Management 4.0 – Vorbereitung auf die Zukunft

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Nichts gelernt aus der Krise

Ja, die Krise 2009 und ihre Folgen: Arbeit und Beschäftigung sind zur großen Herausforderung unserer Zeit geworden. An die 500.000 Arbeitslose im Jahresdurchschnitt in Österreich, 30 Millionen ohne Beschäftigung in der Europäischen Union, über 40 Millionen in den OECD-Ländern bei durchwegs steigender Tendenz sind nicht als statistische Größe, sondern als echte gesellschaftspolitische und soziale Aufgabe zu sehen. Was haben wir aus der Krise eigentlich gelernt? Für die Japaner heißt Krise „kiki“: Das eine ki steht für Krise, das andere ki für Chance. Haben wir gesehen, welche neuen Chancen wir nutzen müssen, damit wir aus unserer aktuellen Krise herauskommen? Eher nicht. Wir dümpeln in einer kumulativen Lethargie herum, hoffen, dass es bald wieder aufwärts geht und wir unser gutes altes Wirtschaften zurückbekommen („In Summe geht es uns ja ganz gut.“ „Passt schon.“). Dabei war die Zeit für neue, innovative Ansätze nie so gut wie jetzt.

Arbeit und Berufsbilder wandeln sich, aber unser Bildungssystem steckt im vorvorigen Jahrhundert. Heute gibt es kein industrialisiertes, westliches Land, das nicht über eine Änderung des Bildungssystems nachdenkt. Es kommt vermehrt zu Schwierigkeiten bei der Überleitung Jugendlicher aus dem Bildungswesen in das Beschäftigungssystem – und das auf allen Ebenen formaler Qualifikation. Unser Bildungssystem ist in der Entwicklung im vorvorigen Jahrhundert stehen geblieben. Es unterrichten Lehrer und Dozenten, die Zeit ihres Berufslebens die Schule bzw. Hochschule nicht verlassen und keinen Bezug zu den Anforderungen der Wirtschaft haben. Die Vermittlung von praxisrelevantem Wissen, die gezielte Potenzialförderung bleibt auf der Strecke. Aufgrund des technologischen und organisatorischen Wandels wird eine gute und vor allem die richtige Ausbildung immer wichtiger und die Arbeit für Geringqualifizierte weniger werden. Wie steuern wir dieser Entwicklung entgegen? Gar nicht: Reformen, die ihrem Namen nicht gerecht werden, werden vor der Wahl dem Wählervolk vor die Füße geworfen und nach den Wahlen zurückgenommen, was aber in den wenigsten Fällen schmerzhaft ist, da sie ohnehin an den falschen Ecken ansetzen. Was schmerzt, ist, dass sich nichts bewegt in unserem Bildungssystem – und das, obwohl Nationen wie Norwegen oder Finnland uns so wunderbar vorführen, wie es gehen kann. Wir müssten uns das nur abschauen.

Unattraktive Karrieremodelle

Die klassische Erwerbsarbeit – möglichst langfristig arbeitsrechtlich abgesicherte und sozialversicherte Beschäftigungsverhältnisse in Verbindung mit einer Stufenleiter der hierarchisch organisierten Karriere – wird für immer weniger Menschen ein kalkulierbares Element der Berufs- und Lebensgestaltung sein. Die work to have a nice life-Mentalität – der Job als notwendiges Übel, um ein angenehmes Leben führen zu können – nimmt zunehmend Überhand, wie viele Studien zeigen. Die Generation der Erben, die über ausreichend Vermögen verfügt und nicht mehr unmittelbar von ihrem Einkommen abhängig ist, spielt in diesen Statistiken eine erhebliche Rolle.

Neue Berufe und Jobs

Traditionelle Berufsbilder und Berufskarrieren verändern sich inhaltlich und in ihren äußeren Ausprägungen. Manche Berufe verschwinden beinahe unbemerkt: So verschwinden die Berufe des klassischen Reprotechnikers und des Druckers, dafür entstehen diese Berufsbilder in neuer Form durch die Digitalisierung. Ähnliches gilt im Medienbereich, bei Informationsleistungen und in vielen technischen Bereichen. Zehn der Top-Jobs im Jahre 2015 hat es 2005 noch nicht gegeben – zumindest konnten wir uns damals unter einem App-Designer oder einen Hochvolttechniker in der Automobilbranche noch nicht wirklich etwas vorstellen.

