Menschliches Maß und Königliche Kunst

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Begegnungen mit Folgen


Streben nach allem Wahren, Guten, Schönen …

Logenordnung

Im März des Jahres 1785 war «die schöne Jüdin aus Wien», Marianne (Mattel) Devidels, zum Salon-Kreis der Henriette Herz gestoßen. Sie war eine junge Frau «mit Vergangenheit». Sie hatte ein uneheliches Kind. Der Kindesvater hatte sie schmählich sitzenlassen. Aus Gram und Scham war sie ins Kloster gegangen. Dafür musste sie jedoch vom Judentum zum Christentum konvertieren und katholisch werden. Ihr Kind wuchs bei den Großeltern auf.


Johann Gottfried Schadow: Marianne Devidels, Rötel auf Papier

Mariannes Vater Samuel Devidels war ein wohlhabender Wiener Juwelier. Er sorgte sich um das Schicksal seiner Tochter und erreichte schließlich nach fast sechs quälenden Jahren, dass seine Mattel aus dem strengen Klosterdasein «befreit» wurde. Er brachte sie zu entfernten Verwandten nach Berlin. Über jüdische Verwandtschafts-Kreise kam sie zu Henriette Herz und fand Gefallen an deren Salon, wo sie den fünf Jahre jüngeren Johann Gottfried Schadow kennenlernte.

Es war Sympathie auf den ersten Blick. Das geschah zu der Zeit, als Schadows Ausbilder Tassaert im Einvernehmen mit seiner Frau Marie-Edmée die gemeinsame Tochter Félicité «unter die Haube» zu bringen gedachte. Auserwählter war ausgerechnet der junge Schadow. Sie waren sicher, dass dieser eine glänzende Karriere machen und den gut dotierten Posten des Hofbildhauers als Nachfolger Tassaerts übernehmen würde. «Obwohl erst 19 Jahre alt, gedachte mein Meister, mir eine Frau zu geben. Die Bestimmte war ein artiges Kind, aber es hatte sich meine Neigung anderswo hingewendet. In stiller Verlegenheit verblieb ich bis zum Mai 1785, entfloh dann …, ließ fahren des Meisters Gunst, Pension und sonstige Aussichten …» (Johann Gottfried Schadow).

Hauptsächliches Fluchtmotiv war seine Marianne. Ein zweites Motiv «zu entfliehen» hatte zu tun mit dem Roman «Eusèbe» von Jean-Charles Tiebaut de la Veaux, für den Schadow den Titelkupfer mit dem «Triumph des Lasters» gestaltet hatte. Das Ganze war eine Satire gegen den Minister Graf Hertzberg. Das Buch wurde konfisziert. Dem Autor und seinem Illustrator drohten Schwierigkeiten. Zeitgleich dazu verbreiteten sich mehrere mutige satirische und gesellschaftskritische Blätter von Schadow, die ihm viel Bekanntheit, aber auch erheblichen Ärger mit den preußischen Tugendwächtern einbrachten.

So suchte und fand Schadow eine glaubwürdige Begründung dafür, allen Konflikten aus dem Wege zu gehen. Er beschloss und verkündete einen Studienaufenthalt in Rom, um sich an den klassischen Vorbildern weiterzubilden. Dagegen konnte keiner etwas sagen, und ein langgehegter Traum des Künstlers war es ohnehin.

Heimlich gab es freilich noch den Hintergedanken, vorher seine Mattel zu heiraten und Mariannes Eltern in Wien zu besuchen.

Vater Devidels war so großzügig, dem künftigen Schwiegersohn die Reise und ein durchaus üppiges Stipendium für die Rom-Studien zu finanzieren, und so «floh» Schadow mit seiner Geliebten 1785 aus Berlin. Die geplante Hochzeit stellte sich allerdings als schwierig heraus. Eine katholische Jüdin und ein noch nicht «ehemündiger» protestantischer Künstler konnten damals vor Kirche, Staat und Gesellschaft noch nicht standhalten. So lebten die beiden zunächst in «wilder Ehe».

