Transformation

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Transformation
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Klaus-Dieter Thill



Transformation





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Inhaltsverzeichnis





Titel







Einleitung







1 Was die Digitalisierung für die Praxisarbeit konkret bedeutet







2 Die Grenzen und Möglichkeiten der Digitalisierung zur Unterstützung der Praxisarbeit







3 Wie die Digitalisierung den Handlungsrahmen der Praxisarbeit verändern wird







4 Welche Anforderungen die Digitalisierung an die Fähigkeiten der Ärzte stellt







5 Praxisinterne Voraussetzungen für die digitale Transformation der Arbeit







6 Individuelle Umsetzung der Digitalisierung in der Arztpraxis







Impressum neobooks







Einleitung



Die Digitalisierung wird in den nächsten Jahren den Arbeitsalltag in allen Wirtschaftsbereichen verändern, somit natürlich auch im Gesundheitswesen und speziell in Arztpraxen. Dieser Wandel betrifft nicht nur die medizinischen Tätigkeiten in Form von Anamnese, Diagnostik und Therapie, sondern auch das Management der Praxisbetriebe. Insgesamt ist davon auszugehen, dass aus den damit verbundenen Vorbereitungen und Umstellungen für Haus- und Fachärzte / -ärztinnen sowie für Medizinische Fachangestellte eine Vielzahl vollkommen neuer An- und Herausforderungen resultiert.

Gegenwärtig ist der Digitalisierungs-Beginn im ambulanten Bereich durch ein zweigeteiltes Bild geprägt: auf der einen Seite stehen Praxisinhaber und ärztliche Interessen-Vertretungen dem Transformations-Gedanken zu einem großen Teil abwartend bis ablehnend gegenüber, auf der anderen Seite besteht seitens der übrigen Akteure - angefangen bei Politikern über Krankenkassen und Patienten bis hin zu Anbietern von Digital-Lösungen - eine starke Motivation, die Digitalisierung möglichst rasch und umfassend zu implementieren.

Verschärft wird das Problem durch die Multi-Dimensionalität der Materie, d. h. neben den unterschiedlichen Standpunkten und Sichtweisen müssen - anders als bei der Einführung des Qualitätsmanagements oder des Medikationsplans - viele verschiedene Betrachtungsebenen, Aspekte und Perspektiven beachtet werden. Aus dieser unübersichtlichen Vielfalt sind im Laufe der Zeit Missverständnisse, Fehlinterpretationen und Informationsdefizite entstanden, die dazu geführt haben , dass die Digitalisierung und ein mit ihr vielfach assoziierter umfassender Anspruch - „Alles wird digital!“ - in den Augen der Mediziner wie ein Korsett wirkt und die Befürchtung fördert, digitalen Methoden, Techniken und Instrumenten ausgeliefert zu sein.  Diese Publikation vermittelt auf der Basis der Erkenntnisse des Marktforschungs-Projektes „d-change©: Digitalisierung der Arztpraxis“ einen Einblick, was Digitalisierung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte tatsächlich bedeutet bzw. bedeuten kann, warum es sich lohnt, sich jetzt mit dem Thema zu beschäftigen und wie man als Praxisinhaber für seinen Praxisbetrieb ein passende Digital-Konzept vorbereiten kann.






1 Was die Digitalisierung für die Praxisarbeit konkret bedeutet

1.1 Warum niedergelassene Ärzte Probleme mit der Transformation haben



Die Zurückhaltung niedergelassener Ärzte in Bezug auf die digitale Transformation ihrer Tätigkeit ist eine durch eine Vielzahl von verlässlichen Untersuchungen gelegte Tatsache. Hierfür sind mehrere Gründe verantwortlich

Diffuse Definition

Der Digitalisierungs-Begriff wird in Publikationen, Vorträgen und in der öffentlichen Diskussion inflationär und gleichzeitig sehr undifferenziert verwendet. Hierdurch ist es zu Fehleinschätzungen und Vorurteilen gekommen, die eine qualifizierte Diskussion teilweise unmöglich machen.

