Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen

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KAROLINE. Was meinen Sie, mein Vater?

BREME. Es ist dieser verwegenen Menschenrasse der Untergang gedroht.

KAROLINE. Was sagen Sie?

BREME. Setze dich nieder und schreib.

KAROLINE. Was?

BREME. Ein Billet an den Baron, daß er kommen soll.

KAROLINE. Aber wozu?

BREME. Das will ich dir schon sagen. Es soll ihm kein Leids widerfahren, ich sperre ihn nur ein.

KAROLINE. O Himmel!

BREME. Was gibt's?

KAROLINE. Soll ich mich einer solchen Verräterei schuldig machen?

BREME. Nur geschwind.

KAROLINE. Wer soll es denn hinüber bringen?

BREME. Dafür laß mich sorgen.

KAROLINE. Ich kann nicht.

BREME. Zuerst eine Kriegslist. Er zündet eine Blendlaterne an und löscht das Licht aus. Geschwind, nun schreib, ich will dir leuchten.

KAROLINE für sich. Was soll das werden? Der Baron wird sehen, daß das Licht ausgelöscht ist; er wird auf das Zeichen kommen.

BREME zwingt sie zum Sitzen. Schreib! »Luise bleibt im Schlosse, mein Vater schläft. Ich lösche das Licht aus, kommen Sie.«

KAROLINE widerstrebend. Ich schreibe nicht.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Der Baron am Fenster.

BARON. Karoline!

BREME. Was ist das? Er schiebt die Blendlaterne zu und hält Karolinen fest, die aufstehen will.

BARON wie oben. Karoline! sind Sie nicht hier? Er steigt herein. Stille! wo bin ich? daß ich nicht fehlgehe. Gleich dem Fenster gegenüber ist des Vaters Schlafzimmer, und hier rechts an der Wand die Tür in der Mädchen Kammer. Er tappt an der Seite hin und trifft die Tür. Hier ist sie, nur angelehnt. O wie gut sich der blinde Cupido im Dunkeln zu finden weiß! Er geht hinein.

BREME. In die Falle! Er schiebt die Blendlaterne auf, eilt nach der Kammertüre und stößt den Riegel vor. So recht, und das Vorlegeschloß ist auch schon in Bereitschaft. Er legt ein Schloß vor. Und du, Nichtswürdige! so verrätst du mich?

KAROLINE. Mein Vater!

BREME. So heuchelst du mir Vertrauen vor?

BARON inwendig. Karoline! Was heißt das?

KAROLINE. Ich bin das unglücklichste Mädchen unter der Sonne.

BREME laut an der Türe. Das heißt: daß Sie hier schlafen werden, aber allein.

BARON inwendig. Nichtswürdiger! Machen Sie auf, Herr Breme, der Spaß wird Ihnen teuer zu stehen kommen.

BREME laut. Es ist mehr als Spaß, es ist bitterer Ernst.

KAROLINE an der Türe. Ich bin unschuldig an dem Verrat!

BREME. Unschuldig? Verrat?

KAROLINE vor der Türe knieend. O, wenn du sehen könntest, mein Geliebter, wie ich hier vor dieser Schwelle liege, wie ich untröstlich meine Hände ringe, wie ich meinen grausamen Vater bitte! – Machen Sie auf, mein Vater! Er hört nicht, er sieht mich nicht an. – O mein Geliebter habe mich nicht in Verdacht, ich bin unschuldig!

BREME. Du unschuldig? Niederträchtige feile Dirne! Schande deines Vaters! Ewiger schändender Flecken in dem Ehrenkleid, das er eben in diesem Augenblicke angezogen hat. Steh auf, hör' auf zu weinen, daß ich dich nicht an den Haaren von der Schwelle wegziehe, die du, ohne zu erröten, nicht wieder betreten solltest. Wie! in dem Augenblick, da Breme sich den größten Männern des Erdbodens gleichsetzt, erniedrigt sich seine Tochter so sehr!

KAROLINE. Verstoßt mich nicht, verwerft mich nicht, mein Vater! Er tat mir die heiligsten Versprechungen.

BREME. Rede mir nicht davon, ich bin außer mir. Was! ein Mädchen, das sich wie eine Prinzessin, wie eine Königin aufführen sollte, vergißt sich so ganz und gar? Ich halte mich kaum, daß ich dich nicht mit Fäusten schlage, nicht mit Füßen trete. Hier hinein! Er stößt sie in sein Schlafzimmer. Dies französische Schloß wird dich wohl verwahren. Von welcher Wut fühl' ich mich hingerissen! Das wäre die rechte Stimmung, um die Glocke zu ziehen. – Doch nein, fasse dich, Breme! – Bedenke, daß die größten Menschen in ihrer Familie manchen Verdruß gehabt haben. Schäme dich nicht einer frechen Tochter und bedenke, daß Kaiser Augustus in eben dem Augenblick mit Verstand und Macht die Welt regierte, da er über die Vergehungen seiner Julie bittere Tränen vergoß. Schäme dich nicht, zu weinen, daß eine solche Tochter dich hintergangen hat; aber bedenke auch zugleich, daß der Endzweck erreicht ist, daß der Widersacher eingesperrt verzweifelt und daß deiner Unternehmung ein glückliches Ende bevorsteht.

