Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern

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Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern
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Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern

von

Katrin Cosack


www.cfmueller.de

Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern › Herausgeber

Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

Herausgegeben von

Prof. Dr. Mark Deiters, Münster

Prof. Dr. Thomas Rotsch, Gießen

Prof. Dr. Mark Zöller, Trier

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-8114-4454-6

E-Mail: kundenservice@cfmueller.de

Telefon: +49 89 2183 7923

Telefax: +49 89 2183 7620

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Vorwort

Die Frage nach einer möglichen Strafbarkeit von Betriebsräten wegen Pflichtverletzungen gegenüber Arbeitnehmern begegnet nicht selten politischen Vorbehalten.

Ziel dieser Arbeit war es jedoch nicht, die häufig hoch verdienstvolle Betriebsratsarbeit generell einem strafrechtlichen Regime zu unterstellen. Vielmehr ging es mir darum, zu untersuchen, ob und in welchen Extremfällen es auch in der betrieblichen Mitbestimmung zu strafwürdigem Verhalten kommen kann, welche Rolle Korruption dabei spielt und wie ein möglicher Machtmissbrauch von Betriebsräten zu verhindern ist.

Die einfache Antwort auf letzteres wurzelt in der allgemeingültigen Erkenntnis, dass die Vergabe von Macht nur zusammen mit persönlicher Verantwortung funktioniert. Einen solchen, andernorts selbstverständlichen, Regulationsmechanismus auch im Betriebsverfassungsgesetz zu etablieren, sollte meines Erachtens über politische Grenzen hinweg zustimmungsfähig sein, zumal die gesetzlichen Änderungen, die hierzu vorzunehmen wären, marginal sind.

Mein Doktorvater, Herr Univ.-Professor Dr. Bernd Hecker, stand dieser Thematik von Anfang an unvoreingenommen und interessiert gegenüber, wofür ich ihm zutiefst dankbar bin. Dass ich jederzeit auf seine unmittelbare Unterstützung zählen konnte, hat mich menschlich nachhaltig beeindruckt. Es war eine Freude und eine Ehre, bei ihm promovieren zu dürfen.

Das Zweitgutachten hat Herr Univ.-Professor Dr. Thomas Raab erstellt.

Ein herzlicher Dank geht an Herrn Univ.-Professor Dr. Mark Zöller, der sich für die Aufnahme meiner Abhandlung in diese Reihe eingesetzt hat.

Außerdem danke ich der Handwerkskammer Trier dafür, dass sie dieser Schrift den Ökonomiepreis 2015 zuerkannt hat.

Sie wurde im Sommersemester 2015 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Trier als Dissertation angenommen.

Insbesondere und von Herzen danke ich schließlich meinem Mann Professor Dr. Tilman Cosack und unseren Töchtern Louisa und Emma. Ihr wisst, wofür.

Trier im Juli 2015

Katrin Cosack

Vorwort › Widmung

Für meinen Vater

Jochen Finkmann

in liebevoller Erinnerung an meine Mutter

Veronika Finkmann (1946 – 2011)

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum?

A.Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung

I.Arbeitsgerichtliche Realität

1.Urteil des LAG Köln 2004

2.Urteil des LAG Sachsen 2008

II.Strafrechtliche Annäherung

III.Gang der Untersuchung

B.Autonomie der Betriebsverfassung contra Strafverantwortung des Staates

I.Einordnung der Problematik unter das Verhältnis von Legalitäts- und Opportunitätsprinzip

II.Argumente gegen die Anwendung von Strafrecht im kollektiven Arbeitsrecht im Licht des Opportunitätsprinzips

1.Autonomie der Betriebsparteien

2.Kriminalisierung des Arbeitsrechts

3.Arbeitsrechtlicher Grundsatz der individuellen Rechtsverteidigung

4.Gefährdung der betrieblichen Mitbestimmung durch Haftungsrisiken

III.Auseinandersetzung mit den Argumenten der Strafrechtsgegner

1.Zum Argument der Gefährdung der betrieblichen Mitbestimmung durch Haftungsrisiken

2.Zum Argument der Autonomie der Betriebsparteien

3.Zum Argument der Kriminalisierung des Arbeitsrechts

4.Zum arbeitsrechtlichen Grundsatz der individuellen Rechtsverteidigung

IV.Ergebnis zu B.: Kein genereller Ausschluss der staatlichen Strafverantwortung unter Opportunitätsgesichtspunkten

C.Ausschluss staatlicher Strafverantwortung wegen ausreichender Ahndungs- und Kontrollmechanismen des Betriebsverfassungsrechts?

