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Waldröschen IX. Erkämpftes Glück. Teil 2

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8. Kapitel

Kurt hatte ganz recht. Wie schon erwähnt, waren Cortejo und Landola mit dem Jäger Grandeprise zusammengetroffen. Dort erkundigten sie sich nach dem nächsten aufwärts gehenden Zug. Der Beamte, an den die Frage gestellt wurde, war ganz zufälligerweise der Zugführer selbst. Er betrachtete sich die drei Männer, zuckte die Achseln und antwortete:

»Der nächste Zug wird in zehn Minuten abgelassen. Wollen Sie mit?« – »Ja«, antwortete Cortejo. – »Tut mir leid! Sie werden sich wohl eine andere Gelegenheit suchen müssen.« – »Warum?« – »Wir transportieren jetzt nur Militär und solche Personen, die sich als zu uns oder der Regierung gehörig legitimieren können.« – »Unangenehm! Im höchsten Grad unangenehm«, meinte Cortejo. – »Ah, Sie haben Eile?« – »Sehr große sogar!« – »Und sind nicht im Besitz einer entsprechenden Legitimation, meine Herren?« – »Leider nein. Wir haben nur unsere Privatpässe.« – »Hm! Was für Landsleute sind Sie?« – »Wir beide sind Spanier, und dieser Señor ist ein amerikanischer Jäger.« – »Das ist allerdings sehr schlimm für Sie. Spanier dürfen wir leider nicht befördern, und Amerikaner noch weniger.«

Da langte Grandeprise in die Tasche, zog eine Brieftasche hervor und sagte:

»Señor, ich bin im Besitz einer Legitimation.« – »So? Wirklich? Ist sie gut?« – »Ich hoffe es, Señor.« – »So zeigen Sie einmal her.«

Der Jäger nahm eine Zwanzigdollarnote hervor, gab sie ihm und fragte:

»Gibt es vielleicht eine bessere Passierkarte als diese da?«

Der Beamte nickte mit dem Kopf, lächelte freundlich und antwortete:

»Es läßt sich allerdings nichts dagegen einwenden. Sie ist so gut, daß ich nur wünschen kann, daß die beiden anderen Herren sich auch im Besitz solcher Legitimationen befinden.«

Da zog Cortejo zwei Hundertfrankennoten hervor.

»So erlauben Sie«, sagte er, »daß ich mich und diesen Herren legitimiere.«

Der Mann griff zu und meinte:

»Dies Paßkarten sind allerdings gültig, doch muß man dennoch vorsichtig sein. Sind Sie im Besitz einer spanischen Legitimation?« – »Ja.« – »Wie heißen Sie?« – »Ich bin Don Antonio Veridante, Advokat aus Barcelona.« – »Und der andere Herr?« – »Ist mein Sekretario.« – »Können Sie das beweisen?« – »Durch meine Pässe.« – »Zeigen Sie!«

Cortejo gab dem Beamten die Papiere, und der Franzose betrachtete sie genau, obgleich er wohl kein Wort Spanisch verstand. Er erblickte den angegebenen Namen und die Unterschrift nebst Stempel der Behörde; daher war er überzeugt, daß die Papiere in Ordnung seien.

»Es ist gut«, sagte er. »Es stimmt alles, und Sie können mitfahren, allerdings nur in meinem Kupee. Aber dann müßten Sie sofort einsteigen, denn die Zeit drängt.« – »Wir sind bereit«, versicherte Cortejo froh, daß es so gekommen war. – »So kommen Sie!«

Er öffnete sein Kupee und schob sie hinein. Hier befanden sie sich zunächst noch einige Minuten lang unter sich allein.

»Welch ein Glück!« meinte Landola. »Es sah erst ganz so aus, als ob wir sitzen bleiben sollten.« – »Pah«, antwortete der Jäger. »Diese Herren Franzosen haben ein großes Maul, aber auch ein weites Gewissen.« – »Eigentlich war es ein Wagnis«, bemerkte Cortejo. – »Ein Wagnis?« sagte Grandeprise. »Man wagt niemals etwas, wenn man zwanzig Dollar zum Fenster hinauswirft.«

Cortejo begriff den Sinn dieser Worte. Er zog abermals eine Hundertfrankennote heraus und reichte sie ihm hin.

»Hier, nehmen Sie Ersatz«, sagte er. »Sie haben das Geld ja in meinem Interesse ausgegeben.« – »Vielleicht ebenso in dem meinigen«, antwortete Grandeprise. »Aber es fällt mir nicht ein, Sie durch Zurückweisung von lumpigen zwanzig Dollar zu beleidigen. Ich danke!«

Jetzt gab die Lokomotive das Zeichen, der Zugführer beantwortete dasselbe und stieg dann ein. Der Wagen setzte sich in Bewegung.

