt der Pfusch eben Pfusch. Pasta!

Was die Fliegenphobie von meinen „Hasen“ angeht, so ist unser Fenster im Wohnzimmer zur Flugzeit dieser gefährlichen Ungeheuer mit einem Fliegenabwehrnetz versehen. Somit müssen die meisten dieser Flugobjekte draußen im Garten ihr böses Unwesen treiben.

Aber ab und zu gelingt es einer ganz schnellen und klugen Fliege oder einem Fliegerich durch die manchmal nur ganz kurz geöffnete Tür zum Hof herein fliegen zu können.

Das Ende der Welt naht dann für meinen „Hasen“ mit großen Flügelschlägen.

Für diesen unvermeidbaren Fall besitzt mein „Superhase“ eine lebensnotwendige Selbstverteidigungswaffe – eine Fliegenklatsche. Falls modernere Mitmenschen, welche meist irgendein hochwirksames Spray für die gleiche Tätigkeit benutzen, nämlich diese fliegenden Untiere unbedingt töten zu müssen, nichts mehr mit dieser, etwas aus der Mode gekommenen Fliegenvernichtungswaffe anfangen können, hier eine kurze Beschreibung dieses wichtigen Teiles:

Sie ist etwa so ungefähr oder manchmal auch ganz genau 45 cm lang, also mit der Länge eines durchschnittlichen Neugeborenen zu vergleichen, wobei aber dieses nicht gerade zum Erschlagen von Fliegen geeignet scheint. Dann besteht das Kampfgerät weiterhin aus sehr biegsamer und flexibler Plastik, wodurch eine ganz extreme Kampfkraft entstehen kann. Ein langer schmaler Handgriff endet schließlich in den eigentlichen Tötungsteil, welcher wiederum sehr flach gehalten ist und im weitesten Sinn mit einem etwas breiterem Tortenheber Ähnlichkeit besitzt. Wenn man einen Tortenheber mit einem langen Plastikgriff versehen würde, wäre er bestimmt auch außer zum Tortenheben auch zum Fliegen töten geeignet.

Aber soweit nun zum technischen Teil der Angelegenheit, es gibt aber immer noch den Menschen, der damit auch geschickt und zielsicher mit umgehen muss. Meine „Häsin“ muss da aber bestimmt noch etwas üben, hat aber auf Grund des oben schon erwähnten Fliegennetzes im Wohnzimmerfenster und somit an Mangel an Fliegentierchen zu wenig Trainingseinheiten.

Nun kam es aber, wie es doch einmal kommen musste.

Ein „riesiger“ Brummer hatte sich an meinem zarten „Hasen“ vorbei gequetscht und war durch die offene Tür vom Hof ins traute und friedliche Heim gelangt.

Was dann geschah, kann man gleich in mehrere Sparten einstufen. Es war ein Triller, ein Drama, ein Krimi und es war eine Komödie. Ich meinerseits empfinde solch ein Flugtier eigentlich als nicht so bedrohlich und so war ich in dem Fall nur stiller Beobachter und Kriegsberichterstatter.

Ich muss, um Verwechselungen zu vermeiden, nur noch unbedingt erwähnen, dass auch ich ein „Hase“ bin, zumindestens in den schönen Augen von meiner „Häsin“ und somit muss sich der Leser schon ordentlich konzentrieren, wenn er den weiteren Ablauf korrekt nachvollziehen will.

„Hase, hier ist ein großer Brummer!“ ,mit vor Todesangst sich fast überschlagender Stimme hörte ich es vom Wohnzimmer in die Küche schallen.

„Lass doch die eine Fliege. Die wird schon wieder rausfliegen, mein Hase.“

Stille. Nur ein leises Brummen im Wohnzimmer.

„Hase, wo ist denn die Fliegenklatsche?“

„Ich weiß nicht, mein Hase. Du kennst dich da doch viel besser aus.“

Da zwischen unserem Wohnzimmer keine verschließbare Tür vorhanden ist, sondern nur ein, mit meinen beiden rechten Händen zusammengebastelter Bogendurchgang, so war das Brummen schon bald bei mir in der Küche. Hase kannte sich wirklich besser aus und hatte die Fliegenmordwaffe bald gefunden.

Der Brummer war inzwischen hinter der Gardine am Küchenfenster am brummen und der Hase mit der Klatsche am schlagen. Der kleine Bonsaibaum konnte nun aber wirklich nichts dafür und musste nach Verlust von einigen Blättchen und zwei Zweigen später wieder fachmännisch vom Hasen eingepflanzt werden.