Sechster Auftritt

Saal im Schlosse, erleuchtet.

Friederike mit einer gezogenen Büchse. Jakob mit einer Flinte.

FRIEDERIKE. So ist's recht, Jakob, du bist ein braver Bursche. Wenn du mir die Flinte zurechtbringst, daß mir der Schulfuchs nicht gleich einfällt, wenn ich sie ansehe, sollst du ein gut Trinkgeld haben.

JAKOB. Ich nehme sie mit, gnädige Gräfin, und will mein Bestes tun. Ein Trinkgeld braucht's nicht, ich bin Ihr Diener für ewig.

FRIEDERIKE. Du willst in der Nacht noch fort? es ist dunkel und regnicht, bleibe doch beim Jäger.

JAKOB. Ich weiß nicht, wie mir ist, es treibt mich etwas fort. Ich habe eine Art von Ahnung.

FRIEDERIKE. Du siehst doch sonst nicht Gespenster.

JAKOB. Es ist auch nicht Ahnung, es ist Vermutung. Mehrere Bauern sind beim Chirurgus in der Nacht zusammengekommen; sie hatten mich auch eingeladen, ich ging aber nicht hin; ich will keine Händel mit der gräflichen Familie. Und jetzt wollt' ich doch, ich wäre hingegangen, damit ich wüßte, was sie vorhaben.

FRIEDERIKE. Nun, was wird's sein? es ist die alte Prozeßgeschichte.

JAKOB. Nein, nein, es ist mehr! lassen Sie mir meine Grille; es ist für Sie, es ist für die Ihrigen, daß ich besorgt bin.

Siebenter Auftritt

Friederike. Nachher die Gräfin und der Hofrat.

FRIEDERIKE. Die Büchse ist noch, wie ich sie verlassen habe; die hat mir der Jäger recht gut versorgt. Ja, das ist auch ein Jäger, und über die geht nichts. Ich will sie gleich laden und morgen früh bei guter Tageszeit einen Hirsch schießen. Sie beschäftigt sich an einem Tische, worauf ein Armleuchter steht, mit Pulverhorn, Lademaß, Pflaster, Kugel, Hammer und lädt die Büchse ganz langsam und methodisch.

GRÄFIN. Da hast du schon wieder das Pulverhorn beim Licht, wie leicht kann eine Schnuppe herunterfallen. Sei doch vernünftig, du kannst dich unglücklich machen.

FRIEDERIKE. Lassen Sie mich, liebe Mutter, ich bin schon vorsichtig. Wer sich vor dem Pulver fürchtet, muß nicht mit Pulver umgehen.

GRÄFIN. Sagen Sie mir, lieber Hofrat, ich habe es recht auf dem Herzen: könnten wir nicht einen Schritt tun, wenigstens bis Sie zurückkommen?

HOFRAT. Ich verehre in Ihnen diese Heftigkeit, das Gute zu wirken und nicht einen Augenblick zu zaudern.

GRÄFIN. Was ich einmal für Recht erkenne, möcht' ich auch gleich getan sehn. Das Leben ist so kurz, und das Gute wirkt so langsam.

HOFRAT. Wie meinen Sie denn?

GRÄFIN. Sie sind moralisch überzeugt, daß der Amtmann in dem Kriege das Dokument beiseitegebracht hat –

FRIEDERIKE heftig. Sind Sie 's?

HOFRAT. Nach allen Anzeigen kann ich wohl sagen, es ist mehr als Vermutung.

GRÄFIN. Sie glauben, daß er es noch zu irgendeiner Absicht verwahre?

FRIEDERIKE wie oben. Glauben Sie?

HOFRAT. Bei der Verworrenheit seiner Rechnungen, bei der Unordnung des Archivs, bei der ganzen Art, wie er diesen Rechtshandel benutzt hat, kann ich vermuten, daß er sich einen Rückzug vorbehält, daß er vielleicht, wenn man ihn von dieser Seite drängt, sich auf die andere zu retten und das Dokument dem Gegenteile für eine an sehnliche Summe zu verhandeln denkt.

