Fünf ungleiche Reiter

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11. Kapitel – Fleisch und Metall



Irgendwo in der Wüste



Mittag des vierten Tages nach dem Fall von Erlin



Steil gingen die sandfarbenen Steinwände nach oben. Soweit Erwin links und rechts blicken konnte, sah er nur Wände, an denen man nie im Leben hätte hochklettern können. Er schwitzte am ganzen Körper und war wieder einmal froh, dass seine Lehrlingsrobe weiß war. Während er nach einer Schlucht oder irgendeinem Weg durch die Wände suchte, zupfte der laufende Tintenfisch an seinem Gewand. Erwin blickte ihn an, und der Tintenfisch eilte zu einer Felsspalte, die Erwin bis jetzt übersehen hatte. „Gut gemacht“, lobte Erwin, bückte sich und streichelte den Tintenfisch. Er stutzte: War der Tintenfisch größer geworden? Gestern war es noch so groß wie ein kleiner Welpe. Jetzt war er schon größer als ein ausgewachsener Hund. Erwin kam noch ein anderer Gedanke: Womit sollte er ihn füttern? Bis jetzt ging es mit gebratenen Wüstenechsen ganz gut. Doch „größer“ bedeutete auch mehr Hunger. ‚Ein Grund mehr, weiter zu kommen‘, dachte er und ging auf die Felsspalte zu.



Langsam schritt Erwin durch den breiten Spalt, der sanft anstieg und so auf ein Plateau führte. Oben angekommen, wollte Erwin ersteinmal verschnaufen. Mehr und mehr merkte er, dass sein dürrer Lehrlingskörper nicht gerade kräftig war. Während er versuchte, seinen Atem zu beruhigen, flitzte der Tintenfisch an ihm vorbei. „Bleib hier!“, rief Erwin noch, doch der Tintenfisch dachte gar nicht daran, sodass Erwin nichts anderes übrig blieb, als hinterher zu rennen. Der Tintenfisch verschwand hinter einem riesigen Felsen. Erwin hetzte ihm hinterher, umrundete den Felsen und …



… erschrak. Er machte entsetzt einen Schritt zurück. Er traute seinen Augen nicht. Das Wesen, das vor ihm stand, bestand aus sandfarbenem Metall und trug ein graues Ei. Sofort dachte er, dass dies kein Wesen aus Fleisch und Blut sein konnte. Er hatte jedoch nicht ganz Recht.



Erwin ahnte nicht im Geringsten, dass GKR-3443 noch überraschter war als er.



GKR-3443 verstand eigentlich bis dahin überhaupt nichts. Er war am Morgen wieder erwacht und wusste gar nicht, wer er war, wo er war und was überhaupt passiert war. Erst dann kam seine Erinnerung langsam wieder, doch diese half ihm nicht gerade, Übersicht über die Ereignisse zu bekommen. Warum hatte er es getan? Woher kam der Mut? Woher kam überhaupt sein eigener Wille? Solange er sich zurückerinnern konnte, hatte er stets die Befehle seiner Herren befolgt. Er fühlte sich in Gedanken so frei wie noch nie zuvor.



Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem seltsamen Wesen zu. Es sah aus wie ein Mensch in einer weißen, schlichten Robe. Es gab aber deutliche Unterschiede: Da waren einerseits die spitzen Ohren und dann noch das Gesicht. Während die Gesichter der Menschen, die er je gesehen hatte, immer etwas schwabbelig waren, sah dieses Gesicht aus, als hätte man die Haut stramm über die Knochen gezogen. Während GKR-3443 den Elf ungläubig anstarrte, kam Bewegung in diesen. „Stirb, metallener Dämon.“ Grelles Licht blitze auf und ein Lichtpfeil raste auf ihn zu. Im letzten Moment konnte der Roboter ausweichen. Der Lichtpfeil zischte vorbei und pulverisierte einen Felsen zum Großteil. GKR-3443, noch immer verwirrt, versuchte zu beschwichtigen: „Ich habe keinen Grund, mit dir zu kämpfen.“ Der Elf sah ihn hasserfüllt an: „Versuch nur, mich zu blenden! Ich werde dich vernichten!“ Noch ein Lichtpfeil, und dieser traf. GKR-3443 wurde nach hinten geschleudert.



GKR-3443 schlitterte mehrere Meter weit, blieb aber auf den Beinen. Er erkannte, dass er um den Kampf nicht herum kommen würde, weshalb er zur Sicherheit das Ei in eine Luke seines Körpers packte, wo es sicher war. Dann wandte er sich seinem Angreifer zu.