Eine der Zwischenstationen auf dem Weg nach Wien und Rom war Dresden. Schadow folgte damit der Einladung des berühmten Porträtmalers Anton Graff (1736–1813), mit dem er in Verbindung stand und dessen Kunst er verehrte. Graff verstand es, in seinen Bildnissen den Charakter des Menschen zu erfassen, über die äußere Ähnlichkeit hinaus. Das war genau die Intention, die Schadow bei seinen eigenen Arbeiten verfolgte.


Anton Graff, Selbstbildnis mit grünem Augenschirm, 1813

Bei Graff und dessen Frau gaben sich Schadow und seine Marianne als Verheiratete aus. Es wurde nicht hinterfragt. Graff interessierte sich mehr für die grafische Mappe Schadows und nahm sich Blatt für Blatt vor. Sie sprachen über Rom und die Kunst der Vorväter. Schließlich gab Graff seinem Besucher ein Empfehlungsschreiben an den Bildhauer Franz Anton von Zauner in Wien, der ihn zu römischen Verbindungen weiter vermitteln sollte.

Ende Mai 1785 trafen Schadow und seine Marianne in Wien ein, wo sie von den Schwiegereltern herzlich in Empfang genommen wurden. Sie mussten gestehen, dass es ihnen noch nicht gelungen war zu heiraten. Vater Devidels hatte aber die Nachricht von der Hochzeit unter Verwandten und Bekannten bereits verbreitet. So mussten sie das Spiel – nun freilich familiär geduldet – weiterspielen.

Als Schadow mit dem Empfehlungsschreiben von Graff den Wiener Bildhauer Franz Anton von Zauner besuchte, traf er auf eine Lebenseinstellung und auf Ideale, die ihm schon vertraut vorkamen.

Franz Anton von Zauner (1746–1822) war Freimaurer, 1784 in der Loge «Zur wahren Eintracht» in Wien aufgenommen, einer «Gemeinschaft in brüderlicher Liebe und gemeinsamen Streben nach allem Wahren, Guten, Schönen» (so steht es in der Logenordnung).


Porträt von Franz Anton von Zauner an der Fassade des Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck, 2016

Meister vom Stuhl der Loge «Zur wahren Eintracht» war Ignaz Edler von Born (1742–1791), der für Mozart und Schikaneder Vorbild des weisen Sarastro in der «Zauberflöte» wurde und sich beziehungsreich zitieren lässt: «Ist Wahrheit, Weisheit und die Beförderung der Glückseligkeit des ganzen Menschengeschlechts nicht auch der eigentliche Endzweck unserer Verbindung?» (Ignaz von Born im «Journal für Freymaurer»)

Wolfgang Amadeus Mozart (1756–1791), Mitglied der Wiener Loge «Zur Wohltätigkeit», war häufig Gast in der «wahren Eintracht» und wurde dort auch durch Ignaz von Born zum freimaurerischen Gesellen befördert. Zu den Mitgliedern der Loge «Zur wahren Eintrach zählte neben vielen Wiener Persönlichkeiten auch Joseph Haydn (1732–1809).

Zauner, Schöpfer des Wiener Kaiser-Joseph-Denkmals und des Grabmals für Leopold II. in der Augustinerkirche, hat übrigens später auch ein Denkmal für Ignaz von Born gestaltet und am Sockel freimaurerische Symbolik untergebracht.

Schadow hatte die freimaurerisch inspirierte Ausrichtung des Salons von Henriette Herz in bester und frischer Erinnerung. Er hatte sich möglicherweise auch in Gesprächen mit Marcus Herz über Ideale des Bundes ausgetauscht. Nun war Franz Anton von Zauner ein weiterer Stichwortgeber. Vier Wochen lang weilte Schadow in der Donaumetropole. In dieser Zeit traf er sich immer wieder mit Zauner, und zwischen den beiden entwickelte sich eine herzliche Freundschaft.

