Der Lucas ist los!

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

BATMAN

Ich glaube, ich verwandle mich in eine Fledermaus. Die Metamorphose ist schon weit vorangeschritten. Es ist beunruhigend, dass ich jetzt täglich mit dem Kopf nach unten hänge, seit ich mir kürzlich ein neues Gymnastikgerät angeschafft habe. Mein letzter Geburtstag enthielt die Ziffer 5 (vorne), und ich bekomme schon Briefe von der Amerikanischen Ruheständlervereinigung, mit tollen Sonderangeboten für die dritten Zähne und Vorzugspreistickets für Busausflüge ans Meer. Meine Frau hat sich schon grinsend erboten, mir eine warme Decke für meine Knie zu stricken.

Deshalb habe ich mir im fieberhaften Bemühen, mir meine Jugend zu erhalten, einen sogenannten Inverter gekauft. Diese merkwürdige Maschine sieht aus wie ein Folterinstrument, und genau das ist sie auch. Wenn ich darin festgeschnallt bin, dreht mich die Maschine auf den Kopf, sodass meine Wirbelsäule gestreckt wird und jeder Milliliter Blut in meinen Kopf fließt. Ich sehe dann stundenlang aus, als ob ich vor Verlegenheit puterrot sei. Stark übergewichtige Leute sollten von diesem Kopfstand lieber die Finger lassen: Eine Gehirnerschütterung, nachdem einem der eigene Bauch mit voller Wucht an den Kopf gerammt ist, ist kein Vergnügen. Auch Kay invertiert sich täglich, getreu dem Motto: Eine Familie, die zusammen mit dem Kopf nach unten hängt, bleibt zusammen. Man kommt sich dabei wirklich vor wie eine Fledermaus. Angeblich tut es uns gut, uns täglich so hängen zu lassen, obwohl ich davon noch nicht völlig überzeugt bin. Bisher haben sich in meinem Leben noch keine der praktischen Nebenwirkungen des Fleder-mausdaseins gezeigt, wie zum Beispiel eingebauter Radarsinn, Nachtsicht oder die Fähigkeit, aus zweihundert Meter Entfernung eine leckere Maus auszumachen.

Doch der Hauptgrund, warum ich mir Sorgen mache, ich könnte mich in einen Eptesicus fuscus (so der vornehme lateinische Name der Fledermaus) verwandeln, ist meine Entdeckung, dass Fledermäuse ihr ganzes Leben lang schreien. Das gehört für sie einfach dazu. Es hat mit ihrem eingebauten Navigationssystem zu tun. Früher dachte ich immer, diese kleinen Tierchen wären blind wie, nun ja, eben Fledermäuse. Doch nach eingehenden Nachforschungen (also fünf Minuten im Internet) bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass das nur ein moderner Mythos ist, so wie die lächerlichen Vorstellungen, Elvis sei gar nicht tot, sondern lebe in Birmingham, oder ein Overhead-Projektor sei eine großartige Erfindung. In Wirklichkeit haben Fledermäuse ein ausgezeichnetes Sehvermögen – nur stützen sie sich zum Überleben nicht auf ihre Augen, sondern auf ihre sogenannte Echoortung. Mit der Echoortung ist die Fledermaus in der Lage, Schallwellen hoher Frequenz auszusenden, die von einem Objekt, etwa einer vorbeifliegenden Mücke, zurückgeworfen werden und ein bestimmtes Schall-„Echo“ erzeugen, das zu den Ohren der Fledermaus zurückkehrt. Kurz, Fledermäuse halten sich durch Schreien am Leben. So machen sich die kleinen Viecher einen Reim auf ihr Dasein – indem sie pausenlos schreien und dann registrieren, wie die Welt auf ihr Geschrei reagiert.

Fledermäuse verbringen also ihr Leben mit Schreien. Sie schreien sich gegenseitig an, sie schreien ihr Mittagessen an, sie schreien die Bäume an, sie schreien ihre Nachbarn an, und sie schreien ihre Babys an. Sie werden schreiend geboren und sterben schreiend, und wenn sie richtig in Fahrt sind, können sie bis zu zweihundert Schreie pro Sekunde ausstoßen. Die meisten davon sind für menschliche Ohren nicht hörbar, und dafür sollten wir dankbar sein.