GRÄFIN. Wie wär' es, man suchte ihn durch Gewinst zu locken? Er wünscht seinen Neffen substituiert zu haben; wie wär' es, wir versprächen diesem jungen Menschen eine Belohnung, wenn er zur Probe das Archiv in Ordnung brächte, besonders eine ansehnliche, wenn er das Dokument ausfindig machte? Man gäbe ihm Hoffnung zur Substitution. Sprechen Sie ihn noch, ehe Sie fortgehen; indes, bis Sie wiederkommen, richtet sich's ein.

HOFRAT. Es ist zu spät, der Mann ist gewiß schon zu Bette.

GRÄFIN. Glauben Sie das nicht. So alt er ist, paßt er Ihnen auf, bis Sie in den Wagen steigen. Er macht Ihnen noch in völliger Kleidung seinen Scharrfuß und versäumt gewiß nicht, sich Ihnen zu empfehlen. Lassen wir ihn rufen.

FRIEDERIKE. Lassen Sie ihn rufen, man muß doch sehen, wie er sich gebärdet.

HOFRAT. Ich bin's zufrieden.

FRIEDERIKE klingelt und sagt zum Bedienten, der hereinkommt. Der Amtmann möchte doch noch einen Augenblick herüberkommen!

GRÄFIN. Die Augenblicke sind kostbar. Wollen Sie nicht indes noch einen Blick auf die Papiere werfen, die sich auf diese Sache beziehen? Zusammen ab.

Achter Auftritt

Friederike allein, nachher der Amtmann.

FRIEDERIKE. Das will mir nicht gefallen. Sie sind überzeugt, daß er ein Schelm ist, und wollen ihm nicht zu Leibe. Sie sind überzeugt, daß er sie betrogen, ihnen geschadet hat, und wollen ihn belohnen. Das taugt nun ganz und gar nichts. Es wäre besser, daß man ein Exempel statuierte. Da kommt er eben recht.

AMTMANN. Ich höre, daß des Herrn Hofrats Wohlgeboren noch vor ihrer Abreise mir etwas zu sagen haben. Ich komme, dessen Befehle zu vernehmen.

FRIEDERIKE indem sie die Büchse nimmt. Verziehen Sie einen Augenblick, er wird gleich wieder hier sein. Sie schüttet Pulver auf die Pfanne.

AMTMANN. Was machen Sie da, gnädige Gräfin?

FRIEDERIKE. Ich habe die Büchse auf morgen früh geladen, da soll ein alter Hirsch fallen.

 

AMTMANN. Ei, ei! schon heute geladen und Pulver auf die Pfanne, das ist verwegen! wie leicht kann da ein Unglück geschehen.

FRIEDERIKE. Ei was! Ich bin gern fix und fertig. Sie hebt das Gewehr auf und hält es, gleichsam zufällig, gegen ihn.

AMTMANN. Ei, gnädige Gräfin, kein geladen Gewehr jemals auf einen Menschen gehalten! Da kann der Böse sein Spiel haben.

FRIEDERIKE in der vorigen Stellung. Hören Sie, Herr Amtmann, ich muß Ihnen ein Wort im Vertrauen sagen: – daß Sie ein erzinfamer Spitzbube sind.

AMTMANN. Welche Ausdrücke, meine Gnädige! – Tun Sie die Büchse weg.

FRIEDERIKE. Rühre dich nicht vom Platz, verdammter Kerl! Siehst du, ich spanne, siehst du, ich lege an! Du hast ein Dokument gestohlen –

AMTMANN. Ein Dokument? ich weiß von keinem Dokumente.

FRIEDERIKE. Siehst du, ich steche, es geht alles in der Ordnung, und wenn du nicht auf der Stelle das Dokument herausgibst oder mir anzeigst, wo es sich befindet, oder was mit ihm vorgefallen, so rühr' ich diese kleine Nadel, und du bist auf der Stelle mausetot.

AMTMANN. Um Gottes willen!

FRIEDERIKE. Wo ist das Dokument?

AMTMANN. Ich weiß nicht – Tun Sie die Büchse weg – Sie könnten aus Versehen –

FRIEDERIKE wie oben. Aus Versehen oder mit Willen bist du tot. Rede, wo ist das Dokument?

AMTMANN. Es ist – verschlossen.

Neunter Auftritt

Gräfin. Hofrat. Die Vorigen.

GRÄFIN. Was gibt 's hier?

HOFRAT. Was machen Sie?

FRIEDERIKE immer zum Amtmann. Rühren Sie sich nicht, oder Sie sind des Todes! wo verschlossen?

AMTMANN. In meinem Pulte.

FRIEDERIKE. Und in dem Pulte! wo?

AMTMANN. Zwischen einem Doppelboden.

