Ein Bild vom Wesen der Natur

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Ein Bild vom Wesen der Natur
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John Collins

Ein Bild vom Wesen der Natur

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Einleitung

1. Verkörperung des Lebens in Gestalt der Natur

2. Die Natur-Seele-Synthese

3. Was ist Natur?

4. Die Mathematik der Natur

5. Wahrnehmung der Zeit

6. Die Gemeinsamkeiten und das Verbindende

7. Pfad des Ausgleichs

8. Irdische und Kosmische Energien

9. Die moderne Gesundheit

10. Neuorientierungen in der Naturheilkunde

11. Stabilität trotz Veränderungen

Schlusswort

Impressum

Einleitung

Die Erfindung der Kunst des Buchdruckens hat eine Revolution der humanen Informationsübermittlung eingeläutet. Der Intellekt war nun nicht mehr auf die anzahlmäßig bescheidenen Auflagen handgeschriebener Werke des Mönchtums angewiesen. Eine immer größer werdende Bevölkerungsgruppe bekam Zugang zu immer umfangreicher werdende Informationen. Allmählich verlor die Kirche ihr Monopol und damit auch die Oberhand über die Informationspolitik. Mit dem Ausklang der Scholastik und der Aufhebung der engen Grenzen des Denkens und Forschens hat sich ein neuer Horizont aufgetan. Mit rasendem Tempo fuhr die Menschheitsbahn auf den Schienen der Wissenschaft und gab der Wirtschaft einen gewaltigen Antrieb. Im Sinne einer Mängelbeseitigung wurde die damalige Kirche großzügig überholt. Wie die Kirche, so verlor auch die monarchistische Herrschaft ihre Vormachtstellung. Von der Renaissance über die Aufklärung war es dann nur noch ein Katzensprung hin zur modernen neuzeitlichen Gesellschaft.

Solange die Neugierde des Menschen anhält, wird es auch weiterhin faszinierende Entdeckungen und Erfindungen geben. Mitunter solche, die das Potential haben die Welt zu verändern. Dadurch verändert sich allmählich unser Bild vom Wesen der Natur. An vielen Stellen ist es inzwischen verzerrt und unscharf geworden. Abgelenkt durch die vielen Ausschweifungen in der Geschichte der Menschheit, wurde der Anschluss an die Natur häufig verpasst. Und auf unserer momentanen Reise geben wir noch mal richtig Vollgas. In unserer schnelllebigen Zeit verändern die Informationen von heute die gesellschaftlichen Normen von morgen und das einzelne Individuum ist aufgefordert sich ebenso schnell anzupassen. In früheren Zeiten war eine gute Anpassung an die Natur überlebensnotwendig. Heute sind es die kulturellen bzw. gesellschaftlichen Veränderungen, die unsere ganze Anstrengung erfordern. Macht es denn heute überhaupt noch einen Sinn, sich etwas Zeit und Ruhe zu gönnen um über das Wesen der Natur Gedanken zu machen? Spielt im Denken des 21. Jahrhunderts die Metaphysik überhaupt noch eine Rolle? Oder sind wir längst schon aus dieser Phase herausgewachsen? Dieses Büchlein soll weder Anleitung noch Aufforderung sein zur Rückkehr in vergangenen Lebensweisen. Und es soll auch nicht daran hindern, die Natur wissenschaftlich zu betrachten. Schließlich beschert uns die technische Umsetzung der wissenschaftlichen Erkenntnisse einen beachtlichen Wohlstand. Das Wissen über die Naturgesetze ermöglicht es in die Natur einzuwirken und sie - zugunsten unserer Bedürfnisse - umzugestalten. Von Anbeginn der Menschwerdung waren die Entwicklungen von Epoche zu Epoche, ein vorgezeichneter Weg. Die Vernunft und der Verstand machten diesen Weg frei um die Hochhäuser, Flugzeuge und Atomkraftwerke, so wie wir sie heute kennen zu realisieren. Gleichwohl ist die Wissenschaft nicht geeignet die Natur in vollem Umfang zu erklären. Die verfügbare Technik erlaubt lediglich die uns umgebenden Erscheinungen zu analysieren und zu kategorisieren. Welches Geheimnis hinter alle dem liegt, was wir analysieren und kategorisieren, bleibt der Wissenschaft verborgen. Die unermesslich vielen Informationen die wir im gesellschaftlichen Leben verarbeiten lenken weitgehend von unseren intuitiven Fähigkeiten ab. Wertvolle Informationen über das Wirken der Natur bleiben uns vorenthalten. Wenn es uns gelingt die menschliche Vernunft zu „durchschauen“, d.h. nichts anderes als die uns gewohnte, durch Menschenhand veränderte Natur zu „durchschauen“, dann bekommen wir ein schärferes Bild vom Wesen der Natur.