Und damit wären wir bei mir.

Ich schreie eigentlich gar nicht so viel, zumindest nicht laut. Aber ich habe gemerkt, dass ich viel zu viel Zeit meines Lebens damit verbringe, innerlich zu schreien, außer Hörweite von anderen. Manchmal lebe ich mit einem köchelnden Ärger, einem stummen Schrei, dem emotionalen Äquivalent eines Wasserkessels, der ständig knapp unter dem Siedepunkt ist. Ich lasse mir den Abend versauen von jener britischsten aller Traditionen, der schlechten Bedienung im Restaurant, und statt über die ungeschickten Sitcom-Eskapaden in „Fawlty-Towers“ zu lachen, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Ich mosere über die Benzinpreise, brodele innerlich über den verstopften Parkplatz der Londoner Ringautobahn, der sich M25 nennt, und schüttele genervt den Kopf über die erbärmliche Banalität einer Kultur, die auch nur das geringste Interesse für das Big-Brother-Haus aufbringt. Ich ärgere mich über ein Lobpreislied, das von mir verlangt zu behaupten, ich wäre wegen Jesus in jeder wachen Sekunde in Ekstase, und hege gewalttätige Gedanken gegenüber dem komischen Typen im Zug, der auf seinem Handy einen Barry-Manilow-Klingelton hat. All diese Dinge haben sich verschworen, um mich beständig innerlich schreien zu lassen. So wird die Dankbarkeit in ein unaufhörliches inneres Geschimpfe verkehrt, das dicht unter meiner Haut vor sich hinköchelt.

Es gibt Leute, die das Geköchel noch einen Schritt weiter treiben und jeden wachen Moment ihres Lebens buchstäblich schreiend verbringen. Das Klagen ist ihre Stärke, und sie sind nicht zufrieden, wenn sie nicht unzufrieden sind. Unaufhörlich stellen sie andere auf die Probe, um herauszufinden, was für eine Reaktion sie mit ihrem Geschrei hervorrufen können. Wut ist das, was sie am besten können, und so besteht jeder Tag aus einer neuen Reihe von Begegnungen, bei denen sie anderen auf die Nerven gehen, sie auf die Palme bringen und sie heruntermachen.

Was für ein Leben – man sieht alles auf dem Kopf stehend, meistens im Dunkeln, schreit herum und hält sich meistens dicht neben einem Haufen Fledermausdung auf. Toll für den Eptesicus fuscus.

Schlecht für den Homo sapiens.

DAS SCHWERT DER

WAHRHEIT IN DER HAND

Heute war ich Zeuge, wie jemand auf tragische Weise mit der Bibel um sich schlug. Amerika steht im Bann des Prozesses gegen den Serienmörder Dennis Rader, der über einen Zeitraum von dreißig Jahren zehn Opfer gefoltert und ermordet hat. „Monster“ ist ein Wort, das in Kriminalfällen oft überstrapaziert wird, aber auf diesen Mann, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, trifft es zu. Er wurde zu 145 Jahren Gefängnis verurteilt und kann frühestens nach vierzig Jahren zur Bewährung freigelassen werden.

Was die ganze Tragödie um Rader noch schlimmer macht, ist, dass er sich selbst als Christ bezeichnet und bis vor Kurzem Kirchenvorstand einer lutherischen Gemeinde war. In einer wirren Verlautbarung zitierte er aus der Bibel, las ein paar Zeilen aus einem Andachtsbuch vor und deutete an, Dämonen hätten ihn zu seiner drei Jahrzehnte umspannenden Mordserie inspiriert. Seinem Strafverteidigerteam zollte er den überschwänglichen Dank eines Oscar-Gewinners. Doch nicht ein einziges Mal hielt er inne, um eine ernsthafte und überlegte Bitte um Entschuldigung an die Angehörigen seiner Opfer zu richten. Das Höchste, wozu er sich durchringen konnte, war: „Was die Reue angeht, nun, das ist offensichtlich.“ War es aber nicht. „Es tut mir leid“ wäre ein kleiner, aber willkommener Anfang gewesen.

