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Der Oelprinz

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»Erratet ihr das nicht? Sie sind ja Feinde der Nijoras. Hier treffen Kundschafter beider Stämme zusammen. Das gibt Blut! Die Navajos sind auf die Spur der Nijoras gestoßen und ihnen heimlich gefolgt bis hier ins Thal herein. Paßt auf, was geschehen wird!«

Er zitterte vor Aufregung, und seinen beiden Begleitern ging es ebenso; der Platz, auf welchem sie standen, lag so, daß sie den Vorgang beobachten konnten, ohne gesehen zu werden.

Die zwei Navajos krochen langsam auf den Spitzen der Hände und Füße auf der Fährte der Nijoras nach dem Felsenblocke hin.

»Alle Teufel!« meinte der Oelprinz. »Mokaschi und sein Begleiter sind verloren, wenn sie nur noch eine Minute sitzen bleiben!«

»Herrgott!« fragte der aufgeregte Buchhalter. »Können wir die Blutthat nicht verhüten?«

»Nein, nein – und – aber – ja,« antwortete Grinley mit fliegendem Atem – »benutzen müssen wir die Sache.«

Die beiden Navajos befanden sich noch zehn Schritte vom Felsblocke entfernt. Erreichten sie ihn, so war es um die Nijoras, welche hinterrücks überfallen wurden, geschehen.

»Benutzen? Wieso?« erkundigte sich der Bankier, der kaum zu atmen wagte.

»Sollt es sofort sehen.«

Er nahm sein Doppelgewehr mit einer schnellen Bewegung vom Sattel und legte es an.

»Um Gottes willen, Ihr wollt doch nicht etwa schießen!« wollte Baumgarten ihm sein Vorhaben vereiteln, aber da krachte auch schon der erste Schuß und eine Sekunde später der zweite. Der eine Navajo, welcher die Feder trug, wurde vom ersten Schusse in den Kopf getroffen und war sofort tot; den andern erreichte die zweite Kugel; er that einen Satz in die Luft, noch einen und brach dann zusammen.

»Herr, mein Gott! Ihr habt sie erschossen!« schrie Rollins vor Entsetzen laut auf.

»Zu meinem und Eurem Nutzen,« antwortete der Oelprinz in kaltem Tone, indem er das Gewehr absetzte und auf dem Felsen soweit vortrat, daß er von unten gesehen werden konnte.

Der Erfolg der beiden Schüsse auf die Nijoras war ein blitzschneller. Sie sprangen im ersten Schrecke aus ihrer sitzenden Stellung auf, warfen sich aber sofort wieder nieder, platt ins Gras, um ein so wenig wie möglich sichtbares Ziel zu bieten. Sie glaubten, die Schüsse seien auf sie gerichtet gewesen, denn sie konnten, da der Felsblock dazwischen lag, die beiden toten Navajos nicht liegen sehen. Da sie sich aber den, welcher geschossen hatte, hinter diesem Blocke dachten, so krochen sie langsam und vorsichtig am Fuße desselben hin, um die eine Ecke zu erreichen, von wo aus sie dann den oder die Schützen

zu bemerken hofften. Da rief der Oelprinz von seinem Altane herab: »Mokaschi, der Häuptling der Nijoras, darf sich unbedenklich aufrichten; er braucht sich nicht zu verstecken, denn seine Feinde sind tot.«

Mokaschi richtete den Blick zu ihm empor, stieß, als er ihn sah, einen Ruf der Ueberraschung aus und fragte:

»Uff! Wer hat geschossen?«

»Ich.«

»Auf wen?«

»Auf die zwei Navajos.«

»Wo?«

»Hinter Eurem Felsen. Geht hin! Sie sind tot.«

Aber der vorsichtige Rote folgte dieser Aufforderung keineswegs sofort, sondern er kroch weiter, bis zur Ecke hin und lugte hinter derselben hervor, erst im höchsten Grade vorsichtig; dann hob er den Kopf immer höher, zog sein Messer, um auf alles vorbereitet zu sein, und sprang mit zwei, drei schnellen Sätzen zu den Leichen hin. Als er sah, daß kein Leben mehr in ihnen war, richtete er sich auf und rief dem Oelprinzen zu:

»Du hast recht; sie sind tot. Komm herab!«

»Ich bin nicht allein; es sind noch Männer bei mir.«

»Bleichgesichter?«

»Ja.«

»Wie viele?«

»Zwei.«

»Bring sie mit!«

»Wollen wir ihm den Willen thun?« fragte Rollins den Oelprinzen.

»Natürlich,« antwortete dieser.