In Lomaldo angekommen, wurden die Wagen bereits erwartet. Der Bahnhof hatte ein höchst militärisches Aussehen. Er stand voller französischer Soldaten, die per Bahn an die See transportiert werden sollten, um nach der Heimat eingeschifft zu werden. Die angekommenen Wagen wurden mit den bereits wartenden zusammengekoppelt, sie füllten sich schnell mit den über die Rückkehr erfreuten Passagieren, dann setzte sich der Zug nach Verakruz zurück in Bewegung.

Im Anschluß an den Zug stand in Lomaldo die nach der Hauptstadt Mexiko gehende Diligence bereit. Die drei Reisenden lösten sich Billetts. Cortejo und Landola stiegen in das Innere des Wagens; Grandeprise aber liebte die Luft und die freie Aussicht; er erklomm das Verdeck und machte es sich da so bequem wie möglich.

Dies gab den beiden anderen Zeit und Gelegenheit, unbemerkt und ungehört von ihm miteinander zu verhandeln. Als der Wagen sich in Bewegung gesetzt hatte, fragte Cortejo:

»Also dieser Kerl ist ein Stiefbruder von Ihnen?« – »Leider ja«, antwortete Landola. – »Und er sucht Sie? Er gibt sich große Mühe, Sie zu finden?« – »Allerdings.« – »Warum?« – »Pah! Lassen wir das! Familiensachen!« brummte Landola verdrießlich. – »An denen Sie Schuld tragen?« – »Ich sagte dies bereits.« – »So vermute ich, daß er die Absicht hat, sich zu rächen.« – »Ganz meine Ansicht.« – »Welch ein Glück für Sie, daß Sie verkleidet sind. Er hätte Sie erkannt, und wer weiß, was dann geschehen wäre.« – »Geschehen? Pah! Es ist mir allerdings lieb, daß er keine Ahnung davon hat, daß ich der Gesuchte bin, aber ich bin doch keineswegs der Mann, ihn zu fürchten. Wer mit mir anbindet, den weiß ich zu bedienen, mag er ein Fremder oder mein Bruder sein.« – »Was beabsichtigen Sie, mit ihm zu tun?« – »Er will mir an die Haut, gut, so gehe ich ihm an das Fell. Zunächst können wir ihn außerordentlich gut gebrauchen; sobald dies später nicht mehr der Fall ist, lassen wir ihn abfallen.« – »Schön! Glauben Sie an seine Erzählung von dem Pater Hilario?« – »Unbedingt Ich glaube nicht, daß er jemals eine Unwahrheit sagt.« – »So würden wir also bei diesem Pater meinen Bruder oder wenigstens eine Spur von ihm finden?« – »Sicher. Darum gilt es, unsere Angelegenheiten in der Residenz so schnell wie möglich zu betreiben und uns dann schleunigst nach dem Kloster della Barbara in Santa Jaga zu begeben.« – »Unsere Angelegenheiten in der Hauptstadt? Hm? Was verstehen Sie unter denselben?« – »Nun, weiter nichts als diese verfluchte Erbbegräbnisgeschichte.« – »Darin könnten Sie sich irren.« – »Wieso?« – »Ich habe in Mexiko noch viel mehr zu tun.« – »Möchte wissen«, meinte Landola im Tone des Zweifels. – »Nun, die Güter der Rodriganda haben jetzt ja keinen Herrn.« – »Oh, die werden schon einen haben.« – »Sie vergessen, daß Graf Ferdinando scheinbar gestorben ist.« – »Das weiß ich.« – »Und daß mein Bruder, der Verwalter sämtlicher Besitzungen, des Landes verwiesen ist.« – »Auch das habe ich nicht vergessen.« – »Also befinden sich diese Besitzungen gegenwärtig ohne Herrn.« – »Sie werden erst recht einen haben.« – »Wen?« – »Die Regierung.« – »Sie meinen, daß sie konfisziert worden sind?« – »Nein, denn Graf Alfonzo, der eigentliche Besitzer, ist ja nicht des Landes verwiesen worden. Er besitzt noch alle seine Rechte.« – »So denken Sie, daß die Regierung die Verwaltung übernommen hat?« – »Ja, gerade das denke ich.« – »Ich bezweifle es.« – »Aus welchem Grund?« – »Hm! Welche Regierung ist es, von der Sie sprechen?« – »Die Kaiserliche.« – »Das ist gar keine Regierung. Kaiser Max ist in Kost und Logis bei Napoleon; er genießt das Gnadenbrot bei den Franzosen. Er darf nicht das Geringste unternehmen ohne die Erlaubnis oder die Einwilligung des Marschalls Bazaine.« – »Nun gut, so verstehe ich unter Regierung das französische Gouvernement.« – »Und dieses soll die Besitzungen der Rodriganda in Verwaltung genommen haben?« – »Jedenfalls.« – »Diese Herren Franzosen haben keine Zeit dazu!« – »Diese Herren Franzosen haben stets Zeit, wenn es gilt, Geld zu nehmen. Meinen Sie das nicht auch?« – »Sie denken, daß in dieser Angelegenheit Geld zu machen sei?« – »Natürlich. Ihr Bruder hat sich Geld gemacht; die Franzosen werden nicht dümmer sein als er.« – »Ich denke, daß sie diese Angelegenheit vollständig geriert haben werden. Mein Bruder hat seine Unterbeamten, die während seiner Abwesenheit die Verwaltung fortgeführt haben werden.« – »Welche während seiner Abwesenheit sich die Beutel gefüllt haben werden, wollen Sie wohl sagen.« – »Oho! Jede einzelne Besitzung, jede einzelne Hazienda hat ihren Verwalter.« – »So ist jede einzelne Besitzung und Hazienda von ihrem Verwalter ausgesogen worden; das ist noch schlimmer!« – »Wollen es abwarten!« – »Weiter können wir eben in unserer Lage nichts tun.« – »O doch! Habe ich nicht meine Bescheinigung in der Tasche, daß ich als Agent des Grafen Alfonzo den Auftrag habe, die Ordnung dieser Angelegenheiten zu übernehmen?« – »Allerdings. Nur fragt es sich, ob diese Bescheinigung auch genugsam respektiert werden wird.« – »Wer könnte mir hinderlich sein?« – »Dieser oder jener. Wir werden sehen.« – »Möglicherweise haben Sie recht. Auf alle Fälle aber werde ich, sobald wir nach Mexiko kommen, mich nach dem Palast Rodriganda verfügen, um zu rekognoszieren.« – »Nicht um zu rekognoszieren, sondern um sich in Gefahr zu begeben.« – »Keineswegs. Ich habe gute Papiere und bin unkenntlich.« – »Nun, tun Sie, was Sie wollen. Mir aber werden Sie gestatten, an einem sicheren Ort auf Sie zu warten, während Sie sich im Palast Rodriganda befinden.«

