Brasilien - ein Reisebericht

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Brasilien - ein Reisebericht
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Von Rio de Janeiro nach Parati, Samstag, 30. November

Am Flughafen erhalte ich – ohne alternative Möglichkeit zum Geldwechsel – einen schlechten Kurs (ca. 6% unter Wert). Mit dem Bus zum zentralen Busterminal gelange ich auf einer mehrspurigen Straße, die sich über mehrere Kilometer hinzieht und dabei die miserablen Ansammlungen elender Behausungen durchschneidet. Meist sind entlang der Straße Sichtblenden angebracht worden, so dass der vom Flughafen ankommende Besucher den Anblick nicht zu ertragen hat und einen wohlwollenden Eindruck von Rio de Janeiro erhält.

Der zentrale Busbahnhof ist mehrfach verschachtelt. Es wuselt von Menschen. Durchfragen hilft, und so sitze ich bald im Bus nach Parati. Neben mir hat eine hübsche, blonde Dame Platz genommen. Sie lebt hier in einem Ort der Noblesse, ist chic, adrett gekleidet, top geschminkt. Wie sie mir berichtet, lebte sie in Kalifornien, hat Europa und auch Deutschland bereist und wählt mit mir Englisch als Konversationssprache. In Angra wird sie den Bus verlassen und mir mit aristokratischer Höflichkeit eine „gute Zeit in Brasilien“ wünschen.

Über Stunden fährt der Bus weiter, entlang einer malerischen Küste. Weich geformte Hügelkuppen stürzen sich tropisch dicht bewaldet in den Südatlantik, wo die höchsten Kuppen üppig bewachsene Inseln bilden. Es ist der Traum einer Bilderbuchlandschaft durch die sich die spärlich befahrene Straße schlängelt.

In Parati angekommen, empfängt mich eine karibisch anmutende Kleinstadt. Im Kern, der unter UNESCO-Kulturschutz steht, handelt es sich um die Wiege des wichtigsten


Ausschiffhafens für Gold, später Kaffee. Die grob gepflasterten Straßen sind abenteuerlich zu gehen. Sie werden gesäumt von eingeschossigen, frisch renovierten Häuschen, deren Satteldächer mit Mönchsziegeln gedeckt sind. Tür- und Fensterrahmen wurden in bonbonknalligen Farben gestrichen.

Mühsam frage ich mich nach meiner Unterkunft durch, die sich am Ende des neuen Stadtteils, an der Nachbarbucht gelegen, befindet: sehr dörflich, auf Strandtourismus ausgelegt. Die dortigen Restaurants und Bars sind Strandbuden zur Versorgung der Urlauber, die ab dem 21. Dezember zur Hochsaison eintreffen sollen. Pferde stehen auf der Weide, bewegen sich aber frei auf den wenigen Straßen und tummeln sich ebenso wie streunende Hunde nach Belieben am Sandstrand.

Meine Wirtin gibt stolz an, Englischlehrerin zu sein, kann aber noch nicht einmal den Übernachtungspreis $R 95 für mich verständlich auf Englisch aussprechen. In dieser Unterkunft, so wird im Internet ausgelobt, spreche man Spanisch als Fremdsprache, doch kann ich nichts davon bemerken. Das Lesen des Portugisischen ist für mich meist noch erschließbar und damit verständlich, doch ist die Aussprache so stark verändert, dass ich das gesprochene Wort kaum, meist aber gar nicht verstehen kann. Es hört sich alles irgendwie dumpf nasalierend an, mit vielen Zischlauten dazwischen. Die Brasilianer scheinen kaum in der Lage zu sein, die gleichen Wortstämme und Endungen zwischen Spanisch und Portugisisch zu erkennen; sie scheinen in ihrer lautmalerischen Ausdrucksform gefangen zu sein. Wurde eine Fremdsprache erlernt, so habe ich den Eindruck, Englisch ist ihnen sympathischer als Spanisch, was mich wundert.


Zum Abend setze ich mich an die Strandbar, genieße den Ausblick aufs Meer, esse und trinke bis ich mich ins Bett fallen lasse.

Parati, Sonntag, 01. Dezember

Gestern schon hingen die Wollen tief; heute Morgen ist die Basis kaum 100 Meter über dem Wasserspiegel des Meeres und Wolkenfetzen hängen tief herunter in den Regenwald. Es beginnt erst fein, dann dicht zu regnen. Dabei ist es bereits um acht Uhr morgens schwül-warm. Später klart das Wetter etwas auf und ich mache mich fertig, um die historische Innenstadt zu besichtigen, die mir Ähnlichkeiten zu haben scheint mit Trinidad auf Kuba. Das Frühstück habe ich im Lebensmittelgeschäft gekauft, dann die Busfahrkarte zur Weiterfahrt am nächsten Tag besorgt und danach einen Strandspaziergang eingelegt. Dabei überrascht mich einsetzender, heftiger Regen und ich erreiche, schon nass geworden, eine der Strandbuden. Bis ich zu meiner Unterkunft gelange, bin ich durchweicht. Alles ist feucht und die klamme Kleidung trocknet nicht in diesem feuchtheißen Klima, in dem ich vom Nichtstun Schweißperlen auf der Haut habe. Die nasse Kleidung hänge ich ans offene Fenster (sie wird nicht trocknen) und lege mich ab zum Dösen.

Abends gehe ich ins gegenüberliegende Haus, in dem ein Billardtisch aufgebaut ist und Bierausschank für die Dorfbewohner betrieben wird. Ich werde zum Billardspiel eingeladen, was ich gerne annehme und verliere fair und haushoch. Später sitze ich zum Quatschen zusammen mit einem jungen Brasilianerpaar auf der Veranda. Sie sind verheiratete Studienabbrecher aus Sao Paulo und versuchen hier eine Woche Ruhe und Distanz von der ewigen Umtriebigkeit des immensen Betongebirges Sao Paulo zu erhalten. Der junge Mann interessiert sich für meine Schilderungen über Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg, authentischen Schilderungen, die nicht von den USA und aus deren Blickwinkel heraus verbreitet werden, zu denen er als Geschichtsstudent Zugang hatte. Ich spendiere einen von mir mitgebrachten Obstler.

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