«Mit dem Bildhauer Franz Zauner verbündet er sich innig, so dass sie lange nach Schadows Abreise noch einen fruchtbaren Gedankenaustausch führen. Dieses Bündnis hat tiefreichende menschliche und künstlerische Wurzeln.» (Joachim Lindner: «Wo die Götter wohnen», Berlin, 2008)

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Italienische Impressionen


Es war «die heftigste Erschütterung, welche aus Bewunderung für die Schönheiten der Kunst in ihm erregt wurde …»

Johann Gottfried Schadow

Zwischenstation auf dem Weg nach Rom war Florenz. Schadow begab sich begeistert auf die Spuren der «alten Meister», wie die der Renaissance, die immer wieder die Proportionierung nach den Maßverhältnissen des menschlichen Körpers gesucht haben. «Als er nach Florenz kam», schrieb er in seinen Erinnerungen, «und die kolossalen Arbeiten des Michelangelo und Giovan di Bologna auf offenem Platze sah, liefs ihm eiskalt über den Rücken». Er verfolgte die künstlerischen Gedanken von Johann Joachim Winckelmann, der die «edle und stille Größe» als Schönheitsideal des «archäologischen Klassizismus» aufgefasst hatte (1755). Er durchstreifte die Kirchen und Paläste, besuchte die Gemäldegalerien und fühlte sich nahezu heimisch in den Uffizien. Das war seine Welt. Kunst zu sehen, zu erleben, in sich aufzunehmen und sich anregen zu lassen. Es war «die heftigste Erschütterung, welche aus Bewunderung für die Schönheiten der Kunst in ihm erregt wurde» (Schadow). Schadow war ständig mit dem Skizzenbuch unterwegs, hielt fest, was die alten Meister geschaffen hatten und interpretierte sie. Marianne war seine geduldige Begleiterin.


Römische Inspirationen: Michelangelos «Die Erschaffung des Adam» (Detail)

 

Im Juli 1785 trafen sie in Rom ein, und die «Ewige Stadt» faszinierte ihn über alle Maßen. Mit dem Empfehlungsbrief von Zauner aus Wien wurden die Reisenden herzlich durch Alexander Trippel (1744–1793) empfangen. Trippel, ein Schweizer Bildhauer, wohnte und arbeitete seit 1778 in Rom, wo er mit seiner Bildhauerwerkstatt großes Ansehen genoss. Bekannt wurde Trippel vor allem durch zwei von ihm geschaffene Marmorbüsten Goethes.

Trippel, dem sich die Unverheirateten anvertrauten, nutzte seine Verbindungen zur Kirche, um das Ersehnte – eine legitimierte Hochzeit – wahr werden zu lassen. Trippel knüpfte klerikale Fäden. Da Mischehen natürlich auch in Rom nicht erlaubt waren, musste Schadow zum Katholizismus konvertieren. Über Trippels Netzwerke war das ein kurzer formeller Akt. Damit stand der Hochzeit nichts mehr im Wege, und so konnte am 24. August 1785 die Ehe geschlossen werden. Da war Schadow gerade 21 Jahre alt (aber damit «volljährig»).


Alexander Trippel, nach einer Zeichnung von Joh. Friedr. Clemens, 1775

Auf die Gelegenheit, den «zweckgebundenen» Übertritt zum Katholizismus zurückzunehmen und wieder zum Protestantismus zurückzukehren, hoffte er nach der Rückkehr in die Heimat.

Die Schadows wohnten in Rom in der Nähe der Spanischen Treppe, in der Via Babuino, wo am 10. Juli 1786 ihr erster Sohn geboren wurde, getauft auf den Namen Carolus Zenon Ridolfus, genannt Ridolfo (Rudolf).

Schadow zeichnete während seines Romaufenthaltes unentwegt, auch seine Familie, seine schwangere Frau beispielsweise und nach der glücklichen Geburt auch seinen kleinen Sohn.