Alles was Natur ist, befindet sich als Informationen in uns. Wir registrieren diese Informationen und kreieren daraus ein Bild. Ob dieses Bild der Wirklichkeit entspricht, ist keineswegs sicher. Vielleicht leben wir in einer völlig anderen Welt als uns bewusst ist. Auch wenn wir wegen unseres Menschseins, die gesamte und möglicherweise die wirkliche Natur nicht erfassen können, mit ihren Inhalten kommen wir glücklicherweise dennoch zurecht. Jedoch ohne unsere Intuition, wären diese Inhalte eintönig und langweilig, als wären sie eine weiße Leinwand. Für uns wären bestenfalls die groben Strukturen auf dieser Leinwand vorhanden. Die Farbigkeit dieser Strukturen könnten wir ohne den Prisma Effekt unserer Intuition nicht erkennen. So wie der Regen am bewölkten Himmel uns einen Regenbogen erscheinen lässt, so zeigt uns unsere Intuition, neben dem rein wissenschaftlichen, ein harmonisches Bild vom Wesen der Natur. Im Gegensatz zur grenzlosen Natur, hat dieses Bild einen nicht allzu großen - menschlichen - Rahmen. Von der unendlichen Ewigkeit ruft es lediglich ein paar bescheidene, flüchtige und situationsabhängige Momentaufnahmen in Erinnerung. Deshalb ist - genauso wie in der Wissenschaft - auch dieses Bild alles andere als umfassend. Einen kleinen Ausschnitt einer menschlichen und somit unvollständigen Darstellung der Natur soll nun versucht werden zu beschreiben. Ein wichtiger Hinweis gleich vorweg: Das Bild hat stets einen zentralen Mittelpunkt. Immer wieder wird sich unser Blick auf diesen Mittelpunkt richten. Mögen wir dem Bild eine noch so differenzierte Betrachtung unterziehen, am Ende erscheint als Mittelpunkt immer der Mensch.

Einladung und Überblick

Der Leser wird eingeladen, die Natur aus ungewohnten und aus wissenschaftlicher Sicht, nicht gänzlich verifizierbaren Perspektiven zu betrachten. Im ersten Kapitel beginnen wir mit einem Ausflug in den Wald. Schließlich war dieser Ort die Heimat unserer Urahnen. Heutzutage ist es nicht mehr der urig dunkle Märchenwald in dem sich Hänsel und Gretel einst verirrt hatten. Es ist auch nicht der Wald in dem sich Rotkäppchen und der Wolf begegnet sind. Unsere Wälder haben sich zwischenzeitlich stark verändert (bzw. wurden verändert). Die Wälder die wir heute kennen sind logistisch strukturiert. Eng vernetzte und übersichtlich ausgeschilderte Waldwege durchziehen unsere heutige „Wildnis“. In diesen Wäldern kann man sich so gut wie nicht verirren. Folgt man irgendeinen beliebigen Schotterweg, so findet man meistens mühelos wieder heraus. Die Suche nach einen einzigen urig gewachsenen „Märchenbaum“, ist hingegen wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Im modernen Wald werden die Bäume von Menschenhand in Reih und Glied gepflanzt. Die Bestände werden gehegt und gepflegt. Gerade gewachsenes und astfreies Stammholz ist das Ziel der modernen Forstwirtschaft. Und dennoch gibt es auch in diesen Plantagenwäldern noch immer genügend märchenhaft Urtümliches zu entdecken. Nicht nur im Bezug auf den Wald, auch in vielen anderen Natur- und Lebensbereichen, im Großen wie im Kleinen, die Zusammenhänge näher unter die Lupe zu nehmen und zu verstehen, ist das Ziel dieser Einladung. Wir werden uns verschiedene extreme Umwelten ansehen. Unter diesen, reiht sich vor allem auch die menschliche Gesellschaft ein – diese werden wir in mehreren Bereichen kritisch begutachten. Die Lebensbedingungen in einer extremen Umwelt lassen intelligente Strategien der Anpassung heranreifen. Die Hintergründe über das Zusammenwirken dieser Strategien sind wesentliche Elemente die das Gesamtbild zusammenfügen.

