Katzen an die Macht

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Katzen an die Macht
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Katzen an die Macht

1  Widmung

2  Katzen an die Macht

3  Amy und ich

4  Aller Anfang ist schwer

5  Endlich erwachsen

6  Abenteuer Alltag

7  Der Lauf der Dinge

8  Das neue Königreich

9  Die verlorene Schwester

10  Bascha

11  Friede, Freude, Eierkuchen

Widmung

Für Jasmin und all´ unsere Tiere

Texte: © Copyright by Juljan Mecklenburg

Umschlaggestaltung: © Copyright by Daniela Mecklenburg

ISBN: 978-3-7450-1965-0

Impressum:

Juljan Mecklenburg

c/o Klaus Uwe Mecklenburg

K-Salon

Bergmannstraße 54

10961 Berlin-Kreuzberg

info@katzenandiemacht.de

www.katzenandiemacht.de

Katzen an die Macht

Du hast dir also dieses Buch gekauft... Klar, du konntest nicht anders.

Alleine in den letzten zehn Tagen hast du dir statistisch gesehen ungefähr vier Katzenvideos im Internet angesehen und eines davon gleich deinen Freunden weitergeleitet. Auf deinem Arbeitsweg ist dir im Schnitt jeden vierten Tag ein Katzenkollege von mir über den Weg gelaufen und wenn du nach einem langen Tag den Fernseher einschaltest, dann läuft in der Werbeunterbrechung deines ach so spannenden Filmes ein Spot über Katzenfutter. Glaubst du wirklich immer noch, das alles ist nur Zufall? Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Nein, natürlich nicht.

Ihr Menschen sucht schon immer nach außerirdischem Leben im Weltall. Eure Spielfilme sind voll von gruseligen Aliens, die mithilfe ihrer hochentwickelten Technologie die Menschheit versklaven oder ausrotten wollen. Im Laufe der Zeit hat auch eure Spezies immer bessere Technologien entwickelt und nun seid ihr mit riesigen Teleskopen und Super-Raketen dabei, immer noch mehr da draußen im Weltall zu erkunden. Gibt es Leben auf anderen Planeten? Gibt es Aliens? Werden sie die Menschheit mit ihren riesigen Lasern bedrohen?

Ihr habt so viel Zeit damit verbracht, Antworten auf eure Fragen zu finden, dass ihr gar nicht mitbekommen habt, wie die Menschheit bereits vor vielen vielen Jahren von einer ganz besonderen Spezies still und heimlich versklavt wurde. Doch im Gegensatz zu den Aliens aus euren Spielfilmen hat diese Spezies ihr Ziel ganz ohne Gewalt erreicht.

Kannst du dich noch daran erinnern, als du deinen Freunden das süße Katzenvideo gesendet hast? Genau mit dieser Aktion wurdest du, ohne es zu merken, zu einem weiteren kleinen Zahnrad in der Geschichte unseres Erfolges. Eventuell wohnen sogar ein paar meiner Kollegen in deinen eigenen vier Wänden und wenn nicht, hast du bestimmt schon einmal darüber nachgedacht, ein kleines süßes Katzenbaby zu adoptieren und deine Funktion als Dosenöffner einzunehmen. Warum überlegst du noch? Los! Tu es! Du wirst es nicht bereuen.

Wir haben uns im Laufe der Zeit perfekt an eure Umgebung angepasst und euch genau zu dem gezogen, was wir uns von Anfang an als Ziel gesetzt haben. Wenn du in einem eurer Geschichtsbücher nachschlägst, wirst du feststellen, dass es viele Völker gab, die ihr Reich mithilfe von Sklaven aufgebaut haben. Doch mal ehrlich... Niemand zuvor hat das in solch einer Perfektion wie wir geschafft. Auf der Welt leben mehr als sieben Milliarden Menschen und ungefähr eine Milliarde Katzen. Das wiederum bedeutet, dass jede Katze rein statistisch gesehen sieben Menschen besitzt, die für sie als Diener in Frage kommen. Nenne mir doch mal ein Volk, das dies ohne Sklavenaufstände geschafft hat. Ihr dient uns völlig widerstandslos und seid auch noch glücklich dabei. Klar, das alles ist nicht nur eine strategische Meisterleistung, die wir da vollbracht haben. Ein weiterer Grund für unseren Erfolg sind unsere Körper, denn bereits die sind euren von Grund auf überlegen. Wir besitzen scharfe Krallen und ihr nur komische stumpfe Finger, die sich die Weibchen unter euch obendrauf auch noch mit eklig riechenden Farben anmalen. Im Vergleich zu unseren Zähnen sind eure ziemlich stumpf und während wir mit unserer Zunge die komplette Körperpflege übernehmen können, braucht ihr unzählige Pflegeprodukte und riecht manchmal trotz all dem recht unangenehm. Unsere Augen sind so leistungsfähig, dass wir selbst bei sehr wenig Restlicht exakt Entfernungen abschätzen können, während ihr gerne mal mit dem Gesicht im Dunkeln gegen halboffene Türen lauft. Anbei ein kleiner Tipp zu diesem Thema - was denkt ihr wohl, wer die Tür auf genau diese Stellung geschoben hat...