Das amerikanische Justizsystem gibt den Angehörigen von Mordopfern die Möglichkeit, sich bei der Urteilsverkündung zu äußern. Fünfzehn Personen machten von dieser Möglichkeit Gebrauch. Da dieser Prozess im amerikanischen Bible Belt stattfand, waren die meisten von ihnen bekennende Christen. Und den meisten von ihnen war ihr Hass gegen Rader deutlich anzumerken. Mit knirschenden Zähnen hielten sie ihm vor, er werde für immer in der Hölle schmoren. Manche waren offensichtlich freudig erregt über diese Aussicht. Die beißendste Äußerung kam von einem Mann, der ein christliches Buch über das Leid geschrieben hatte. Voller Genugtuung überschüttete er den Mörder seiner Mutter mit Beleidigungen und verkündete dann abermals das Urteil: „Sie werden für immer braten, ohne jede Aussicht auf Bewährung.“ Die Wonne, mit der er diese Worte sprach, das Gesicht wutverzerrt, hatte etwas Obszönes. Eine Sekunde lang schien es, als wäre in diesem Gerichtssaal mehr als nur ein Monster anwesend. „Ehe ich ihm vergebe, friert die Hölle zu“, sagte er später zu Reportern.

Ich will nicht über die Angehörigen dieser Mordopfer urteilen. Ihre Qualen kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, die Tiefe ihrer Trauer nicht einmal annähernd ermessen. Ich selbst ertappte mich dabei, wie ich den Fernseher anschrie, als ich mir den grausigen Katalog seiner Verbrechen anhörte. Rader ist zweifelsohne ein widerwärtiger Zeitgenosse, und ich habe keine Ahnung, wie ich reagieren würde, wenn er das Leben meines Sohnes oder meiner Tochter ausgelöscht hätte. Ich fürchte, ich wäre vielleicht auch einer von denen, die lautstark fordern würden, ihn zu rösten. Keiner von uns weiß, wie wir reagieren werden, wenn wir auf die Probe gestellt werden, und wir alle sollten innig darum beten, dieser Art von Prüfung niemals unterzogen zu werden.

Doch eine Tragödie zieht die andere nach sich. Und dem heutigen Ereignis fehlte jeder Schimmer von Hoffnung, weil nicht einer dieser bekennenden Nachfolger Christi – weder der Täter noch die Opfer – die Gnade fand, auch nur ansatzweise nach Vergebung zu suchen oder sie zu gewähren. Der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden, und Rader darf nie wieder das Licht des Tages unter freien Menschen sehen. Doch gestern wühlten der Verurteilte ebenso wie diejenigen, die ihn verurteilten, im selben traurigen Sündenpfuhl herum. Und beide Seiten gebrauchten, wie es schon unzählige Male in der Geschichte geschah, die Bibel als ungeschickt geschwungenes Schwert und trafen damit nicht nur die Anwesenden im Gerichtssaal, sondern auch jeden, der sich den Prozess im Fernsehen anschaute. Die Bibel ist in den falschen Händen eine gefährliche Waffe.

Unwillkürlich fragte ich mich, ob die Familien der Opfer sich dadurch selbst nicht auch zu lebenslangen Strafen hinter den unsichtbaren und dennoch eisernen Gittern der Verbitterung verurteilten. Wut ist kein lasergezieltes Geschoss – sie explodiert in unserem eigenen Gesicht. Der Erste, dem die Vergebung nützt, ist der Vergebende; sie ist nicht nur ein Akt verblüffender Großzügigkeit gegenüber anderen, sondern auch eine clevere Strategie der Selbsterhaltung. Vergebung ist buchstäblich die Gabe, die immer weiter gibt, und zwar am meisten dem, der sie gibt.