I.Straf- und Bußgeldvorschriften gemäß §§ 119 ff. BetrVG

1.Teilnehmerstrafbarkeit gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

2.Antragserfordernis gemäß § 119 Abs. 2 BetrVG

3.Ergebnis zu I.

II.Ahndung der Verletzung gesetzlicher Pflichten gemäß § 23 BetrVG

 

1.Anwendungsbereich

2.Nachteile

3.Ergebnis zu II.

III.Rechtsschutzmöglichkeiten der Arbeitnehmer gegen den Betriebsrat im Rahmen einzelner Mitbestimmungsrechte

1.Mitbestimmung bei vorübergehender Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

2.Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen gemäß § 99 BetrVG

3.Widerspruchsrecht bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG

a)Vorläufiger Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG

b)Allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch

c)Vergleich zwischen vorläufigem und allgemeinem Weiterbeschäftigungsanspruch

d)Fehlende Transparenz und Korruptionsgefahr

4.Das Zustimmungserfordernis gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG

5.Druckkündigung gemäß § 104 BetrVG

6.Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG i.V.m. § 1 Abs. 5 KSchG

a)Voraussetzungen und Auswirkungen

b)Keine gesetzliche Absicherung der ordnungsgemäßen Sozialauswahl durch den Betriebsrat

7.Sozialplan gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG

IV.Ergebnis zu C.

D.Ausschluss von Strafe als Ultima Ratio aufgrund unrechtskompensierender zivilrechtlicher Haftung?

I.Denkbare Anspruchsgrundlagen

1.Vertragliche Ansprüche gegen den Betriebsrat

2.Bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen den Betriebsrat

3.Haftung des Arbeitgebers für sein eigenes oder das Fehlverhalten des Betriebsrats

4.Deliktische Ansprüche gemäß §§ 823 ff. BGB

a)Haftung des Kollegialorgans

b)Haftung des einzelnen Betriebsratsmitglieds

aa)Einschränkung wegen grundsätzlicher Inkompatibilität von Delikts- und Betriebsverfassungsrecht?

bb)Einschränkung der für § 823 Abs. 2 BGB in Betracht kommenden Schutzgesetze auf solche, die ein Betriebsratsmitglied allein verletzen kann?

cc)§ 75 BetrVG als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB?

dd)Keine praktische Durchsetzbarkeit wegen Nichtanwendbarkeit von § 830 Abs. 1 S. 2 BGB

II.Ergebnis zu D.

E.Zusammenfassung zum 1. Teil

Teil 2 Untreue von Betriebsräten gegenüber Arbeitnehmern

A.Tatbestandsvoraussetzungen der Untreue gem. § 266 Abs. 1 StGB und Verfassungsmäßigkeit laut Bundesverfassungsgericht

I.Tatbestandsvoraussetzungen

II.Verfassungsmäßigkeit

B.Vermögensqualität des Arbeitsverhältnisses

I.Abgrenzung zur Arbeitsleistung als Vermögenswert

II.Der zukünftige Lohn-/Gehaltsanspruch als Anwartschaft

1.Allgemeine Voraussetzungen für den Vermögenscharakter einer Exspektanz

2.Konsequenzen für den zukünftigen Lohn-/Gehaltsanspruch

III.Notwendigkeit restriktiven Herangehens wegen §§ 266 Abs. 2, 263 Abs. 3 Nr. 3 StGB

IV.Ergebnis zu B.