»Hat das keine Gefahr?«

»Nun nicht die geringste. Ich habe den beiden Nijoras das Leben gerettet, und sie sind uns also zum größten Dank verpflichtet.«

»Aber, Sir, es ist ein Mord, ein Doppelmord!«

»Pshaw! Laßt Euch das nicht anfechten. Zwei Indianer mußten auf alle Fälle sterben. Sagte oder that ich nichts, so traf es die Nijoras. Rief ich ihnen eine Warnung zu, so gab es einen Kampf zwischen Vieren, den wohl schwerlich einer von ihnen überlebt hätte. Die Vier hätten einander zerfleischt. Da habe ich das schwarze Los den beiden Navajos zugeworfen und mir dadurch die Dankbarkeit und Freundschaft Mokaschis erworben. Jetzt brauchen wir keine Sorge mehr zu haben. Unser Petroleumunternehmen muß gelingen, denn die Nijoras werden uns beschützen. Also kommt und folgt mir getrost!«

Sie thaten dies, konnten sich aber eines Grauens vor diesem Manne nicht erwehren, der um eines Vorteiles willen zweien Menschen, die ihm nichts gethan, so schlanker Weise das Leben genommen hatte. Ihr Weg führte sie außerhalb des Thales bis zum südlichen Eingang desselben nieder. Als sie durch denselben passierten, sahen sie nicht, daß hinter einem Gebüsch zwei funkelnde Augen auf sie gerichtet waren. Sie verschwanden hinter dem engen Durchlasse, und nun richtete sich ein Roter hinter dem Gesträuch auf und knirschte.

»Uff! Der Alte war der Mörder! Ich konnte meinen Brüdern nicht helfen, aber ich werde sie rächen. Man wird nach unsern Spuren forschen, mich aber nicht finden.«

Sich wieder niederduckend, verschwand er im Gesträuch. Er war ein Navajo. Jedenfalls hatte er als Sicherheitsposten hier bleiben müssen, während seine unglücklichen Gefährten in das Thal gedrungen waren.

Der Oelprinz ritt mit Rollins und Baumgarten getrosten Mutes auf den Häuptling zu, der sie an dem Felsblocke erwartete. Mokaschi hatte vorhin Grinleys Gesicht der Entfernung wegen nicht deutlich erkennen können; jetzt, als er es in der Nähe sah, zog sich seine Stirn unter den Querstrichen der Kriegsfarben finster zusammen.

»Wo kommen die drei Bleichgesichter her?« fragte er.

Der Oelprinz hatte einen weit freundlichern Empfang erwartet; er antwortete enttäuscht, indem er vom Pferde stieg, was auch seine Begleiter thaten.

»Unser Pfad hat am Rio Gila begonnen.«

»Wo wird er denn enden?«

»Am Wasser des Chelly.«

»Seid ihr allein?«

»Ja.«

»Kommen noch mehr der Bleichgesichter nach?«

»Nein. Und wenn welche kommen sollten, so sind sie nicht Freunde von uns.«

»Wißt ihr, daß die Pfeife des Friedens von uns zerbrochen worden ist?«

»Ja,«

»Und dennoch wagt ihr euch hierher?«

»Eure Feindschaft ist doch nur gegen die Navajos, nicht aber gegen die Weißen gerichtet!«

»Die Bleichgesichter sind schlimmer als die Hunde der Navajos. Als es noch keine Weißen gab, herrschte Frieden unter allen roten Männern. Nur den Bleichgesichtern haben wir es zu verdanken, daß der Tomahawk unser Leben frißt. Sie werden nicht geschont.«

»Willst du damit sagen, daß ihr unsre Feinde seid?«

»Ja, eure Todfeinde.«

»Und doch habt ihr beide meinen zwei Kugeln euer Leben zu verdanken! Wollt ihr uns dafür am Marterfeuer braten?«

Ueber das Gesicht des Häuptlings zuckte ein verächtliches Lächeln, als er hierauf antwortete:

»Du sprichst vom Marterfeuer, als befändest du dich bereits in unsrer Gewalt, und doch sind wir nur zu zweien, während ihr zu dreien seid. Du scheinst den Mut eines Frosches zu haben, welcher der Schlange in den Rachen springt, wenn sie den Blick auf ihn richtet.«

Dieses beleidigende Verhalten war jedenfalls nicht bloß eine Folge der jetzt herrschenden feindseligen Verhältnisse. Sehr wahrscheinlich war das Ansehen Grinleys schon früher ein ganz andres bei den Nijoras gewesen, als er seinen Begleitern gesagt hatte. Er fühlte, daß sie unbedingt auf diesen Gedanken kommen mußten und wollte dem entgegenwirken, indem er fragte:

»Mokaschi, der tapfere Häuptling, kennt mich wohl nicht mehr?«

»Mein Auge hat noch nie ein Gesicht vergessen, selbst wenn es dasselbe nur ein einziges Mal und kurz zu sehen bekam.«

