Auf dem Weg zur Göttin : MARIA

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Auf dem Weg zur Göttin : MARIA
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Karlheinz Vonderberg

Auf dem Weg zur Göttin : MARIA

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitelübersicht

Einleitung

Wie in der Bibel das Weibliche Gottes verschwand

Eine alltägliche Frau

Der biblische Befund

So viele Marias!

Maria aus Magdala

Historische Parallelen

Maria und Eva: Die ewige Auseinandersetzung

Das ewig Weibliche und die (OHN)Macht des Mannes

Das paulinische Erbe und die Augustinische Theologie

Die Leere der männlich ausgerichteten Kirche

Warum der Schöpfer kein Mann sein kann oder: Die Aufhebung der Selbstbeschränkung

Die Probleme des männlichen Himmels in der Sixtinischen Kapelle

Maria macht im Triumvirat der Gott-Männer Karriere

Die Weiblichkeit lässt den Fehler der göttlichen Konstruktion heilen

Das Scheitern Gottes in Eva und sein Sieg in Maria

Marias Einbruch in die Göttlichkeit: Die Übernahme der Macht

Warum es fast nur Marienerscheinungen gibt

Revolution in der Öde des Himmels

Die klösterliche Idylle und das Wesen der göttlichen Maria

Maria und der missglückte Versuch zur Emanzipation des Weiblichen

Der weibliche Anteil in den männlichen Leugnern

Die Rettung des Glaubens durch den Sieg der Frau Maria

Der unaufhaltsame Aufstieg

Zurück zu Eva heißt Befreiung Marias aus dem christlichen Gefängnis

Maria scheitert am Patriarchat

Zeitalter des Vaters, des Sohnes, des Geistes und nun Marias

Orte der Erscheinung und Gründe der Verehrung

Quellenangaben

Impressum neobooks

Kapitelübersicht

Karlheinz Vonderberg

Auf dem Weg zur Göttin: Maria

Widmung: Diesen Text schenke ich allen Suchenden und Fragenden. Die Schöpfung ist

geheimnisvoller, als wir es uns vorstellen können.

Vorbemerkung

Einleitung

Wie in der Bibel das Weibliche Gottes verschwand

Eine alltägliche Frau

Der biblische Befund

So viele Marias!

Maria aus Magdala

Historische Parallelen

Maria und Eva, die ewige Auseinandersetzung

Das ewig Weibliche und die (OHN) Macht des Mannes

Das paulinische Erbe und die augustinische Theologie

Die Leere der männlich ausgerichteten Kirche

Warum der Schöpfer kein Mann sein kann oder: Die Aufhebung der Selbstbeschränkung

Das Problem des männlichen Himmels in der Sixtinischen Kapelle

Maria macht im Triumvirat der Gott-Männer Karriere

Die Weiblichkeit lässt den Fehler der göttlichen Konstruktion heilen

Das Scheitern Gottes in Eva und sein Sieg in Maria

Marias Einbruch in die Göttlichkeit: Die Übernahme der Macht

Warum es fast nur Marienerscheinungen gibt

Revolution in de Öde des Himmels

Die klösterliche Idylle und das Wesen der göttlichen Maria

Der weibliche Anteil in den männlichen Leugnern

Die Rettung des Glaubens durch den Sieg der Frau Maria

Der unaufhaltsame Aufstieg

Zurück zu Eva heißt Befreiung Marias aus dem christlichen Gefängnis

Maria scheitert am Patriarchat

Zeitalter des Vaters, des Sohnes, des Geistes und nun Marias

Orte der Erscheinungen und Gründe der Verehrung

Quellenangaben

Vorbemerkung:

Ich habe bei den Quellen auf die zurückgegriffen, die jeder Leser im Internet nachvollziehen kann. Ich habe dem hebräischen Gott stets Aschara, eine Fruchtbarkeitsgöttin, die mit Ba’al zusammen genannt wird, an die Seite gestellt. Ich bin davon überzeugt, dass im Nordreich Israel ein Synkretismus zwischen diesen Gottheiten vorlag. Die schroffe Ablehnung von Ba’al und Aschara in der Bibel macht diesen Zusammenhang erst recht plausibel. In der ugaritischen Mythologie wird dem Gott El ( Plural Elohim) die Erstgemahlin Athirat58 zur Seite gestellt, mit der er siebzig Götter und Göttinnen zeugt. Athirat ist eine selbstständige Göttin, die über einen eigenen Wohnort verfügt. Da El die Quelle für JHWH ist, habe ich das Vorhandensein einer weiblichen Göttin an Els oder JWHWs Seite vorausgesetzt.