So geschah es.

9. Kapitel

Kaum in Mexiko angekommen, begab sich Cortejo nach dem Palast, während Landola in dem Gasthof zurückblieb, in dem sie abgestiegen waren. Der letztere hatte kein Vertrauen zu diesem, wie ihm schien, gewagten Schritt. Der erstere aber war voller Zuversicht, daß ihm nichts geschehen könne.

Am Palast angekommen, erblickte er zu Seiten des Einganges zwei Schilderhäuser. Zwei Ehrenposten standen dabei, ein sicheres Zeichen, daß ein hoher Militär Quartier hier habe. Er wollte eintreten, aber der eine Posten hielt ihn auf.

 

»Zu wem wollen Sie?« fragte er. – »Welcher Offizier hat hier sein Quartier?« erwiderte Cortejo. – »General Clausemonte.« – »Danke! Den General aber will ich gar nicht belästigen. Ich will zu dem Besitzer des Hauses.« – »Sie meinen zu dem Herrn Administrator?« – »Ja.« – »Gehen Sie parterre rechts.«

Cortejo folgte dieser Weisung. Im Hauskorridor rechter Hand erblickte er an einer Tür ein Schild, auf dem das Wort »Administration« zu lesen war. Er klopfte an und trat, auf einen zustimmenden Ruf von innen, ein. Er befand sich in einem Zimmer mit mehreren Schreibtischen, an dem verschiedene Personen arbeiteten. Einer der Männer trat auf ihn zu und fragte:

»Sie wünschen?« – »Den Herrn Administrator.« – »Ist nicht zu sprechen.« – »Warum?« – »Er frühstückt.« – »Melden Sie mich ihm!« – »Das darf ich nicht. Er will nicht gestört werden.«

Cortejo gab sich ein möglichst imponierendes Äußere und meinte:

»Ich habe Sie bedeutet, mich zu melden, und das werden Sie tun!«

Der Mann blickte erstaunt auf. Cortejos Ton schien aber doch einigen Eindruck hervorgebracht zu haben, denn die Antwort lautete:

»Wer sind Sie, Señor?« – »Das geht nur den Herrn Administrator etwas an. Sagen Sie, ein Herr, der direkt aus Spanien komme, wünsche ihn wegen der gräflichen Besitzungen und deren Verwaltung sogleich zu sprechen.« – »Ah! Das ist wohl etwas anderes. Hätten Sie das sogleich gesagt, so wären Sie bereits gemeldet. Wollen Sie die Güte haben, mir in das nächste Zimmer zu folgen, um den Herrn Administrator dort zu erwarten!«

Cortejo folgte dem Mann nach dem nebenan liegenden Raum, wo er einstweilen allein gelassen wurde. Das Zimmer glich bei weitem mehr einem feinen Damenboudoir, als einem Expeditionslokal.