»Ich habe den Kriegern der Nijoras nie ein Leid gethan!«

»Uff! Warum sprichst du so? Hättest du einen meiner Krieger nur mit einer Bewegung der Fingerspitze gekränkt, so lebtest du nicht mehr.«

»Warum trittst du denn so feindlich gegen mich auf? Ist dein Leben so wenig wert, daß du den Retter desselben nicht einmal willkommen heißest?«

»Sag mir erst, wann du die Navajos, welche du vorhin tötetest, gesehen und wie lange du sie verfolgt hast!«

»Ich sah sie zwei Minuten, bevor ich sie erschoß, um dich zu retten.«

»Was hatten sie dir gethan?«

»Nichts.«

»Du hattest keine Rache gegen sie?«

»Nein.«

»Und doch hast du sie getötet!«

»Nur um dich zu retten!«

»Hund!« donnerte da Mokaschi, indem seine Augen funkelten, den Weißen an. »Es haben mir viele Jäger und Krieger ihr Leben zu verdanken, und ich habe es nicht ein einziges Mal erwähnt, obgleich Jahre darüber vergangen sind. Du aber stehst erst wenige Augenblicke vor mir und hast dich bereits fünfmal meinen Retter genannt. Wenn du so dich selbst bezahlst, darfst du keinen Lohn von mir erwarten. Habe ich verlangt, von dir gerettet zu werden?«

Grinley fühlte sich außerordentlich eingeschüchtert, wagte aber dennoch den Einwurf:

»Nein; aber ohne mich wärest du jetzt tot.«

»Wer sagt dir das? Es ist ein Lüge. Du siehst hier neben dem Felsen unsre Pferde stehen, welche uns die Annäherung jedes fremden Menschen verraten. Eben hörten wir sie schnauben und griffen schon nach unsern Messern, als deine Schüsse fielen. Die Navajos hatten dir nichts gethan. Du hast nicht mit ihnen gekämpft, sondern sie aus dem Hinterhalte erschossen. Du bist kein Krieger, sondern ein Mörder. Dort hegen ihre Leichen. Darf ich mir ihre Skalpe nehmen? Nein, denn sie sind von deinen heimtückischen Kugeln gefallen. Wärest du nicht gekommen, so hätte ich sie, durch das Schnauben unsrer Pferde aufmerksam gemacht, mit dem Messer empfangen und dürfte mich mit ihren Skalplocken schmücken. Kennst du den, in dessen Haar die Feder steckt? Sein Name lautet Khasti-tine (* Alter Mann.), obgleich die Zeit seines Lebens erst zwanzig Sommer und Winter beträgt. Diesen Ehrennamen erhielt er infolge seiner Klugheit und Tapferkeit. Und so einen Krieger hast du gemordet! Und mich hast du um den Ruhm gebracht, ihn besiegt zu haben! Und da verlangst du anstatt Rache Lohn von mir!«

 

Dem Oelprinzen wurde himmelangst, und seinen Begleitern war es nicht weniger bange. Der Häuptling fuhr fort:

»So wie du sind die Bleichgesichter alle. Wieviel gute gibt es unter ihnen? Auf einen Old Shatterhand, in dessen Herzen die Liebe wohnt, kommen hundertmal hundert andre, welche uns das Verderben bringen. Bleibt hier stehen, bis ich wiederkomme! Wenn ihr es wagt, euch zu entfernen, seid ihr verloren!«

Er gab dem andern Nijora einen Wink und schritt mit ihm, die Fährte sorgfältig untersuchend, neben derselben hin dem Eingange zu, hinter welchem die beiden verschwanden.

»O wehe! Das klang viel, viel anders, als wir erwarteten!« klagte der Bankier. »Ihr habt uns da eine Suppe eingebrockt, die so dick geraten ist, daß wir, wenn wir sie essen müssen, an ihr ersticken können!«

»Ein Mörder!« stimmte der Buchhalter bei. »Der Häuptling hatte recht. Warum habt Ihr doch nur geschossen! Dieser Khasti-tine, ein so junges Blut und doch schon so berühmt! Schaudert Euch nicht selber ob dieser That?«

»Schweigt!« herrschte ihn der Oelprinz an. »Es ist doch so, wie ich sagte; ich habe den Häuptling vom Tode errettet. Das vom Schnauben der Pferde ist Ausrede, ist Lüge!«

»Möchte es bezweifeln. Der Mann sieht genau so aus, als ob er wisse, was er sagt. Standen wir nicht wie Schulbuben vor ihm? Es wird am besten sein, uns aus dem Staub zu machen, ehe er wiederkommt!«