Schadow arbeitete auch plastisch. Er beteiligte sich sogar an einem Wettbewerb und gewann mit der Skulptur «Perseus befreit Andromeda» den zweiten Preis. Schadow: «… das ganze Schauspiel, wozu sich fast alle Einwohner Roms, Vornehme und Geringe, versammelt haben, ist mit viel Pomp begleitet …» Viele «Günstlinge» seien wohl unter den Preisträgern gewesen, umso «schmeichelhafter» war es für Schadow, «dass ihm die Akademie den Preis zuerkannte, da er ihn ohne alle vornehme Beschützer einzig und allein seinem Talente zu verdanken hatte».

Zum ersten Mal wurde ein Preuße von der Römischen Akademie mit dem begehrten Balestrapreis ausgezeichnet. Das sorgte für Furore.

Schadow schloss Bekanntschaft mit Antonio Canova (1757–1822), dem Hauptvertreter des italienischen Klassizismus. «Am engsten verband Canova und Schadow die übereinstimmende Auffassung von der Kunst. Beide fühlten sich der Antike verpflichtet, aber sie waren sich darin einig, dass die Harmonie und Schönheit der Alten nicht durch bloße Nachahmung zu erreichen sei, dabei leide die Lebensfrische und Natürlichkeit.» (Joachim Lindner: «Wo die Götter wohnen», Berlin 2008)


Antonio Canova, Selbstbildnis, 1792

So arbeitete Schadow in Rom weiter an der menschlichen Vertiefung des Abbildlichen. Einige seiner «römischen Blätter» zeugen davon.

Es gab viel Beifall, aber es gab auch ganz persönliche Kritik. Die durfte sich einer seiner engsten Freunde erlauben: Karl August Böttiger (1760–1835): Der bemängelte in einem Brief beispielsweise Schadows «Künstlerstolz», der ihm in Rom «viel Achtung», aber «wenig Liebe» einbrächte.

Kritik von Böttiger konnte Schadow selbstkritisch ertragen, manchmal fühlte er sich aber auch herausgefordert, wenn Böttiger Schadows Kunstwerke analysierte (es gibt eine ganze Reihe überlieferter Kritiken und gegenseitiger Argumente). Andererseits waren die beiden so gut befreundet, dass Schadow so ganz nebenbei auch intime Details aus seiner täglichen Arbeit ausplaudern mochte. Kleine Randnotiz für Böttiger: Da saß ihm beispielsweise ein Prominenter Modell. Dieser

«… machte sich jung, frisé, poudré, cacadou … Alle seine Gesichtsbewegungen Grimasse …» Und das ihm, Schadow, der doch stets um die Darstellung des rein Menschlichen und Ungeschminkten bemüht war.


Karl August Böttiger, Gemälde von Joh. F. August Tischbein, 1795

Karl August Böttiger war Philologe, Archäologe und Schriftsteller, seit 1783 auch Freimaurer, aufgenommen in der Loge «Zum goldenen Apfel» in Dresden. Später wirkte Böttiger in Weimar, wo er sich Goethes Loge «Anna Amalia zu den drei Rosen» anschloss. Die Tatsache, dass sie sich nicht oft treffen konnten, überbrückten Schadow und Böttiger mit einer lebenslangen Korrespondenz. Auch Böttiger zählt sicherlich zu den Wegbegleitern, die Schadow der freimaurerischen Idee nähergebracht haben.

Während Schadows Rom-Aufenthalt starb Friedrich II., der Große, in Berlin (am 17. August 1786). Friedrich Wilhelm II. wurde preußischer König. Schadow konzipierte in Rom ein monumentales Friedrich-Denkmal und schickte die Entwürfe nach Berlin, wo man sie mit viel Interesse studierte. Das führte dazu, dass man darüber nachdachte, den inzwischen renommierten Künstler in die preußische Hauptstadt zurückzuholen.

In Berlin hatte es einige Veränderungen der Kulturlandschaft gegeben. Die Führung der Akademie der Künste lag nun erstmals in den Händen eines Deutschen: Christian Bernhard Rode (1725–1797). Reformen waren angesagt. Verantwortlich dafür war Staatsminister Friedrich Anton Freiherr von Heinitz (1725–1802), der die bis dahin dem König unterstellte Hofbildhauerwerkstatt an die Akademie anschloss. Im Zuge dieser Veränderungen begann Heinitz, sich für den jungen Bildhauer Schadow in Rom zu interessieren, der sich bereits mit etlichen Arbeiten einen Namen gemacht hatte. Heinitz unterbreitete Schadow mehrere Vorschläge, wie dieser der Akademie der Künste «nützliche Dienste» leisten könne. Schadow durfte sich auf interessante Perspektiven freuen.