„Was mit Medien!“ ist eine der Top-Antworten, wenn man Schul- und Studienabgänger nach ihrem Berufswunsch fragt. Besonders Mutige sagen sogar „irgendwas mit Mindestsicherung!“. Dabei ist der Arbeitsmarkt in vielen Bereichen der Medienbranche bereits ziemlich gesättigt. Viele Journalisten haben Schwierigkeiten, Jobs zu finden. Und weil immer mehr Verlage und Redaktionen fusionierten, die Zahl der Leser von Printprodukten stetig sinke und sich Zeitungen nur suboptimal an den digitalen Wandel anpassten, werden immer mehr Journalisten arbeitslos werden, warnt das US-amerikanische Arbeitsministerium beispielsweise ausdrücklich. Wirtschaftsexperten haben diese Einschätzung für Europa bestätigt, was für die Spezialisten nicht schwer herauszufinden war, denn wir sind bereits mittendrin in dieser Entwicklung und lassen uns nun gemütlich von ihr hin- und herschaukeln.

Warum verschwinden Berufe? Ausschlaggebend ist der Wandel in Technik, Arbeitsorganisation und Wirtschaft. Auch fehlende Nachfrage oder die billig produzierende Konkurrenz aus Asien verändert die weltweite Berufs- und Produktionslandschaft. Von den 900 Berufen der Nachkriegszeit sind in Deutschland gerade mal 345 geblieben, in Österreich sind es etwas mehr als 200. Werden über mehrere Jahre hinweg in einem Beruf keine Anfänger mehr ausgebildet oder ist er nicht mehr zeitgemäß, wird er ersetzt oder abgeschafft. Die Branche teilt uns mit, welche Berufe sie nicht mehr benötigt. 2011 verschwand zum Beispiel der Handschuhmacher, 2010 der Emaille-Schriftenmacher, 2009 der Schiffszimmerer, 2008 der Schirmmacher. Mit den Berufen verschwindet auch ein Stück Kultur. Manchmal regt sich Widerstand. Der Geigenbauer ist so ein Beispiel, ein Traditionsberuf, doch eigentlich kaum noch benötigt. Nicht immer ist verschwunden, was in den Listen der Ausbildungsmöglichkeiten nicht mehr auftaucht. Die Branchen modernisieren die Berufe und ändern die Ausbildung, um sie zu retten und den heutigen Gegebenheiten anzupassen. 2013 starben in Deutschland gleich elf Metallberufe aus. Sie alle werden dann vom neuen und modernisierten Beruf der Fachkraft für Metalltechnik ersetzt.

Der Geomatiker erledigt nun, was einst Vermessungstechniker, Bergvermessungstechniker und Kartografen taten. Und der altmodische Müller hat vor fünf Jahren den Zusatz „Verfahrenstechnologe in der Mühlen- und Futtermittelwirtschaft“ bekommen. Das beschreibt wohl eher, was auf moderne Müller zukommt. Auch das Verhältnis der Anteile Produktion zu Dienstleistung und Service verschiebt sich zunehmend: Bei produktionsbezogenen Berufen gehen die Experten von einem Rückgang aus. Das verarbeitende Gewerbe ist ein wichtiger Abnehmer von Dienstleistungen und hat damit einen wesentlichen Einfluss auf das Wachstum des Dienstleistungssektors. Umgekehrt sind die Impulse, die von Dienstleistungen auf das verarbeitende Gewerbe ausgehen, geringer. Zahlreiche Studien haben auf dieses Zusammenspiel von Industrie und Dienstleistungen hingewiesen, in der wirtschaftspolitischen Debatte werden diese Zusammenhänge aber immer noch viel zu wenig beachtet und dementsprechend mangelhaft sind Unternehmen und Menschen informiert geschweige denn vorbereitet. Eine eindimensionale Beurteilung der Triebfedern des wirtschaftlichen Wachstums allein auf der Basis der Wirtschaftsstruktur einer Volkswirtschaft greift zu kurz. Sie unterschätzt die Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes und überschätzt diejenige des Dienstleistungssektors, was einen Rückgang an Technikerberufen unmittelbar zur Folge hat.