C.Die Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitnehmer

I.Die Vermögensbetreuungspflicht als besonderes persönliches Merkmal und ihre Bedeutung als Garantenpflicht

II.Inhalt der Vermögensbetreuungspflicht

III.Darstellung und Auseinandersetzung mit der Auffassung Lobingers zur Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats gegenüber Arbeitnehmern

1.Die „verfügungsgleiche Macht“ des Betriebsrats nach Lobinger

a)Im Rahmen des Sozialplans gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG

b)Im Rahmen des Interessenausgleichs mit Namensliste gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG i.V.m. § 1 Abs. 5 KSchG

c)Im Rahmen des Widerspruchsrechts bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG

2.Keine allgemeine Vermögensbetreuerstellung des Betriebsrats

a)Argumentation Lobingers

b)Würdigung seiner Argumentation

3.Lobingers Trias der Beteiligungstypen und ihre Bedeutung für die Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats

a)Kategorienbildung anhand des Innenverhältnisses

aa)Erster Typus: Wahrnehmung eigener Rechte des Betriebsrats

bb)Zweiter Typus: Betriebsrat als Medium des Individualschutzes

cc)Dritter Typus: Wahrnehmung (betriebs-)öffentlicher Interessen durch den Betriebsrat

dd)Lobingers Ergebnis: Vermögensbetreuungspflichten nur im zweiten Typus möglich

b)Konkrete Schlussfolgerungen Lobingers aus seiner Kategorienbildung und Auseinandersetzung mit diesen

aa)Hinsichtlich der Druckkündigung gemäß § 104 BetrVG

bb)Hinsichtlich der Namensliste gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG i.V.m. § 1 Abs. 5 KSchG

cc)Hinsichtlich des Sozialplans gemäß § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG

dd)Hinsichtlich des Widerspruchsrechts des Betriebsrats bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG

4.Ergebnis zu III.

IV.Eigener Ansatz: Zurück zu den formalen Vorgaben des § 266 Abs. 1 StGB

 

1.Die unterschiedliche Bedeutung der Quellen von Vermögensbetreuungspflichten in Missbrauchs- und Treuebruchtatbestand

a)Auslegung des Wortlauts von § 266 Abs. 1 StGB und unterschiedliche Bedeutung der Rechtsgründe in Missbrauchs- und Treuebruchvariante

b)Auslegung nach Sinn und Zweck und Auswirkung auf die allein durch Gesetz begründete Vermögensbetreuungspflicht des Treuebruchtäters

c)Ergebnis zu 1.

2.Das Gesetz als einzige Quelle von Vermögensbetreuungspflichten des Betriebsrats

3.Voraussetzungen der Vermögensbetreuungspflichtverletzung des Treuebruchtäters mittels Gesetzesverstoß

4.Befugnis des Betriebsrats zu rechtsgeschäftlicher Verfügung über Vermögenswerte von Arbeitnehmern i.S.d. Missbrauchsvariante?

a)Befugnismissbrauch durch nachteilige Betriebsvereinbarung?

aa)Streit hinsichtlich „umfassender Regelungskompetenz“ der Betriebspartner

(1)BAG contra Teile der neueren Literatur

(2)Eigene Auffassung

bb)Ergebnis zu a)

b)Befugnismissbrauch durch andere nachteilige kollektive Vereinbarung?

c)Ergebnis zu 4.: Kein Missbrauch durch Betriebsrat denkbar

5.Formale und inhaltliche Anforderungen an ein Vermögensbetreuungspflichten begründendes Gesetz im Rahmen des Treuebruchtatbestandes

a)Formale Anforderungen an ein Vermögensbetreuungspflichten begründendes Gesetz

b)Inhaltliche Anforderungen an ein Vermögensbetreuungspflichten schaffendes Gesetz

aa)Die Rechtsbeziehung zum Vermögensinhaber als Einzelpflicht

bb)Hauptpflicht zum Vermögensschutz

(1)BGH zu Siemens/AUB

(2)BGH zum Kölner Parteispendenfall

c)Ergebnis zu 5.