Zunächst ist es notwendig aus der Vielfalt das Einzelne heranzufokussieren. In der Detailbetrachtung wird das Übrige vorübergehend ausgeblendet um das Einzelne deutlich darzustellen. Im Bild vom Wesen der Natur werden wir solche Einzelbetrachtungen näher erörtern. Wie wir später sehen werden, macht es Sinn, die Natur und die Weltseele zunächst voneinander zu differenzieren. Die Zusammenhänge zwischen den Einzelerscheinungen der Natur und den einzelnen Vorgängen des Lebens werden dadurch erkennbar. Im Kapitel „Die Natur-Seele-Synthese“ wird deshalb eine gedankliche Scheidung von Natur und Weltseele vollzogen. Diese Scheidung wird bei der Betrachtung des lebendigen Organismus als Zusammenwirken von Gegensätzen in der Synthese von Natur und Seele gleichsam wieder aufgehoben.

 

Im täglichen Leben hindern uns die fortschreitenden Entwicklungen unserer technischen Hochkultur immer wieder daran, die Ursprünglichkeiten der Natur klar zu fokussieren. Sie blenden viele Details aus. Dabei enthalten gerade sie wichtige Informationen, die notwendig sind, wenn man das Wesen der Natur verstehen möchte. Stattdessen werden wir in eine Maschinerie von gesellschaftlichen Veränderungen hineingezwungen, die uns größte Anstrengungen der Anpassung abverlangen. Bei diesen Anstrengungen nehmen wir ganz selbstverständlich einige Risiken und gesundheitliche Beeinträchtigungen in Kauf. Sobald Krankheiten entstanden sind, erwarten wir von der modernen Medizin die rasche Wiederherstellung unserer Gesundheit. Umgekehrt erwartet, damit der gesellschaftliche Prozess nicht ins stocken gerät, die Gesellschaft vom Erkrankten das gleiche. Am Ende versucht jeder Einzelne inmitten einer sich immer schneller verändernden Welt standhaft zu sein. Woher beziehen wir die Energie um die Belastungen des modernen Lebens stand zu halten? Wie erkennen wir die Gefahren des täglichen Lebens? Auch auf diese Fragen werden wir im Einzelnen eingehen. Eine wichtige Voraussetzung für die Standhaftigkeit ist das Bewusstsein ein Teil der Natur zu sein. Mit den Inhalten dieses Bewusstseins finden wir die Geborgenheit, die uns vor einigen Gefahren der modernen Welt bewahren. Diese Inhalte geben uns klar zu verstehen, dass wir uns vor den Wölfen nicht fürchten müssen. Allerdings kann uns die menschliche Vernunft im Schafspelz durchaus gefährlich werden. Erst wenn man die Informationen der Natur versteht, kann man sich ein klares Bild vom Wesen der Natur machen. In unserem Bild vom Wesen der Natur wird manches über die moderne Welt des Menschen deutlich. Bei dieser Betrachtung öffnen sich aber auch spontan und deshalb manchmal unvermutet, so manche Fenster der Pflanzen- und Tierwelt. Für uns industrialisierte Menschen ist die Welt der Pflanzen und Tiere fast schon zu einer fremden Parallelwelt geworden. Die schwindende Nähe zu unseren gemeinsamen Ursprünglichkeiten raubt uns die bewusste Verbindung zu ihnen. Die Zusammenhänge sowie Abweichungen sollen nun sichtbar gemacht werden. Dieses Sichtbarwerden kann uns helfen die Welt des Menschen besser zu verstehen. Möglicherweise kann dieses entzerrte Bild eine Hilfe sein die einen oder anderen Verhaltensweisen gleichermaßen zu entzerren. Dieses Bild vom Wesen der Natur möge dem einen oder anderen vielleicht auch eine zusätzliche Bereicherung sein.