»Wagt das nicht, Mr. Baumgarten! Er scheint noch mehr Krieger in der Nähe zu haben. Wenn wir uns entfernten, würde er sich mit ihnen an unsre Fersen heften, und dann wären wir verloren, während es so noch möglich ist, daß er uns laufen läßt. Warten wir also!«

Es verging über eine Viertelstunde, ehe die Nijoras wiederkamen. Als sie herangekommen waren, sagte Mokaschi:

»Die Rache steht bereits hinter dir, und das Verderben wird dich ereilen, ohne daß ich die Hand an dich lege. Es sind nicht zwei, sondern drei Navajos gewesen. Der dritte hat im Eingange Wache gehalten und wohl alles gesehen, ohne die Mordthat verhindern zu können. Er wird seine Moccassins auf deine Fährte setzen und dir folgen, bis sein Messer dir im Herzen sitzt. Dein Skalp sitzt nicht fester auf deinem Haupte, als ein Regentropfen, den der Wind vom Zweige schüttelt. Ich habe keinen Teil an dir, weder im Guten noch im Bösen. Warum wollt ihr nach dem Chellyflusse? Was sucht ihr dort?«

»Ein Stück Land,« erklang es kleinlaut aus dem Munde des seiner Sache vorher so sichern Oelprinzen.

»Gehört es dir?«

»Ja.«

»Wer hat es dir geschenkt?«

»Niemand.«

»Und dennoch behauptest du, daß es dir gehöre!«

»Ja. Es ist ein Tomahawk-Improvement.«

»Es thut mir leid, daß ich das hören muß.«

»Warum?«

»Weil das ein Räuber- und Diebeswort ist! Ein Stück Land am Chellyflusse! Es ist dein! Und hier steht Mokaschi, der Häuptling der Nijoras, welche die rechtmäßigen Herren und Besitzer der ganzen Chellygegend sind! Ihr räudigen Hunde! Was würden die Bleichgesichter jenseits des großen Meeres sagen, wenn wir hinüberkämen und behaupteten, daß ihr Land unser sei? Wir aber sollen es uns gefallen lassen, daß sie über uns herfallen und uns alles nehmen! Ein Stück Land am Chellyflusse, welches dir gehört, obgleich du es von uns weder gekauft noch geschenkt erhalten hast! Meine Faust sollte dich niederschlagen, doch ist sie zu stolz, dich zu berühren. Macht euch fort von hier, fort nach dem Landfetzen, nach welchem eure Seelen schreien! Setzt euch darauf und ihr braucht gar nicht lange zu warten, so wird er euch die blutige Ernte bringen!«

Er streckte die Hand gebieterisch nach dem nördlichen Ausgange aus. Sie stiegen schnell auf ihre Pferde und trabten eiligst fort, im tiefsten Herzen froh, den Ort, der ihnen so gefährlich werden konnte, mit heiler Haut verlassen zu dürfen.

Um die Worte und das Verhalten des Häuptlings zu verstehen, muß man wissen, auf welche Weise sich die Weißen in den Besitz von Ländereien zu setzen pflegten. Nach dem sogenannten Heimstättengesetz kann nämlich jedes Familienhaupt und jeder einundzwanzigjährige Mann, welcher entweder Bürger ist oder Bürger werden zu wollen erklärt, eine noch unbesetzte Parzelle Land von 160 Acres ohne alle Bezahlung erwerben; nur muß er sie fünf Jahre lang bewohnen und bebauen. Außerdem wurden Millionen Acres namentlich an die Eisenbahnen verschleudert.

Und was die Tomahawk-Improvements betrifft, so brauchte nach ihnen jemand, um als Eigentümer einer ihm zusagenden Strecke Landes zu gelten, dasselbe nur dadurch als das seinige zu bezeichnen, daß er mit der Axt einige Bäume anhieb, eine Hütte baute und etwas Getreide säete. Was die Indianer, die Herren dieser Ländereien, dazu sagten, darnach wurde nicht gefragt!

Die drei Weißen ritten, als sie das Thal verlassen hatten, eine ganze Weile schweigend nebeneinander durch den lichten Wald. Der Oelprinz fühlte recht wohl, daß er von dem Häuptling der Nijoras weit mehr als von dem Kurier blamiert worden war. Er war wütend über die Behandlung, welche er erfahren hatte, und sann nun darüber nach, wie es ihm gelingen könne, sein bei dem Bankier und dem Buchhalter wohl mehr als wankend gewordenes Ansehen wieder zu befestigen. Dann sagte er, die lange Stille endlich unterbrechend:

»So sind diese roten Halunken! Undankbar im höchsten Grade! Man kann noch so lange in Frieden mit ihnen gelebt und ihnen noch so viele und große Wohlthaten erwiesen haben, eines schönen Tages brechen sie doch die Treue und haben vollständig vergessen, welchen Dank sie einem schuldig sind.«