FRIEDERIKE. Wo ist der Schlüssel?

AMTMANN. In meiner Tasche.

FRIEDERIKE. Und wie geht der doppelte Boden auf?

AMTMANN. Durch einen Druck an der rechten Seite.

FRIEDERIKE. Heraus den Schlüssel!

AMTMANN. Hier ist er.

FRIEDERIKE. Hingeworfen!

AMTMANN wirft ihn auf die Erde.

FRIEDERIKE. Und die Stube?

AMTMANN. Ist offen.

FRIEDERIKE. Wer ist drinnen?

AMTMANN. Meine Magd und mein Schreiber.

FRIEDERIKE. Sie haben alles gehört, Herr Hofrat. Ich habe Ihnen ein umständliches Gespräch erspart. Nehmen Sie den Schlüssel und holen Sie das Dokument. Bringen Sie es nicht zurück, so hat er gelogen, und ich schieße ihn darum tot.

HOFRAT. Lassen Sie ihn mitgehen; bedenken Sie, was Sie tun.

FRIEDERIKE. Ich weiß, was ich tue. Machen Sie mich nicht wild und gehen Sie. Hofrat ab.

GRÄFIN. Meine Tochter, du erschreckst mich. Tu das Gewehr weg!

FRIEDERIKE. Gewiß nicht eher, als bis ich das Dokument sehe.

GRÄFIN. Hörst du nicht? deine Mutter befiehlt's.

FRIEDERIKE. Und wenn mein Vater aus dem Grabe aufstünde, ich gehorchte nicht.

GRÄFIN. Wenn es losginge!

FRIEDERIKE. Welch Unglück wäre das?

AMTMANN. Es würde Sie gereuen.

FRIEDERIKE. Gewiß nicht. Erinnerst du dich noch, Nichtswürdiger, als ich vorm Jahr im Zorn nach dem Jägerburschen schoß, der meinen Hund prügelte, erinnerst du dich noch, da ich ausgescholten wurde und alle Menschen den glücklichen Zufall priesen, der mich hatte fehlen lassen, da warst du's allein, der hämisch lächelte und sagte: Was wär' es denn gewesen? ein Kind aus einem vornehmen Hause! das wäre mit Geld abzutun. Ich bin noch immer ein Kind, ich bin noch immer aus einem vornehmen Hause; so müßte das wohl auch mit Geld abzutun sein.

HOFRAT kommt zurück. Hier ist das Dokument.

FRIEDERIKE. Ist es? Sie bringt das Gewehr in Ruh.

GRÄFIN. Ist's möglich?

AMTMANN. O ich Unglücklicher!

FRIEDERIKE. Geh! Elender! daß deine Gegenwart meine Freude nicht vergälle!

HOFRAT. Es ist das Original.

FRIEDERIKE. Geben Sie mir's. Morgen will ich's den Gemeinden selbst zeigen und sagen, daß ich's ihnen erobert habe.

GRÄFIN sie umarmend. Meine Tochter!

FRIEDERIKE. Wenn mir der Spaß nur die Lust an der Jagd nicht verdirbt. Solch ein Wildpret schieß' ich nie wieder!

Fünfter Aufzug

Nacht, trüber Mondschein.

Das Theater stellt einen Teil des Parks vor, der früher beschrieben worden. Rauhe steile Felsenbänke, auf denen ein verfallenes Schloß. Natur und Mauerwerk ineinander verschränkt. Die Ruine sowie die Felsen mit Bäumen und Büschen bewachsen. Eine dunkle Kluft deutet auf Höhlen, wo nicht gar unterirdische Gänge.

Friederike, fackeltragend, die Büchse unterm Arm, Pistolen im Gürtel, tritt aus der Höhle, umherspürend. Ihr folgt die Gräfin, den Sohn an der Hand. Auch Luise. Sodann der Bediente, mit Kästchen beschwert. Man erfährt, daß von hier ein unterirdischer Gang zu den Gewölben des Schlosses reicht, daß man die Schloßpforten gegen die andringenden Bauern verriegelt, daß die Gräfin verlangt habe, man solle ihnen aus dem Fenster das Dokument ankündigen und zeigen und so alles beilegen. Friederike jedoch sei nicht zu bewegen gewesen, sich in irgendeine Kapitulation einzulassen, noch sich einer Gewalt, selbst nach eigenen Absichten, zu fügen. Sie habe vielmehr die Ihrigen zur Flucht genötigt, um auf diesem geheimen Wege ins Freie zu gelangen und den benachbarten Sitz eines Anverwandten zu erreichen. Eben will man sich auf den Weg machen, als man oben in der Ruine Licht sieht, ein Geräusch hört. Man zieht sich in die Höhle zurück. Herunter kommen Jakob, der Hofrat und eine Partei Bauern. Jakob hatte sie unterwegs angetroffen und sie zu Gunsten der Herrschaft zu bereden gesucht. Der Wagen des wegfahrenden Hofrats war unter sie gekommen. Dieser würdige Mann verbindet sich mit Jakob und kann das Hauptargument, daß der Originalrezeß gefunden sei, allen übrigen Beweggründen hinzufügen. Die aufgeregte Schar wird beruhigt, ja sie entschließt sich, den Damen zu Hilfe zu kommen.