Das Arbeitsrecht ist „Out of Time“

Heute versuchen viele Unternehmen verzweifelt, die Arbeitswelt und deren Realitäten mit einem kasuistischen, übernormierten und zersplitterten Arbeitsrecht in Einklang zu bringen. Das ist eine sportliche Übung, denn zeitlich begrenzte Projektteams und Arbeitsgemeinschaften vermehren sich ebenso wie Möglichkeiten des Leasings von Arbeit und von Formen der Zusammenarbeit in wechselnden Funktionsbezügen. Dem Abbau von Arbeitskräften in der Industrie stehen beispielsweise wachsende Beschäftigungsfelder in den industrienahen Dienstleistungen gegenüber, die zusätzlich zur fachlichen Qualifikation unternehmerische Fähigkeiten voraussetzen. Die Sicherheit von verbeamteten Beschäftigungsverhältnissen wird obsolet, wenn das Verhältnis von Leistung und Kosten in Hinblick auf die globale Wettbewerbssituation nicht mehr stimmt – dies gilt nicht nur für den einzelnen Arbeitsplatz, sondern auch für Unternehmen und die Gesellschaft als Ganzes.

Diese neue Welt der Arbeit erfordert die Fähigkeit und die Bereitschaft, sich in wechselnde Arbeits- und Berufsumgebungen zu integrieren, eigene Leistungen und deren Nutzen zu präsentieren, zu vermarkten und auch in Zeiten wachsender äußerer Unsicherheit durch die Fähigkeit zur Orientierung, zur Weiterqualifizierung und durch unternehmerisches Handeln eine individuell abgestützte Sicherheit zu finden. Es ist die Aufgabe von Schule und Bildungswesen, junge Menschen mit dem für Leben und Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten. Aus den oben beschriebenen Entwicklungen bzw. längst schon Realitäten ergibt sich die Verantwortung, auf Tempo und Tiefgang dieser Veränderungen in der Berufs- und Arbeitswelt hinzuweisen und endlich daran zu arbeiten, jene Fähigkeiten und Einstellungen zu entwickeln, die es jungen Menschen ermöglichen, in einem real gegebenen Berufsumfeld ihren selbstbestimmten Weg zu gestalten.

Hire slow, fire fast – Wissen ist Macht

Sourcing ist HR- und Management-Aufgabe Nummer eins. Peter Drucker schrieb vor einigen Jahren in einem Artikel im Harvard Business Review: “the only comparative advantage of the developed countries is in the supply of knowledge workers”. Der Schwerpunkt künftiger Managementtätigkeit liege darin, Wissensressourcen im Unternehmen nutzbar zu machen. Wissen ist allerdings eine äußerst mobile Ressource: Sie befindet sich in den Köpfen der Mitarbeiter und kann beim Verlassen des Unternehmens problemlos mitgenommen werden. Das macht das Management dieser Ressource schwierig.

 

Mitarbeiterqualifikation, Mitarbeiterzufriedenheit und Mitarbeiterbindung sind längst zu bedeutsamen Kennzahlen in Unternehmen geworden, aber nur sehr wenige Unternehmen machen diese intangiblen Wissens- und Humanressourcen messbar und managebar. Dabei gibt es schon gute Ansätze, der Scandia Navigator ist einer davon: Dahinter steht die Annahme, dass der Wert eines Unternehmens weit mehr ist als der reine Buchwert, wichtiger und wertvoller ist das intellektuelle Kapital des Unternehmens und dieses soll erfasst und gemanagt werden.

Es ist eine Notwendigkeit für Unternehmen, Wissensbilanzen zu etablieren, die aussagekräftig, authentisch und nachhaltig sind, aber vor allem: die im Unternehmensvergleich verwendbar sind und ein transparentes Bild nach außen geben. Das Ergebnis muss eine Kennzahl sein: Wie viel ist das Wissen, das in unserem Unternehmen besteht, tatsächlich wert? Nur wenige Unternehmen investieren bisher in die Sichtbarmachung ihres intellektuellen Kapitals, dabei sollten auch die börsennotierten Unternehmen (und hier vor allem die europäische Industrie) massives Interesse an diesem wichtigen Entwicklungsschritt in der Unternehmensbewertung haben, könnte man denken.