»Yes,« nickte Rollins. »Das war eine böse Lage, in welcher wir uns befanden. Wir können froh sein, daß wir so mit einem blauen Auge aus derselben entkommen sind. Ich dachte bereits, daß es uns an das Leben gehen würde.«

»Freilich wäre es uns an das Leben gegangen, wenn der Häuptling mir nicht im stillen recht gegeben hätte, weil er doch unbedingt einsehen mußte, daß ich sein Retter war, Es wird mir aber niemals wieder einfallen, einem Indianer Gutes zu erweisen.«

»Richtig! Diese roten Kerls sind es nicht wert, daß man sich ihrer annimmt.«

Aus diesen Worten des Bankiers war zu ersehen, daß er weniger geneigt war, den Oelprinzen wegen seines Verhaltens zu verurteilen. Er gehörte zu jenen echten Yankees, denen ein Menschenleben nichts gilt. Die Gefahr, in welcher er sich befunden hatte, war vorüber und ebenso der Eindruck, welchen die Ermordung der beiden Navajos für den Augenblick auf ihn gemacht hatte. Anders aber bei Baumgarten. Dieser war als Deutscher innerlich ganz anders angelegt; er hielt das Verhalten Grinleys für ein Verbrechen, konnte nicht über die Verurteilung desselben hinüberkommen und fragte daher den Oelprinzen jetzt in ernstem, vorwurfsvollem Tone:

»Habt Ihr denn jemals einem Indianer Gutes erwiesen, Sir?«

»Ich? Welch eine Frage! Hunderte von diesen roten Halunken haben mir ihr Leben zu verdanken, und Tausende haben Fleisch, Brot, Pulver, Blei und noch vieles andre von mir bekommen.«

»Auch die Nijoras?«

»Diese erst recht.«

»Der Häuptling that aber gar nicht so, als ob dies der Fall wäre!«

»Weil er ein undankbarer Schuft ist.«

»Hm! Warum habt Ihr ihn denn nicht daran erinnert?«

»Aus reiner Noblesse, Sir.«

»Unsinn! In einer Lage, wie die war, in welcher wir uns befanden, ist Noblesse die größte Dummheit, die es meiner Ansicht nach geben kann.«

»Das sagt Ihr, weil Ihr den Westen nicht kennt.«

»Meinetwegen! Dennoch würde ich an Eurer Stelle den Häuptling daran erinnert haben, daß er und sein Stamm mir Dankbarkeit schuldeten. Ihr habt keinen Laut hören lassen. Vielleicht leben die Wohlthaten, von denen Ihr redet, nur in Eurem Kopfe.«

»Sir! Wollt Ihr mich beleidigen?« fuhr da der Oelprinz auf. »Mich vielleicht gar zum Lügner machen?«

»Fällt mir gar nicht ein. Ich sage meine Meinung, und das Recht, dies zu thun, hat wohl jedermann!«

»Ja, wenn er dabei nicht die Ehre eines andern kränkt. Ihr solltet Euch mir gegenüber doch etwas vorsichtiger und rücksichtsvoller ausdrücken!«

»So? Warum das? Warum grad Euch gegenüber?«

»Weil ihr mir nicht nur viel verdanken —werdet, sondern auch schon zu verdanken habt. Ich stehe im Begriffe, euch zu steinreichen Leuten zu machen!«

»Nicht mich, sondern nur Mr. Rollins, und dafür werdet Ihr mehr als gut bezahlt.«

»Ich habe Euch aus der Gefangenschaft im Pueblo errettet!«

»Das mag sein, doch will ich Euch aufrichtig sagen, daß mir, je mehr ich über diese Angelegenheit nachdenke, desto mehr Fragen aufstoßen, die ich mir nicht zu beantworten vermag.«

Grinley warf ihm von der Seite her einen scharf forschenden Blick zu; er wollte zornig auffahren, besann sich aber eines andern und fragte in ruhiger Weise.