Unser Geruchssinn ist gegenüber unseres Sehsinnes vergleichsweise weniger hochentwickelt... Aber weißt du was... Trotzdem immer noch deutlich besser entwickelt als eure Nasen... Na, wer hätte das gedacht...

Unser Gehör ist übrigens besonders gut ausgebildet und zählt sogar laut euren Forschungen zu den besten unter den Säugetieren... Uns war das auch ohne eure Forscher sowieso schon klar, aber ihr Menschen glaubt ohne die Wissenschaft ja immer recht wenig, daher bringe ich diese an dieser Stelle gekonnt ins Spiel. Unser Geruchssinn ist übrigens schwächer als der dieser vierbeinigen Dinger, die ihr Hunde nennt (zum Thema Hund kommen wir später noch), aber – und wer hätte das erwartet – trotzdem deutlich besser als der des Menschen.

Nun kommen wir zu meinem absoluten Lieblingssinn – der Gleichgewichtssinn.

Während wir vollkommen schwindelfrei über schmale Zäune rennen und uns in der Luft reflexartig aus jeder Lage so drehen können, dass wir immer auf allen vier Pfoten landen, so seid ihr eher wie das Samstagmorgen-Marmeladenbrot, das, wie immer, mit der Marmeladenseite auf dem Boden landet. Dumm gelaufen... Apropos laufen... Nicht nur, dass wir mit allen Vieren viel schneller sind und vergleichsweise höher springen können als eure besten Olympioniken, so ist auch unser Tastsinn unglaublich hochentwickelt, aber bevor ich jetzt noch etliche weitere Punkte aufzähle und dich damit noch mehr deprimiere, sollten wir dieses Thema nun abschließen und auf die imaginäre Anzeigetafel einfach mal Zehn zu Null für die Katzen pinseln. Du darfst die imaginäre Anzeigetafel übrigens in deiner Lieblingsfarbe beschriften – es ist ja nicht so, dass das Fußvolk bei uns keinerlei Freiheiten hat. Nein, wie schon gesagt, wir möchten glückliche Untertanen, denn nur die können uns jeden Tag so herrlich bedienen und sanft massieren.

Bevor wir nun zum Ende dieses ersten Kapitels kommen, möchte ich mich aber noch vorstellen.

Einer eurer Wissenschaftler hat meine Gattung im 17. Jahrhundert Felis silvestris catus benannt, da dieser... Moment... Ich hole schon wieder zu weit aus. Mir ist natürlich bekannt, dass du als Mensch nicht die allerbeste Aufmerksamkeitsspanne hast, daher versuche ich mich kurz zu fassen. Also mein Name ist Bounty und ich bin ein leicht übergewichtiger fauler Kater. Ich bin jetzt fünfeinhalb Jahre alt und das Leben könnte dank euch Menschen nicht schöner sein. Während ihr für die eigenen vier Wände – in denen wir mehr Zeit als ihr selbst verbringen – jeden Tag hart arbeiten gehen müsst, liegen wir, alle Pfoten von uns gestreckt, auf den gemütlichsten Plätzen der Wohnung. Nach dem Einkaufen schleppt ihr dann jede Menge Dosen mit unserem Futter und wenn am Ende des Monats noch Geld übrig bleibt, dann kauft ihr uns schicke Kratzbäume, weil wir schon wieder ein Ledersofa auf dem Gewissen haben. Zu diesem und noch anderen Verhaltensweisen werde ich natürlich später mehr berichten. Doch was soll das Ganze hier? Wieso sollte ich ein Buch herausbringen und dir darin aufzeigen, dass der Mensch unser Untertan ist und wir die Weltherrschaft an uns gerissen haben? Ganz einfach – zum einen möchte ich dir natürlich von meinem bisherigen Leben berichten und aufzeigen, wie ich aus dem Nichts ein glorreiches Königreich erschuf. Zum anderen, weil ich finde, dass du durch dieses Buch die Chance hast, uns noch besser zu verstehen und uns damit noch besser dienen kannst... Merkst du was... Es leuchtet dir langsam ein...