Knowledge-Workers werden sich in Zukunft zunehmend als Berater, Part-Timers oder Joint-Venture-Partner verhalten. Die Suche nach neuen Formen der Zusammenarbeit, die den Bedürfnissen solcher Mitarbeiter besser gerecht werden, wird nicht ausbleiben. Produkte, Prozesse, Ausstattung, Hardware und so weiter werden in der Zukunft immer mehr zugunsten des Wissens und der Qualifikation der Mitarbeiter als spielentscheidender Faktor für den Unternehmenserfolg in den Hintergrund treten. Die Gattung Management-Buch ist anfällig für Wiederholungen. Natürlich. Die Probleme des Zusammenarbeitens und Wirtschaftens werden immer dieselben sein. Die Worthülsen drumherum ändern sich und es kommen auch neue Worte dazu, weil neue Formen der Kommunikation entstehen und neue Technologien in unser Leben Einzug halten. Aber die Antworten wurden alle schon gegeben. Immer wieder neu ist nur das Publikum. Es gibt neue Generationen, die vielleicht ein kleines bisschen anders auf die Dinge blicken. Aber vor allem gilt: Es gibt neue Menschen, die sich für diese Dinge interessieren. Hinzu kommt, dass wir uns natürlich selbst verändern, unsere Perspektiven ändern sich. Wir sind schlecht vorbereitet auf Unvorhergesehenes und haben einen hohen Bedarf an Orientierung. Reinhard K. Sprenger sagte in einem Interview, Menschen in Führungspositionen besäßen selbst kaum noch Orientierungsautorität. Sie versuchten ständig, Verantwortung an Experten zu delegieren und sich hinter Expertenwissen zu verstecken. Erfahrungswissen würde verdrängt. Dieses Phänomen sehen wir nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik, und zwar in einem Ausmaß, das von der fehlenden demokratischen Legitimation für Entscheidungen bis hin zum Verfassungsbruch reicht.

Unternehmen sind immer noch Status-quo-Organisationen

Wir sind mittendrin in einer Arbeitswelt, die mit jener vor zehn Jahren so gut wie nichts mehr gemeinsam hat. Trotzdem stellen sich Unternehmen und Menschen weder auf die Gegebenheiten ein, die sie umgeben, noch bereiten sie sich auf die Zukunft vor.

Unternehmen sind Status-quo-Organisationen. Man muss zugeben, dass sie immer nur rhetorisch und theoretisch zu neuen Ufern aufbrechen und ihnen Veränderungen grundsätzlich wesensfremd sind. Ein von außen kommender Impuls, der sagt, „jetzt sind wir fünf Jahre in eine Richtung gerannt, jetzt gehen wir mal in die andere“, der fördert die Neuorientierung und hält die Leute wach. Meistens kommt der Impuls von einer neuen Führungskraft oder einem neuen Eigentümer. Er muss sichtbar machen, dass sich unter seiner Führung etwas zum Besseren wendet und macht das Logische. Er macht es anders als sein Vorgänger, damit kann er nicht falsch liegen. Viele Autoren von Management-Literatur versprechen ihren Lesern Erfolgsrezepte und Werkzeugkisten, mit denen das Erhoffte gelingt. Meistens Veränderung, Verbesserung. Einmal kurz gegoogelt, fanden sich im Internet zehn Bücher über das Erfolgsmodell Apple – zum Nachmachen für jedermann sozusagen. Diese Übertragbarkeit existiert aber nicht, denn es wird Korrelation mit Kausalität verwechselt. Bei Korrelationen, sofern sie nicht zufällig sind, kann immer eine Kausalität vermutet werden. Die Korrelation sagt jedoch nichts über die Richtung der Kausalität aus. Beispiel: Der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre korreliert mit der Temperatur der Erde. Ob er nun aber die Ursache oder eine Folge des Temperaturverlaufs ist, bleibt zunächst einmal offen. Noch ein Beispiel: „Reichtum schützt vor Herzinfarkt“. Wenn man also die Kluft zwischen Arm und Reich verkleinert, so eine Interpretation, wären die Menschen gesünder. Drehen wir als Test doch einmal die Aussage um. Klingt das auch noch sinnvoll? „Gesündere Menschen sind reicher“. Klingt nachvollziehbar, schließlich bedeutet Gesundheit Leistungsfähigkeit. Daraus könnte man also schließen, wenn die Leute gesünder wären, würde die Kluft zwischen Arm und Reich verkleinert. Bevor wir also Handlungsbedarf anmelden, sollten wir noch einmal genauer hinsehen, in welche Richtung die Kausalität geht.