6.Der Pflichtcharakter der betriebsverfassungsrechtlichen Generalklauseln und seine Ausstrahlungswirkung auf einzelne Mitbestimmungsrechte

a)§ 2 Abs. 1 BetrVG

aa)Ausstrahlungswirkung auf Mitbestimmungsrechte

bb)Jedoch kein individueller Arbeitnehmerschutz

b)Arbeitnehmerschutz durch das Überwachungsgebot gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG

aa)Recht und Billigkeit

bb)Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsgebot

cc)Auswirkung der Legalitätspflicht auf Beurteilungs- und Ermessensspielraum der Beteiligungsrechte

(1)Im Rahmen des Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Voraussetzungen eines Mitbestimmungstatbestands

(2)Im Rahmen des Ermessensspielraums zur Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts

dd)Ergebnis zu b): Untreuerelevanter Arbeitnehmerschutz durch § 75 Abs. 1 BetrVG nur bei ausschließlich individualschützendem Beteiligungsrecht

7.Ergebnis zu IV.

V.Ermittlung von Vermögensbetreuungspflichten durch Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse auf die in Betracht kommenden Mitbestimmungstatbestände

1.Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 BetrVG

a)Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG

b)Festsetzung leistungsbezogener Entgelte gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG

c)Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

d)Zeitliche Lage des Urlaubs gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG

e)Soziale Leistungen und Wohnraum gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 9 BetrVG

f)Ergebnis zu 1.: Keine Vermögensbetreuungspflicht wegen kollektiver Regelungsintention

2.Mitbestimmungsrechte bei personellen Einzelmaßnahmen, § 99 Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 BetrVG

a)Kein Vermögensbezug der einzelnen Beteiligungsgegenstände bei verweigerter Zustimmung zur Verbesserung der Arbeitnehmersituation

b)Keine ausschließlich individuelle Schutzrichtung bei Zustimmung trotz Verschlechterung der Arbeitnehmersituation

c)Ergebnis zu 2.

3.Mitbestimmung bei Kündigungen gemäß § 102 Abs. 2, 3 BetrVG

a)Bestimmung des Schutzzwecks und Abgrenzung von der Folge des Kündigungswiderspruchs

b)Ausschließlich individualschützender Charakter

c)Keine Auswirkung der fehlenden Verhinderungswirkung des Widerspruchs

d)Keine Auswirkung des dennoch möglichen Kündigungsschutzprozesses

e)Ergebnis zu 3.

4.Die Zustimmung des Betriebsrats als Wirksamkeitsvoraussetzung einer Kündigung gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG

5.Die sogenannte Druckkündigung gemäß § 104 BetrVG

6.Sozialplan gemäß § 112 Abs. 1 S. 2, 3 BetrVG

7.Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG i.V.m. § 1 Abs. 5 KSchG

8.Ergebnis zu V.: Vermögensbetreuungspflichten nur bei § 102 BetrVG

VI.Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht durch Ermessensmissbrauch; Korruptionsbezug

1.Arten von Ermessensfehlern

2.Vorsatz nur beim Ermessensmissbrauch

3.Ermessensmissbrauch und Wechselwirkung mit der Betriebsratsbegünstigung gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

4.Ergebnis zu VI.

VII.Vermögensbetreuungspflicht des einzelnen Betriebsratsmitglieds

VIII.Zusammenfassung und Ergebnis zu C.

D.Weitere Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 266 Abs. 1 StGB

I.Vermögensnachteil des Arbeitnehmers

1.Kündigung oder Entlassung?

2.Verlust des Weiterbeschäftigungsanspruchs?

3.Ergebnis zu I.

II.Kausalitätsfragen

1.Kausalität der Gremienentscheidung für den Eintritt des Vermögensnachteils

2.Kausalität des einzelnen Votums für den Betriebsratsbeschluss

a)Die Gegenstimme

b)Die Zustimmung

c)Die Enthaltung

d)Ergebnis zu 2.

