Johnatan das kleine Segelboot

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Johnatan das kleine Segelboot
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Katha Seyffert

Johnatan das kleine Segelboot

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Johnatan das kleine Segelboot

Impressum neobooks

Es war einmal ein kleines Segelboot, namens Johnatan. Ein trauriges kleines Segelboot. Traurig, weil es kein Segel hatte, keinen Kapitän und schon sehr, sehr lange niemand mehr mit ihm hinaus auf den See gefahren war. Immer wenn Johnatan weinte blätterte ein Stück Farbe von ihm ab, so dass sein Name, der bei Schiffen immer am Bug geschrieben steht, kaum noch zu lesen war. Wasser stand in seinem Inneren und dass er früher einmal blau gestrichen war, konnte man nur noch erahnen. Johnatan’s Takelage war brüchig und nicht mehr vollständig. Er sah sehr, sehr traurig aus.


Das kleine Segelboot lag seit vielen Jahren ganz allein am Ufer eines kleinen Sees, in dessen Mitte eine fast winzige Insel aus dem Wasser schaute. Etwas von Johnatan entfernt, durch einen hohen Zaun von ihm getrennt, war ein Bootshaus, eine Anlegestelle und viele große und kleine Segelboote. Sie alle waren weiß gestrichen, hatten große schneeweiße Segel und sie glänzten so sehr in der Sonne, dass Johnatan ganz geblendet war, immer wenn er zu ihnen hinüber schaute. Sie waren so schön, dass Johnatan sich nicht traute, mit ihnen zu reden, denn er schämte sich, weil er so hässlich aussah. Er wollte auch so schön sein wie sie. Er wollte auch weit auf den See hinausfahren und Abenteuer erleben. Wenn Johnatan ganz still war, konnte er sie reden hören. Sie prahlten mit ihrer Schönheit und versuchten, sich mit ihren phantastischen Erlebnissen zu übertrumpfen. Besonders gern verspotteten sie das kleine Segelboot: “Johnatan, alter Kahn, hast ja gar kein Segel dran! Johnatan, alter Kahn, du liegst hier und wir können fahrn! Johnatan, alter Kahn, dich will niemand ham.“ Immer wenn die schönen Boote dieses Lied sangen wurde Johnatan so traurig, dass wieder ein großes Stück Farbe von seinem Rumpf abblätterte.

Seine einzige Freude waren die Kinder, die mochten Johnatan, denn mit ihm konnte man ganz wunderbar spielen. Die schönen Schiffe konnten Kinder nicht leiden, sie sagten, dass diese Rabauken alles schmutzig und kaputt machen würden, deshalb waren sie auch froh, dass es den Zaun zwischen ihnen und Johnatan gab, der die Kinder von ihnen fern hielt. Das kleine Segelboot liebte Kinder, ihnen war es egal, dass Johnatan nicht schön war.

Nach der Schule kamen sie immer an den See und banden zum Beispiel ein altes Betttuch als Segel an seinen Mast und fuhren zur kleinen Insel hinüber und spielten dabei Piraten, Indianer oder Seeschlacht. Ein Mädchen von etwa 13 Jahren mochte Johnatan am liebsten, denn sie wusste immer die spannendsten Spiele, ihr Name war Tschipka. Jede freie Minute war sie bei Johnatan, und so oft es ihre Eltern erlaubten, verbrachte Tschipka die Nacht auf ihm. Die beiden ruderten dann zur Insel hinüber, Tschipka machte ein Lagerfeuer, schaute in die Sterne und sie erzählte von Abenteuern, die sie zusammen erleben würden, von fernen Ländern, hohen Wellen, geheimnisvollen Stränden. Johnatan knackte dann mit den Planken und dem Mast, quietschte mit der Takelage. Tschipka hörte ihm zu und verstand ihn. So schliefen die beiden glücklich ein. Doch leider war es nur im Sommer so schön.


Denn als die Tage kürzer wurden, die Bäume bunt und der Wind kalt, kamen die Kinder nicht mehr zum Spielen, auch Tschipka nicht. Das kleine Segelboot war wieder ganz allein und traurig. Die schönen Schiffe wurden nun eines nach dem anderen ins Bootshaus gebracht, wo sie es im Winter warm hatten, wo sie repariert und aufgearbeitet wurden. Johnatan hörte draußen ihr Spottlied: „Johnatan, alter Kahn, dir ist kalt und uns ist warm! Johnatan, alter Kahn, hast ja gar kein Segel dran! Johnatan, alter Kahn, dich will niemand ham!“

Dabei war er noch gar nicht so alt, jedenfalls nicht für ein Boot. Er sah nur so aus, weil sich seit langer Zeit niemand mehr richtig um ihn gekümmert hatte. Aber dass ihm kalt war, das stimmte.

Alle Blätter waren von den Bäumen gefallen, und der erste Schnee fiel. Er fror ganz schrecklich und auch die Enten, die bei ihm Schutz vor dem eisigen Wind suchten, froren bitterlich. Bald hatte der Schnee alles zugedeckt und auf dem See bildete sich eine dünne Haut aus Eis. Diese streichelte Johnatan sanft, wenn das Wasser sich leicht bewegte.

Als das Eis dicker wurde, kitzelte es. Bald umschloss eine Eisschicht das kleine Segelboot, es war als ob der Winter ihn in die Arme nehmen wolle. Noch war es angenehm, doch das Eis wurde immer noch dicker und es begann, beklemmend zu werden, ja, langsam tat es richtig weh. Das Eis drückte gegen Johnatans Rumpf immer stärker und stärker. Er stemmte sich so stark er nur konnte gegen das Eis, so sehr, dass seine Planken laut knackten und fast zu zerbrechen drohten. Aber das Eis wurde noch dicker, Johnatan musste sich mehr und mehr anstrengen, um nicht zerdrückt zu werden. Langsam verließen ihn seine Kräfte, und als er schon fast aufgeben wollte, da musste er plötzlich an die schöne Zeit mit Tschipka denken, wie traurig sie sein würde, wenn er nicht mehr da wäre.

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