Friederike, die gelauscht hat, nun von allem unterrichtet, tritt unter sie, dem Hofrat und dem jungen Landmann sehr willkommen, auch den übrigen durch die Vorzeigung des Dokuments höchst erwünscht.

Eine früher ausgesendete Patrouille dieses Trupps kommt zurück und meldet, daß ein Teil der Aufgeregten vom Schlosse her im Anmarsche sei. Alles verbirgt sich, teils in der Höhle, teils in Felsen und Gemäuer.

Breme mit einer Anzahl bewaffneter Bauern tritt auf, schilt auf den Magister, daß er außen geblieben, und erklärt die Ursache, warum er einen Teil der Mannschaft in den Gewölben des Schlosses ge lassen und mit dem andern sich hieher verfügt. Er weiß das Geheimnis des unterirdischen Ganges und ist überzeugt, daß die Familie sich darein versteckt, und dies gibt die Gewißheit, ihrer habhaft zu werden. Sie zünden Fackeln an und sind im Begriff, in die Höhle zu treten. Friederike, Jakob, der Hofrat erscheinen in dem Augenblicke, bewaffnet, sowie die übrige Menge.

Breme sucht der Sache eine Wendung durch Beispiele aus der alten Geschichte zu geben und tut sich auf seine Einfälle viel zugute, da man sie gelten läßt; und als nun das Dokument auch hier seine Wirkung nicht verfehlt, so schließt das Stück zu allgemeiner Zufriedenheit. Die vier Personen, deren Gegenwart einen unangenehmen Eindruck machen könnte: Karoline, der Baron, der Magister und der Amtmann, kommen nicht mehr zum Vorschein.

Die Laune des Verliebten

Personen.

Egle

Amine

Eridon

Lamon

Erster Auftritt

Amine und Egle sitzen an der einen Seite des Theaters und winden Kränze.

Lamon kommt dazu und bringt ein Körbchen mit Blumen.

LAMON indem er das Körbchen niedersetzt.

Hier sind noch Blumen.

EGLE.

Gut!

LAMON.

Seht doch, wie schön sie sind!

Die Nelke brach ich dir.

EGLE.

Die Rose! –

LAMON.

Nein, mein Kind!

Aminen reich ich heut das Seltene vom Jahr;

Die Rose seh ich gern in einem schwarzen Haar.

EGLE.

Und das soll ich wohl gar verbindlich, artig nennen?

LAMON.

Wie lange liebst du mich schon, ohne mich zu kennen?

Ich weiß es ganz gewiß, du liebst nur mich allein,

Und dieses muntre Herz ist auch auf ewig dein,

Du weißt es. Doch verlangst du mich noch mehr zu binden?

Ist es wohl scheltenswert, auch andre schön zu finden?

Ich wehre dir ja nicht, zu sagen: der ist schön,

Der artig, scherzhaft der – ich will es eingestehn.

Nicht böse sein.

EGLE.

Sei's nicht, ich will es auch nicht werden.

Wir fehlen beide gleich. Mit freundlichen Gebärden

Hör ich gar manchen an, und mancher Schäferin

Sagst du was Süßes vor, wenn ich nicht bei dir bin.

Dem Herzen läßt sich wohl, dem Scherze nicht gebieten;

Vor Unbeständigkeit muß uns der Leichtsinn hüten.

Mich kleidet Eifersucht noch weniger als dich.

Zu Aminen.

Du lächelst über uns! Was denkst du, Liebe? sprich!

AMINE.

Nicht viel.

EGLE.

Genug, mein Glück und deine Qual zu fühlen.

AMINE.

Wieso?

EGLE.

Wieso! Anstatt daß wir zusammen spielen,

Daß Amors Schläfrigkeit bei unserm Lachen flieht,

Beginnet deine Qual, wenn dich dein Liebster sieht.

Nie war der Eigensinn bei einem Menschen größer.

Du denkst, er liebe dich. O nein, ich kenn ihn besser;

Er sieht, daß du gehorchst, drum liebt dich der Tyrann,

Damit er jemand hat, dem er befehlen kann.

AMINE.