3.Keine Beschlussfassung, sondern Zustimmungsfiktion gemäß § 102 Abs. 2 S. 2 BetrVG

III.Objektive Zurechnung des Vermögensschadens in Gestalt der Kündigungserklärung

1.Grundsätzlich zur Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Vorsatzdelikt Untreue

2.Folgen für die Untersuchung

a)Pflichtwidrigkeitszusammenhang

aa)Beim Unterlassen des Kündigungswiderspruchs gemäß § 102 Abs. 3 BetrVG

bb)Bei der Zustimmung gemäß § 102 Abs. 6 BetrVG

b)Schutzzweckzusammenhang; Vermögensbetreuungspflicht als Sorgfaltsanforderung

aa)Rechtsnormverstoß als Vermögensbetreuungspflichtverletzung: Differenzierender Ansatz

bb)Nicht differenzierender Ansatz und Kritik

cc)Generelle Kritik am Erfordernis des Schutzzweckzusammenhangs und Auseinandersetzung mit ihr

3.Ergebnis zu III.

IV.Vorsatz und Irrtum

V.Ergebnis zu D.: Strafbarkeit von Betriebsräten und Arbeitgeber wegen Begehung des bzw. Teilnahme am Grunddelikt gemäß § 266 Abs. 1 StGB

E.Besonders schwerer Fall gemäß § 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Nr. 3 StGB

I.Wirtschaftliche Not

II.Vorsatz hinsichtlich des Verzichts auf Kündigungsschutz

III.Kongruenz mit der zivilrechtlichen Schadensminderungspflicht

F.Zusammenfassung zum 2. Teil

Teil 3 Konsequenzen

A.Zusammenfassung der theoretischen Konsequenzen de lege lata

I.Strafbarkeit von Betriebsräten und Arbeitgeber gemäß § 266 StGB bzw. §§ 266, 26 StGB

II.Strafbarkeit der Betriebsräte gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG i.V.m. § 26 oder § 27 StGB, bzw. des Arbeitgebers gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG

III.Keine Strafbarkeit des leitenden Angestellten gemäß § 266 Abs. 1 StGB gegenüber dem Unternehmen wegen der Vornahme einer Betriebsratsbegünstigung

B.Praktische Konsequenzen de lege lata

I.Beweisproblematik bei § 266 StGB und Verfahrenshindernis bei § 119 Abs. 1 Nr. 3 StGB

1.Geheime Abstimmung

2.Antragsdelikt mit Antragsberechtigung in den Händen der potentiellen Täter

II.Ergebnis zu B.

C.De lege ferenda

I.Status quo und mögliche Ansatzpunkte für Änderungen

II.Materielle Änderungen

1.Erweiterung der Strafbarkeit von Betriebsräten auch auf Missbrauch von anderen Arbeitnehmermitbestimmungsrechten?

2.Erweiterung von § 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auf Bestechung und Bestechlichkeit, ggf. im Gegenzug zur Abschaffung des Ehrenamtsprinzips?

III.Formale Änderungsvorschläge

1.Erweiterung der Antragsberechtigung gemäß § 119 Abs. 2 BetrVG auf einzelne Betriebsratsmitglieder und Arbeitnehmer

2.Gewährleistung der Nachvollziehbarkeit des Abstimmverhaltens

IV.Ergebnis zu C. und abschließende Würdigung

Teil 4 Zusammenfassung in Thesen

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum?

Inhaltsverzeichnis

A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung

B. Autonomie der Betriebsverfassung contra Strafverantwortung des Staates

C. Ausschluss staatlicher Strafverantwortung wegen ausreichender Ahndungs- und Kontrollmechanismen des Betriebsverfassungsrechts?

D. Ausschluss von Strafe als Ultima Ratio aufgrund unrechtskompensierender zivilrechtlicher Haftung?

E. Zusammenfassung zum 1. Teil

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum? › A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung

A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung

1

Die Frage, ob Betriebsratsmitglieder sich wegen Untreue strafbar machen können, wenn sie Mitwirkungsrechte zu Lasten von Arbeitnehmern nicht oder unsachgemäß wahrnehmen, wird in Literatur und Rechtspraxis kaum jemals gestellt.[1]