1. Verkörperung des Lebens in Gestalt der Natur

I. Der Wald

Ein Ausflug in einem Wald ist wie eintauchen in einem anderen Organismus. Im Wald sind wir Einverleibt in etwas Fremdes und doch erzeugt diese Umgebung in uns ein Wohlgefühl der Zugehörigkeit. Wir spüren die Vitalität einer geheimnisvollen organisch gewordenen Wesenheit. Während unserer Natur-Abwesenheit, haben wir uns zu Fremdlingen entwickelt. Wir sind den einst verlorenen Kindern ähnlich, die im späteren Leben an den Ort ihres Ursprungs zurückgekehrt sind. Der Waldgeruch hat herbe und milde Nuancen und wir riechen, wenn wir die frische kühle Luft des Waldes einatmen, eine Umgebung die uns im Inneren vertraut erscheint. Es ist die Urvertrautheit bei sich selbst zu sein. Noch sind unsere Schritte ein wenig ungeübt. Und ohne es zu Wissen, wird jeder Schritt den wir machen von vielen Augen genau beobachtet. Wir sind es nicht gewohnt auf unebenen, weichen und feuchten Böden zu gehen. Hier und da stolpern wir über die hervorstehenden Äste und verletzen uns an ihnen. Gelegentlich rutschen wir aus und fallen tollpatschig hin. Beim Vorbeistreifen spüren wir den Pieks der Brombeerbüsche, wenn sich ein Dorn in unsere Haut hineingebohrt hat. Vielleicht will uns der Wald sagen: „Bei uns seid ihr willkommen, solange uns euer Verhalten passt. Hütet Euch jedoch vor unvorsichtigen Fehltritten. Eineinziger kann zum Zorn der Gemeinschaft führen.“ Wir sollten nicht nachtragend sein - auch dann nicht, wenn vielleicht mal ein Insekt zugebissen oder gestochen hat. Ähnlich wie der Wald, haben auch wir Menschen sehr effektive Eintritts- und Schutzbarrieren, die auch uns vor ungebetene Gäste oder besser gesagt; Eindringlingen bewahren. An vorderster Front stehen die Eigenschaften unserer Haut und Schleimhäute die uns vor krankmachenden Einflüssen schützen. Im Körperinneren hält sich eine komplexe Armada von Abwehrmechanismen zur Verfügung. So wiederholen sich die Prinzipien des Lebens innerhalb der Natur in unterschiedlichster Art und Weise. Ob der moderne Mensch im Wald tatsächlich noch willkommen ist, scheint allerdings fraglich zu sein. In einem intakten natürlichen Wald, fällt mir keine nützliche Funktion ein die wir Menschen noch hätten. (Die Maßnahmen im Wirtschaftsforst sind lediglich ein notwendiger Kompromiss). Insofern, sind wir eher geduldete als willkommene Fremdlinge. Wenn wir lediglich harmlose Fremdlinge bleiben und uns nicht wie Eindringlinge verhalten, ist nichts dagegen einzuwenden, den Wald hin und wieder aufzusuchen.