»Welche Fragen könnten das wohl sein? Darf ich sie erfahren?«

»Ich halte es nicht für nötig.«

»Nicht? Es ist sehr wahrscheinlich, daß ich sie Euch beantworten könnte.«

»Das ist nicht nur wahrscheinlich, sondern sogar gewiß. Ihr könntet; aber ob Ihr auch würdet, das bezweifle ich.«

»Wenn ich kann, so will ich auch, Sir; darauf könnt Ihr Euch verlassen.«

»Mag sein; dennoch wollen wir nicht weiter davon sprechen. Nur weil Ihr so stark betont, daß wir Euch so viel zu verdanken haben und auch zu verdanken haben werden, will ich Euch sagen, daß wohl noch nicht aller Tage Abend ist.«

»Wie meint Ihr das?«

»Es ist sehr wahrscheinlich, daß wir mit Euch quitt werden, so daß Ihr dann keinen Dank mehr von uns zu fordern habt.«

»Möchte wissen, wie das der Fall sein könnte!«

»Sehr einfach- In Bezug auf das Geschäft, welches abgeschlossen werden soll, habt Ihr keinen Dank zu fordern, denn Ihr werdet bezahlt; das habe ich schon erwähnt. Und daß Ihr uns aus dem Pueblo errettet habt, ist Euch von uns zwar auf das Konto geschrieben worden, doch werden wir diesen Posten vielleicht sehr bald ausstreichen müssen, da Ihr die beiden Navajos erschossen habt.«

»Was geht das dieses Konto an?«

»Fragt doch nicht so, als ob Ihr ein Neuling wärt! Es ist doch keineswegs ausgeschlossen, daß wir den Navajos begegnen.«

»Was wäre das weiter?«

»Sie würden den Tod der beiden Kundschafter rächen.«

»Pshaw! Durch diese Behauptung beweist Ihr eben, daß Ihr den Westen gar nicht kennt. Wie wollen sie wissen, was geschehen ist?«

»Wie? Habt Ihr denn nicht gehört, was Mokaschi sagte? Es sind drei Navajos gewesen, nicht bloß zwei. Der dritte wird uns folgen.«

Das Gesicht des Oelprinzen wollte ernst und nachdenklich werden, aber er zwang ein höhnisches Lachen hervor und antwortete.

»Da sieht man, was für ein kluger Kerl Ihr seid! Glaubt Ihr denn, daß Mokaschi da seine wirkliche Meinung gesagt hat?«

»Ja.«

»Wirklich? So muß ich Euch sagen, daß aus Euch niemals ein richtiger Westmann werden könnte. Mokaschi ist auf Kundschaft gegen die Navajos ausgerückt. Daß er das selbst gethan und nicht gewöhnliche Krieger geschickt hat, ist ein Zeichen, daß er der Sache die größte Wichtigkeit beilegt. Er ist auf drei Feinde gestoßen, welche auch Kundschafter sind, und muß alles thun, dieselben unschädlich zu machen. Zwei habe ich erschossen; der dritte lebt noch und hat die Nijoras gesehen. Er wird nicht uns verfolgen, sondern seinen Stamm auf das schleunigste aufsuchen, um zu melden, daß Mokaschi sich hier befindet. Dieser muß das auf alle Fälle zu verhindern suchen; er wird also sich auf die Fährte des Navajo machen, um ihn einzuholen und zu töten. Sehr Ihr das ein oder nicht?«

»Hm!« brummte Baumgarten. »Vielleicht ist es so, wie Ihr sagt, vielleicht aber auch nicht.«

»Es ist so und nicht anders; das versichere ich Euch und – – —«

Er sprach nicht weiter, sondern hielt sein Pferd an und bückte aufmerksam in die Ferne. Während sie sich jetzt auf einer kleinen, offenen Prairie befanden, war dort der Rand eines Waldes zu sehen. Von diesem dunklen Hintergrunde stachen zwei Reiter ab, welche halten geblieben waren, weil sie die drei auch bemerkt hatten.

»Zwei Männer,« meinte Grinley. »Es sind, wie es scheint, Weiße. Da ist hundert gegen eins zu wetten, daß wir Buttler und Poller vor uns haben. Drei gegen zwei, da brauchen wir uns nicht zu fürchten. Vorwärts also!«

Sie ritten weiter, auf die andern zu. Als diese das sahen, trieben sie ihre Pferde auch wieder vorwärts. Bald erkannte man sich gegenseitig. Ja, die beiden Genannten waren es. Als sie auf Hörweite herangekommen waren, rief der Oelprinz ihnen zu.

 

»Ihr seid es? Das ist ein gutes Zeichen. Habt ihr den Weg frei gefunden?«

»Ja,« antwortete Buttler, »so frei wie im tiefsten Frieden. Wir sind nicht auf die Spur auch nur eines einzigen Indianers gestoßen.«

»Und habt das Gloomy-water gefunden?«

»Yes, mit Leichtigkeit.«

»Nun? Und das Oel?«

»Großartig, geradezu großartig!« antwortete der Gefragte, indem sein Gesicht vor Wonne zu strahlen schien. Er wendete sich an den Bankier und fuhr fort:

»Habt die Güte, uns einmal anzuriechen! Wie findet Ihr unsern Duft? Ist das etwa Rosenöl, Sir?«