 

Und so fühle ich mich zutiefst herausgefordert, nicht nur, was meine Fähigkeit zur Vergebung gegenüber anderen betrifft, sondern auch was die Art angeht, wie ich die Heilige Schrift gebrauche. Die Wahrheit tut manchmal weh, aber tue ich nicht hin und wieder auch durch die Art, wie ich sie sage, anderen weh? Schon viel zu viele Christen haben sich gegenseitig im Namen Christi in Stücke gehauen. Manchmal sind wir so erpicht darauf, die scharfe Schneide der Schrift zu gebrauchen, dass wir ganz vergessen, dass Wahrheit ohne Liebe überhaupt keine Wahrheit ist.

Und die Hölle, was immer das ist, wird nicht zufrieren. Doch der Himmel steht immer noch gebannt da und wartet voller Hoffnung auf die Verwundeten, die sich mühsam weiterschleppen und, zwar blutend, aber ohne die Bibel als Hiebwaffe zu missbrauchen, mit der Vergebung den Anfang machen.

WILLKOMMEN

Kürzlich verlegten wir unseren Wohnort in England in ein kleines Dorf, das sich in die herrlichen grünen Hügel der South Downs schmiegt. Manchmal fühlt es sich an, als wären wir geradewegs in einen Agatha-Christie-Roman hineingeraten, so idyllisch und durch und durch britisch ist dieser Ort. Es gibt einen Pub, in dem himmlisches Essen serviert wird, ein Postamt, das nur selten geöffnet hat, und einen unbesetzten Hofladen: Man nimmt sich einfach, was man braucht, schreibt seinen Namen in ein Buch und legt das Geld in eine Schüssel. Das ist ein Unternehmen, das auf einem heutzutage selten gewordenen Gut basiert: Vertrauen. Es ist wunderbar. Und nur eine Meile vom South Downs Way entfernt, sodass ich meine Vier-Meilen-Quälerei-Runde laufen und dabei auf das Flickenmuster der herrlichen Landschaft zu meinen Füßen hinabblicken kann.

Allerdings haben wir uns zuerst gefragt, ob wir wohl in diese Gemeinde hineinpassen. Manche der Leute in dieser Gegend gehören zu Familien, die seit über hundert Jahren hier ansässig sind. Was die wohl von „Zugezogenen“ halten mochten? Dazu kommt, dass die meisten Leute im Dorf mit einem volltönenden Akzent sprechen, bei dem ich als Mann aus Essex mir vorkomme wie Del Boy bei einem Gymkhana. Als ich mich neulich im Dorf mit einem sechzehnjährigen Jungen unterhielt, machte ich mich darauf gefasst, über Ich bin ein Star – holt mich hier raus, den neuesten Song von Eminem oder das Abschneiden von Arsenal beim Cup plaudern zu müssen. Da er wusste, dass ich neu im Ort war, fragte er mich, wieder einmal im besten Oxbridge-Akzent, ob ich die Arundel Cathedral schon von innen gesehen habe. Noch nicht, antwortete ich. „Oh, das müssen Sie unbedingt“, rief er. „Sie ist wirklich prachtvoll.“ Beschämt von diesem höchst kultivierten Heranwachsenden ergriff ich die Flucht.

Aber uns erwartete ein herrlicher Schock, als wir schließlich einzogen. Eine unserer Nachbarinnen erschien mit einer Flasche Champagner und eröffnete uns dann, sie habe eine Willkommensparty für uns geplant. Ein paar Wochen später waren wir die Ehrengäste bei einer Fete mit den ausgesuchtesten Köstlichkeiten, bei der noch reichlich mehr Champagner floss. Es kamen etliche Leute, darunter der Pfarrer und seine Frau. Er ist ein freundlich lächelnder Mann, der mir ohne eine Spur von Frostigkeit erklärte, er und ich kämen „von den entgegengesetzten Enden der Kerze“. Nachdem ich zum Gottesdienst in der Kirche war, muss ich sagen, sie „High Church“ zu nennen ist ungefähr so, als würde man sagen, der Mount Everest sei „ziemlich hoch“. Dieser Bursche segnet alles, was sich bewegt, singt alle seine Gebete und spritzt mit Weihwasser um sich wie ein Baptist auf Duracell. Trotz unserer unterschiedlichen kirchlichen Prägung jedoch schätze ich seine Herzlichkeit und fühle mich von seiner offenkundigen Liebe zu Gott inspiriert und herausgefordert.