Ich möchte allerdings noch etwas klarstellen – ich schreibe dieses Meisterwerk allerdings nicht selber... Dafür wäre ich sowieso viel zu faul... Nein, ich liege ganz entspannt auf dem Schoß des … nennen wir ihn einfach mal... „Ghostwriters“. Während ich so da liege, kann ich ihn komplett mit meinen Gedanken kontrollieren und so schreibt er das alles hier genauso auf, wie ich es ihm eben befehle. Das glaubst du nicht? Denkst du wirklich, dass ich so etwas neben all den bisher aufgezählten Sinnen nicht kann?! Also gut, zum Abschluss des ersten Kapitels gibt es hier noch eine kurze Kostprobe meiner Macht:

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Was habe ich gesagt... Gedankenübertragung! Und du wolltest es mir anfangs gar nicht glauben...

Zum Abschluss dieses Kapitels möchte ich dich hiermit erst einmal so richtig loben. Ich kann mir vorstellen, dass es für dich als Mensch manchmal nicht einfach ist, eine ruhige Minute zu finden, um dieses Buch hier zu lesen. Ich bin wirklich stolz auf dich! Außerdem hast du dieses erste Kapitel hier in absoluter Rekordzeit gelesen und wir können nun, da alle Formalitäten geklärt sind, mit dem eigentlichen Inhalt des Buches beginnen.

 

Amy und ich

Oh, du liest also gleich weiter... Ich freue mich, dass dir dieses Buch anscheinend so gut gefällt, dass du es gar nicht mehr weglegen möchtest. Ich liege übrigens gerade eben auf dem Balkon und lass’ mir die Sonne auf den Pelz scheinen, während mein persönlicher Ghostwriter im Wohnzimmer sitzt und schön brav all meine Gedanken aufschreibt. Ich muss jedes Mal schmunzeln, wenn ich höre, wie er auf der Tastatur seines neuen Laptops herumtippt und die von mir übermittelten Zeilen niederschreibt. Gestern Nachmittag hat er nur für mich und dieses Buch hier sein Erspartes für einen Laptop ausgegeben und beschäftigt sich seitdem mit nichts Anderem mehr. Wenn ihr sehen könntet, wie er sich ehrgeizig bemüht, beim Schreiben meinen Erwartungen auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Dieses Gefühl ist einfach herrl... „Hey! Was soll das! Amy! Amy! Hör auf, ich entspanne gerade. Ich will jetzt nicht spielen! Amy! Na gut! Nimm das! Argh! Wer ist der Boss! Huh?! Ganz genau! Ich! Mein Name ist B...“

Na toll, schon ist sie wieder weg und hört mir eh nicht mehr zu, aber da dieses Kapitel sowieso von ihr handelt, haben wir mit diesem spielerischen Kampf einen perfekten Einstieg ins Thema geschafft. Man, bin ich gut!