Erwin war verunsichert: Dieses Wesen, welches er für einen Dämon hielt, hatte den Angriff genauso unbeschadet überstanden wie der schwarze Ritter. Doch Dämonen sind extrem anfällig gegenüber Lichtmagie. Angstschweiß rann von seiner Stirn herab, als er die Befürchtung bekam, dass es Dämonen geben könnte, die immun gegenüber Lichtmagie waren. Vielleicht sollte er fliehen. Nein, er wollte nicht noch einmal davonrennen. Diesmal würde er kämpfen. Trotzig blickte er seinen Gegner an. Dieser hatte ihn mit seinen grün leuchtenden Augen im Blick. „Wenn ich ihn nicht von vorne angreifen kann, sollte ich es von hinten versuchen“, schoss ihm es durch den Kopf und er schritt zugleich zur Tat. Er rannte los und versuchte ihn zu umkreisen. Das metallische Wesen schien seine Absicht zu erahnen und begann sich nun zu drehen, sodass immer seine Vorderseite zu Erwin gerichtet war. Erwin rannte immer schneller, doch das Wesen konnte mithalten. Der Elf hielt an, als er erkannte, dass es keinen Zweck hatte. Das metallische Wesen sprang plötzlich nach vorne und griff mit seiner Metallkralle nach ihm. Erwin reagierte nicht rechtzeitig genug und wurde gepackt. Er wurde in die Luft gehoben und schließlich gegen einen der Felsen gerammt. Nicht heftig, fast schon sanft. Doch Erwin bemerkte nichts davon, denn selbst dieser sanfte Aufprall machte ihn benommen. Dann aber sah er wieder deutlich und blickte dem Wesen in die grünen Augen. Sie waren ohne Iris und Pupille. ‚Ich muss mich befreien.‘, schallte es in seinen Gedanken. Doch seine Arme waren fest eingeklemmt, sodass er nicht zaubern konnte. Panik kam in ihm auf. Dann aber schoss ihn ein Gedanke durch den Kopf. Sein Meister hatte ihm erzählt, man könnte die Lichtenergie auch durch die Augen abgeben. Während das Wesen immer noch nichts tat, sondern ihn nur ansah, schloss er die Augen und konzentrierte sich. Er spürte, wie das Licht sich in seinen Augen sammelte. Dann riss er die Augen auf und das Licht bündelte sich zu zwei Lichtstrahlen, welche dem metallischen Wesen direkt in die Augen rasten.



Als GKR-3443 das Licht abbekam, fielen seine Sehsensoren aus. Wäre er immer noch ein Roboter gewesen, wäre er ausgefallen. Doch er war mehr als ein Roboter, weshalb er zum ersten Mal Panik verspürte. Seine Bewegungen wurde unkontrolliert: Seine Arme wackelten hin und her, sodass der Elf mehrmals, ohne dass es GKR-3443 bemerkte, gegen die Felswand geschleudert wurde. Seine Beine stampften heftig, was sich als unvorteilhaft erwies: Der Boden unter ihm gab nach, sodass er und der Elf in einem tiefen, dunklen Loch verschwanden. Als sich der Staub gelegt hatte, krabbelte der Landtintenfisch auf seinen acht Armen an den Rand des Loches. Zögernd blickte er nach unten. Dann begann er mit dem Abstieg.



Mehrere hundert Meter unterhalb der Wüstenoberfläche war GKR-3443 auf festem Boden angekommen. Beim Aufprall stieß er sich den Kopf, sodass die Biomasse in seinem Kopf ziemlich heftig durchgeschüttelt wurde, wodurch GKR-3443 zum ersten Mal bewusstlos wurde. So lag er dort zwei geschlagene Stunden, bis sich die Biomasse wieder geordnet hatte. Schnurrend fuhr GKR-3443 sich hoch. Als sämtliche Programme wieder aktiviert waren, stand er auf. Und stellte fest: Das Ei war weg. Sofort schaltete er seine Scheinwerfer an, suchte es und fand dieses schließlich nur wenige Meter vor sich. Das Ei lag zwischen mehreren Steinen und hatte Risse. Doch sie waren nicht durch den Aufprall verursacht worden. Die Risse wurden länger und es knackte immer mehr. Schließlich öffnete sich das Ei: Das schlangenähnliche Wesen schlüpfte. Das gut einen Meter lange Wesen schüttelte sich und kratzte sich mit seinen krallenbesetzten Vorderfüßen die Eischalenreste von seinen weißleuchtenden Schuppen ab. Dann bemerkte es den Blick des Roboters auf sich. „Was guckst du so? Noch nie einen Basilisk gesehen?“ Der Roboter antwortete sofort: „Nein, habe ich nicht.“ Der Basilisk guckte ihn frech an und spottete: „Ist ja auch kein Wunder, wenn man tagein, tagaus nur darauf wartet, von seinem Herrchen in die Wüste geschickt zu werden … „