Ich habe viel über Maria und Eva nachgedacht und versucht, die Rolle der beiden Frauen genauer zu erfassen. Das ist zugegebenermaßen Spekulativ und immer wieder von einem Abgleiten in meine eigene Philosophie und Gottessicht begleitet. Das Problem ist, dass ich die Situationen von Eva, Maria, Adam, Garten Eden und dem Paradies als inneres Bild sehe, das ich in Worte fassen muss. Das ist nicht immer leicht. Dieses Denken in Bildern geschieht auch in so schnellem Rhythmus, dass ich nicht immer alle Einzelheiten mit Worten erfassen kann.

Das ist wichtig zu wissen. Ich verkünde keine offizielle Position, sondern mein eigenes Empfinden, das auf meinem besonderen Verhältnis zu Maria und Eva beruht. Ich hoffe, dass diese Texte jedem Leser als Anregung dienen, selbst auch einmal genauer nachzudenken und Position zu beziehen.

Einleitung

Wie ein Blick ins Internet zeigt, gibt es über Maria, die Mutter Jesu, eine unübersehbare Fülle von Büchern und Informationen. Der dort verfolgte Ansatz ist so gut wie immer ein glaubensmäßiger, der über die christliche Sicht gewonnen wird. Diese Ansätze sind alle respektabel und irgendwie berechtigt, wenn man sich auf den Weg macht, hinter das Geheimnis und das Wirken dieser Frau zu kommen. Doch zugleich verengt dieser Ansatz die Sicht auf Maria, ja, er packt sie in die alten Schabladen der Betrachtungsweisen, die den Blick von ihr weg lenken, anstatt ihn auf das Wesentliche zu konzentrieren: Worin liegt die Wirkkraft dieser Frau, die doch wie ihr Sohn Jesus eine in das jüdische Leben der damaligen Zeit eingepasste Frau gewesen war, die an ihre Zeit, ihren Glauben und die Gegebenheiten des Ortes gebunden war. Die Überhöhung, die sie erfahren hat, muss andere Gründe haben, die nicht in den genannten Gegebenheiten liegen, sondern viele Schichten tiefer. Vom Evangelisten Johannes nicht einmal namentlich erwähnt, von Paulus im Galaterbrief als „Weib“ abgetan, das nur die Aufgabe hatte, Jesus zu gebären und das sonst keiner Erwähnung würdig ist, erfolgt ein triumphaler Aufstieg zur Herrin des Universums, zur Königin der Himmel.

Diese Frau muss in ihrer Wirkgeschichte eine Seite der Menschen bedient haben, die von der Dreieinigkeit Vater - Sohn - Geist nicht erreicht werden konnte.

Mein Versuch, diese persönliche Annäherung an die Frau Maria, muss also aus dem theologischen Rahmen herausfallen. Joachim von Fiori1 (1130(35?) bis 1202) hat drei Zeitalter postuliert, das des Vaters als Zeit des Alten Testamentes, das des Sohnes als sich anschließende Zeit bis 1260 und das des Geistes als Endzeit bis zur Ankunft des Antichristen. Mein Ansatz ist es zu zeigen, dass das Zeitalter des Geistes längst abgelöst wurde durch das Zeitalter der Maria, die damit in den Rang der Göttlichkeit aufgerückt ist.

Das ist keine Kritik am Glauben der Christen oder der Muslime, denn auch im Koran wird Maria nicht nur erwähnt, sondern nach ihr ist sogar eine ganze Sure (Sure 19) benannt worden. Sie wird in sechs Suren erwähnt, muss also zur Zeit des Propheten Muhammad schon eine wichtige religiöse Größe gewesen sein. Es ist eben einfach so, dass ich mich der Faszination dieser Frau nicht entziehen kann, was mich aber nicht daran hindert, meine Fragen zu stellen und Antworten für mich zu suchen.