Es brummte wieder ungetötet in Richtung Wohnzimmer und der Kampfhase gleich hinterher.

Ein unverwechselbares Geräusch von Porzellanscherben ließ auf die bestimmt ungewollte Zerstörung irgend einer mehr oder weniger teuren Blumenvase aus dem Schrankteil im Nachbarzimmer schließen, aber es brummte gut hörbar immer noch munter weiter. Dann wollte sich das gestresste Tierchen wohl nur ganz kurz für eine Ruhepause an der Wohnzimmergardine festklammern und mein Pfusch kam wieder mal ans Tageslicht. Nach einigen erfolglosen Schlägen mit der Fliegenklatsche landete dieses unfachmännisch befestigte Stoffteil mitsamt der Trägerschiene und dem Brummer auf der Couch unter dem Fenster.

 

Das kleine Tier kämpfte wirklich wie ein mutiger Fliegenlöwe.

Raus aus der Gardinenfalle und schon klirrte es schon wieder aus dem Wohnzimmer. Das alte Bild wollte ich sowieso schon lange mal umhängen und konnte mir nun dank dem Brummer einen eventuellen blauen Daumen ersparen.

Brumm, brumm.

Der große Gummibaum im kleinen Flur zum Hofausgang stand doch etwas wackeliger, als wir es vorher mitbekommen hatten und die kühn geschwungene Klatsche in der Hand der Fliegenjägerin hatte ganze Arbeit geleistet.

Noch war einiges der Wohnungseinrichtung zu retten und ich schaltete mich ganz vorsichtig in den ungleichen Kampf der Giganten ein und öffnete die Tür zum Hof, in der Hoffnung, der Brummer würde mir diese Lebensrettung irgendwann irgendwie einmal danken.

Er verschwand sich aber dann wieder leicht verfliegend in Richtung Küche, da dorthin ja immer noch keine verschließbare Tür vorhanden war. Eine gewisse Verzweiflung auf dem Gesicht und einige Schweißperlchen auf der hohen Stirn stürzte mein Hase an mir vorbei, dem brummen nach. Gut erkennbare Geräusche drangen vom Kampffeld aus der Küche an meine Ohren und der Besteckhalter lag mit samt seiner 19 Bestandteilen gleichmäßig verteilt auf den Fußbodenfliesen in der Küche herum. Vielleicht wollte der gejagte Brummer bloß eines der Messer benutzen, um seinem sinnlosem Leben selbst ein Ende bereiten zu wollen.

Mein Kampfhase kämpfte aber verbissen und keine Worte, außer ein mittleres Schnaufen kam über ihre süßen Lippen.

Brummen wieder im Wohnzimmer, aber die Fluchttür zum Hof war wieder sicher verschlossen, um nicht noch mehr dieser Kampffliegen herein zu lassen. Ich auf der Couch am Fenster und beim Gardinenschaden beseitigen, mein Hase mit der Tötungsklatsche hinter dem Doppeldecker hinterher.

Die schöne neue und verdammt teure Glasscheibe in der Schrankwand hatte urplötzlich einen leichten Sprung und mein Kampfhase gleich noch mehr Kampfwut in ihrem Bäuchlein.

Wie sollte man bloß so etwas seiner Versicherung plausibel erläutern, um noch wenigstens etwas von dem Schaden später wieder finanziert zu bekommen. Das musste ich mir wieder eine meiner verrückten Geschichten einfallen lassen.

Ich konnte mir die grausame Kriegszene aber nun wirklich nicht mehr weiter antun und strapazierte meine grauen Zellen ganz gewaltig.

Tür zum Hof öffnen ging nicht, weil noch andere Brummer! Noch mehr Brummer bedeutet noch mehr Versicherungserklärungen. Fenster öffnen, das gleiche Thema.

Dann endlich erschien der bekannte Geistesblitz hell leuchtend über meinen zu Berge stehenden Haaren und ich öffnete die Küchentür zum Treppenhaus.

Ein Wunder geschah.

Der Brummer verflog sich und war kurz darauf im Treppenhaus verschwunden. Oben war ein Fensterchen weit offen und so verschwand das Plagetier ungetötet mit einem seltsamen Lächeln im Gesicht.

Ich habe es gerade noch gesehen. Ich schwöre es!