Ein letztes Beispiel: Kevin und Chantal sind schlecht in der Schule. Sind sie schlecht, weil sie so heißen? Oder heißen schlechte Schüler häufiger so? Oder existiert der Einfluss eines dritten Faktors und ist es so, dass sozial schwache Eltern Kinder haben, die oft schlecht in der Schule sind und die sie häufiger Kevin und Chantal nennen?

Unternehmerischer Freiraum macht zukunftsfähig Compliance

Kleinste Dinge werden in Unternehmen geregelt und auf ihnen liegt größte Aufmerksamkeit. Eine Art Ablenkungsmanöver, denn durch die Komplexität der großen Zusammenhänge fehlt der Blick auf die wesentlichen Faktoren, die es im Inneren zu regeln gilt. Im Prinzip geht es darum, letzte Reste von Selbstverantwortung und Unternehmertum zu verteidigen. In vielen Firmen ist heute alles verboten, was nicht explizit erlaubt ist. Wenn in Belgien bei einem Handelsunternehmen ein Kühlschrank umfällt und ein Kind von diesem Kühlschrank getötet wird, greift anschließend die Politik ein. Und jetzt muss jeder Kühlschrank in Europa doppelt befestigt werden, auch wenn in den 130 Jahren davor nie ein Kühlschrank umgefallen ist. Das kostet Milliarden.

Die Notwendigkeit, nach mehr unternehmerischem Freiraum zu rufen, ist heute dringender denn je. Veränderungen sind Unternehmen wesensfremd – und auch den meisten Menschen wohnt der Wunsch und die Bereitschaft zu Veränderung nicht wirklich inne. Eine der wichtigsten Führungsaufgaben aber ist es, die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern und dazu braucht es heute nach allgemeiner Ansicht möglichst viel Information über möglichst alles. Zu viele Informationen maximieren aber die Ungewissheit. Je mehr Informationen Entscheidungsträger zur Verfügung haben, desto mehr treten Unternehmen auf der Stelle, wenn vor lauter Kontrolle und Informations-Einholung erst recht keine Entscheidungen mehr getroffen werden. Das Unternehmen weiß also immer noch nicht genau, in welche Richtung es sich verändern soll, es sei denn, die Prognosen der Berater sind wirklich eindeutig. Dann weiß das Unternehmen aber immer noch nicht, wie es sich verhalten soll, wenn alles anders kommt als vorhergesagt! Nichts Neues also? Wieso geht es uns dann nicht besser? Neu ist an unserem Buch also im Grunde nichts. Im Gegenteil. Das meiste davon ist schon ziemlich alt. Wir scheinen vieles nur vergessen zu haben, das es wert ist, in Erinnerung gerufen zu werden und dass man wieder einmal darüber nachdenkt.

Macht und ihre Spielarten
Macht

„Wenn Sie in Ihrem Garten einen Apfelbaum haben und hängen nun an denselben einen Zettel, auf den Sie schreiben: Dies ist ein Feigenbaum, ist denn dadurch der Baum zum Feigenbaum geworden? Nein, und wenn Sie Ihr ganzes Hausgesinde, ja alle Einwohner des Landes herum versammelten und laut und feierlich beschwören ließen: Dies ist ein Feigenbaum – der Baum bleibt, was er war, und im nächsten Jahr, da wird sich’s zeigen, da wird er Äpfel tragen und keine Feigen. […] Was auf das Blatt Papier geschrieben wird, ist ganz gleichgültig, wenn es der realen Lage der Dinge, den tatsächlichen Machtverhältnissen widerspricht ...“ (Ferdinand Lassalle: Über Verfassungswesen: Interpretation und Kritik der vorliegenden Quelle; Frank Baumann (Autor), Ausgabe: 4. November 2013)