Wir fragten unsere wunderbare Nachbarin, die die Party geschmissen hatte, warum sie so großzügig gewesen sei, und sie sagte, ihr sei einfach daran gelegen, dass wir uns willkommen fühlen. Es war ein wunderbarer Abend, der von meiner eigenen nervösen Ungeschicklichkeit nur leicht beeinträchtigt wurde. Alle Leute dort hatten so einen kultivierten Ton drauf. Nach etwa einer Stunde ertappte ich mich dabei, wie ich ihnen nacheiferte. Der Junge aus Ilford verschwand; statt seiner verwandelte ich mich in ’Enry ’Iggins aus Windsor; Eton sogar. Meine Aussprache des Wortes „house“ (normalerweise „ouse“) verwandelte sich wie durch ein Wunder in „hice“. Grauenhaft! Ich fürchtete schon, ich wäre dabei, mich in Prinz Charles zu verwandeln, und überprüfte nervös die Größe meiner Ohren.

Die Freundlichkeit ist geblieben. Neulich gingen wir ins Dorfgemeinschaftshaus, um uns die Aufführung eines Kriminalstücks der hiesigen Amateurtheatergruppe anzuschauen. Als wir nervös den Saal betraten, hofften wir verzweifelt, ein paar bekannte Gesichter zu entdecken. Innerhalb weniger Sekunden kam der Farmer Ian (der Inhaber des „Auf-Ehre-und-Gewissen“-Hofladens) auf uns zugestürmt. Mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht schüttelte er uns herzlich die Hände. Offenkundig ehrlich entzückt, uns kennenzulernen, bestand Ian darauf, dass wir uns für den Abend zu ihm und seiner Frau gesellten. Er erzählte uns von pasteurisierter Milch, von dem rätselhaften Brand seiner Scheune und von seinen Plänen für die Zukunft und sorgte dafür, dass wir uns ganz wie zu Hause fühlten.

Ein weiterer herzerwärmender, wenn auch etwas peinlicher Vorfall ereignete sich in einem anderen Pub am anderen Ende des Dorfes, gleich neben dem Bahnhof. Ich kam gerade aus London zurück, wo ich den Tag verbracht hatte, und versuchte vergeblich, den Wagen zu starten, den ich auf dem Bahnhofsparkplatz hatte stehen lassen. Die Batterie war leer. Also rief ich den Pannendienst an und erfuhr, jemand mit mechanischer Sachkenntnis würde innerhalb eines Monats oder so zur Stelle sein (okay, innerhalb von zwei Stunden). Also ließ ich mich in dem Pub nieder, um einen Happen zu essen. Prompt kamen zwei Männer aus dem Dorf mit ihren Biergläsern in der Hand zu mir herüber, um einen kleinen Plausch zu halten. Auf ihre Frage, wo ich wohnte, sagte ich ihnen, ich sei auch aus dem Dorf, und nannte ihnen den ungefähren Ort, wo wir unsere Wohnung haben.

Das weckte ihr Interesse. „Wir haben gehört, dort ist ein Ehepaar eingezogen, die viel Zeit in Amerika verbringen. Er ist offenbar ein Schriftsteller und ziemlich bekannt auf seinem Gebiet. Man hört und sieht nicht viel von ihnen. Sind Sie denen schon begegnet?“

Zu meinem Grausen wurde mir klar, dass ich der Typ war, von dem sie redeten. Ich verbringe viel Zeit in den USA. Und die Hälfte meiner Zeit bin ich heutzutage mit Schreiben beschäftigt. Und was die Bekanntheit angeht, so schätze ich schon, dass mein Name in britischen Gemeindekreisen relativ geläufig ist. Ich schluckte. „Ich glaube, das bin ich, von dem Sie da reden.“

Die beiden liefen vor Verlegenheit rot an, und einem von ihnen entfuhr ein Fluch. Doch trotz dieses kleinen Fauxpas verbrachten wir eine nette, lustige Zeit zusammen in dem Pub. Zusammengerechnet hatten die beiden schon über hundert Jahre in diesem Dorf gelebt – und dennoch gaben sie mir das Gefühl, hier zu Hause zu sein.