Langsam gewöhnen wir uns an die Gegebenheiten des Waldes. Allmählich erwacht in uns ein Gespür für die Erscheinungen der Natur. Das Belebte und das Unbelebte, die vielfältigen Formen und Farben, das Licht und die Schatten, die Bewegungen die wir wahrnehmen, die Luft die wir atmen, alles wirkt zusammen und reflektiert die Einheit einer abgestimmten Harmonie des Werdens und Vergehens. Uns wird bewusst, wie nahe lebendig sein, sterben und Tod beieinander liegen, denn diese sind unabdingbare Voraussetzungen für das gestaltete Leben im großen Kreislauf der irdischen Natur. Es sind zusammenwirkende Energien, die auch in uns Menschen wirken. Wie ein Schlüssel öffnet der Wald unsere innere Welt und vereint sie mit der Natur. In uns erwacht die Bewusstheit ein Teil dieser Vollkommenheit zu sein. Wir lernen die Zusammenhänge kennen und spüren die wohltuende Vielfalt in einer unfassbaren Einheit. Die Augen die uns immer noch im Visier haben erkennen wir nun auch. Es sind die uns misstrauisch beobachtende große und kleine Waldbewohner. Wie verschmolzen sind sie eingepasst in ihrer heimatlichen Umgebung. Überall im Wald wiederholen sich ihre Formen und Farben tausendfach. Wenn sie sich bewegen, so scheinen sie sich aus ihrer unmittelbaren Umgebung wie aus dem Nichts zu lösen. Zwischen dem Gesträuch sind die dunklen Augen eines scheuen Rehs auf uns gerichtet. Einen kurzen Moment verharrt es noch und dann springt es davon. Bis dahin genauso unsichtbar, lösen sich zwei weitere Rehe aus ihrer Deckung und springen hinterher. Geschmeidig gleiten sie nahezu geräuschlos durch den Wald. Nirgendwo stoßen sie an und nirgendwo stolpern sie drüber. Wie lebendige Puzzelteile passen sie perfekt in das Gefüge ihrer Umgebung und sind für die Fortbewegung in dieser Umwelt ideal gestaltet. Wer weiß, vielleicht sind wir irgendwann schon mal an irgendwelche unauffälligen Erdhügel vorbeigegangen, ohne es bemerkt zu haben, dass diese in Wirklichkeit keine Erdhügel, sondern Wildschweine waren. Regungslos verharren sie in ihrer vertrauten Umgebung. Ihre Borsten haben den Anschein von dürr gewordenen Gräsern die im Spiel des Lichtes, des Schattens und der Farben des Waldes verschmelzen. So bleiben diese Tiere für uns Spaziergänger nahezu unsichtbar. Und wenn man doch einmal das seltene Glück hatte Wildschweine zu Gesicht zu bekommen - vielleicht sogar Auge in Auge blickend -, dann wird man sich immer wieder gerne an diesen seltenen Augenblick erinnern. Es kann auch vorkommen, dass uns ein kleines, plötzlich hochspringendes Erdklümpchen überrascht und sich so als Kröte enttarnt. Unzählige Staren können sich auf einen einzigen Baum versammelt haben. Von den Bewegungen der Blätter sind sie kaum zu unterscheiden. Lediglich ihr lautes Geschrei verrät dass sie tatsächlich da sind.

Für den Frieden im Wald ist es sicher besser, wenn dieser Ort vor Besucheranstürmen bewahrt bliebe. Auch ohne unseren Besuch sind die Tiere aufgrund des Straßenverkehrs und den Forstarbeiten im Übermaß belastet. Die Förster und Jäger wären wenig erfreut, wenn zu viele „Naturfreunde“ den Wald durchkämmen würden. Und so befindet sich der heutige Mensch in einer ambivalenten Situation. Auf der einen Seite sollte er sein Dasein in enger Verbundenheit mit der Natur gestalten. Mit den Früchten des Waldes (Kräuter, Pilze, Beeren, Nüsse und Knollen) könnten wir unseren Tisch jeden Tag reichlich decken. Die tägliche Bewegung beim Sammeln quer durch das Unterholz, käme unserer Gesundheit zugute. Andererseits, wäre dieses Verhalten in größerem Stil, eher unzuträglich für den Frieden im Wald. Wer den Wald nicht kennt und wie heutzutage üblich, die Küchen- und vielleicht auch Heilkräuter sich im Supermarkt bzw. aus der Apotheke besorgt; wer sich von der Natur distanziert und so den Wald - unbeabsichtigt - in Ruhe lässt, ist solch ein Mensch, der womöglich nicht einmal weiß die Natur zu schätzen, am Ende der wahre „Naturfreund“? Als der Menschen vor einigen Jahrtausenden den Wald als ursprüngliche Heimat verließ, wurde diese Distanziertheit tatsächlich allmählich zu seinem Schicksaal. Für das Ökosystem Wald, ist ein Sechsfamilienhaus in der Stadt eine geringere Belastung als sechs idyllische Einfamilienhäuser auf dem Lande. Die Urbanisierung ist ein notwendiger Kompromiss der menschlichen (Über-)Bevölkerung. Der Rückzug aus der Natur hat uns Menschen verändert. Diese Veränderungen gehen einher mit den erforderlichen Anpassungsprozessen in der Zivilisation. Die Entwicklung unserer Zivilisation ist ein menschlicher Prozess, d.h. sie wird fortschreiten und ob wir es wollen oder nicht, wird sie jeden Einzelnen von uns mitnehmen. Im Denken und Handeln haben wir uns von unserem inneren Naturwesen schon lange verabschiedet. Als menschliche Wesen haben wir die Gestalt des Kulturwesens angenommen. Aber auch diese Umgestaltung ist nicht vollendet – im Übrigen wird sie, solange es uns Menschen gibt, niemals vollendet sein. Die aktive Zivilisation - die menschliche Kultur - hat kein endgültiges Ziel.