 

Der Gedanke an meine Kindheit und den Monat Mai, der Maria gewidmet und zugleich mein Geburtsmonat ist, verstärkt die innere Beziehung zu ihr. Mit Hingabe habe ich die vielen Lieder gesungen, die ihr gehören. Aber schon als Kind habe ich mich gefragt, warum der Gedanke, Maria sei doch eigentlich die Frau Gottes (des Vaters) so schrecklich ist, dass ich bei Stellung dieser Frage fast vom Pastor Prügel bezogen habe. Außerdem hieß meine Mutter doch Anna, das ist der Name, der im Protevangelium des Jacobus auch Name der Mutter Marias gewesen sein soll.

In dieser Darlegung soll aufgezeigt werden, wie die ehemals unbekannte und aus Sicht der Evangelisten sowie des Paulus eher nebensächliche Frau den Sprung in den Götterhimmel geschafft hat, ja selbst zur eigentlichen Göttin wurde.

Der ehemals beweibte Gott El2 oder JHWH, der im Judentum zum Solisten wurde, hat wieder die weibliche Begleitung gefunden. Und so wie in der Zeit der Pharaonen, als ein Gott den zukünftigen Pharao mit der jungfräulichen Pharaonin zeugte, hat er einen Sohn an seiner Seite, geboren aus eben jener Frau Maria.

Wie in der Bibel das Weibliche Gottes verschwand

Als Vorbemerkung muss zuerst gezeigt werden, dass der Urtext der Bibel viel wahrheitsliebender war, was die Person des Schöpfers angeht.

Schon in Gen1 steht dort in der Urfassung : …und die RUACH schwebte über dem Wasser.

Der Luthertext heißt es dort aber:

Im Anfang schuf Gott den Himmel 1 und die Erde.

2 Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser

Das hebräische RUACH ist weiblich und bedeutet in etwa Wind oder Atem, inhaltlich bezieht es sich in etwa auf eine Henne, die brütet. Bei der Übersetzung ins Griechische wurde aus dem weiblichen Wort das neutrale PNEUMA, was Geist bedeutet. Ins Lateinische Übertragen wurde daraus das bekannte Wort SPIRITUS, das eindeutig männlich ist. So einfach war es also, aus einem femininen Attribut Gottes einen männlichen Gottesteil der Trinität zu konstruieren. Diese Fehlübersetzung geschah mit allen 378 Stellen, an denen RUACH in der hebräischen Bibel (Tanach) vorkommt43.

Auch im Neuen Testament wird der Begriff RUACH mit dem lateinischen Wort SPIRITUS = Geist übersetzt, was natürlich die entsprechenden Stellen völlig falsch darstellt. Danach wird Maria nicht vom Geist Gottes überschattet= befruchtet, sondern vom weiblichen Atem Gottes. Es ist nicht das männliche Element Gottes, das zur Zeugung Jesu führt, sondern der weibliche Atem. Das gilt auch für die Taufe im Jordan, wo sich der Himmel auftut und der Ruach Gottes über Jesus schwebt. ES ist das mütterliche Attribut Gottes, das Jesus als den geliebten Sohn bezeichnet (Mk 1, 9-11). Das ist insofern auch von Bedeutung, weil es Bei Markus (Mk) weder eine Geburts- noch eine Kindheitsgeschichte Jesu gibt. Markus hat das früheste Evangelium geschrieben, so um 70 n.d.Z.. Nur Paulus datiert mit seinen Briefen früher. Er aber benutzt im Zusammenhang mit Jesus, den er namentlich nicht so nennt- er spricht immer von Christus- nie das Wort Ruach oder Spiritus.

Da die Wirkungsgeschichte der Bibel aber nicht auf dem hebräischen Urtext oder der Septuaginta, sondern auf der lateinischen Vulgata beruht, wird in den folgenden Erörterungen immer auf die falsche Übersetzung Spiritus = Geist zurückgegriffen. Diesem Umstand verdanken wir schließlich die rein männlich orientierte Trinität. ES ist das Verdienst der feministischen Theologie, auf diesen Mangel in der Übersetzung hingewiesen zu haben. So wurde nämlich erfolgreich verschleiert, dass das weibliche Element in Gott die „Erlösungsgeschichte“ in Gang gesetzt hat, nicht der männliche Teil.