„Na und? Es war meine Aufgabe, bevor ein gewisses Ei alles durcheinander brachte.“ Der Basilisk sah ihn so erstaunt an, wie man mit einem Schlangengesicht es konnte: „Höre ich da etwa Wut in deiner Stimme? Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass du vor kurzem nur ein Haufen Blech warst, der tat, was man ihm sagte.“



„Und was bin ich jetzt?“



„Ein Haufen Blech mit etwas denkender Masse im Kopf, der nicht so recht weiß, was er hier überhaupt tut.“ Damit traf der Basilisk voll ins Schwarze. GKR-3443 wusste tatsächlich nicht, was er hier tat. Früher hätte er nie daran gedacht, seine Patrouillenroute zu verlassen oder gar Menschen anzugreifen. Nicht, dass er Bedauern fühlte, noch war er zu sehr Roboter, um so etwas zu fühlen. GKR-3443 sah den Basilisken an und fragte: „Und nun?“



„Was schon? Suchen wir uns einen Weg hier raus!“



Erwins Kopf dröhnte, sodass er sich an den Kopf fasste. Um ihn herum war es stockdunkel, weshalb er, sobald er wieder klar denken konnte, eine Leuchtkugel erschuf. Nun konnte er erkennen, dass er in einer kleinen Höhle war, mit einem Schacht nach oben, durch den er gefallen war. Er sah sich um und konnte jedoch nirgendwo das metallische Wesen entdecken. Dafür ein Loch, durch welches das seltsame Wesen weitergefallen sein musste. Erwin erwartete nicht mehr, dass es noch lebte. Er überlegte nun, was er tun solle, als sich etwas an seine Beine anschmiegte. Es war der Tintenfisch. Erwin blickte ihn an und sagte schließlich: „Gut, dass ich hier nicht alleine bin.“ Er blickte nach oben. „Dort kommen wir nie im Leben hoch. Lass uns also diesen Gang erkunden“, sagte Erwin und ging mit den Tintenfisch durch den Gang vor ihm.



„Ich glaube, in dieser großen Höhle waren wir schon.“ GKR-3443 seufzte, was für ein Roboter natürlich unmöglich war, doch das, was GKR-3443 von sich gab, kam einem Seufzen am nächsten. „Und ich sage, dass wir hier noch nicht waren, Echse.“ Er wunderte sich schon lange nicht mehr über seine emotionalen Ausbrüche. Der Basilisk blickte ihn böse an: „Basilisk! Ich bin ein Basilisk! Und außerdem wird es Zeit, mir einen Namen zu geben.“ GKR-3443 blieb stehen und blickte ihn an: „Was soll das heißen?“

 