»Hm!« brummte Cortejo. »Dieser Herr Verwalter scheint noble Passionen zu haben. Vielleicht hat Landola recht.«

Erst nach einer vollen Viertelstunde hörte er Schritte. Ein sehr fein nach französischer Mode gekleideter Mann trat ein, dessen Gesichtsschnitt, ebenso wie Schnurr- und Kinnbart, sofort den Franzosen vermuten ließen. Er betrachtete Cortejo kalt und forschend und fragte, doch ohne Verbeugung und Gruß:

»Wer sind Sie, Monsieur?« – »Mein Name ist Don Antonio Veridante.« – »Schön! Ein Spanier also dem Laut nach?« – »Ja. Advokat aus Barcelona.« – »Ahnte es!« – »Agent und Bevollmächtigter des Grafen Alfonzo.« – »Welches Grafen Alfonzo?« – »De Rodriganda.« – »Ah! Können Sie dies beweisen?« – »Ja. Hier meine Akkreditive.«

Cortejo gab dem Franzosen die betreffenden Papiere. Dieser las sie durch, ohne daß eine Miene zuckte, und sagte dann kalt:

»Schön! Tut mir aber leid!« – »Was?« – »Diese Papiere sind nicht hinlänglich!« – »Wieso? Zweifeln Sie an der Echtheit derselben?« – »Nicht im mindesten.« – »Der Paß sagt Ihnen ganz genau, wer ich bin!« – »Allerdings.« – »Und die Vollmacht klärt Sie über meine Befugnisse hoffentlich auf.« – »Vollständig.« – »Und dennoch sagen Sie, daß diese Papiere unzulänglich seien?« – »Ja«, antwortete der Gefragte mit einem leichten Achselzucken. – »Was könnte noch fehlen?« – »Sie kommen direkt von Rodriganda oder Barcelona herüber nach Mexiko?« – »Ja.« – »Sie waren nicht vorher in Madrid?« – »Nein.« – »Oder in Paris?« – »Nein.« – »So haben Sie Ihre Reise leider umsonst unternommen.« – »Wieso?« – »Sie hätten sich vorher dem französischen Gesandten in Madrid oder dem spanischen Gesandten in Paris vorstellen sollen.« – »Ich habe das nicht für notwendig gehalten.« – »Da haben Sie sich allerdings geirrt« – »Sie meinen, es sei eine gesandtschaftliche Rekognoszierung notwendig.« – »Sehr notwendig.« – »Das kann ich noch nachholen!« – »Ja, indem Sie sich von hier nach Paris oder Madrid zurückbegeben.« – »Das ist nicht notwendig, da sich hier in Mexiko ein spanischer Geschäftsträger befindet.« – »Ein solcher Beamter befindet sich allerdings hier, aber seine Kompetenz reicht nicht so weit, daß ich auf ihn hören dürfte.« – »Ah! Die Befugnis eines Geschäftsträgers reicht nicht so weit?« – »Nein.« – »Ich werde mich erkundigen.« – »Tun Sie das, Monsieur!« meinte der Franzose, indem er eine etwas schadenfrohe Miene nicht ganz beherrschen konnte. – »Ich bin Advokat und kenne die Gesetze!« drohte Cortejo. – »Das erstere gebe ich zu, das letztere scheint mir aber doch nicht der Fall zu sein.« – »Señor, wollen Sie mich beleidigen?«

Der Franzose warf einen geringschätzigen Blick auf den Spanier und erwiderte:

»Das kann mir gar nicht einfallen.«

Dieser Blick ärgerte Cortejo gewaltig, er sagte erbost:

»Sie meinten aber doch sehr deutlich, daß Sie bezweifeln, daß ich die Gesetze kenne.« – »Das bezweifle ich allerdings.« – »Ah!« – »Ihre Ansicht, daß die Kompetenz des spanischen Geschäftsträgers ausreichend sei, mag für die Gewöhnlichkeit zutreffend sein. Wir aber haben Krieg und befinden uns also in einem Ausnahmefall.« – »Donnerwetter.« – »Ihr Wort, Monsieur, ist nicht sehr höflich, doch will ich es für dieses Mal nicht gehört haben. Also wir haben Krieg. Der Kaiser hat gefunden, daß die Besitzungen von Rodriganda herrenlos sind, und dafür Sorge getragen, daß sie unter Verwaltung kommen. So lange wir uns in dem angegebenen Ausnahmefall befinden, kann ich Ihre Vollmacht nur dann respektieren, wenn durch einen der beiden heimischen Residenten, mag es nun der meinige oder der Ihrige sein, nachgewiesen wird, daß meine Regierung Ihnen erlaubt, die Verwaltung der betreffenden Güter in Ihre Hände zu nehmen.« – »So müßte ich wirklich wieder über den Ozean hinüber?« – »Allerdings.« – »Darf ich nicht wenigstens einigermaßen Einsicht in den Stand der Dinge nehmen?« – »Ich darf dies nicht zugeben.« – »Die Verwaltung befand sich bisher in den Händen des Señor Pablo Cortejo?« – »Ja.« – »Warum ist sie ihm genommen worden?« – »Er wurde als Empörer und Verräter des Landes verwiesen. Sie sehen doch ein, daß es ihm da unmöglich ist, dieses Amt auch fernerhin zu bekleiden.« – »Wo befindet er sich?«

