Fritz - X

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Fritz - X

Geheimwaffen des III. Reichs Die erste Fernlenkbombe der Welt

IMPRESSUM

Jürgen Prommersberger

Händelstr 17

93128 Regenstauf

jprommersberger@hotmail.com

Einleitung

Fritz-X war der gebräuchlichste Name einer ferngelenkten Gleitbombe, die im Zweiten Weltkrieg unter Federführung von Max Kramer von der deutschen Firma Ruhrstahl entwickelt wurde. Die Waffe wurde nach Sicht manuell mit einer Funkfernsteuerung ins Ziel geführt (heute als MCLOS (*1) bezeichnet) und war für den Einsatz gegen Schiffsziele konzipiert, kam aber auch gegen Landziele zum Einsatz. Die Fritz-X war die erste in Serienproduktion hergestellte Lenkbombe der Welt und gilt somit als einer der Vorgänger von Seezielflugkörpern bzw. präzisionsgelenkter Munition.


By Sanjay Acharya - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=65216193

(*1) Das Akronym MCLOS (manual command to line of sight; deutsch manuelle Steuerung über Sichtverbindung) bezeichnet ein Verfahren, das zur Steuerung militärischer Flugkörper, insbesondere Raketen, verwendet wird.

Entwicklungsgeschichte

Während des Spanischen Bürgerkriegs erkannte die Deutsche Luftwaffe die Schwierigkeit, bewegliche Schiffe zu treffen. Mit der Bombardierung der Ziele durch Sturzkampfbomber wie dem Stuka Ju 87 hatte die Luftwaffe zwar eine relative treffsichere Waffe im Arsenal, aber beim Hochziehen waren diese Flugzeuge für feindliche Flak oder Abfangjäger doch recht verwundbar. Ein Bomber, der seine Ziele im horizontalen Anflug treffen konnte, wäre weniger gefährdet. Dipl.-Ing. Max Kramer, der an der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) arbeitete, experimentierte bereits seit dem Jahr 1938 mit ferngesteuerten, frei fallenden 250 kg-Bomben und baute 1939 funkgesteuerte Klappen oder Spoiler am hinteren Teil der Bombe ein. In der Luftfahrt ist ein Spoiler eine Vorrichtung, die die Auftriebskomponente eines Tragflügels absichtlich und kontrolliert verringert. Meistens handelt es sich bei Spoilern um Platten auf der Oberseite eines Flügels, die nach oben in den Luftstrom hinein verlängert werden können, um die Stromlinienströmung zu stören. Auf diese Weise erzeugt der Spoiler einen kontrollierten Strömungsabriss über dem dahinter liegenden Teil des Flügels, wodurch der Auftrieb dieses Flügelabschnitts stark reduziert wird. Spoiler unterscheiden sich von Bremsklappen dadurch, dass die letztgenannten den Luftwiderstand erhöhen, ohne den Auftrieb zu beeinflussen, während Spoiler sowohl den Auftrieb als auch den Luftwiderstand verringern. Im Jahr 1940 wurde die Ruhrstahl AG eingeladen, sich an der Entwicklung zu beteiligen, da sie bereits Erfahrung in der Planung und Herstellung von normalen und nicht gelenkten Bomben hatte.


Amerikanische Zeichnung der panzerbrechenden Bombe PC 1400, der Grundlage für die Fritz X PGM

Die ersten Versuche fanden mit der Sprengbombe SD 1400 (Splitterbombe, dickwandig, 1400 kg) statt, dann wurde die ähnliche PC 1400 verwendet. Andere Bezeichnungen für die Bombe waren X-1, Ruhrstahl SD 1400 X, PC 1400X oder FX 1400; von letzterer leitet sich auch der Name Fritz-X ab. Das X steht dabei für die in der X-Form angeordneten Leitflächen.