„Ich bin dein Begleiter und du musst mir einen Namen geben.“



„Ich habe dich nicht darum gebeten mich zu begleiten und außerdem kannst du dir gefälligst deinen Namen selbst ausdenken“, erwidert der Roboter und stampfte weiter. Der Basilisk geriet nun ebenfalls in Wut: „Du blöder … was war das?“ Sie blieben beiden stehen und GKR-3443 schwenkte seine Scheinwerfer durch die Höhle hin und her, ohne etwas zu entdecken: „Ich habe es auch gehört. Es klingt als würde etwas kreischen.“ Wieder ertönte es. Das ungleiche Paar sah sich um, konnte aber in der Dunkelheit des Tunnels nichts entdecken. Es kreischte immer mehr und egal was es war, es kam immer näher, ohne dass sie es entdecken konnten. GKR-3443 begann seine Sehmöglichkeiten durchzugehen: Nachtsicht … nichts. Infrarot … nichts. Echolot … Jetzt waren Konturen erkennbar, jedoch nicht deutlich genug, um die Gefahr genau zu erkennen. Strahlungsmessung … Volltreffer! Um ihn herum waren zahlreiche Strahlungsquellen. Sie waren umzingelt! GKR-3443 reagierte sofort: Mit seiner Kralle schnappte er sich den Basilisken und drückte ihn an sich. Dann ließ er den Flammenwerfer auf der Stufe Termination anlaufen. Die Strahlungsquellen waren jetzt auf einen Meter herangekommen. 5 Prozent. Die Quellen verharrten. 10 Prozent. Dann sprangen mehrere der Quellen auf den Roboter drauf. GKR-3443 reagierte sofort und schlug mit der Kralle, in dem noch der Basilisk hing, zu. Mehrere der Angreifer wurden gegen die Höhlenwände geklatscht. Durch ihren Tod verschwand auch die Unsichtbarkeit. Nun konnte GKR-3443 die Überreste von sandfarbenen Riesenkäfern erkennen. Für genaueres Ansehen hatte GKR-3443 jedoch keine Zeit. Weitere Quellen bzw. Käfer rückten näher und sprangen ihn an. 50 Prozent. Für jeden Käfer, den er zerdrückte, kamen zwei Neue. 60 Prozent. Immer mehr Käfer versuchten ihn zu überwältigen, was ihnen wegen GKR-3443’s Größe noch nicht gelungen war. Einige versuchten gar ihn zu beißen, kamen tatsächlich durch das Metall und beschädigten Kabel. 80 Prozent. GKR-3443 kämpfte wie besessen, schleuderte Käfer von sich und zerquetschte sie mit seinen Füßen. Doch immer mehr Käfer fielen ihn an und begruben ihn unter sich. GKR-3443 und der Basilisk schienen verloren. Es war nur eine Frage der Zeit, bis eines der wichtigen Kabel durchbissen werden würde. In diesem Moment sprang die Zahl auf der Anzeige des Flammenwerfers auf 100. Eine fünf Meter lange Flamme schoss aus der Mündung des Flammenwerfers. Gut ein Dutzend der Käfer wurden sichtbar und brannten, bis nur noch verkohlte Panzer vorhanden waren. Die Unversehrten zuckten mit entsetztem Kreischen zurück. GKR-3443 war frei und begann, immer noch den Basilisk in der Kralle, sich zu drehen. Die Sprungdüsen rasteten sich in geeignete Positionen ein, aktivierten sich und erhöhten so GKR-3443‘s Drehzahl. GKR-3443 wurde zu einem alles verschlingenden Feuersturm. Die Käfer wurden verbrannt, zerfielen zu Asche oder verdampften restlos. Die Steinwände fingen an zu schmelzen, sodass nun auch kleine Lavaflüsse sich ihre Opfer holten. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich die Höhle in eine Hölle verwandelt. Alles bis auf GKR-3443 und der Basilisk, die von einem Energieschild geschützt wurden, starb. Jetzt wurde GKR-3443 langsamer, der Flammenwerfer verstummte und schließlich stand der Roboter still. Um ihn herum bot sich ein Bild der Verwüstung: Der Boden war von Asche und glühendem Gestein, das nur langsam abkühlte, übersät und die Felswände waren immer noch zum Teil flüssig. Der Roboter setzte den Basilisk ab, der ihn erstaunt ansah: „Das war unglaublich! ... Du siehst allerdings nicht gut aus.“ GKR-3443’s Körper war mit Rissen und Dellen übersät. „Das wird schon. Es wurden keine wichtigen Systeme beschädigt“, beruhigte GKR-3443 den Basilisken. Dann schaute er in den nächsten Tunnel und sagte: „Gehen wir weiter.“




12. Kapitel – Janoks Vision



Orkdorf im Osten des Sumpfes, Gasthaus



Morgen des fünften Tages nach dem Fall von Erlin



Norden … Norden …



Janok ging gemächlich durch den Sumpf, der langsam der Steppe wich, und durch Finsternis.



Norden … Norden …



Janok wusste nicht, warum es ihn nach Norden zog. Er wusste nur, dass das Verlangen groß war.