Ja-Aber-Ambivalenz

Sichtet man die Berichterstattung in Fachmedien, so sind die Inhalte durchaus Transformation-freundlich ausgelegt, in der Gesamtbetrachtung enthalten die Beiträge dann aber mehr - zum Teil durchaus berechtigte - Warnungen und Einschränkungen als konkrete Anwendungs-Motivation. Auch ärztliche Interessen-Verbände betonen einerseits immer wieder die Wichtigkeit der Digitalisierung. Die Ausführungen, die dem sich anschließenden "aber" dann folgen, überdecken jedoch in ihrem Umfang die positiven Bekundungen, vor allem in Form der fast übermächtigen Datenschutz- und Kostendeckungs-Argumente. Dabei sollte deren Bedeutung nicht gemindert werden, aber sie dürfen nicht dazu eingesetzt werden, jeden Ansatz im Keim zu ersticken.

Das TI-Projekt

Ganz besonders prägend für die Definition der Digitalisierung und ihre Fehlleitung ist das Negativ-Image des mit der Arbeit von Arztpraxen eng assoziierten Telematikinfrastruktur-Projektes, das für viele Ärzte die Transformation repräsentiert. Die sich über Jahre erstreckende Vorlaufzeit und die fortwährenden Diskussionen über die Verantwortung der Verzögerungen haben dazu geführt, dass Praxisinhaber der konkreten Umsetzung in ihren Betrieben äußerst negativ entgegensehen, vor allem, wenn schon die Experten ein derartiges Projekt nicht „in den Griff bekommen“.



Insgesamt haben sich die bis heute nicht endenden Projekt-Querelen stark negativ auf den Gesamtkomplex der Digitalisierung abgefärbt. Die ohnehin relativ geringe Bereitschaft, sich mit den Möglichkeiten der digitalen Transformation zu beschäftigen, wird durch den Eindruck ergänzt, dass Digitalisierung ein unausgegorener, schwieriger, zeitaufwendiger und vor allem Medizin-ferner Prozess ist. Bei der ärztlichen Bewertung des TI-Projektes wird inzwischen der Versorgungs-Nutzen deutlich durch die Implementierungs-Administration überlagert.

Nicht-Digitalisierung als Abstrafungs-Grund

Ein weiterer Aspekt, der die Digitalisierung zu einem „ungeliebten“ Projekt macht, ist die in Zusammenhang mit der Telematik-Einführung geäußerte Androhung einer Sanktionierung von Umsetzungs-Verspätungen durch Honorar-Abzug. Natürlich muss es Instrumente geben, die eine zeitliche Strukturierung sicherstellen, allerdings sollten bei derartigen Ankündigungen sowohl der Kontext als auch die „Nebenwirkungen“ in Betracht gezogen werden. Insgesamt hat die Ankündigung der Honorarkürzungen die negativ geprägte Sicht der Digital-Entwicklung ergänzend verstärkt.

Zukunfts-Bewertung mit Gegenwarts-Kriterien

Hinzu kommt die im Gesundheitswesen besonders ausgeprägte Grundhaltung, die Möglichkeiten und Bedeutung von Zukunfts-Szenarien mit den Regelungen, Vorschriften und Gegebenheiten der Gegenwart zu bewerten: für die eine Lösung existiert keine rechtliche Grundlage, für die andere gibt es noch keine breiteren Anwendungserfahrungen, die Konsequenz ist dabei immer wieder die gleiche: eine Realisierung der Ideen und Ansätze ist nur schwer oder gar nicht möglich.



Um die Relevanz und Möglichkeiten der Transformation für Haus- und Fachärzte / ärztinnen zu bestimmen, muss deshalb die gegenwärtig existierende, diffus-emotionale Definition der Digitalisierung durch eine realitätsbezogene Betrachtung ersetzt werden, um auf einer objektivierten Basis die tatsächlichen Möglichkeiten und Grenzen erkennen zu können. Für eine derartige Präzisierung sind folgende Dimensionen zu berücksichtigen:





1.2 Gesundheitswirtschaftliche und Arztpraxis-bezogene Betrachtung der Digitalisierung



Der Begriff „Digitalisierung“ ist nicht nur im Gesundheitswesen auf zwei Ebenen zu betrachten: als gesamtwirtschaftliche Entwicklung und als unternehmerische (einzelwirtschaftliche) Entscheidung.