Ach, er gehorcht mir oft.

EGLE.

Um wieder zu befehlen.

Mußt du nicht jeden Blick von seinen Augen stehlen?

Die Macht, von der Natur in unsern Blick gelegt,

Daß er den Mann entzückt, daß er ihn niederschlägt,

Hast du an ihn geschenkt und mußt dich glücklich halten,

Wenn er nur freundlich sieht. Die Stirne voller Falten,

Die Augenbraunen tief, die Augen düster, wild,

Die Lippen aufgedrückt, ein liebenswürdig Bild,

Wie er sich täglich zeigt, bis Bitten, Küsse, Klagen

Den rauhen Winterzug von seiner Stirne jagen.

AMINE.

Du kennst ihn nicht genug, du hast ihn nicht geliebt.

Es ist nicht Eigensinn, der seine Stirne trübt;

Ein launischer Verdruß ist seines Herzens Plage

Und trübet mir und ihm die besten Sommertage;

Und doch vergnüg ich mich, da, wenn er mich nur sieht,

Wenn er mein Schmeicheln hört, bald seine Laune flieht.

EGLE.

Fürwahr ein großes Glück, das man entbehren könnte.

Doch nenne mir die Lust, die er dir je vergönnte?

Wie pochte deine Brust, wenn man vom Tanze sprach;

Dein Liebster flieht den Tanz und zieht dich Arme nach.

Kein Wunder, daß er dich bei keinem Feste leitet,

Da er der Wiese Gras um deine Tritte neidet,

Den Vogel, den du liebst, als Nebenbuhler haßt;

Wie könnt er ruhig sein, wenn dich ein andrer faßt

Und gar, indem er sich mit dir im Reihen kräuselt,

Dich zärtlich an sich drückt und Liebesworte säuselt.

AMINE.

Sei auch nicht ungerecht, da er mich dieses Fest,

Weil ich ihn darum bat, mit euch begehen läßt.

EGLE.

Das wirst du fühlen.

AMINE.

Wie?

EGLE.

Warum bleibt er zurücke?

AMINE.

Er liebt den Tanz nicht sehr.

EGLE.

Nein, es ist eine Tücke.

Kommst tu vergnügt zurück, fängt er halb spöttisch an:

Ihr wart wohl sehr vergnügt? – Sehr. – Das war wohlgetan.

Ihr spieltet? – Pfänder. – So! Damöt war auch zugegen?

Und tanztet? – Um den Baum. – Ich hätt euch sehen mögen.

Er tanzte wohl recht schön? Was gabst du ihm zum Lohn?

AMINE lächelnd.

Ja.

EGLE.

Lachst du?

AMINE.

Freundin, ja, das ist sein ganzer Ton. –

Noch Blumen!

LAMON.

Hier! das sind die besten.

AMINE.

Doch mit Freuden

Seh ich ihn meinen Blick der ganzen Welt beneiden;

Ich seh an diesem Neid, wie mich mein Liebster schätzt,

 

Und meinem kleinen Stolz wird alle Qual ersetzt.

EGLE.

Kind, ich bedaure dich, du bist nicht mehr zu retten,

Da du dein Elend liebst; du klirrst mit deinen Ketten

Und überredest dich, es sei Musik.

AMINE.

Ein Band

Zur Schleife fehlt mir noch.

EGLE zu Lamon.

Du hast mir eins entwandt,

Das ich vom Maienkranz beim Frühlingsfest bekommen.

LAMON.

Ich will es holen.

EGLE.

Doch du mußt bald wiederkommen.

Zweiter Auftritt

Egle. Amine.

AMINE.

Er achtet das nicht viel, was ihm sein Mädchen schenkt.

EGLE.

Mir selbst gefällt es nicht, wie mein Geliebter denkt;

Zu wenig rühren ihn der Liebe Tändeleien,

Die ein empfindlich Herz, so klein sie sind, erfreuen.

Doch, Freundin, glaube mir, es ist geringre Pein,

Nicht gar so sehr geliebt, als es zu sehr zu sein.

Die Treue lob ich gern; doch muß sie unserm Leben,

Bei voller Sicherheit, die volle Ruhe geben.

AMINE.

Ach, Freundin! schätzenswert ist solch ein zärtlich Herz.

Zwar oft betrübt er mich, doch rührt ihn auch mein Schmerz.

Wirft er mir etwas vor, fängt er an, mich zu plagen,

So darf ich nur ein Wort, ein gutes Wort nur sagen,

Gleich ist er umgekehrt, die wilde Zanksucht flieht,

Er weint sogar mit mir, wenn er mich weinen sieht,

Fällt zärtlich vor mir hin und fleht, ihm zu vergeben.