Der Franzose zuckte hochmütig die Achsel und antwortete:

»Weiß ich es? Ich gehöre nicht zur Gendarmerieabteilung. Es ist mir höchst gleichgültig, wo sich dieser Cortejo befindet, den ich nicht nur für einen Empörer, sondern auch für einen ganz ausgefeimten und gewissenlosen Spitzbuben und Betrüger halte.« – »Señor!« rief Cortejo unbesonnen. – »Mein Herr?« – »Sie beschimpfen Cortejo!« – »Mit vollem Recht!« – »Haben Sie Beweise für Ihre Behauptung?« – »So viele Sie wollen!« – »Bringen Sie dieselben!« – »Etwa Ihnen?« lachte der Intendant. – »Ja.« – »Ich bemerkte Ihnen bereits, daß Sie hier nichts zu sagen haben!« – »Und ich werde Ihnen beweisen, daß dies dennoch der Fall ist!« – »Tun Sie es immerhin, es ist mir das sehr gleichgültig.« – »Ich werde mich sofort zu meinem Geschäftsträger verfügen.« – »Der ist mir ebenso gleichgültig wie Sie.« – »Zum Kaiser!« – »Pah! Der Kaiser wird Ihnen sagen, daß Sie ihn belästigen.« – »Zu Marschall Bazaine!« – »Der wird Sie einfach einsperren lassen.« – »Donnerwetter!« – »Monsieur, ich habe Ihnen wiederholt gesagt, daß ich das Fluchen nicht dulde.« – »Sie sprachen vom Einsperren.« – »Allerdings, und zwar mit vollem Recht. Sie nehmen sich dieses Cortejo mit einer Wärme an, daß Sie mir verdächtig werden.« – »Ich verdächtige niemanden ohne Beweise.« – »Ich auch nicht. Ich sage Ihnen, daß ich so viele Beweise habe, wie Sie nur verlangen können. Jede Zeile seiner Bücher, die er führte, jede Ziffer, die darin enthalten ist, bildet einen solchen Beweis. Er hat den Grafen Rodriganda um ungeheure Summen gebracht. Wird er ergriffen, so wird er gehängt allein um dieses Grundes willen; denn daß er als Präsident kandidierte, das war eine wahnsinnige Lächerlichkeit.« – »So befindet er sich wirklich außer Landes?« – »Ich weiß es nicht. Haben Sie mir sonst noch etwas zu sagen?« – »Unter diesen Verhältnissen nicht, für jetzt nämlich.« – »So bedaure ich, daß ich mich habe stören lassen.« – »Sie waren notwendig beschäftigt?« – Ja.« – »Beim Frühstück?« lachte Cortejo höhnisch. – »Das ist wahr. Aber Sie geben zu, daß das Frühstück eine notwendigere und angenehmere Beschäftigung ist, als die fruchtlose Unterhaltung mit einem Mann, der hierherkommt, um zu gebieten, sich aber über das Allereinfachste noch nicht im mindesten orientiert hat. Adieu!«

Der Franzose drehte sich stolz um und ging. Cortejo befand sich allein in dem Zimmer. Eine solche Zurechtweisung hatte er noch nie erfahren.

»Warte nur, Bursche!« knirschte er. »Es wird die Zeit kommen, da ich dir das alles wieder heimzahle, und zwar mit Zinsen!«

Cortejo verließ den Ort. Als er durch das vordere Zimmer schritt, wurde er von den höhnischen Blicken der dort anwesenden Schreiber verfolgt Er tat, als ob er dies gar nicht bemerkte, und verließ das Haus. Draußen auf der Straße erkundigte er sich nach der Wohnung des spanischen Geschäftsträgers, zu dem er sich verfügte.

Dort angekommen, konnte er nur nach langem Warten vorgelassen werden und hörte dann zu seinem Ärger, daß er von dem Administrator nur das Richtige erfahren habe. Es blieb ihm nichts übrig, als völlig unverrichteter Sache zu Landola zurückzukehren.

10. Kapitel

Landola hatte Cortejo mit großer Ungeduld erwartet.