Die Frage, wie ein weiblicher Anteil im Schöpfer zur Befruchtung Marias beigetragen haben kann, klärt sich dadurch, dass RUACH die schöpferische Kraft Gottes bezeichnet. Im AT wurde Adam nach Gen2 ff. durch diese RUACH belebt. Die biologische Interpretation nach dem primitiven Motto „Weibliches kann Weibliches nicht befruchten“ läuft also ins Leere, da Ruach nicht Frau, sondern schöpferischer Atem Gottes bedeutet. Ruach ist also ein spezieller Begriff, der auch in Gen1 die Schöpfung ermöglichte. Dennoch hat sich nicht diese korrekte Übersetzung durchgesetzt, sondern die männliche Falschinterpretation GEIST.

Eine alltägliche Frau

Es ist nicht einfach, sich der historischen Maria zu nähern, denn abgesehen von Paulus, der sie wohl in der Jerusalemer Gemeinde, die von Jesus Bruder Jacobus geführt wurde, kennengelernt haben sollte, stammen die Auskünfte der Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas nicht aus direktem Kennen, sondern aus gesammelten Geschichten, in denen sie erwähnt wird. Und ausgerechnet Paulus, der von ihr oder den anderen Aposteln aus erster Hand Informationen hätte haben können, war an ihrer Person nicht interessiert. Er nennt nicht einmal ihren Namen, sondern bezeichnet sie im Galaterbrief als „Weib“. Aus seiner Sicht war es Marias einzige Aufgabe, Jesus zu gebären und so sicherzustellen, dass das Göttliche in das Weltliche Einzug halten kann. So bleibt es dem Betrachter selbst überlassen, sich ein Bild von ihr zu machen. Die Evangelisten, die über sie berichteten, beschreiben sie nicht, da sie keine Person von ihren äußerlichen Merkmalen her beschreiben. Da es in den Quellen, zu denen wir noch kommen werden, auch keine neuen Erkenntnisse gibt, sind wir auf die Kenntnisse der Umwelt angewiesen.

Maria war Jüdin und hat in dem kleinem Dorf Nazareth, gelebt. Dieses Dorf wird in zeitgenössischen Schriften nicht erwähnt und soll nach Schätzungen , die auf Ausgrabungen beruhen, etwa 200 bis 500 Einwohner3 gehabt haben. Eher also eine kleine, unbedeutende Niederlassung der damaligen Zeit. Während der Evangelist Johannes Maria nicht namentlich erwähnt, greift er aber eine Episode auf, in der Nazareth erwähnt wird:

Johannes 145Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von welchem Moses im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josephs Sohn von Nazareth. 46Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann von Nazareth Gutes kommen? Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh es! 47Jesus sah Nathanael zu sich kommen und spricht von ihm: Siehe, ein rechter Israeliter, in welchem kein Falsch ist.…

Da Maria und ihr Ehemann Josef einheitlich erwähnt werden, kann von ihrer Existenz und der Richtigkeit der Namen ausgegangen werden. In diesem kleinen Nest im Norden des Landes, bei dessen Überresten keinerlei Hinweise auf eine Synagoge gefunden wurden3, konnte ein Zimmermann wohl nur schwerlich so viel verdienen, dass er über den Armutszustand des gewöhnlichen Arbeiters hinausgelangen konnte. Dementsprechend wird Maria auch in diesen ärmlichen Verhältnissen gewohnt haben. Not und Mangel dürften den täglichen Rhythmus begleitet haben. Dennoch gelingt es ihr, neben Jesus (Joschua) noch vier weitere Söhne, die namentlich erwähnt werden, aufzuziehen. Sie konnte mit Sicherheit nicht lesen und schreiben, und ihr Lebensumfeld war wohl auf das kleine Dorf und seine Umgebung beschränkt. Ihre Bildung wird sich auf das beschränkt haben, was ihr Leben ausmachte und kennzeichnete, nämlich die Kenntnisse dessen, was für das Überleben beherrscht werden muss. Insofern unterschied sie sich in keiner Weise von den übrigen Frauen der unteren Schicht. Alles, was diese Frauen bedrückt hat, von dem täglichen Hunger, der Arbeit bis zur geringen Hygiene wird auch auf ihr gelastet haben. Sie wird morgens das Feuer entfacht und dann Wasser vom Brunnen des Dorfes geholt haben. Ihre Familie war groß, es wird also in der engen Behausung viel Arbeit angefallen sein. Die freigelegten Fundamente zeigen die übliche dörfliche Enge.