Amy ist meine Schwester und, genau wie ich, ebenfalls fünfeinhalb Jahre alt. Sie ist wie ich fast komplett weiß mit einem grauen Schwanz. Während ich auf meinem Astralkörper einzelne graue Punkte habe, hat sie graue Pfoten und zwei markante dunkelgraue Streifen auf ihrem Kopf. Sie sagt, es würde ihre wunderschönen Augen betonen... Was soll ich sagen... Sie ist eben eher der Beauty-Typ von uns beiden. Auf jeden Fall wurden wir beide auf einem Bauernhof, der sich ungefähr 150 Kilometer weit weg von hier befindet, zusammen mit fünf weiteren Geschwistern geboren. Meinen Papa habe ich nie kennengelernt, aber meine Mama hat sich immer absolut vorbildlich und liebevoll um uns gekümmert. Sie hat für immer und ewig einen festen Platz in meinem Herzen. Im Grunde genommen ist diese Verbindung genauso stark wie bei euch Menschen. Allerdings gibt es bei uns einen gravierenden Unterschied, was die Selbstständigkeit angeht. Ihr Menschen bekommt Kinder, die dann 18 Jahre und in extremen Fällen sogar noch länger bei euch wohnen. Ihr müsst euch 18 lange Jahre um euren Nachwuchs kümmern, bevor es in der Regel so weit ist, dass die „Kleinen“ ausziehen und versuchen, auf eigenen Beinen zu stehen. Wir Katzen folgen schon wenigen Wochen nach der Geburt unseren Instinkten und gehen auf immer größere Erkundungstouren, während eurer Nachwuchs, sobald er laufen kann, vor dem Fernseher vor sich hinvegetiert. Dieses Verhalten üben allerdings auch noch weitaus ältere Exemplare eurer Art aus. Kein Wunder, dass wir die Weltherrschaft so einfach an uns reißen konnten...

Amy und ich wussten auf jeden Fall schon recht früh, dass wir hinaus in die große weite Welt wollten und so kam es, dass wir vor ungefähr fünfeinhalb Jahren süß in die Kamera geschaut haben und sich bereits kurze Zeit danach die Interessenten nur so um uns rissen. Nach mehreren Nieten, die wir schlichtweg einfach nicht beachtet haben, kam ein junges Pärchen zur Türe herein. Amy und ich wussten gleich, dass diese beiden genau die richtigen Dosenöffner für uns sind. Dies gaben wir den beiden damals natürlich gleich zu verstehen, indem wir sie schnurrend um den Finger wickelten. Noch am selben Abend hieß es dann für Amy und mich, Abschied von unserer Mama und den anderen Geschwistern zu nehmen. Ich werde nie vergessen, wie unsere Mama uns nochmals liebevoll zum Abschied abgeschleckt und ganz fest umarmt hat. Klar ist so eine Trennung, auch für uns Katzen, nicht leicht, aber so etwas gehört zum Leben nun mal einfach dazu. Amy hatte besonders in den ersten Tagen etwas Probleme, mit dem Trennungsschmerz umzugehen, aber ich habe sie dann immer getröstet und an dieser Stelle muss ich ganz klar sagen, wenn du bereits darüber nachgedacht hast, eine Katze zu adoptieren und du so, wie ich es dir im ersten Kapitel bereits befohlen habe, diesen Gedanken bald in die Tat umsetzen möchtest, dann adoptiere bitte gleich zwei von uns. Zusammen fühlen wir uns definitiv wohler und können uns obendrauf beim Zerstören deiner Wohnungseinrichtung die Arbeit teilen.

Nun, wie bereits berichtet, hieß es für uns noch am selben Tag Abschied zu nehmen und so kam es, dass Amy und ich uns kurze Zeit später in einem sehr bequemen Karton auf der Reise unseres Lebens wiederfanden. An dieser Stelle sei gesagt, dass es generell keine unbequemen Kartons gibt, aber dazu später mehr. Mit großen Augen starrten wir an die Decke des Autos und versuchten, uns an den vorbeihuschenden Lichtern der Straßenlaternen, die sich auf den Autoscheiben reflektierten, satt zu sehen. Ich spürte, wie mein Herz aufgeregt schlug und nur von dem noch aufgeregteren Herzen meiner Schwester, die sich nah an mich heran gekuschelt hatte, übertönt wurde. Die ganze Fahrt dauerte eine gefühlte Ewigkeit und war für uns wirklich ein absolut aufregendes Erlebnis. Bis dato waren wir noch nie in einem dieser Gefährte, die ihr Autos nennt, unterwegs gewesen und dann noch mit einem Reiseziel, das wir beide noch nicht kannten. Aber wir Katzen vertrauen unserem Instinkt, denn er treibt uns an und bringt uns an die tollsten Orte, die man sich in seinen Gedanken kaum auszumalen vermag. An dieser Stelle sei gesagt, dass ihr Menschen euch oftmals selbst im Weg steht. Mir ist klar, dass du im Laufe deines Lebens gelernt hast, dass ältere Menschen oftmals Weisheiten von sich geben, an denen wirklich etwas dran ist und dass man sich diese wirklich zu Herzen nehmen sollte. Diese Menschen haben schließlich schon weitaus mehr Lebenserfahrung als man selbst gesammelt und hier nicht zuzuhören wäre ziemlich blöd. Mir ist klar, dass du selbst schon weitaus älter als ich, mit meinen fünfeinhalb Jahren, bist aber lass mich dir eine Sache ans Herz legen: Überlege nicht so viel – höre auf dein Herz und mach einfach das, was dich glücklich macht. Glaub mir, du wirst es nicht bereuen, denn auch auf dich warten da draußen so viele Abenteuer, die dich wirklich glücklich machen. Warum ich dir das erzähle? Ganz einfach – wie schon gesagt, glückliche Menschen sind die besseren Diener für uns Katzen.