Die beiden dufteten infolge der Arbeit, welche sie zu bewältigen gehabt hatten, natürlich sehr stark nach Petroleum. Rollins’ Züge nahmen sofort einen entzückten Ausdruck an. Er antwortete:

»Rosenöl nun freilich nicht, mir aber grad so lieb, als ob es welches wäre. Wie lange dauert es, Mesch’schurs, bis man ein Pfund Rosenöl beisammen hat! Das Erdöl aber läuft so bereitwillig aus der Erde, daß man täglich Hunderte von Fässern füllen kann. Der Duft, den ihr verbreitet, ist mir weit angenehmer, als alle andern Gerüche der Welt. Meint Ihr das nicht auch, Mr. Baumgarten?«

»Ja,« nickte dieser, dessen Gesicht nun auch einen heitern, zuversichtlichen Ausdruck angenommen hatte.

»Well! Ihr wolltet bis jetzt noch immer nicht recht an die Sache glauben; ich habe Euch das oft angesehen. Gebt Ihr es zu?«

»Will es nicht leugnen, Sir.«

»Aber nun? Jetzt wird sich Euer Mißtrauen doch wohl in das Gegenteil verkehren?«

Da fiel der Oelprinz ein:

»Auch ich habe natürlich bemerkt, daß Mr. Baumgarten mir weniger Vertrauen schenkte, bin aber zu stolz gewesen, mich dadurch beleidigt zu fühlen. Jetzt wird er einsehen, daß er einen Ehrenmann vor sich hat, der das Vertrauen wohl verdient, welches er beansprucht hat. Aber bleiben wir nicht hier auf der offenen Prairie halten. Es gibt Indianer da, welche uns leicht bemerken könnten.«

»Indianer?« fragte Buttler, indem sie vorwärts ritten, dem Walde entgegen, aus welchem er mit Poller gekommen war. »Seid ihr etwa auf welche getroffen?«

»Ja.«

»Alle Wetter! Wann?«

»Vor kurzer Zeit.«

»Was für welche?«

»Nijoras. Sogar der Häuptling derselben.«

»Und gut mit ihnen auseinandergekommen?«

»So leidlich. Hätte schlimmer werden können.«

Er erzählte den Vorgang, und es verstand sich ganz von selbst, daß Buttler und Poller sich mit seinem Verhalten einverstanden erklärten, Mittlerweile erreichten sie den Wald, welcher ihrer Unterhaltung ein Ende bereitete, denn die Bäume desselben standen so dicht, daß man einzeln hintereinander reiten mußte, was dem Bankier gar nicht lieb war, da er darauf brannte, Weiteres und Ausführliches über den Petroleumsee zu erfahren.

Nach einiger Zeit ging das Gehölz zu Ende und es öffnete sich von neuem eine grasige Savanne. Nun konnten sich die Reiter zusammenhalten, und Rollins fragte nach dem Gloomy-water und allen Verhältnissen desselben. Buttler und Poller erfüllten seine Neugierde in einer Weise, welche seine Erwartung noch mehr steigerte und ihn in die größte Aufregung versetzte. Als er behauptete, den Augenblick der Ankunft kaum erwarten zu können, beruhigte ihn Buttler durch die Mitteilung:

»Was das betrifft, so wird Eure Geduld nicht mehr lange auf die Probe gestellt werden, denn wir haben höchstens noch anderthalb Stunden zu reiten.«

»Anderthalb? Und vor einer halben Stunde haben wir euch getroffen; das macht zwei ganze. So habt ihr den Petroleumsee erst seit zwei Stunden verlassen?«

»So ungefähr.«

»Warum nicht eher? Eine Botschaft wie die, welche ihr mir brachtet, kann man nicht früh genug erfahren.«

Diese Frage kam höchst ungelegen, denn er durfte doch nicht erfahren, welche langwierige Arbeit sie am Gloomy-water zu verrichten gehabt hatten, doch Poller brachte sich aus der Verlegenheit, indem er die Auskunft gab:

»Es war unsre Aufgabe, für eure Sicherheit zu sorgen. Dazu gehörte vor allen Dingen auch, daß wir die ganze Umgegend des Sees absuchten. Das war nicht leicht, denn das Terrain ist ein schwieriges, und wir konnten nur langsam verfahren, weil wir vorsichtig sein mußten. Darum sind wir erst vor einigen Stunden fertig geworden.«

»Und ihr habt nichts gefunden, was auf eine Gefahr für uns schließen läßt?«

»Nichts, gar nichts. Ihr braucht nicht die mindeste Sorge zu haben, Sir.«

Rollins fühlte sich nicht nur beruhigt, sondern so froh und zuversichtlich gestimmt, wie noch selten in seinem

Leben. An dem Orte, den er in der Zeit von nicht viel über einer Stunde erreichen würde, lag für ihn ein Kapital in der Höhe von vielen, vielen Millionen! Er hätte seine Begleiter alle umarmen mögen, begnügte sich aber damit, seinem Buchhalter die Hand zu drücken und zu ihm zu sagen:

»Endlich, endlich am Ziele! Und endlich, endlich nun aus den Ungewißheiten heraus! Seid Ihr nicht auch darüber froh?«

»Natürlich, Sir,« lautete die einfache Antwort.