Die unverheiratete Maria muss nicht in diesem Dorf gelebt haben, aber da sie einem einfachen Handwerker oder Tagelöhner als Ehefrau gegeben wurde, wird sie wohl aus ähnlichen Verhältnissen kommen. Wie es damals üblich war, kann sie wohl schon ein Jahr nach Einsetzen der Monatsblutung verheiratet worden sein. Die Auswahl des Ehemannes oblag den eigenen Eltern, von denen wir aus biblischen Quellen nichts wissen, also wird Maria wohl auch das Schicksal erlitten haben, mit spätestens 14 Jahren, vielleicht auch schon früher, Ehefrau zu sein. Sie hat die Enge des Dorfes erst verlassen, als ihr Sohn Jesus sich entschloss, als Wanderprediger unterwegs zu sein. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon Witwe. Über den Tod ihres Ehemannes Josef wissen wir nichts. Nach dem damaligen Verständnis innerhalb einer Familie wird sie wohl von ihren Söhnen versorgt worden sein. Diese Umstände werden in den biblischen Texten nicht erwähnt, weil es schlichtweg zum Lebensbild der damaligen Familien dazugehörte, die Eltern im Alter zu versorgen.

Maria fiel also nicht aus dem Rahmen, was die sozio- kulturellen Umstände der damaligen Zeit angeht. Es bestand also für die „Konstrukteure der Evangelien“ oder für Lukas, der die Apostelgeschichte verfasst hat, kein Anlass, darüber zu berichten.

An diesem Umstand, dass Maria ein ganz gewöhnliche Frau aus dem Volk war, hat sich während ihres Lebens nichts geändert. Ihr sozialer Status erfuhr nach den Berichten der Evangelien aus der Tatsache, dass sie die Mutter Jesu war, keine Aufwertung. Sie lebte und starb als jüdische Frau, die ihren Ehepflichten nachgekommen war. Mehr wissen wir von ihr nicht. Der theologische Zusammenhang zwischen der Auffassung von der „übernatürlichen“ Zeugung stellte sich zu Lebzeiten Marias nicht. Die Jerusalemer Gemeinde war wohl der Auffassung, dass es sich nicht lohnte, darüber nachzudenken. Gleichwohl schwelte der Konflikt in den christlichen Gemeinden, die sich aus der Missionstätigkeit des Paulus ergaben, der in Maria nur das biologisch notwendige Weib sah, in Jesus aber den Christus.

Diese Fragen wurden auf Konzilen entschieden, die viele Jahrhunderte später stattfanden und aufzeigten, dass die Kernfrage, wer Maria und Jesus in theologischer Sicht denn wirklich seien, per endgültigem Beschluss zu klären ist.

Das Konzil in Ephesos erklärte 431 u.Z. Maria zur „Gottesgebärerin“. Spätestens hier beginnt die glaubensmäßige Überhöhung Marias „über alle Frauen hinaus“ in den Bereich des Mystischen. Diese Entwicklung folgte parallel zur altägyptischen Auffassung, dass der neue Pharao nach der göttlichen Zeugung durch eine Frau geboren wird.

Die Lehre, dass Jesus „wahrer Mensch und wahrer Gott“ ist, wurde auf dem Konzil zu Chalcedon (451) als unumstößliche Wahrheit verkündet. Auch dies läuft parallel zur altägyptischen Überzeugung ab, dass der Pharao Mensch und Gott gleichzeitig ist.

Insofern ist die Erkenntnis, dass Maria Gottesmutter ist, lehrsatzmäßig älter als die Zwei - Naturen- Lehre. Noch älter sind aber die genannten Bezüge zum ägyptischen Gottesverständnis.