EGLE.

Und du vergibst ihm?

AMINE.

Stets.

EGLE.

Heißt das nicht elend leben?

Dem Liebsten, der uns stets beleidigt, stets verzeihn,

Um Liebe sich bemühn und nie belohnt zu sein!

AMINE.

Was man nicht ändern kann –

EGLE.

Nicht ändern? Ihn bekehren

Ist keine Schwierigkeit.

AMINE.

Wie das?

EGLE.

Ich will dich's lehren.

Es stammet deine Not, die Unzufriedenheit

Des Eridons –

AMINE.

Von was?

EGLE.

Von deiner Zärtlichkeit.

AMINE.

Die, dächt ich, sollte nichts als Gegenlieb entzünden.

EGLE.

Du irrst; sei hart und streng, du wirst ihn zärtlich finden.

Versuch es nur einmal, bereit ihm kleine Pein:

Erringen will der Mensch, er will nicht sicher sein.

Kommt Eridon, mit dir ein Stündchen zu verbringen,

So weiß er nur zu gut, es muß ihm stets gelingen.

Der Nebenbuhler Zahl ist ihm nicht fürchterlich;

Er weiß, du liebest ihn weit stärker als er dich.

Sein Glück ist ihm zu groß, und er ist zu belachen,

Da er kein Elend hat, will er sich Elend machen.

Er sieht, daß du nichts mehr als ihn auf Erden liebst,

Und zweifelt nur, weil du ihm nichts zu zweifeln gibst.

Begegn' ihm, daß er glaubt, du könntest ihn entbehren;

Zwar wird er rasen, doch das wird nicht lange währen,

Dann wird ein Blick ihn mehr als jetzt ein Kuß erfreun;

Mach, daß er fürchten muß, und er wird glücklich sein.

AMINE.

Ja, das ist alles gut; allein es auszuführen

Vermag ich nicht.

EGLE.

Wer wird auch gleich den Mut verlieren.

Geh, du bist allzu schwach. Sieh dort!

AMINE.

Mein Eridon!

EGLE.

Das dacht ich. Armes Kind! er kommt, du zitterst schon

Vor Freude, das ist nichts; willst du ihn je bekehren,

Mußt du ihn ruhig sehn sich nahn, ihn ruhig hören.

Das Wallen aus der Brust! die Röte vom Gesicht!

Und dann –

AMINE.

O laß mich los! So liebt Amine nicht.

Dritter Auftritt

Eridon kommt langsam mit übereinandergelegten Armen, Amine steht auf und läuft ihm entgegen.

Egle bleibt in ihrer Beschäftigung sitzen.

AMINE ihn bei der Hand fassend.

Geliebter Eridon!

ERIDON küßt ihr die Hand.

Mein Mädchen!

EGLE für sich.

Ach wie süße!

AMINE.

Die schönen Blumen! Sprich, mein Freund, wer gab dir diese!

ERIDON.

Wer? Meine Liebste.

AMINE.

Wie? – Ah, sind das die von mir?

So frisch von gestern noch?

ERIDON.

Erhalt ich was von dir,

So ist mir's wert. Doch die von mir?

AMINE.

Zu jenen Kränzen

Fürs Fest gebraucht ich sie.

ERIDON.

Dazu! Wie wirst du glänzen!

Lieb in des Jünglings Herz und bei den Mädchen Neid

Erregen!

EGLE.

Freue dich, daß du die Zärtlichkeit

So eines Mädchens hast, um die so viele streiten.

ERIDON.

Ich kann nicht glücklich sein, wenn viele mich beneiden.

EGLE.

Und könntest doch; denn wer ist sicherer als du?

ERIDON zu Aminen.

Erzähl mir doch vom Fest; kommt wohl Damöt dazu?

EGLE einfallend.

Er sagte mir es schon, er werde heut nicht fehlen.

ERIDON zu Aminen.

Mein Kind, wen wirst du dir zu deinem Tänzer wählen?

Amine schweigt, er wendet sich zu Eglen.

O sorge, gib ihr den, der ihr am liebsten sei!

AMINE.

Das ist unmöglich, Freund, denn du bist nicht dabei!

EGLE.

Nein, hör nur, Eridon, ich kann's nicht mehr ertragen,

Welch eine Lust ist das, Aminen so zu plagen?

Verlaß sie, wenn du glaubst, daß sie die Treue bricht;

Glaubst du, daß sie dich liebt, nun gut, so plag sie nicht.

ERIDON.

Ich plage sie ja nicht.

EGLE.

Wie? Heißt das sie erfreuen?

Aus Eifersucht Verdruß auf ihr Vergnügen streuen,

Stets zweifeln, da sie dir doch niemals Ursach gibt,

Daß sie –

ERIDON.