Schadows Förderer Friedrich Anton Frhr. von Heinitz, Radierung von Daniel Berger, 1789

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Königliche Kunst


… der Künstler, der weniger am Buchstaben hängt, als am Geist …

Charles Lenient

Im Herbst 1787 verließ Schadow mit seiner Familie nach einem zweijährigen Aufenthalt Rom und kehrte nach Berlin zurück. Die wegen der Heirat notwendig gewordene Konversion lastete allerdings «wie ein Alpdruck auf Schadow» (Ulrike Krenzlin: «Johann Gottfried Schadow», Berlin 1990). Es gelang ihm, dem protestantischen Pfarrer der Marienkirche, Johann Friedrich Zöllner (1753–1804), sein Problem vorzutragen und den Geistlichen zu bitten, die Konversion rückgängig zu machen. Zöllner galt als liberaler aufklärerischer Denker. Nicht von ungefähr: Zöllner war Freimaurer (später sogar Nationalgroßmeister der Großen National-Mutterloge «Zu den drei Weltkugeln»). Und er war ein Liebhaber der Satire, wie Johann Gottfried Schadow. Hier folgt eine seiner bezeichnenden Spötteleien, ein «Fabelchen», wie er es nannte. Frei nach Kant augenzwinkernd «Was ist Aufklärung?»:


Ein Affe steckt einst einen Hain

von Zedern nachts in Brand,

und freute sich dann ungemein,

als ers so helle fand.

Kommt Brüder, seht, was ich vermag.

Ich, – ich verwandle Nacht in Tag!

Die Brüder kamen groß und klein,

bewunderten den Glanz,

und alle fingen an zu schrein:

Hoch lebe Bruder Hans!

Hans Affe ist des Nachruhms wert,

er hat die Gegend aufgeklärt!

Zöllner und Schadow waren sozusagen Brüder im Geiste. Spottlust und Ironie verband sie. Pastor Zöllner entsprach dem Wunsch Schadows, zum Protestantismus zurückzukehren, und zwischen den beiden entwickelte sich ein herzlich vertrautes Verhältnis.


Johann Friedrich Zöllner, 1797, verschollenes Porträt von Friederike Julie Lisiewska (Abb. aus «Mecklenburgische Monatshefte», 1929)

Der kontaktfreudige Schadow hatte auch Verbindung zu den führenden Architekten seiner Zeit. Zwei davon wurden Taufpaten bei der Geburt seines zweiten Sohnes Wilhelm im Juli 1788: Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff und Carl Gotthard Langhans. Beide Freimaurer.

Erdmannsdorff war Mitglied der Loge «Minerva zu den drei Palmen» in Leipzig und Langhans Mitglied der Loge «Zur Säule» in Breslau. Dritter Pate war der Kurator der Akademie, Staatsminister von Heinitz.

Schadow hatte natürlich auch Verbindungen zu Künstlerkollegen. Zwei davon sollten eine besondere Rolle spielen. Sie brachten Schadow zur Loge und wurden seine Bürgen bei der Aufnahme zum Freimaurer.

Edward Francis Cunningham (1742–1795), auch Francesco Calza genannt, war ein schottischer Porträtmaler, der nach Kunst-Studien in Parma, Rom, Venedig und Paris in Berlin gelandet war. Josef Friedrich August Darbes (1747–1810) war ebenfalls Maler, Professor an der Akademie der Künste. Karl August Varnhagen von Ense schrieb über ihn: «Professor Darbes, … vorzüglich … als heiterer und kundiger Lebemann geschätzt und gesucht, war in der Berliner Gesellschaftswelt sehr ausgebreitet; seine Kunst, sein unterhaltender Humor, seine gewandte Sprachfertigkeit und besonders auch die Freimaurerei, welche er von Grund aus zu kennen und mit Eifer zu treiben im Rufe stand, gaben ihm in den vornehmsten wie in den mittleren Kreisen leichten Zutritt und ein gewisses Ansehen.»