Der gesamtwirtschaftliche Aspekt

 Die meisten derzeit stattfindenden Diskussionen und die Berichterstattung beziehen sich fast ausschließlich auf den gesamtwirtschaftlichen Aspekt. Das ist speziell im Gesundheitswesen vor allem dadurch bedingt, dass unter dem übergeordneten Aspekt der Patientenversorgung alle hierfür direkt und indirekt relevanten Sektoren und Akteure sowie ihre Beziehungen untereinander in die Betrachtung einzubeziehen sind. Die mediale Abhandlung der Digitalisierung ist deshalb zwangsläufig durch eine Vielzahl an Aspekten geprägt, die niedergelassenen Ärzten eine Orientierung erschweren und den Eindruck von etwas Absolutem, Soghaftem, Unumgänglichen, teilweise Bedrohlichem und kaum Steuerbarem entstehen lassen. Hinzu kommt eine programmatische und theoretische Behandlung des Themas, die auf allgemeine Vorteile und grundsätzliche Aspekt abzielt, nicht aber die konkreten Fragen beantwortet, die Praxisinhaber im Hinblick auf die konkrete Transformation in ihren Betrieben haben. 

Der einzelwirtschaftlich-unternehmerische Aspekt

 Wechselt man die Betrachtungs-Perspektive auf die einzelwirtschaftlich-betriebliche Ebene des „Unternehmens Arztpraxis“, wird deutlich, dass Richtung und Ausmaß der Digitalisierung durch das Digital-Interesse des einzelnen Arztes, seine Praxis-Strategie, medizinische Schwerpunkte, die Patientenstruktur, die praxisbezogenen Behandlungskonzepte und durch die persönliche ärztliche Arbeitsweise bestimmt werden. Digitalisierung bedeutet auf der Praxisebene zwar die Umsetzung allgemein gültiger Standards, z. B. in Form der Telematikinfrastruktur, darüber hinaus aber die individuell-selektive Auswahl und Nutzung von Angeboten, jedoch keinen grundsätzlichen Zwang. Oder anders formuliert: kein Arzt muss – von gesetzlichen Vorgaben abgesehen – seine Arbeit digitalisieren. Doch das sehen bislang die meisten Praxisinhaber anders: „Wer nicht mitmacht, ist weg vom Fenster!“, äußerte in einem Interview ein Arzt seinen Frust. Wie er beklagen viele Mediziner, durch einen „Absolutheits-Anspruch“ der Ausführungen zur Transformation instrumentalisiert zu werden, d. h. keine Entscheidungsfreiheit im Hinblick auf einen persönlich-differenzierten Umgang mit den Digital-Ansätzen zu haben. Kein Wunder also, dass die Transformation eher als inakzeptabler Zwang ohne wirklichen Nutzen für die Arbeit und die Patientenversorgung gesehen wird und kaum als Option, die individuellen Arbeitsbedingungen und die Patientenversorgung deutlich zu verbessern. Deshalb ist es wichtig, noch einmal explizit darauf zu verweisen, dass die Digitalisierung - unabhängig vom thematischen „Mainstream“ - eine individuelle Wahl- und Entscheidungs-Möglichkeit ist. Dieser Aspekt wird noch deutlicher, wenn man die drei Bereiche betrachtet, in denen die Digitalisierung in Arztpraxen stattfinden kann.

 





1.3 Die Digitalisierungs-Trias in Arztpraxen



Die Transformation der Arbeit in Arztpraxen kann in drei Bereichen erfolgen:

(1) Die systembezogene Digitalisierung

Sie ist das „digitale Pflichtprogramm“ der Ärzte und definiert den verbindlichen Grundausstattungs- und Handlungsrahmen. Hierzu zählt vor allem das Telematik-Projekt, aber auch die Labordaten- und Klinik-Kommunikation oder die elektronische Version des Medikationsplans.