»Natürlich, Sir!« wiederholte Rollins, indem er mit dem Kopfe schüttelte. »Das klingt so kalt, so teilnahmlos, als ob die Sache Euch gar nichts anginge!«

»Denkt das nicht! Ihr wißt ja, daß ich in allen Euern Angelegenheiten stets so sorge, als ob es die meinigen wären. Ich freue mich auch, pflege aber so etwas gewöhnlich nicht übermäßig laut zu äußern.«

»Well, kenne Euch ja, Mr. Baumgarten. Hier aber könnt Ihr schon etwas lauter sein. Habe Euch noch nichts gesagt, doch konntet Ihr wohl denken, daß ich, da ich Euch mitgenommen habe, mit Euch gewisse Absichten verfolge. Ihr sollt an diesem neuen Unternehmen mehr beteiligt sein, als Ihr bis jetzt gedacht habt. Meint Ihr, daß ich die Absicht habe, mit meiner Familie Arkansas zu verlassen und mich hier im wilden Westen anzusiedeln? Kann mir nicht einfallen. Werde zunächst freilich alles thun, was hier nötig ist; mein fester und eigentlicher Wohnsitz aber wird doch unser Brownsville bleiben. Werde Ingenieure anstellen müssen und über ihnen einen geschäftlichen Direktor, auf den ich mich verlassen kann. Wer meint Ihr wohl, wer dieser Mann sein wird?«

Er blickte dabei den Buchhalter mit bezeichnendem Schmunzeln von der Seite an und fuhr, als dieser nicht gleich antwortete, fort:

»Oder habt Ihr die Absicht, auch Zeit Eures Lebens in Brownsville zu bleiben?«

»Ueber diese Frage nachzudenken, habe ich bisher noch keine Veranlassung gehabt, Mr. Rollins.«

»Well, so habt die Güte, jetzt darüber nachzudenken! Wie nun, wenn der Direktor, von welchem ich sprach, Mr. Baumgarten heißen soll?«

Da richtete sich der Deutsche scharf im Sattel auf und fragte:

»Ist das Euer Ernst, Sir?«

»Yes! Ihr wißt, daß ich in so wichtigen Angelegenheiten keinen Scherz zu treiben pflege. Die Stelle ist eine verantwortliche und schwierige. Darum würde ich Euch neben dem Gehalte mit an dem Gewinne beteiligen. Wollt Ihr sie annehmen?«

»Von ganzem Herzen gern!«

»So schlagt ein! Hier ist meine Hand.«

Baumgarten gab ihm die seinige und sagte:

»Ich will keine vielen, überflüssigen Worte machen, Mr. Rollins; Ihr kennt mich und wißt, daß ich nicht undankbar bin. Mein größter Wunsch jetzt ist, der Stellung, die ich bekleiden soll, gewachsen zu sein.«

»Das seid Ihr; ich weiß es.«

»Und ich möchte dies weniger zuversichtlich behaupten. Es ist ja wahr, was Mr. Grinley so oft schon ausgesprochen hat: Ich kenne den Westen nicht, und doch gehören solche Leute her, welche Haare auf den Zähnen haben.«

»Werde schon dafür sorgen, daß Ihr solche Kerls ins Werk bekommt.«

»Es wird Kämpfe geben.«

»Kämpfe? Was für welche?«

»Mit den Indianern. Oder meint Ihr, sie werden es sich ruhig gefallen lassen, daß wir uns hier in der Weise, wie ein großartiges Oelunternehmen es mit sich bringt, festnisten?«

»Werden wenig dagegen thun können.«

»Hm! Sie werden behaupten, der Platz gehöre ihnen, und – – —«

»Macht Euch doch keine so unnützen Gedanken!« fiel ihm da der Oelprinz in die Rede. »Ihr habt doch gehört, was Mokaschi sagte? Nämlich, daß ich getrost zu meinem “Landfetzen” gehen soll, um ihn in Besitz zu nehmen.«

»Das war wohl kaum sein Ernst.«

»O doch.«

»Schön! Aber gehört die Stelle wirklich den Nijoras? Ist es nicht möglich, daß auch andre Rote, zum Beispiel die Navajos, auf den Besitz derselben Anspruch erheben?«