Cunningham und Darbes sprachen Schadow darauf an, ihn der Freimaurerloge «Royal York de l’Amitié» als Gast zuzuführen. Ob er aufgenommen werden wolle, müsse er selbst entscheiden.

Schadow hatte sich viel mit Inhalten und Idealen des Bundes beschäftigt und mehrere Freimaurer kennen und schätzen gelernt. Darunter war auch der Hauptvertreter der Berliner Aufklärung, Friedrich Nicolai (1733–1811), dessen Porträtbüste er später gestaltete.


Friedrich Nikolai, Gemälde von Ferdinand Kollmann (nach Anton Graff), 1783/1790

Nicolai, Schriftsteller, Freund Lessings und Mendelssohns, war Mitglied der Berliner Loge «Zur Eintracht». 1782 hatte er kurz und treffend geschrieben: Die Freimaurerei «… ist eine international verbreitete Vereinigung, die unter Achtung der Würde des Menschen für Toleranz, freie Entfaltung der Persönlichkeit, Brüderlichkeit und allgemeine Menschenliebe» eintritt.

In diesem Sinn ist die Freimaurerei die Idee des sinnvollen Bauens und Gestaltens von Zeit und Raum. Freimaurerei ist aber auch ein geselliger Freundschaftsbund mit vielfältigen kulturellen Bezügen.

Als Gründungsjahr der modernen Freimaurerei nimmt man das Jahr 1717 an, als sich am 24. Juni in London vier Logen zusammenschlossen, um eine «Großloge» zu gründen.

Die Vorgeschichte der Freimaurerei beginnt mit den mittelalterlichen Bauhütten, an denen sie sich bis heute symbolisch orientiert. Freimaurerei konnte sich aber erst im Zeitalter der Aufklärung entfalten und weltweit verbreiten. Die Emanzipation der Vernunft hat die Entstehung und Verbreitung stark beeinflusst. Die Definition des Philosophen Immanuel Kant (1724–1804): «Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen», könnte auch (immer noch) Wahlspruch der Freimaurerei sein.

 

Ganz allgemein muss man davon ausgehen, dass die Vorsilbe «frei» nichts anderes bedeutet, als frei zu sein von etwas, also beispielsweise von Abhängigkeiten oder Zwängen (das waren früher z. B. auch Zunftzwänge). Und so ist der «freie Maurer» im übertragenen Sinn jemand, der selbstbewusst und ohne Fremdbestimmung sein eigenes Leben «ausbaut». Die frühen Freimaurer waren «freie Denker, zweifellos Männer des Glaubens, aber eines weiträumigen, unabhängigen Glaubens, wie der Künstler, der weniger am Buchstaben hängt, als am Geist» (Charles Lenient).

Selbst wenn man die geschichtliche Herkunft nicht eindeutig bei den Bauhütten festmachen kann, lässt sich die Symbolik gut darauf beziehen, denn diese meint eine ideelle Übersetzung von der Baukunst in eine Kunst zu leben.

Dass man Freimaurerei auch «Königliche Kunst» nennt, ist zurückzuführen auf den englischen Geistlichen Anderson, der in der freimaurerischen «Konstitution» von 1723 sinngemäß gesagt hatte, die Kunst, recht zu leben, sei die «edelste und vornehmste aller Künste», und darum könne man sie «königlich» nennen.

Zwischen 1788 und 1790 hatte Schadow mehrere vertiefende Gespräche mit verschiedenen Logenbrüdern. Sie wollten ihn, und er war «reif». Cunningham und Darbes unterstützten ihn beim Verfassen seines Aufnahmeantrages und übernahmen die Bürgschaft für ihn.

Zunächst ging es aber beruflich rasant bergauf.

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