Vom Fenster oben im Treppenhaus kam sehr, sehr selten Nachschub für die recht nutzlose Fliegenklatsche und somit zog ein langersehnter Frieden in unser ansonsten auch recht friedfertiges Heim. Hasenfrau zog ganz heftig an ihrer Zigarette und versuchte ihre Nervenstränge langsam wieder zu ordnen.

Ich musste dann alsbaldigst ins nächste Bauhäuschen fahren und ein schon lange geplantes Türfliegennetz besorgen. Mit meinen angeborenen zwei rechten Händen würde ich es schon irgendwie montiert bekommen.

Zumindestens, so hoffte ich, besser als die Gardinenstange. Vorsichtshalber werde ich bald mal bei der jungen fortschrittlichen Generation meine Erkundigungen einholen, wie so ein Fliegenungeheuervernichtungsspray zu handhaben ist.

WSR

Nun kann man ja bekanntlich viele Dinge auf unserer Welt miteinander vergleichen. Manchmal ist dieser Vergleich ganz in Ordnung und manchmal hat so ein Vergleich leichte Beschwerden in seinem rechten oder linken Bein – er hinkt!

Dann gibt es Vergleiche, die man unbedingt und lebensnotwendig anstellen sollte. So z.B. ob eine Rolex trotz ihres stolzen Preises nicht am Ende auch bloß eine Uhr ist, wie die vom Aldi für 11,90 DM. Mir ist leider nicht bekannt, dass eine Rolexuhr die Uhrzeit mittels goldenen Stimmchen ganz diskret dem Besitzer mitteilt und somit der nicht ganz geringe Preis dieses Zeiteisens gerechtfertigt wäre.

Wichtig sind dann noch für jede einigermaßen ausgebildete Hausfrau, Mutter und Einkaufswunder die Preisvergleiche mittels Briefkasten füllender Werbeträger. Ich konnte im engeren Familienkreis schon oft genug wahrnehmen, dass diese bunten Zettelchen vom Hit, Penny usw. begehrter sind, als ein dicker Scheck von der SKL. Wenn dann auf dem bunten Papier auch noch ein sogenanntes Schnäppchen auftaucht, erstrahlen so manche Frauenaugen in einem seltsamen feuchten Schein. Gleich wird dann der Kofferraum der Familienkutsche vom Warndreieck, Reserverad u.ä. befreit, um mehr Platz für eine Schnäppchensonderladung Katzenfutter zu bekommen, was man nun schnellstens besorgen muss.

Vorausgesetzt natürlich man hat ein solches liebes und immer hungriges Tier in seinem Besitz, denn ich würde diese Dosennahrung noch nicht einmal bei Androhung der Todesstrafe essen.

Nicht, ich betone nicht und niemals sollte ein männliches menschliches Wesen die holde und liebreizende neue Partnerin an seiner Seite mit irgendeiner der fünf bis fünfzehn verflossenen Ladys vergleichen.

Vor allem niemals laut ausgesprochen!

Solche Andeutungen wie:

„Die Eier hat sie immer weicher hinbekommen als du!“

„Mein einziges weißes Hemd war immer viel weißer als aus deiner Waschmaschine!“

„Sie hat auch niemals so laut neben mir geschnarcht wie du!“

,können schon schnell mal einen Liebesentzug von drei bis fünf Monate nach sich ziehen. Das schlimmste aber, was einem unwissenden Elefanten im Porzellanladen passieren kann, sind Vergleiche der beiden weiblichen Wesen im erotischen Teil der neuen Beziehung. Das kann dann schon gleich mal zu schweren Magenverstimmungen auf Grund von aus „Versehen“ total verkorksten Mittagsessen oder einer leichten bis mittleren Pilzvergiftung seitens des Vergleichenden führen.

Nun aber Spaß beiseite und zum eigentlichen Problem. Wie oben schon einmal angedeutet, gibt es Vergleiche, die können etwas durch die Gegend hinken. Ich kann auch nichts daran ändern, es gibt sie nun mal auf dieser Welt und nicht zu knapp.

So kann man eine Zahnbohr- und Füllbehandlung mittels eines Fachfraulichen oder –männlichen Eingriffes im Rachenraum mit der eigenhändigen und unbetäubten Entfernung des kompletten Nagels der rechten oder linken großen Fußzehe mittels irgendeiner Zange vergleichen.

Aber es gibt immer noch einige unerklärliche Dinge auf unserem Planeten Erde, die kann man wirklich mit nichts vergleichen.