»Nun?« fragte er. »Ich glaubte bereits, daß Ihnen etwas Unangenehmes passiert sei.« – »Das ist auch der Fall«, brummte Cortejo verdrossen. – »Ah, doch!« – »Ja, wenn auch nicht das, was Sie dachten.« – »Ich glaubte gar, man hätte Sie festgehalten.« – »Es wäre auch beinahe geschehen.« – »Alle Teufel!« – »Wenigstens hat man mir damit gedroht.« – »Wer?« – »Dieser Herr Administrator.« – »Ah! Der gräfliche Palast hat einen Administrator?« – »Nicht nur der Palast, sondern unsere ganzen Besitzungen stehen unter seiner Verwaltung.« – »Was ist er? Ein Österreicher?« – »Nein, ein Franzose.« – »Da haben Sie es. Hatte ich nicht recht?« – »Leider.« – »Wie empfing er Sie?« – »Dieser Mensch behandelte mich von oben herab und erkannte meine Papiere gar nicht an.« – »Das wäre stark! Sie sind doch echt und gültig!« – »Echt ja, aber nicht gültig. Es handelt sich hier um einen Ausnahmefall, weil wir Krieg haben. Ich hätte der Unterschrift unseres Residenten bedurft. – »Gehen Sie zum Geschäftsträger!« – »Da war ich schon.« – »Was sagte dieser?« – »Ganz dasselbe.« – »Der Teufel soll ihn holen! Übrigens wollen wir froh sein, daß Sie überhaupt und mit heiler Haut zurückgekehrt sind. Hätte man Sie wirklich festgehalten … Doch, warum wollte man dies tun?« – »Er nannte meinen Bruder einen Betrüger.« – »Und Sie wurden wohl gar deswegen grob?« fragte Landola, im höchsten Grade erstaunt. – »Allerdings.« – »Welch eine riesige Dummheit!« – »Oh, es war mehr noch als Dummheit! Aber ich war zornig über diesen impertinenten Kerl von Franzosen.« – »Ich sehe nun schon, wie sehr man sich auf Sie verlassen kann. Sie sind imstande, unsere ganze Angelegenheit zu verderben.« – »Ich werde mich beherrschen.« – »Ich hoffe es. Also diese Affäre mit dem Intendanten ist für jetzt hoffnungslos. Was tun wir nun?« – »Es gilt, das Grab zu füllen.« – »Und dann?« – »Dann reisen wir sofort nach dem Kloster della Barbara.« – »Womit füllen wir das Grab?«

Sie befanden sich ganz allein in ihrem Zimmer, dennoch meinte Cortejo in warnendem Ton:

»Nicht so laut! Man könnte uns hören. Natürlich füllen wir es mit einer Leiche.« – »Aber woher sie nehmen?« – »Dummheit! Das versteht sich ja ganz von selbst.« – »Sie meinen, wir erkundigen uns, wo jemand gestorben ist, rauben den Kerl und legen ihn im Erbbegräbnis der Rodrigandas in den leeren Sarg Don Ferdinandos?« – »Das wäre der allergrößte Wahnsinn, den wir uns zuschulden kommen lassen könnten.« – »Wieso?« – »Sie geben zu, daß unsere Feinde uns entschlüpfen können?« – »Ja, obgleich dies ein ganz verteufelter Fall sein würde.« – »Und daß sie dann nach der Hauptstadt kommen würden?« – »Ja.« – »Daß dann ihr erstes sein würde, das Erbbegräbnis zu untersuchen?« – »Ja. Aber das wäre ja für uns sehr günstig.« – »Wieso?« – »Sie würden die Leiche finden, und es wäre dann bewiesen, daß Don Ferdinando wirklich gestorben ist.« – »Ah«, dehnte Cortejo im Ton der Überlegenheit. – »Ja. Oder meinen Sie anders?« – »Ja, sehr anders. Sagen Sie mir doch einmal, mein kluger Señor Sekretario, was man vor allen Dingen mit der Leiche tun würde?« – »Nun, man würde sie natürlich untersuchen.« – »Wer würde diese Untersuchung vornehmen?« – »Ein Arzt, oder mehrere, das versteht sich ja von selbst.« – »Und was würden diese Ärzte sofort bemerken?«

Landola blickte Cortejo fragend an. Er konnte das Richtige nicht gleich finden, darum antwortete er mit zynischem Lachen:

»Nun, sie würden vor allen Dingen finden, daß diese Leiche tot ist.« – »Ja; aber man würde auch finden, wann und woran sie gestorben ist.« – »Alle Teufel! Das ist wahr.« – »Was folgt daraus?« – »Ah! Nun verstehe ich Sie vollständig.« – »Nun?« – »Wir müssen eine Leiche haben, die ungefähr um dieselbe Zeit begraben wurde, in der man Don Ferdinando beerdigte.« – »Und wo finden wir die?« – »Auf dem Gottesacker natürlich.« – »Ja. Sie muß gesucht und am Abend ausgegraben werden.« – »Wir brauchen ja nur die Inschriften der Leichensteine zu lesen, um die richtige Jahreszahl zu finden.« – »Endlich haben Sie die Hand auf dem Knopf.« – »Aber die Kleider?« – »Oh, die machen mir keine Sorge. Ich habe unterwegs den Schiffsarzt befragt, der ein guter Chemiker ist.« – »Donnerwetter! Das war gefährlich! Er hätte, wenn er halbwegs scharfsinnig war, Ihre Absicht erraten können.« – »Denken Sie, daß ich so unvorsichtig bin?« – »Daß Sie es einigermaßen sind, haben Sie bewiesen, indem Sie dem Administrator zürnten, weil er Ihren Bruder einen Betrüger nannte, wobei er übrigens meine volle Zustimmung hat.« – »Das war die Übereilung des Zorns. Der Arzt aber hat nicht das mindeste geahnt. Er hat mir ganz unbefangen mehrere Mittel genannt, die festesten Kleiderstoffe so in Zunder zu verwandeln, daß sie bei der geringsten Berührung vom Leib fallen.« – »Aber doch so, daß man sie nicht für verkohlt, sondern für verfault, für verwest halten kann?« – »Ja.« – »Ohne daß man Verdacht zu schöpfen vermag?« – »Ohne alle Möglichkeit des Verdachtes.« – »Hm, das wäre vorteilhaft. Aber woher eine Kleidung nehmen?« – »Vom ersten, besten Schneider oder Altkleiderhändler.« – »Aber sie müßte derjenigen, in der der Don begraben wurde, ganz ähnlich sein.« – »Das wird der Fall sein. Mein Bruder hat mir damals die ganze Leichenfeierlichkeit und natürlich auch den Anzug des Scheintoten sehr ausführlich und genau beschrieben, so daß ich in dieser Beziehung sicherlich keinen Fehler begehe.« – »Dies wäre gar nicht notwendig. Sie vergessen, daß man mir die Leiche auf das Schiff gebracht hat.« – »Ah, so.« – »In derselben Kleidung, in der sie begraben worden war.« – »Das ist richtig.« – »Und daß ich mich dieser Kleidung noch ganz genau erinnere.« – »Nun, so brauchen wir nur zu memorieren, und Sie sind zugegen, wenn ich ein Gewand kaufe.« – »Natürlich. Nun aber noch eins, und zwar die Hauptsache. Wir graben eine Leiche aus. Wird man das am anderen Tag nicht bemerken?« – »Wir nehmen uns möglichst in acht.« – »Eine ganz verdammte Geschichte!« – »Sie sind selbst schuld daran.« – »Ich? Wieso?« – »Sie und mein Bruder, dieser dumme Mensch! Hätte er diesen Don Ferdinando wirklich sterben lassen, und wären Sie auf seinen Vorschlag, den Scheintoten auf Ihr Schiff zu nehmen, nicht eingegangen, so befänden wir uns nicht in der gegenwärtigen, unangenehmen Lage, diesen gewaltigen Fehler wiedergutzumachen. Sie sehen doch ein, daß ich recht habe?« – »Leider. Aber wie verschaffen wir uns das Nötige, Hacken, Schaufeln, Laternen, Bretter und eine Leiter?« – »Laternen müssen wir uns allerdings kaufen. Das andere ist vielleicht auf dem Gottesacker zu haben. Die Totengräber haben gewöhnlich ein Gelaß, worin sich diese Gegenstände befinden.« – »So müssen wir uns baldigst überzeugen.« – »Wir werden sogleich gehen. Aber vorher ist noch etwas sehr Wichtiges zu erörtern. Wir brauchen eine Person, die Wache steht, damit wir nicht gestört werden oder bei Gefahr zur rechten Zeit fliehen können.« – »Diese Person ist bereits gefunden.« – »Wer ist sie?« – »Mein Bruder.« – »Ah, der! Wird er sich bereden lassen, es zu tun?« – »Ganz gewiß.« – »Welche Gründe geben wir an? Denn die Wahrheit können wir ihm doch unmöglich sagen.« – »Das fällt mir gar nicht ein. Überlassen Sie das mir! Er haßt mich, und auf diesen Haß gründe ich die Fabel, die ich ihm erzählen werde und die ihn ganz sicher bewegen wird, sich uns bei diesem Unternehmen anzuschließen.« – »Wo befindet er sich?« – »Er schläft unten im Hof auf den Steinen. Lassen wir ihn schlafen. Sind Sie bereit?« – »Ja, gehen wir.«

 

Sie verließen das Gasthaus und schritten durch die Straßen, in denen infolge der Anwesenheit des Militärs ein ungewöhnlich reges Leben herrschte. Doch zeigten die Soldaten nicht etwa jene sicheren Mienen, wie man sie bei Siegern zu sehen gewohnt ist. Man ahnte in den niederen Kreisen, was man in den höheren bereits wußte, nämlich, daß das glanzvolle Spiel zu Ende sei, bei dem es dem Kaiser der großen Nation nicht gelungen war, sich Ruhm und Ehre zu holen.

Nach kurzem Fragen fanden die beiden den Weg zu dem betreffenden Kirchhof, der offen stand.

Es war jetzt gegen Mittag. Die Sonne stand hoch, und die Wärme ihrer Strahlen machte, daß keine Besucher sich an dem einsamen Ort befanden. Die beiden Männer traten ein und konnten ihre Beobachtungen ganz ungestört vornehmen.