Nun ja, zurück zum eigentlichen Thema dieses Kapitels... Wo waren wir... Ach ja... Zwei klitzekleine Katzenbabys auf dem Weg in ihr neues Zuhause. Gespannt auf das, was uns dort erwarten würde, schliefen wir irgendwann im Karton, der vom Auto sanft hin und her bewegt wurde, ein.

Ich kann mich nicht mehr wirklich daran erinnern, was ich damals geträumt habe, aber ich weiß noch sehr gut, wie wir durch ein zärtliches Streicheln geweckt wurden. „Amy! Amy, wach auf! Ich glaube, wir sind da!“ Noch während ich diesen Satz von mir gegeben hatte, hüpfte ich wild entschlossen mit einem noch leicht tollpatschigen Satz über den Rand des Kartons... Na ja, zumindest war dieser anmutige Sprung so geplant... „Blöder Karton... Viel zu hoch! Wer baut den so etwas?! Also, ich muss doch sehr bitten! Hey ihr da!“, miaute ich die beiden neuen Dosenöffner an. „Holt mich mal hier raus! Ich muss die Welt erkunden!“ Obwohl eure Sprache natürlich weitaus primitiver als die unsere ist, habt ihr auf Anhieb gleich verstanden, was ich von euch wollte. „Siehst du, Amy – die beiden sind die perfekten Bediensteten für uns“, lächelte ich meine Schwester von der Seite an, während wir sorgsam aus den Fängen des Kartons befreit und in die Weiten des Wohnzimmers freigegeben wurden. Mehr als ein einziges „WOW!“, das sich für Menschen eher wie ein „MIAU!“ angehört hatte, konnten wir nicht von uns geben, so geplättet waren wir. Ein nagelneuer Kratzbaum in todschickem Beige, ein stylisches Katzenklo, chromfarbene Näpfe für Futter und Wasser sowie jede Menge Platz zum Spielen, der mit einem herrlichen Parkettboden überzogen war. Erst jetzt entdeckte ich das ganze Katzenspielzeug, das überall verteilt im Zimmer herumlag. Bälle, plüschige Mäuse, kleine Rasseln und ein Spieltunnel, der mit seinen frohen Farben direkt zum Spielen einlud. Ich konnte mich gar nicht an all dem, was ich da vorfand, sattsehen und vom ersten Augenblick an war mir eines klar: Das hier ist von nun an unser Königreich – hier werden wir von nun an regieren! Wir rannten, überwältigt von all den Gefühlen. umher und schossen die Spielsachen wild durch den ganzen Raum, während die beiden uns dabei lächelnd zusahen. Natürlich ist mir klar, dass dieser atemberaubende Anblick für einen Menschen sowieso etwas ganz Besonderes ist. Zwei göttergleiche Raubtiere rannten in unglaublicher Geschwindigkeit durch das Königreich, das für uns in mühevoller Arbeit aufgebaut und nun übergeben wurde. Also da wäre ich an der Stelle der Bediensteten auch ziemlich platt gewesen, denn so etwas sieht man ja auch nicht alle Tage. Anschließend gab es dann noch einen kleinen „Herzlich-Willkommen-Snack“, den wir mit unseren scharfen Zähnen und kraftvollen Kiefern aus dem Futternapf rissen. Also ich sag euch, da könnt ihr jede Tierdokumentation im TV vergessen, denn an so ein Spektakel kommt wirklich nichts ran. Die beiden haben uns dabei verständlicherweise ziemlich erstaunt zugesehen und uns dabei immer wieder sanft gekrault. Nachdem wir zum allerersten Mal im neuen Königreich gespeist hatten, kuschelten wir uns eng aneinander und begannen, uns unseren Träumen hinzugeben.