Der wirtschaftliche Einfluss den der Wald unterliegt ist deutlich sichtbar. Glücklicherweise gibt es jedoch zwischen den forstwirtschaftlichen Aktivitäten lange Perioden in denen der Wald sich wieder regenerieren kann. Und so ist der Wald eines der wenigen Refugien unserer kultivierten Landschaft in dem sich das Leben noch einigermaßen natur- und artgemäß gestalten kann. Wenn Flora und Fauna über genügend geeigneten Lebensraum verfügen, dann sind ihre Verkörperungen in exakter Weise aufeinander angepasst. In dieser Gemeinschaft sind alle Aufgaben und Funktionen aufeinander abgestimmt. Diese enge Verflechtung kann nur dann gedeihen, wenn jedes Lebewesen das Gesamtprogramm der Natur und des Lebens in sich trägt. Es sind Informationen die alle Lebewesen in sich haben – übrigens auch wir Menschen. Wir moderne Zivilisationsmenschen sind Lebewesen die es gewohnt sind auf glatten Linoleumböden zu gehen. Überhaupt meiden wir das Gehen so gut es geht. Stattdessen nehmen wir auch für kurze Entfernungen viel lieber das Auto. Selbst gewöhnliche Treppen sehen wir als Unbequemlichkeit und bevorzugen Rolltreppen sowie Aufzüge. Wenn Körperteile die wir nicht mehr benötigen im Laufe der Zeit verkümmern, wie mögen wohl die Füße eines Menschen in fünfzigtausend Jahren aussehen? Ob diese Körperteile als Füße noch erkennbar sein werden? Oder wird bis dahin nur noch ein kümmerliches Restgebilde aus vergangenen Zeiten übrig geblieben sein? Als solches hätten die Füße des zukünftigen Menschen ihre natürlichen Funktionen verloren. In einer zunehmend virtuellen Welt spielt die körperliche Fortbewegung ohnehin eine untergeordnete Rolle. Mit der Assistenz von Robotern ließe sich ein bequemes und bewegungsarmes „menschliche“ Leben durchaus führen. Falls dieser zukünftige Mensch sich ausnahmsweise doch mal selbstständig fortbewegen müsste, so wäre er auf angepasster Prothesentechnik angewiesen. Wie die Füße, würden auch die übrigen Körperteile langsam verkümmern und irgendwann möglicherweise ganz verschwinden. Die Menschheit von heute wäre mitverantwortlich, wenn sich das Menschsein in dieser oder ähnlicher Weise verändern würde. Wenn eines Tages nicht mehr unsere Körperlichkeit, sondern die Technik den unmittelbaren Kontakt mit der Natur hätte. Glücklicherweise haben wir noch halbwegs geländegängige Füße. Auch insgesamt ist der Mensch mit der Natur noch einigermaßen kompatibel. Sicher bedeutet Mensch sein; Mensch in der Gesellschaft zu sein. Um im Prozess der menschlichen Entwicklung unser Menschsein zu wahren, muss jedoch auch die Verbindung zur Natur gewahrt bleiben. Denn von der Natur erhalten wir die Beständigkeit, die zur Bewältigung der anstrengenden gesellschaftlichen Veränderungen erforderlich ist.

 
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