Zunächst suchten sie das Erbbegräbnis der Rodriganda, das sie auch unschwer fanden. Es war mit einem eisernen Tor verschlossen.

»Werden wir es öffnen können?« fragte Landola. – »Wir müssen uns Werkzeuge verschaffen«, meinte Cortejo. – »Aber woher?« – »Das lassen Sie meine Sorge sein.« – »Von einem Schlosser etwa? Er darf keinen Dietrich hergeben.« – »Sie vergessen, das wir uns in Mexiko befinden. Mit Geld will ich da noch ganz andere Dinge fertigbringen.«

Nun schritten sie zwischen den Gräbern dahin, um die Inschriften zu lesen. An der Mauer zogen sich kleine Gebäude dahin, eins an dem anderen liegend.

»Auch das müssen Erbbegräbnisse sein«, meinte Landola. – »Natürlich«, antwortete Cortejo. – »Donnerwetter! Da kommt mir ein Gedanke!«– »Ah, Sie haben einmal einen Gedanken?« fragte Cortejo unter einem sarkastischen Lachen. – »Lachen Sie nur! Dieser Gedanke ist doch gut!« – »So lassen Sie ihn hören!« – »Wie nun, wenn wir weder Hacke noch Schaufel brauchten?« – »Das wäre allerdings vorteilhaft.« – »Wenn es gar nicht nötig wäre, ein Grab zu öffnen?« – »Wieso?« – »Welch eine Ersparnis an Zeit und Mühe! Sehen Sie diese große Reihe von Erbbegräbnissen.« – Ah, ich errate, was Sie meinen. Der Gedanke ist allerdings gut.« – »Es muß sich bei einer solchen Anzahl von Grüften doch jedenfalls eine Leiche finden, die das erforderliche Alter hat.« – »Man sollte es wenigstens meinen.« – »Lassen Sie uns sehen! Diese unheimlichen Schlafzimmer sind meist nur mit Gittertüren verschlossen, durch die man sehen kann. Vielleicht gewahren wir eine Inschrift, die uns als Wegweiser dienen kann.«

Sie schritten nun an den Begräbnissen hin, um nach Inschriften zu suchen. Nach einiger Zeit blieb Cortejo vor einer der Gittertüren stehen und sagte:

»Lesen Sie, Señor Sekretario.« – »Wo?« – »Da drin an der hinteren Wand.«

Landola trat herzu, blickte durch das Gitter und sah verschiedene Steine mit Inschriften, deren Zahl bewies, daß die Gruft ziemlich gefüllt sein müsse.

»Sie meinen die oberste Inschrift?« fragte er. – »Ja.« – »Hm. Der Tote ist Bankier gewesen, wie hier steht.« – »Das ist nicht die Hauptsache.« – »Sechsundfünfzig Jahre alt.« – »Das paßt.« – »Vor achtzehn Jahren gestorben.« – »Das paßt ebensogut, vielleicht noch besser. Was meinen Sie?« – »Hm. Sie haben recht. Wie aber den richtigen Sarg finden?« – »Vergleichen Sie die anderen Inschriften.« – »In welcher Beziehung?« – »Bezüglich der Todestage.«

Landola folgte der Aufforderung und meinte dann:

»Ich verstehe Sie. Dieser Bankier ist die letzte Leiche, die hier beigesetzt wurde.« – »Was folgt daraus?« – »Daß sein Sarg wohl am besten erhalten ist.« – »Und daß dieser Sarg sehr leicht zu finden sein wird. Die Hauptfrage aber muß ich doch vorher an Sie stellen.« – »Fragen Sie!« – »Werden Sie da unten Ihre Kaltblütigkeit bewahren?« – »Donnerwetter! Meinen Sie etwa, daß ich mich fürchte?« – »Hm. Es ist ein Unterschied, einem Lebenden mit der Waffe in der Faust entgegenzutreten oder des Nachts in ein Begräbnis hinabzusteigen.« – »Pah!« – »Einen Sarg zu öffnen!« – »Abermals pah!« – »Einer Leiche in das Gesicht zu sehen!« – »Kleinigkeit.« – »Und nun gar diese Leiche anzurühren, um sie zu entkleiden und ihr ein anderes Gewand anzulegen.« – »Hole Sie der Teufel! Mir ist es sehr egal, wem ich den Rock aus- und anziehe, einem Lebenden oder einem Toten. Sehen Sie zu, daß Sie nicht vor Angst davonlaufen!« – »Meiner bin ich vollständig sicher. Aber Ihr Bruder?« – »Der bekommt die Leiche gar nicht zu sehen. Er steht am Tor Wache und darf nicht wissen, was wir mit dem Toten machen.« – »Er muß aber doch erfahren, was wir hier wollen.« – »Nur so viel, wie unumgänglich notwendig ist.« – »So haben wir also gefunden, was wir suchten. Kommen Sie nun, um uns noch nach einer Leiter umzusehen!«