So auch eine allgemein wahrscheinlich noch recht unbekannte WSR, was total ausgeschrieben „Wurzelspitzenresektion“ heißt. Diese unbekannte Tätigkeit wird von einem Fachmann oder möglicherweise auch einer Fachfrau der Kiefer- und Gesichtschirurgie gut beherrscht und durchgeführt.

Ich begab mich eines Tages meines ansonsten bisher ausgeglichenen Lebens also zu solch einen Spezialisten. Nicht weil ich etwa einen neuen Nasenflügel benötigte, sondern weil etwas an meinem durchschnittlich gepflegten Beißerchen seinen Dienst versagte. Ich habe diese WSR nun am eigenen Leibe erlebt und diese Tortour fast mit dem totalen Verlust meines Restverstandes bezahlt.

Um nun meine mir sehr am Herzen liegenden Mitmenschen, Freunde und sogar meine zahlreichen Nicht-ganz-Freunde aufzuklären und vorzuwarnen, möchte ich versuchen diesen nicht unerheblichen Eingriff in mein Leben aus dumpfer Erinnerung zu beschreiben. Viele Details werde ich mir ersparen, denn sonst wären schlagartig einige der Kieferzerbohrer arbeitslos.

Die ganze Misere fing wie fing wie bei den meisten Vorkommnissen des menschlichen Daseins ganz harmlos und unscheinbar an.

Ein dumpfer Schmerz im rechten unteren Teil meines Beißwerkzeuges.

Der wurde mangels Zeit und vorhandenem natürlichen Respekt vor dem Zahnarztbohrer vorübergehend und so lange wie möglich mittels verschieden starker Schmerzbeseitungsmittel bekämpft. Als dann die Menge der kleinen weißen Tablettchen die halbe Handfläche füllte, begann der Psychoterror meines ansonsten recht verständnisvollen Hasen von einer Frau.

„Du musst endlich mal zum Zahnarzt gehen. Geh gleich morgen. Ich hole dir einen Termin.“ ,und noch viel schlimmeres bekam ich zu hören, was ich aber aus nachvollziehbaren Gründen hier wirklich nicht erwähnen kann.

Zweieinhalb freie Arbeitstage in meiner wirklich anstrengenden Schichtarbeit als Pförtner und ich saß termingerecht bei einem Zahnarzt.

Nun muss ich noch erwähnen, dass dieser Zahnarzt von mir aus diversen Gründen neu erwählt wurde und eine blutjunge Zahnärztin war. Ob sie nun noch etwas unerfahren in ihrer Tätigkeit war oder ihre Überzeugung tatsächlich aus ihrem zarten Inneren kam, kann ich wirklich nicht ganz nachvollziehen.

Jedenfalls weigerte sie sich mit aller Macht zur Zange zu greifen und meinem persönlichen Wunsch auf totale Entfernung der Schmerzquelle nachzukommen. Nach einigen von ihr, mir recht unstudierten Menschen schlecht nachvollziehbaren, tiefer gehenden Erläuterungen meiner Situation, erhielt ich von der netten Bohrfachfrau ein unscheinbares Zettelchen mit der Aufschrift – WSR – und sollte mit diesem Papierchen einen Kieferchirurgen in unserer Stadt um weitere Hilfe bitten.

Der erste freie Tag war gelaufen und ich musste über Nacht immer noch unbehandelt wieder zu einer Überdosis Schmerzvernichter greifen.

Nach einer vorherigen telefonischen Rücksprache am nächsten Mittag also den WSR-Zettel zur Spezialistin geschleppt.

Ich durfte auf dem Folterstuhl Platz nehmen, meine frisch geschruppten Beißerchen der netten Dame präsentieren und mit einem scheuen Seitenblick ein paar aufgezogene Spritzen auf einem silbernem Tablett neben ihr entdecken. Und ich bekam auch tatsächlich eines dieser herrlich spitzen Foltergeräte zu spüren. Der Übeltäter wurde, anstatt ihn nun endlich komplett mit einem gekonnten Griff und einer dafür notwendigen Zange zu entfernen, wurde er nur etwas angebohrt. Es sollte mir vorübergehend etwas Erleichterung verschaffen, wie es die nette Bohrerin mir mit auf meinen Heimweg gab.

„Am Donnerstag um 12.00 Uhr kommen sie dann zur WSR, Herr F.“

Ich war behandelt, aufgebohrt und hatte noch zwei Tage Ungewissheit über meine nun bald folgende entgültige Schmerzbefreiung. Die Schmerzen im Rachenraum waren tatsächlich bis auf einen winzig kleinen Restschmerz fast verschwunden. Ich hätte damit und mit ein bis zwei Tablettchen am Tag bestimmt noch einige Jahre ausgeglichen leben können.