Aller Anfang ist schwer

Als wir am nächsten Morgen eng aneinander gekuschelt auf dem Kratzbaum aufwachten, war die Euphorie des vorherigen Abends leider verschwunden. Mama und unsere Geschwister waren nun genauso weit wie die vertraute Umgebung, in der wir das Licht der Welt erblickten, entfernt. Ich wusste, ohne auch nur ein Wort mit meiner Schwester, die leicht zitternd neben mir lag, zu wechseln, dass sie genauso wie ich empfand. Alleine der Gedanke, dass wir unsere Familie vermutlich nie mehr wiedersehen würden, fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Alles schien so endgültig. Hatten unsere Instinkte einen Fehler begangen, als sie uns auf die Reise in ein eigenes Königreich schickten? Als hätte es nicht klischeehafter sein können, so begann es nun draußen auch noch zu regnen. „Na toll…“, dachte ich. „Nun ist auch der Katzengott traurig und weint“, schniefte Amy mit weinerlicher Stimme und setzte damit meine unausgesprochenen Gedanken fort. Anscheinend hatte auch sie den Schmerz in meinen Augen erkannt und da nun nicht mal mehr ihr starker Bruder weit von den Tränen entfernt war, konnte sie sich selbst nicht mehr zurückhalten. Eine kleine Träne machte den Anfang, als diese aus ihrem linken Auge quer über ihre Wange kullerte und dabei eine feuchte Spur auf ihrem Fell hinterließ. Als ich gerade tröstend meine Pfote um sie legte, brach sie in Tränen aus. Mit leerem Blick starrte sie durch das Fensterglas und betrachtete, wie immer mehr Regentropfen auf die Straße fielen, während sie selbst einen ganzen Wasserfall heulte. „Was haben wir uns nur dabei gedacht…“, fragte sie mit weinerlicher Stimme ihr eigenes Spiegelbild im Fensterglas, während sich ihr Atem gegen dieses schlug und es bedeckte. „Amy… ich…“, fing ich den Satz an, doch wusste selbst nicht weiter. „Schon gut Bruderherz… du musst nichts sagen, es ist schon okay…“, schniefte sie. „Kannst du dich noch an Mamas letzten Blick erinnern?“, fragte ich sie. „Ja… ich sehe ihn noch immer vor meinen Augen…“, flüsterte sie leise, während sie sich ihrem Spiegelbild abwandte. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren, schlossen wir beide die Augen und stellten uns genau diesen Blick vor. Mamas Blick war so voller Demut, so traurig, aber gleichzeitig so stolz und so vollkommen liebevoll. „Sie ist für immer in unserem Herzen und wir tragen sie auf Schritt und Tritt bei uns“, unterbrach ich die Stille. Der Gedanke an sie ließ unsere Herzen schneller schlagen und eine Art Wärme machte sich in unseren Körpern breit. Die barmherzige Wärme von einer Mutterliebe, die keinerlei Grenzen kennt. Etwas bestärkt von diesen schönen Gedanken, kuschelten wir uns noch enger aneinander und waren einfach nur füreinander da. Wir hatten immer noch uns und nichts und niemand konnte uns trennen…