Macht. Ein altertümliches Wort irgendwie, aber faszinierend. Was ist Macht? Die Frage ist nicht neu und sie ist berechtigt. Seit Menschen angefangen haben, über sich selbst nachzudenken, stehen die Grundtatsachen des menschlichen Zusammenlebens auf dem Prüfstand und entsprechend vielfältig sind die Antworten, die im Laufe der Geschichte auf die Frage nach der Macht gegeben wurden. Max Weber definiert Macht als „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichwie, worauf diese Chance beruht.“ (Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, S. 28)

Die Kurzdefinition im Springer-Gabler-Wirtschaftslexikon lautet „Macht. Wirtschaftlich: Möglichkeit einzelner oder mehrerer zusammenwirkender Wirtschaftssubjekte zur Beeinflussung der Willensentscheidung anderer Wirtschaftssubjekte zur Förderung der eigenen Interessen.“ (http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/macht.html)

Das klingt gleich weniger sympathisch als die Idee von Max Weber.

Die Macht sei mit Dir!

Die beiden Definitionen und was sie beim Lesen in uns auslösen, zeigen uns ein Wort, das fantastische Dehnungsübungen vollbringen muss, um allen Vorstellungen von ihm gerecht zu werden. Im Englischen oder Französischen werden die Worte für Macht – power und pouvoir – mit Kraft in Verbindung gebracht und sind absolut positiv besetzt. Unser Wort Macht hingegen scheint einen permanenten Trittbrettfahrer zu haben – nämlich die Gewalt. Beide Begriffe werden vielfach synonym verwendet und besetzen im Wechsel dieselben Bedeutungsfelder. In einer Zeit, in der es so viele Kriegs- und Krisengebiete auf der Welt gibt wie seit Langem nicht und in der selbst in Unternehmen kriegsähnliche Zustände herrschen, ist es nicht verwunderlich, dass die Begriffe zunehmend verschwimmen. Wirtschaftlicher Druck, das Auseinanderdriften von Arm und Reich, Konkurse von großen Unternehmen vielfach belastet mit der Hypothek von Machtmissbrauch und Korruption, Bestechung und Betrug. Macht wandelte sich mit der Zeit. Wer heute nach Macht fragt, findet sie in anderer Gestalt als zum Beispiel in der Antike. Vor nicht so langer Zeit war die Antwort auf die Frage klar, wer die mächtigste Person in einem Unternehmen sei. Es war immer die, die sich in der Hierarchie ganz oben befand. Heute ist das ganz anders. Macht ist kaum zu orten, es ist kaum auszumachen, wer ein Land, ein Unternehmen, ein Team tatsächlich beeinflusst, steuert und festlegt, wohin die Entwicklung geht: Die Konzerne? Die Politik? Die Menschen? Viele verbinden Macht mit Politik, Banken, Top-Führungskräften, Unternehmerpersönlichkeiten oder großen Konzernen und sie denken dabei eigentlich an den Missbrauch von Macht. Dabei ist Macht grundsätzlich etwas Wertneutrales und Macht findet immer statt. Es gibt kein funktionierendes Modell menschlichen Zusammenlebens ohne Machtbeziehung. Ein so großes Wort gibt es nicht ohne Gegenleistung. Welche Pflichten gehen nun mit Macht einher? Muss der Mächtige tugendhaft sein, wie Aristoteles meint, oder ist er zwangsläufig korrupt, wie Machiavelli es geradezu empfiehlt? Oder verhält es sich so wie Immanuel Kant schreibt: „Macht ist ein Vermögen, welches großen Hindernissen überlegen ist. Ebendieselbe heißt eine Gewalt, wenn sie auch dem Widerstande dessen, was selbst Macht besitzt, überlegen ist.“ Kants Definition deutet es bereits an. Wer verantwortungsvoll mit Macht umgehen will, kann eigentlich nur eines tun: Bewusst und wohlüberlegt handeln und die zur Verfügung stehende Macht gut einsetzen. Das hört sich schön an, aber nicht immer steht der verantwortungsbewusste Umgang mit Macht im Vordergrund. Vor allem dann nicht, wenn manche Mächtige erst einmal erkannt haben, dass es auch ohne Konsens, ohne Nachdenken und ohne Respekt gelingt, seinen Willen durchzusetzen.