2

Als Erster und lange Zeit Einziger hat sich Thomas Lobinger in seinem Vortrag[2] anlässlich des 5. Ludwigsburger Rechtsgesprächs des Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR) ausführlich mit dieser Problematik beschäftigt. Er kommt zu dem Schluss, dass der Betriebsrat in bestimmten Konstellationen dem Arbeitnehmer gegenüber vermögensbetreuungspflichtig ist und sich seine Mitglieder daher u.U. wegen Untreue gegenüber Arbeitnehmern strafbar machen können. In jüngster Zeit hat sich auch Zoglmann mit den Thesen Lobingers befasst und kommt seinerseits zu dem Ergebnis, dass eine Untreuestrafbarkeit von Betriebsräten wegen Pflichtverletzungen gegenüber Arbeitnehmern jedenfalls in evidenten Fällen nicht ausgeschlossen sei.[3]

3

Auf die vielfach wohl als geradezu abwegig empfundene Sichtweise Lobingers geht in der Literatur allein Perron ein, der eine Vermögensbetreuungspflicht des Betriebsrats gegenüber Arbeitnehmern aber rundheraus ablehnt.[4]

4

In dieser so kontrovers beurteilten Frage eine Klärung herbeizuführen ist nicht nur von theoretischem Interesse. Vielmehr wäre, sollte Lobinger und Zoglmann am Ende zuzustimmen sein, damit ein Weg eröffnet, Betriebsratsmitglieder auch mit Mitteln des allgemeinen Strafrechts zur pflichtgemäßen Interessenvertretung von Arbeitnehmern anzuhalten. Wenngleich hier unbedingt der Versuchung widerstanden werden muss, die Untreue gemäß § 266 StGB überzustrapazieren in dem Bestreben, auch die geringste Pflichtwidrigkeit einer strafrechtlichen Ahndung zuzuführen, so muss sie jedenfalls da in Betracht gezogen werden, wo mit Verstößen gegen das Korruptionsverbot Zentralnormen der privatautonomen Rechtsordnung verletzt werden.[5] Gerade das Betriebsverfassungsrecht ist keineswegs gegen Korruptionsgefahren gefeit. Denn obwohl laut Gesetzgeber der Betriebsrat das Vertretungsorgan der Arbeitnehmerschaft eines Betriebes darstellt, der als ihr Fürsprecher und Garant der Wahrnehmung ihrer Rechte fungieren soll,[6] besteht die reale Gefahr, dass es in der Betriebspraxis zu einer Entfremdung der Arbeitnehmer von ihrem Vertretungsorgan und zu dessen Annäherung an die andere Seite, den Arbeitgeber, kommt. Gründe hierfür sind in der eher egoistisch denn altruistisch angelegten menschlichen Natur zu suchen. Während ein Eintreten des Betriebsrats für die Arbeitnehmer eines Betriebs eine weitgehend altruistische Angelegenheit ist, haben Arbeitgeber und Betriebsrat einander mehr zu bieten. Da nämlich Maßnahmen, die dem Arbeitgeber nutzen und dem Arbeitnehmer schaden, häufig Einvernehmen mit dem Betriebsrat voraussetzen oder hierdurch mindestens erleichtert werden, steigt die Motivation der Arbeitgeberseite, sich die Kooperationsbereitschaft des Betriebsrats zu erhalten. Nach dem Prinzip des „Manus manum lavat“ kann es daher vorkommen, dass Betriebsratsmitglieder auf entsprechende Anreize hin die Interessen des Arbeitgebers über diejenigen der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer stellen, und dies völlig unbemerkt von der Betriebsöffentlichkeit.[7] Vielfach hegen daher Arbeitnehmer den Verdacht, ihr Betriebsrat stehe weniger auf ihrer, als vielmehr auf der Seite des Arbeitgebers.[8] Auch in der arbeitsgerichtlichen Praxis ist im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren bereits festgestellt worden, dass der Betriebsrat Arbeitnehmer seines Betriebs durch den pflichtwidrigen Gebrauch von Mitwirkungsrechten bewusst benachteiligt und damit Kündigungen des Arbeitgebers den Weg geebnet hatte.

Teil 1 Das Verhältnis Arbeitnehmer – Betriebsrat: Ein strafrechtsfreier Raum? › A. Einführung in die Problematik und Ausblick auf den Gang der Untersuchung › I. Arbeitsgerichtliche Realität