Von Oxyman - Eigenes Werk, CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=84808693

Grundsätzlicher technischer Aufbau

Die Fritz-X wurde auf Basis der Panzersprengbombe PC 1400 (Panzerbombe, Cylindrisch, 1400 kg) entwickelt. Diese war mit ihrer Dickwandigkeit speziell für gepanzerte Kriegsschiffe zum Durchschlagen von bis zu 20 cm starker Panzerplatten entwickelt worden. Sie bekam nun eine aerodynamisch günstiger gestaltete Spitze, vier Stummelflügel mit einer Spannweite von 1,40 m und ein kastenförmiges Leitwerk. Am Heck waren innerhalb des Leitwerks fünf Leuchtsätze angebracht, die als Hilfsmittel bei der Zielansteuerung dienten. Die Farbe der Leuchtsätze war wählbar, damit die Bombenschützen die in der Luft befindlichen Fritz-X unterscheiden konnten. Zudem waren für Dämmerungs-einsätze schwächer leuchtende Leuchtsätze vorgesehen. Eine Kreiselsteuerung diente zur Stabilisierung der Längsachse und ein Fernlenkempfänger zur Ansteuerung der Höhen- und Querruder. Über eine Funkfernsteuerung mit 18 Kanälen im Frequenzbereich um 50 MHz, bestehend aus dem Sender FuG 203 (Deckname „Kehl“; an Bord des Flugzeugs) und dem Empfänger FuG 230 „Straßburg“ (im Flugkörper), wurde der Flugkörper vom Trägerflugzeug aus ins Ziel gelenkt. Dabei sendete man zur Täuschung der gegnerischen Seite auch auf nicht benutzten Frequenzen. Als Alternative zur Funksteuerung wurde eine Drahtlenkung (je zwei 8-km-Drahtspulen in Flugzeug und Lenkbombe) entwickelt, um bei gegnerischer Funkstörung einsatzbereit zu sein. Wirksame alliierte Funkstörung, die diese Art der Lenkung erforderlich gemacht hätte, wurde jedoch selten beobachtet. Die Fritz-X wurde über die oben beschriebene „Kehl-Straßburg“ - Funkverbindung gesteuert, die Signale an die beweglichen Spoiler in den dicken vertikalen und horizontalen Leitwerksflächen innerhalb der ringförmigen Leitwerksstruktur sendete. Dieses Steuerungssystem wurde auch für die ungepanzerte, raketengetriebene Gleitbombe Henschel Hs 293 verwendet, die am 25. August 1943 erstmals eingesetzt wurde.


Henschel HS 293 Gleitbombe

Die Straßburg-Empfangsantennen der Fritz-X waren aerodynamisch in die Hinterkante der ringförmigen Flächen der Heckflosse integriert und in einem Quartett von "gewölbten" Abschnitten am Heck der Bombe eingekapselt. Dieses Konstruktionsmerkmal der Straßburg-Empfangsantennenanlage des FuG 230 ist der Azon (einer zeitgenössischen US-amerikanischen Lenkbombe) nicht ganz unähnlich, bei der ebenfalls die Empfangsantennen in dem Quartett von Diagonalstreben unterbracht waren, die die festen Abschnitte der Heckflossen verstrebten.

Eine andere Zielführung, die nur bis zur Erprobungsphase kam, war das System „Radieschen“, mit dem die Fritz-X eigenständig Sendeeinrichtungen wie britische „Chain Home“-Radarstationen ansteuern sollte. Es war somit ein Vorläufer der HARM-Flugkörper (*). Zusätzlich wurde die „FB“(Fernsehbild)-Steuerung („Tonne“/„Seedorf“-Anlage) entwickelt, mit der das Bild einer Kamera („Tonne“) in der Fritz-X per Funk zum „Seedorf“-Fernsehempfänger im Flugzeug übertragen wurde, um so eine Zielführung zu ermöglichen. Mit der Anlage wäre es erstmals möglich gewesen, dass der Bomber sofort nach Abwurf der Waffe abdrehte, ohne das Ziel weiter beobachten oder gar überfliegen zu müssen. Diese Kombination aus Sender, Senderendstufe und TV-Empfänger wurde in nur geringer Stückzahl (ungefähr 300 Stück) bei der „Fernseh GmbH“ (Bosch) gebaut und erprobt. Für einen normalen Fronteinsatz kam diese Technik aber zu spät. Es wurden etwa 1.400 (andere Quellen berichten von bis zu 2500 Stück) Exemplare der „normalen“ Fritz – X, einschließlich von Erprobungs- und Versuchsmodellen, hergestellt.

Bei Versuchsabwürfen in Peenemünde und anschließend in Foggia traf man mit der Fritz X bei 40 Abwürfen aus 4000 bis 8000 m Höhe zu 50 % in einen Kreis von 14 m (CEP50 = 14 m). Alle funktionstüchtigen Fritz X schlugen in einen Kreis von 26 Metern Durchmesser ein.

(*)High-Speed-Anti-Radiation-Missile

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