Alle diese Überlegungen engen aber die Bedeutung Marias nicht ein, wenn sie auch während ihres Lebens wohl alle diese Spekulationen entrüstet und als Häresie zurückgewiesen hätte. Zusammen mit ihrer Familie lebte sie starb sie als Jüdin, tief verwurzelt in ihrer Religion. Sie ist zu keinem Zeitpunkt Christin gewesen, davon kann mit Fug und Recht ausgegangen werden, so wie ihr Sohn Jesus als Jude gelebt hat und gestorben ist.

Die „Frau“ Maria stellt sich also eine einfache jüdische Frau dar, die verheiratet war und viele Kindre hatte, mindestens die fünf genannten Söhne. Sie war wohl arm und zog vielleicht dauernd mit ihrem Sohn Jesus durch Galiläa. Wie sich ihr Leben gestaltet hat, ist nur spekulativ zu ermitteln, es dürfte sich aber von dem der übrigen jüdischen Frauen dieses Standes nicht unterschieden haben. Aus den Evangelien erfahren wir, dass sie mit Sicherheit den Tod ihres Sohnes und seine dann folgende Verehrung in der Jerusalemer Gemeinde miterlebt hat.

Ihr Lebensende war wohl unspektakulär, denn wir erfahren nichts darüber. Wo sie ihre letzte Ruhestätte fand, wird auch nicht berichtet. Es ist davon auszugehen, dass sie wie alle Juden eine einfache Grabstätte erhielt.

 

Der biblische Befund

Es lohnt sich, bei der Lesung der biblischen Texte daran zu denken, dass abgesehen von Paulus, der ihr wohl in Jerusalem begegnet sein wird, kein Augenzeuge von Maria berichtet. Die vier Evangelisten konstruieren etwa 20 bis 30 Jahre nach Jesu Tod aus Spruchsammlungen und Erzählquellen eine heilsgeschichtliche Komposition, die zunächst wohl in der Menge der damaligen “Evangelien“ untergehen. Um die Komplexität dieser Frage zu zeigen, wird hier ein Ausschnitt aus „So entstand die Bibel“ zitiert, der die Situation gut beschreibt:

Die älteste bekannte, komplette Liste der 27 neutestamentlichen Bücher stammt von Athanasius, Bischof von Alexandrien, er stellt sie in seinem Osterbrief des Jahres 367 vor. Kurz darauf sehen wir, wie im Westen durch Hieronymus und Augustinus (ca. 400) dasselbe geschieht und wie der Kanon auf den Konzilen von Hippo (393) und Karthago (397 und 419) offiziell bestätigt wird. Dabei weisen wir noch einmal nachdrücklich darauf hin, dass diese Konzile nicht darüber berieten, welche Bücher in den Kanon aufgenommen werden sollten, sondern nur offiziell aussprachen, welche Bücher schon seit jeher von der Allgemeinheit als kanonisch angesehen wurden. (Zitat Ende)

Weitere Darstellungen des Themas findet man im Internet auch bei Armin Baum4

Das sogenannte „Evangelium der Maria (Magdalena?)“ 5, das etwa um 160 u.Z. entstanden ist, gehörte offenbar nicht zu den Kernschriften.

Es ist also die Frage offen, ob in den Apokryphen Informationen zu finden waren, die zu dem doch dürftigen Gesamtbefund der vier Evangelien ergänzend hätten herangezogen können.

Sieht man sich nun in den vier Evangelien um, so fällt, was Maria angeht, eine Tendenz auf, die sich aber an die Auskünfte über Jesus anlagern.

Bei Markus wird von der Familie Jesu nichts berichtet. Maria taucht an genau einer Stelle auf, nämlich Mk 6,3. Dort werden auch die vier Brüder Jesu namentlich erwähnt: Jakobus, Joses, Judas und Simon. Die offensichtlich auch vorhandenen Schwestern werden namentlich nicht erwähnt. Die Familie Marias war wohl etwas umfangreicher, als es allgemein bekannt ist. Zu diesem Zeitpunkt hat Jesus seine Rolle als Prediger der Endzeit im Sinne Johannes des Täufers aber schon gefunden. Maria zieht wohl mit ihm durch das Land.