Aber ich musste ja zur WSR und hatte keine blasse Ahnung, auf was ich mich da einlassen würde. Ich muss Fairerweise aber doch noch erwähnen, dass ich allgemein und theoretisch durch einen Info-Zettel über den Vorgang und die Hintergründe einer WSR informiert war. Aber das eine ist die Theorie und das andere nun mal wie im alltäglichen Leben die Praxis.

Ich nahm also zum Wiederholtem Male auf dem „elektrischen“ Stuhl Platz und die immer noch freundlich mir in meine Angsthasenaugen schauende Kieferspezialistin zerstach vorerst routiniert mein empfindliches Zahnfleisch mit einer gut gefüllten Betäubungsspritze. Alle mir noch zur Verfügung stehende Manneskraft (symbolisch!) und eine gewisse Eigenhypnose verhalf mir, diese Nadelstecherei einigermaßen gut zu überstehen.

Ich war anschließend fast total beruhigt in der Annahme, das Schlimmste jetzt überstanden zu haben. Nun hieß es warten und hoffen, dass alles biologische Leben in der Umgebung des Übeltäters in einen tiefen Schlaf fällt, was ja nicht unerheblich für die weitere Behandlung ist.

Ich saß nun für einige Zeit Mutterseelen allein gelassen und horchte ganz tief in meinen Kiefer hinein, um das Einschlafen der dort angesiedelten Nervenstränge besser nachvollziehen zu können. Die für die weitere zahntechnische Arbeit notwendigen Arbeitsgeräte waren links von mir von einem grünen Tuch abgedeckt und somit war es mir Gott sei Dank erspart, mittels vorhandener kindlicher Phantasie irgendwelche Vorahnungen entwickeln zu können. Ich wartete also auf alles mögliche und versuchte meine verspannten Gehirnzellen in eine totale Entspannung zu führen.

 

Was aber beim besten Willen nicht völlig gelang.

Die kostbare Zeit meines Lebens verrann und dann endlich kam die Zahnbohrexpertin mit einer weiblichen Verstärkung wieder in meinen Arbeitsbereich. Für das seltsame Lächeln auf ihren Lippen hätte sie vermutlich in Hollywood einen der jedes Jahr heißbegehrten Oscars erhalten.

„Na, Herr F. wie geht es denn? Wir wollen dann mal.“ ,waren ihre seltsamerweise recht beruhigend auf mich wirkenden Begrüßungsworte und sie wollte dann auch tatsächlich.

Das grüne Abdecktuch der Folterinstrumente bekam ich nun über meinen Kopf gelegt und nur mein Beiß- und Kaubereich lugte jetzt erwartungsvoll durch ein vorhandenes Loch aus der grünen Spielwiese der Kiefertiefbohrfacharbeiterin entgegen. Ich sah nicht mehr die freundlichen Gesichter der beiden Damen über mir – ich war von der Außenwelt abgeschnitten. Wer weiß, was diese Unwissenheit über meine Umwelt zu diesem Zeitpunkt alles für Vorteile hatte. Ich denke schon, dass ich beim Anblick der einen oder anderen Spezialgeräte in den Händen der Schwerstarbeiterinnen für Zahnmedizin eventuell gefährliche Herzrhythmusstörungen bekommen hätte.

So mutierte ich binnen kürzester Zeit zu einem total erblindeten Menschen und schärfte einen anderen Sinn meiner Person – das Gehör.

Besser wäre es aber gewesen, man hätte mir auch diese Wahrnehmungsmöglichkeit mittels irgendwelcher Ohrstöpsel geraubt.

Ich hatte das Gefühl, dass meine an und für sich normale Mundöffnung, dank der einfühlsamen Gummihandschuhhänden zweier Fachdamen, mittlerweile die Größe eines acht bis zehn Liter-Kochtopfes angenommen hatte und diese Arbeitsöffnung schien immer wieder noch nicht ganz auszureichen.

Glücklicherweise hatte das Betäubungsmittel ganze Arbeit getan, denn ich konnte mir auf Grund der allgemeinen Betriebsgeräusche, Dialoge und der dumpfen Wahrnehmungen der Behandlung in meinem Rachenraum gut und gerne vorstellen, dass ich mich ohne die Stilllegung meiner Rachenraumnerven schon geraume Zeit in einer totalen Bewusstlosigkeit befunden hätte.