Bürgst du mir denn, daß sie mich wirklich liebt?

AMINE.

Ich dich nicht lieben! Ich!

ERIDON.

Wenn lehrst du mich es glauben?

Wer ließ sich einen Strauß vom kecken Damon rauben?

Wer nahm das schöne Band vom jungen Thyrsis an?

AMINE.

Mein Eridon! –

ERIDON.

Nicht wahr, das hast du nicht getan?

Belohntest du sie denn? O ja, du weißt zu küssen.

AMINE.

Mein Bester, weißt du nicht? –

EGLE.

O schweig, er will nichts wissen!

Was du ihm sagen kannst, hast du ihm längst gesagt,

Er hat es angehört und doch aufs neu geklagt.

Was hilft's dich? Magst du's ihm auch heut noch einmal sagen;

Er wird beruhigt gehn und morgen wieder klagen.

ERIDON.

Und das vielleicht mit Recht.

AMINE.

Mit Recht? Ich! Untreu sein?

Amine dir? Mein Freund, kannst du es glauben?

ERIDON.

Nein!

Ich kann, ich will es nicht.

AMINE.

Gab ich in meinem Leben

Dir je Gelegenheit?

ERIDON.

Die hast du oft gegeben.

AMINE.

Wenn war ich untreu?

ERIDON.

Nie! das ist es, was mich quält.

Aus Vorsatz hast du nie, aus Leichtsinn stets gefehlt.

Das, was mir wichtig scheint, hältst du für Kleinigkeiten;

Das, was mich ärgert, hat bei dir nichts zu bedeuten.

EGLE.

Gut! nimmt's Amine leicht, so sag, was schadet's dir?

ERIDON.

Das hat sie oft gefragt; ja freilich schadet's mir!

EGLE.

Was denn? Amine wird nie andern viel erlauben.

ERIDON.

Zuwenig zum Verdacht, zuviel, sie treu zu glauben.

EGLE.

Mehr, als ein weiblich Herz je liebte, liebt sie dich.

ERIDON.

Und liebt den Tanz, die Lust, den Scherz so sehr als mich.

EGLE.

Wer das nicht leiden kann, mag unsre Mütter lieben!

AMINE.

Schweig, Egle! Eridon, hör auf, mich zu betrüben!

Frag unsre Freunde nur, wie ich an dich gedacht,

Selbst wenn wir fern von dir getändelt und gelacht;

Wie oft ich mit Verdruß, der mein Vergnügen nagte,

Weil du nicht bei mir warst, »Was mag er machen?« fragte.

O wenn du es nicht glaubst, komm heute mit mir hin,

Und dann sag noch einmal, daß ich dir untreu bin.

Ich tanze nur mit dir, ich will dich nie verlassen,

Dich nur soll dieser Arm, dich diese Hand nur fassen.

Wenn mein Betragen dir den kleinsten Argwohn gibt

ERIDON.

Daß man sich zwingen kann, beweist nicht, daß man liebt.

EGLE.

Sieh ihre Tränen an, sie fließen dir zur Ehre!

Nie dacht ich, daß dein Herz im Grund so böse wäre.

Die Unzufriedenheit, die keine Grenzen kennt

Und immer mehr verlangt, je mehr man ihr vergönnt,

Der Stolz, in ihrer Brust der Jugend kleine Freuden,

Die ganz unschuldig sind, nicht neben dir zu leiden,

Beherrschen wechselsweis dein hassenswürdig Herz;

Nicht ihre Liebe rührt, dich rühret nicht ihr Schmerz.

Sie ist mir wert, du sollst hinfort sie nicht betrüben:

Schwer wird es sein; dich fliehn, doch schwerer ist's, dich lieben.

AMINE für sich.

Ach! warum muß mein Herz so voll von Liebe sein!

ERIDON steht einen Augenblick still, dann naht er sich furchtsam Aminen und faßt sie bei der Hand.

Amine! liebstes Kind, kannst du mir noch verzeihn?

AMINE.

Ach, hab ich dir es nicht schon allzuoft bewiesen?

ERIDON.

Großmüt'ges, bestes Herz, laß mich zu deinen Füßen –

AMINE.

Steh auf, mein Eridon!

EGLE.

Jetzt nicht so vielen Dank!

Was man zu heftig fühlt, fühlt man nicht allzu lang.

ERIDON.

Und diese Heftigkeit, mit der ich sie verehre –

EGLE.

Wär weit ein größer Glück, wenn sie so groß nicht wäre.

Ihr lebtet ruhiger, und dein und ihre Pein –

ERIDON.

Vergib mir diesmal noch, ich werde klüger sein.

AMINE.