Bei Matthäus beginnt Marias mit der Geburtsgeschichte Jesu. Hier wird ihr eine besondere Rolle zugewiesen, da Josef, ihr Ehemann, nicht als Vater Jesu bezeichnet wird. Die Abstammungslinie, die im Stammbaum betont wird, lässt aber den Rückschluss auf Josef als Ehemann und Vater zu. Maria ist verheiratet, daher übernimmt Josef die Rolle des Handelnden, wie es dem Rollenverständnis der damaligen Zeit entspricht. Maria redet kaum und wird auch nicht angesprochen. So gesehen, wird sie in das Verständnis der damaligen Zeit eingebettet. Sie wird dreimal namentlich erwähnt.

Bei Lukas sieht das ganz anders aus. Hier setzt der Erzähler nicht bei der Geburt Jesu an, sondern schon bei der Zeugung (Lk1,28 b). Maria wird in den Mittelpunkt eines mystischen Geschehens gerückt, das sie mit ihrer Base Elisabeth und Jesus mit Johannes d.T. verknüpft. Maria wird hier mit ihrer längsten Rede zitiert, die aber ihrer Bildung oder ihrem Wissenstand bezüglich des Alten Testamentes nicht entsprechen kann. Dieses Magnificat (Lk 1, 46-55), das ihr in den Mund gelegt wird, beschreibt aber schon den Anfang des Weges, den sie einige Jahrhunderte später gehen wird. Lukas ist derjenige unter den Evangelisten, der Maria zum „weihnachtlichen Star“ macht. Er liefert den Stoff, aus dem die Mariologie erwachsen wird.

Johannes folgt Paulus und ignoriert den Namen Marias, er spricht von der Mutter Jesu und geht so weit, dass er sogar Jesus die verletzenden Worte in den Mund legt:

Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Jh 2,4

Gewissermaßen im Ausgleich für diese Grobheit erwähnt er aber, dass Maria bei der Kreuzigung ihren Sohn nicht verlassen hat. Das ist immerhin nicht bei den übrigen Evangelisten zu finden.

In der Apostelgeschichte taucht Maria nach der Auferstehung Jesu im Kreise der Jünger in der Jerusalemer Gemeinde auf. Schließlich aber versinkt sie im Vergessen. Wir wissen nicht, was sie in der Zeit bis zu ihrem Tode getan hat, wo sie gelebt und von wem sie versorgt worden ist.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass ihre Rolle als „Mutter Jesu“ nicht so gravierend gewichtet worden ist, dass sie zur „Mutter Gottes“ aufgestiegen sein kann, denn das hätte in der religiösen Literatur und Erzählung deutlichere Spuren hinterlassen. Im Judentum dieser Zeit zu behaupten, eine Frau könnte den Sohn des lebendigen Gottes gebären, was zugleich auch Geschlechtsverkehr dieses Gottes impliziert, hätte den sofortigen Tod zur Folge. Dieser paulinische Gedanke war und ist im Judentum undenkbar. Der Islam schließt sich dieser Auffassung an. Hier gilt Maria als Mutter eines Propheten.

In der Apokalypse des Johannes von Patmos ist eine Stelle zu finden, die häufig auf Maria bezogen wird, wenn auch dort keine namentliche Zuordnung erfolgt.

1 Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: ein Weib, mit der Sonne bekleidet, und der Mond unter ihren Füßen und auf ihrem Haupt eine Krone mit zwölf goldenen Sternen. 2 Und sie war schwanger und schrie in Kindesnöten und hatte große Qual zur Geburt. Offb 12,1-2

Hier sind die zwölf Sterne als Hinweis auf die Apostel aber wohl überinterpretiert, denn die Zahl zwölf taucht im AT an etlichen Stellen auf. Die Tatsache, dass Maria mit dieser Frau identifiziert wird, zeigt aber, dass sie schon in das kosmische Geschehen der Endzeit eingebettet wird. Der Verfasser der Offenbarung hat dies aber wohl nicht beabsichtigt, denn in diesem Falle wäre die Nennung des Namens einfach gewesen.