Wenn man mir das objektive Fühlen und das Sehen auch genommen hatte, ich war voll bei der Sache und das war nun gar nicht so gut für mich. Hätte man mich doch lieber wie in grauer Vergangenheit mit irgend einem Hämmerchen vorrübergehend etwas eingeschläfert, dann wären meiner Seele doch einige Wunden erspart geblieben.

Es wurde nachweislich mal von oben und nach einem fachfraulichem Schnitt ins betäubte Zahnfleisch mal von der Seite gebohrt und irgendwie tiefgründiger geschafft. Es war ein Ziehen und es war ein Drücken ohne Ende. Mal den Kopf nach links, dann etwas nach hinten. Wieder etwas nach vor und dann doch nicht so richtig. Ich hatte meines Sehens beraubt manchmal das Gefühl, dass heimlich weitere Fachkräfte herbeigeeilt waren und sich mittlerweile fünf bis fünfzehn Bohrerinnen an einem einzigen Zahn austobten.

Das Zeitgefühl hatte ich unter der grünen Haube auch sehr schnell total verloren und es kam mir vor, als ob ich schon einige Tage und Nächte im durchgehenden Schichtbetrieb Bohrender- und Kratzenderweise im hintersten Rachenraum behandelt würde.

Auch mein Unterkiefer war in seinen beiden Gelenken schon recht schmerzhaft fast ausgehangen und ich konnte mir gut vorstellen, dass diese Tatsache einer weiteren Behandlung meiner angeschlagenen Person zur Folge hatte.

„Geben sie mir mal einen fünfziger.“

„Ich brauche noch einen zwanziger.“

„Haben wir einen fünfundzwanziger?“

„Ich nehme besser einen zweiunddreißiger.“

„Oh ja, der dreiundvierziger ist gut.“

In dieser Form strömten die Worte immer wieder durch meine weit geöffneten Gehörgänge. Was man alles für einen einzigen Zahn so braucht – ging es mich immer weiter verwirrend durch meinen angebohrten Schädel.

Dann krallten sich meine Hände unvermeidbar irgendwohin. Ich hatte einen stechenden Schmerz verspürt, welcher sich von der Tiefbohrstelle an meinem Gebiss rasend schnell bis hinunter zu meinem untersten Fußbereich ausbreitete.

Sollte die Betäubung falsch dosiert sein und ich nun den Rest der Folter blank zu spüren bekommen?

In einer der nächsten kurzen Arbeits- und Verschnaufpausen erkundigte ich mich gequält, wie lange es noch dauern würde und die mütterliche Stimme der Frau Doktorin beruhigte meine aufgescheuchten Ängste auch sofort wieder.

„Wir sind gleich fertig, Herr F.“

Wir?

Ich war schon lange fix und fertig!

Noch einige zärtliche Bohrungen mit diversen Dreißigern und Fünfzigern oder was weiß ich für Handwerkzeugen der Kieferchirurgie und dann senkte sich endlich der Vorhang der Uraufführung meiner ersten WSR mit örtlicher Betäubung. Das herrlich grüne Tüchlein wurde gelüftet und ich sah ein immer noch freundlich lächelndes, Schweißtröpfchen tragendes Expertingesicht vor meinen leicht verstörten Äuglein. Vielleicht war dieses Dauerlächeln der Dame auch irgendwie durch eine Schönheitsoperation auf Ewigkeit beigebracht worden. Es war schon sehr seltsam dieses immer vorhandene Lächeln.

„Das war wirklich besonders umfangreich bei Ihnen, Herr F. Aber wir haben es nun überstanden.“

Ich hatte es überstanden. Ich!!!!

Ich wusste nicht genau, warum man sich für gewisse auferlegte Qualen auch noch freundlich bedanken soll, aber ich bedankte mich bei der lächelnden Kieferchirurgin, denn die konnte ja nun wirklich nichts dafür, dass ich so einen blöden Zahn erwischt hatte.

Aber kaum hatte ich die heiligen Zahnarzthallen ganze zwei Meter hinter mir gelassen, war mir für alle Zeit irgendwie klar geworden, dass mir so etwas nie wieder unterkommen wird.

Wenn ich jemals die Abkürzung WSR auf irgend einen für mich bestimmten unscheinbarem Zettel erkennen werde, weiß ich, was ich tue.

Ich bin handwerklich nicht ganz ungeschickt und weiß daher, wie man mit irgendeiner Zange umgeht.

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