All das brachte mich ins Nachdenken über die Gemeinde Jesu. Wir stellen oft tiefschürfende Fragen danach, was Kirche sein sollte und was nicht. Wir theologisieren und theoretisieren und denken zu Recht über unsere Methoden nach und darüber, wie wir unsere Botschaft wirkungsvoller an den Mann bringen können. Das alles ist wichtig – und doch wieder völlig unwichtig, wenn wir eine abweisende, schwierige Clique von Leuten sind, die über Neuankömmlinge die Nase rümpfen, sie von unseren Stammplätzen verscheuchen und es ihnen schwer machen, zu uns zu gehören. Ein bisschen Großzügigkeit, ein Lächeln des Willkommens an nervöse Neuankömmlinge – und die Bereitschaft, ihnen unsere Sitzplätze zu überlassen –, für all das muss man kein Genie sein, aber es kann den entscheidenden Unterschied ausmachen. Ohne diese ganz einfache Freundlichkeit werden Besucher immer nur einmal unsere Gemeinderäume betreten. Mag sein, dass die Botschaft sie bewegt, aber wir selbst stoßen sie ab. Also lassen Sie uns andere willkommen heißen.

Ich muss jetzt weg. Ich will unbedingt das Innere der Arundel Cathedral ansehen. Habe gehört, dass es dort wirklich wunderbar sein soll …


TAXI

Die orangefarbene Lampe auf dem Dach des schwarzen Londoner Taxis signalisierte, dass es frei war. Der Anblick erwärmte mir das Herz – es war ein willkommenes Leuchtzeichen am Ende eines langen Tages. Durchgefroren und erschöpft, wie ich war, wollte ich nur noch den nächsten Zug nach Hause erwischen. Und dann, als das Taxi auf mein Winken hin an den Bürgersteig heranfuhr, sah ich den Wimpel.

Ein großes dreieckiges Fähnchen hing vom Rückspiegel des Taxis herab und verdeckte die Mitte der Windschutzscheibe. Es bestand aus leuchtend rotem Samt und war mit einer grellgoldenen Aufschrift verziert. Zusammen ergab die Mischung aus Scharlachrot und Gold einen grellen Schrei aus Farben: AUF JESUS IST IMMER VERLASS!

Mit gemischten Gefühlen stieg ich in das Taxi. Natürlich freute ich mich, einem anderen Christen zu begegnen, aber die Dekoration seines Taxis bereitete mir ein wenig Kopfzerbrechen – wofür ich mich dann prompt schuldig fühlte. Dem gekräuselten Goldsaum nach zu urteilen, war dieser aufdringliche evangelistische Werbeartikel in den Siebzigern, dem Jahrzehnt der Geschmacklosigkeit, in einer christlichen Buchhandlung erstanden worden. Oder der Taxifahrer hatte seine Mutter überredet, für das Evangelium ihre Vorhänge zu opfern.

Nachdem ich mich gesetzt und die Tür zugeschlagen hatte, klopfte ich gegen die Glasscheibe, die mich von dem Fahrer trennte. Er drehte sich um und schenkte mir ein breites Grinsen, als freute er sich wie ein Schneekönig, mich zu sehen. Eigentlich war ich ja nur einer von vielen unbekannten Fahrgästen, aber er begrüßte mich wie einen König. Sogleich konnte ich den Wimpel besser einordnen. Sein von Lachfalten überzogenes Gesicht ließ jede Befürchtung verstummen, er könnte ein verbissener Eiferer sein, dessen Mission es war, die gute Nachricht so schlecht wie möglich klingen zu lassen. Ich entspannte mich.