Ein herzliches „Guten Morgen, ihr zwei Süßen“ weckte uns erneut. Als Amy und ich, noch etwas verschlafen, langsam unsere Augen öffneten, erblickten wir unsere beiden Dosenöffner. Diese hatten gerade einen himmlisch duftenden Napf voller Nassfutter auf dem nahegelegenen Fensterbrett abgestellt und streichelten uns überaus sanft über das Fell. Zu unserem Erstaunen hatte sich das Unwetter draußen verzogen und so schien die Sonne mit ihren schönen warmen Strahlen durch das Fenster und hieß uns ebenfalls im neuen Zuhause willkommen. Plötzlich ertappte ich mich, wie ich ganz leise mit dem Schnurren begann. Die warmen Sonnenstrahlen, das behutsame Streicheln sowie das herrlich duftende Frühstück. All das ließ mich den Kummer des frühen Morgens irgendwie vergessen. Als mein Schnurren sich nahezu selbstständig verdeutlichte, indem es lauter wurde, packte es mich. Ich musste einfach herausfinden, ob die saftigen kleinen Fleischbrocken im Napf genauso gut schmeckten wie sie dufteten. Kurzerhand verließ ich meine liegende Position und stellte mich auf alle vier Pfoten. Als ich mich dann nach einem kurzen Katzenbuckel streckte und dehnte, schmunzelten die beiden Dosenöffner. Ich muss an dieser Stelle wirklich sagen, dass die beiden sich perfekt verhalten haben. Wir Katzen haben ein überaus sanftes Wesen und sie respektierten dies, indem sie sich ruhig näherten und jede ihrer Bewegung ohne jegliche Hektik ausführten. Wir Katzen mögen es nämlich absolut nicht, wenn wir zum Beispiel übermotiviert gestreichelt und regelrecht mit den Händen gebürstet werden. Weißt du, wenn du uns gut behandelst… nein, lass es mich anders formulieren… wenn du uns wie Könige behandelst und uns auf Händen trägst (natürlich ist dies bildlich gemeint, also bitte trag uns nicht die ganze Zeit hin und her, das mögen wir nicht so), dann sind wir immer für dich da. Wir begleiten dich treu und werden sehr anhänglich. Du kannst schon bald nicht mehr ohne uns leben und wir schenken dir absolute Ausgeglichenheit und sind immer für dich da. Außerdem bringen wir dich gerne zum Lachen, machen tolle Kunststücke und halten dich trotzdem ganz schön auf Trab. Schon zu Beginn unseres Lebens haben wir bereits einen richtigen, eigenen Charakter. In einem Katzenwurf sehen nicht nur alle Kitten irgendwie verschieden aus, nein, wir unterscheiden uns auch schon sehr früh in unserer Art. Klar, wir schlafen alle gerne und dazu später noch mehr, aber du kannst dir gar nicht vorstellen, wie verschieden wir sein können. Es gibt Katzen, die möchten immer im Mittelpunkt stehen und du musst alles dafür tun, dass dies auch so ist. Andere hingegen wollen lieber ihre Ruhe haben, was allerdings nicht heißt, dass sie nicht für dich da sind. Wir sind sehr feinfühlig und merken sofort, wenn du uns brauchst. Allerdings können wir auch überaus deutlich zeigen, dass wir jetzt einfach gerne ein bisschen Zeit für uns hätten und du lieber erst später die Wohnung saugen solltest. Andere hingegen haben nicht nur einmal täglich die berühmten „5 Minuten“, sondern leben ihr ganzes Leben so. Sie sprudeln vor Energie fast über und haben einen stark ausgeprägten Spieltrieb, den sie immer und überall zur Schau stellen. Auch gibt es sehr interessierte Katzen, die dir ganz genau dabei zusehen, wenn du zum Beispiel einen neuen Schrank für „deine“ Wohnung zusammenbaust. Wir reichen dir zwar kein Werkzeug, aber prüfen jede Schraube und lassen ein paar davon zu deinem Frust auch gerne verschwinden. Dann gibt es wieder überaus verschmuste Katzen, die mit Liebkosungen überschüttet werden wollen und dir nicht mehr von der Pelle rücken. Du siehst, wir sind genauso verschieden wie die Musterung unseres Fells und im Laufe der Zeit festigen sich dann bestimmte Charakterzüge, während wir uns perfekt an unsere Umgebung anpassen. Eine Katze ist nicht nur Herrscher über „deinen“ ganzen Kram, nein, sie ist der treueste Begleiter, den du dir vorstellen kannst. Wir kennen euch in- und auswendig und wissen genau, welche Knöpfe wir drücken müssen, um etwas zu bekommen. Von Beginn an sind wir ein vollwertiges Mitglied deiner Familie… nun ja… Eigentlich sind wir die Könige und ihr die Bediensteten… Aber lass uns das einfach mal so stehen, wir wollen ja schließlich, dass ihr glücklich seid und wir dann ein noch besseres Leben haben.