(2) Die patientenbezogene Digitalisierung

Hierunter werden alle Digital-Lösungen subsumiert, die von Ärzten über den Systemrahmen hinaus individuell bei der direkten Patientenbetreuung und -Versorgung einsetzbar sind. Ihre Auswahl ist stets das Ergebnis persönlich-unternehmerischer Entscheidungen. In diese Kategorie fallen bereits heute in ersten Ansätzen genutzte Techniken wie die Online-Videosprechstunde oder die E-Mail-Kommunikation, aber zukünftig vor allem der Einsatz von Apps, Sensoren und Trackern sowie die Nutzung von KI-Systemen zur Unterstützung der diagnostischen und therapeutischen Arbeit.

(3) Die managementbezogene Digitalisierung

In dieser Kategorie geht es um die Transformation der Administration und Organisation in Arztpraxen. Im Mittelpunkt steht hierbei die Praxis-Software und ihre Nutzung als Instrument für das Patient Relationship-Management (PRM), aber auch der Einsatz von Online-Terminbuchungen, die Datenerfassung mit Hilfe mobiler Endgeräte oder die Anwendung von Speech-To-Text-Programmen.





1.4 Technik und Inhalte der Digitalisierung



Ein weiterer Ansatz zur Präzisierung des Begriffs ist die Differenzierung zwischen der Technik, z. B. in Form von Geräten oder Apps einerseits und den datentechnischen Möglichkeiten andererseits, die durch die Digitalisierung geschaffen werden. Ein Beispiel sind KI-Expertensysteme, die in der Lage sind, aus den Daten großer Patientenkollektive in kürzester Zeit spezifische diagnostische sowie therapeutische Empfehlungen abzuleiten. Die Systeme erweitern in ihrer Assistenzfunktion die ärztliche Entscheidungs-Grundlage, in die ebenfalls – wie bisher – die individuelle Kenntnis des einzelnen zu behandelnden Patienten und die persönlichen Erfahrungen des einzelnen Arztes einfließen.





1.5 Fazit



Ärzte sind keine „Opfer“ der Digitalisierung, sondern deren Gestalter. Art und Umfang der Transformation hängen von der Digital-Affinität des einzelnen Praxisinhabers, von seiner Strategie, den Patienten-Zielgruppen und von seinem Praxis-Konzept ab. Die Transformation der Arbeit einer Arztpraxis ist damit primär eine individuell-unternehmerische Entscheidung mit weitreichender Gestaltungsfreiheit.







2 Die Grenzen und Möglichkeiten der Digitalisierung zur Unterstützung der Praxisarbeit



Unter diesem Aspekt konzentriert sich die Transformations-Entscheidung einer Praxisinhaberin oder eines Praxisinhabers im Kern auf die Frage, welchen Nutzen die Patienten und die eigene Praxis durch entsprechende Ergänzungen, Umstellungen und Anpassungen haben.





2.1 Grundsätzliche Aspekte



Die mit der Digitalisierung einer Arztpraxis verbundenen Ziele bestehen in der Unterstützung und Verbesserung der Patientenversorgung, sowohl in der eigenen Praxis als auch in der Kooperation mit anderen Leistungserbringern, einschließlich der zugehörigen Arbeitsprozesse.

Eine Umsetzung führt - wie die ersten Erfahrungen bereits in Ansätzen, aber noch nicht repräsentativ zeigen - zu einer Vielzahl positiver Effekte:

Erhöhung der Entscheidungsqualität

 Der wohl wichtigste Vorteil der Digitalisierung - sowohl für Ärzte als auch für ihre Patienten - ist die Steigerung der Diagnostik- und Therapiequalität durch eine verbesserte Entscheidungs-Grundlage. Hierzu trägt nicht nur die Möglichkeit bei, die benötigten Rahmen- und Vitaldaten wesentlich einfacher, umfassender, detaillierter und engmaschiger zu erfassen, sondern auch die Option, große Bestände medizinischer Daten im Hinblick auf die Beantwortung individueller Fragestellungen nutzen zu können, so dass insgesamt die Entscheidungsqualität gesteigert wird.

Optimierte Datenverfügbarkeit auf allen Leistungsstufen</

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