„Zur Victoria Station bitte“, sagte ich und fügte dann, auf den Wimpel deutend, hinzu: „Das mit Jesus stimmt, nicht wahr? Auf ihn ist immer Verlass.“

Das Lächeln des Fahrers wurde noch breiter. „Kennen Sie ihn?“, erkundigte er sich. Die Frage hörte sich nicht nach Verhör an, sondern nach freudigem Interesse. Ja, bestätigte ich, ich kenne Jesus. Er begrüßte mich wie einen lange verschollenen Bruder und erklärte mir dann den Grund für das Fähnchen. Neun von zehn Leuten, die mit ihm fahren, machen irgendeine Bemerkung über seine samtene Dekoration. Sie ist ein Anknüpfungspunkt, um über Gott ins Gespräch zu kommen. Es überraschte mich nicht, zu hören, dass der Wimpel so viele Unterhaltungen auslöste. Schließlich ist er groß genug, um die Sonne zu verdunkeln. Der Fahrer hatte sogar eine kleine Sammlung von Traktaten dabei, die er an Leute verteilte, die mehr erfahren wollten. Ich staunte. Dies war ein Mann, der sich wohl in seiner Haut fühlte; er hatte nichts Gezwungenes oder Aggressives an sich. Er hatte einfach die Erfahrung gemacht, dass Jesus wunderbar vertrauenswürdig ist, und er wollte, dass alle Welt davon erfuhr.

Viel zu bald hielten wir vor der Victoria Station. Er weigerte sich beharrlich, eine Bezahlung von mir anzunehmen. „Diese Fahrt ist ein Segen für Sie“, sagte er. Ich wand mich in der Verlegenheit, die es Erwachsenen typischerweise verursacht, wenn sie mit grundlosen Freundlichkeiten konfrontiert werden. Nachdenklich ging ich in die belebte Bahnhofshalle. Fünfundzwanzig Jahre zuvor hatte ich den riesigen „Auf-Jesus-ist-immer-Verlass“-Aufkleber weggeworfen, der bis dahin an meinem eigenen Auto prangte. Mein fahrbarer Untersatz ist schon seit Jahrzehnten fischlos. Ich habe vor langer Zeit beschlossen, mich von meinen Abzeichen und Reversnadeln zu trennen, weil ich mir sicher war, dass ein kitschiger Slogan oder ein T-Shirt mit einem Spruch aus der King-James-Bibel wohl kaum eine Massenbekehrung unter den Leuten auslösen würde. Seither bin ich keine wandelnde evangelistische Litfaßsäule mehr.

 

Doch der lächelnde, fröhliche, großzügige Taxifahrer hat mich herausgefordert – zwar nicht dazu, mir ein Abzeichen anzuhängen oder einen Sticker auf mein Auto zu kleben, aber dazu, mich offener zu Gott zu bekennen. Gerade unsere Welt in ihrem raschen Auflösungsprozess braucht ihn dringender denn je. Und ich habe mich gefragt: Bin ich, was Gott angeht, so locker geworden, dass ich in Gefahr stehe, überhaupt nicht mehr von ihm zu sprechen?

Da ich meinen Zug verpasst hatte, ließ ich mich in einer der Bars im Bahnhof nieder und kam schon bald ins Gespräch mit einem smarten Geschäftsmann aus der Stadt. Binnen Kurzem kamen wir ganz natürlich auf Gott zu sprechen. Etwas freimütiger als sonst erzählte ich von meinem Glauben. Als ich dann später hinüber zum Bahnsteig schlenderte, war ich immer noch müde, aber zugleich merkwürdig erfrischt: dankbar dafür, dass ich einen Moment lang über Christus hatte reden können; dankbar für einen Taxifahrer, der mich zu mehr Freimütigkeit inspiriert hatte.

Und es stimmt, nicht wahr? Auf Jesus ist immer Verlass. Das ist die Botschaft, die es sich lohnt, weiterzusagen, wie auch immer wir das tun. Manchmal freilich, so zeigt der nächste Text, sollten wir darüber nachdenken, was Weitersagen eigentlich bedeutet …


Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?