 

Während Amy die Sonnenstrahlen genoss und sie noch immer keinen großartigen Hunger aufbringen konnte, stand ich bereits vor dem Futternapf und schlug mir hastig den Bauch voll. Schon früh in meinem Leben hatte ich erkannt, dass Fressen einfach meins war und ich muss ehrlich sagen, dass dieses Futter hier das Beste war, das ich bis dahin jemals verköstigt hatte. „Amy, komm’ schon, es ist echt so was von lecker!“, rief ich über meine Schulter in Richtung meiner Schwester. Doch diese kringelte sich erneut ein und signalisierte mir mit einem langem Schnaufen, dass sie einfach noch nicht so weit war. Auch die beiden Bediensteten, die bis dahin einfach nur unsere bloße Anwesenheit genossen hatten, respektierten dies und verließen wieder den Raum. Nachdem ich den Napf komplett geleert hatte, schleckte ich diesen stolz blitzeblank. Anschließend putzte ich mich ausgiebig und als ich gerade eben wieder zurück auf den Kratzbaum wollte, begann mein Bauch mich daran zu hindern. Anscheinend hatte die ganze Aufregung und der nun riesige Berg Nassfutter, der von oben drückte, etwas bei mir ausgelöst, das mich dazu zwang, schnellstmöglich das Katzenklo aufzusuchen. Das ganze Katzenklo-Ding hatte uns übrigens unsere Mama beigebracht. Ach, sie war einfach die Beste. Da ich Mama natürlich auch jetzt nicht enttäuschen wollte, blickte ich in Richtung der extra für uns bereitstehenden Toilette und begann, mich ihr stolz zu nähern. Ein lautes Grummeln in meinem Bauch arbeitete allerdings gegen mich und so wurde die Situation langsam ziemlich brenzlich. Verkrampft versuchte ich, die Ladung noch etwas in mir zu behalten, aber gleichzeitig ziemlich schnell vorwärts zu kommen. Mit jedem Schritt wurde dies allerdings anstrengender, und so kam es, dass ich, als ich gerade eben mit den Pfoten das Streu des Katzenklos erreichte… nun… Sagen wir einfach mal… „explodierte“. Das laute Geräusch ließ sogar Amy aufschrecken, die daraufhin sofort loskicherte. „Hui, das stinkt ja bis hier oben!“, rief sie feststellend zu mir. „Ja, das sollte wirklich schnellstmöglich weggemacht werden“, entgegnete ich als, ich gerade die letzten Krümel Katzenstreu zwischen meinen Pfoten abschüttelte. Gefühlt um die Hälfte leichter, machte ich einen großen Bogen um mein Werk, das sich nicht nur über den Fußboden, sondern auch den kompletten Eingangsbereich des Katzenklos verteilte. Wieder auf dem Kratzbaum angekommen, musste ich feststellen, dass man es wirklich bis hierhin riechen konnte. Aber ich durfte dort oben noch etwas ganz anderes feststellen. Irgendwie hatte ich es geschafft, meine Schwester durch diesen Vorfall aus ihren trüben Gedanken zu reißen, denn diese empfing mich mit einem breiten Grinsen. Etwas peinlich berührt grinste ich zurück. Ein paar Zimmer weiter hatte unser Personal den Duft nun ebenfalls wahrgenommen. Und als diese etwas erschrocken feststellen mussten, wie viel aus so einem kleinen Kater herauskommen kann und mit ab und zu auftretendem Würgereiz damit beschäftigt waren, das kleine Malheur zu beseitigen, lagen uns Amy und ich lachend in den Armen. „Wir schaffen das hier zusammen!“, murmelte ich in ihr Fell. „Ja, ich bin mir sicher!“, entgegnete sie mit frisch geschöpfter Lebensfreude. „Aber Bounty…“, flüsterte sie in mein Ohr. „Ja, was denn?“, fragte ich. „Es klingt vielleicht blöd und ist vielleicht nicht der passendste Zeitpunkt, aber ich habe echt verdammt großen Hunger“, schmunzelte sie. „Ach, das ist kein Problem, das haben wir gleich, Schwesterherz!“, gab ich freudig von mir, während ich wieder hinüber auf das Fensterbrett sprang, mich bestimmend vor den Futternapf setzte. „MIAU! MIAU! MIAU!“

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