Norden … Norden …



Während er immer noch langsam nach Norden ging, und dabei immer noch: „Norden … Norden.“ vor sich her murmelte, schlossen sich ihm drei Gestalten an. Die erste war ein junger Elf, dessen Haar strahlte wie die Sonne und die Finsternis vertrieb. Gekleidet war er mit einer weißen Robe. Zudem trug er ein Banner, auf dem ein Wesen abgebildet war. Es sah aus wie ein hellgelber Tintenfisch. Auch der Elf murmelte immerzu:



Norden … Norden …



Die zweite Gestalt ließ Janok wütend werden, doch die Wut konnte den Bann nicht brechen. Es war ein Tarborianerschamane oder eine -schamanin, denn bei den Tarborianern war das Geschlecht schwer erkennbar. Er oder sie trug eine graue Robe und Arme aus Holz, die trotzdem lebten. Auch er oder sie trug ein Banner, auf dem ein Skorpion abgebildet war. Und auch er oder sie stöhnte:



Norden … Norden …



Der dritte im Bunde war das rätselhafteste Wesen von allen. Es erinnerte an eine laufende, sandfarbene Rüstung mit grün glühenden Augen. Der eine Arm endete in einem Kasten, während der andere in einer Kralle endete, die ein Banner trug. Auf dem war ein schlangenähnliches Wesen abgebildet.



Norden … Norden …



Jetzt merkte Janok, dass auch er ein Banner trug. Das Banner zeigte das Bild des seltsamen Wesens aus dem Ei.



Norden … Norden …



Die Vier gingen immer weiter. Nun verblasste die Steppe und wich Schnee und Eis. Berge wurden erkennbar. Hier trat ein Fünfter in den Bund. Es war ein Zwerg, dessen Gesicht zur Hälfte aus Stein zu bestehen schien. Wie die anderen trug auch er ein Banner. Auf diesem war ein schwarzer Drache abgebildet.



Norden … Norden …



Die Fünf zogen gemeinsam zu einem Berg, der die anderen Berge überragte. Über dessen Spitze schwebte ein goldener Hammer. Die Fünf beschleunigten ihre Schritte und wollten zum Hammer. Doch plötzlich zog sich die Finsternis zusammen und bildete sich zu einem Wesen, das …



Janok erwachte und schreckte hoch. Er befand sich in einem Bett. Der Raum schien zu einer Ork-Wirtshütte zu gehören. Bevor er sich genauer umsehen konnte, wurde der Vorhang, der das Zimmer von den anderen trennte, zur Seite geschoben und eine dickliche Orkfrau kam herein. Sie trug ein Brett, auf der sich eine Schüssel mit dampfender Fleischbrühe befand. „Ah, unser großer Krieger ist aufgewacht. Nun ich sehe schon, du hast Fragen, doch zuerst sollst du essen“, kam sie Janok zuvor, packte das Brett aufs Bett und ging wieder hinaus. Janok spürte jetzt erst, dass er hungrig war und fing an zu essen.



Später kam der kleine Elf Luke ins Zimmer. Er verbeugte sich und trat ans Bett. Ihm folgte das seltsame Wesen ins Zimmer. Janok starrte es ungläubig an. Es war schon so groß wie ein Hund. „Erstaunlich dieses Wachstum, nicht wahr? Aber nicht untypisch für Greife.“ Als Janok sich endlich fasste, fragte er: „Wie hast du es genannt?“



„Greif. Doch erst einmal erzähl mir bitte, was passiert ist.“ Janok fing an zu berichten und als er endete, hatte Luke einen besorgten Gesichtsausdruck. „Das ist beunruhigend, dass Schattenelfen soweit in den Westen eindringen konnten. Und du glaubst, sie haben das Ei bzw. dieses Wesen gesucht?“



„Ich habe sie eindeutig darüber reden hören.“



„Nun ja. Jedenfalls kam der Greif ins Dorf und hat andere Orks zu dir geführt. Es war knapp. Etwas länger, und du wärst am Gift gestorben. Zum Glück kenne ich mich mit Giften aus und hatte auch ein Gegenmittel dabei.“ Janok lächelte und sagte: „Dann hast du mir das Leben gerettet. Ich denke, wir sind nun quitt.“ Jetzt lächelte auch Luke. „Denke ich auch. Nun aber solltest du dich ausruhen.“ Janok legte sich wieder hin und schlief sofort ein, während Luke leise das Zimmer verließ. Der Greif aber schlüpfte ins Bett und kuschelte sich an den Ork, bis er schließlich auch einschlief.




13. Kapitel – Schattentänzer



Erlin – Akademie des Lichts



Zur selben Zeit



Während Janok schlief, ging der Schattenelfenkönig Maglinus in den Raum, in dem Leanus gestorben war. Er sah sich um: Das Pentagramm war wieder hergestellt und in dessen Mitte lag Leanus’ Leiche. Ein Diener in einer dunkler Robe eilte herbei und meldete: „Die Beschwörung ist vorbereitet, Herr.“ Maglinus nickte nur und deutete mit der Hand nach draußen. Der Diener verbeugte sich und eilte aus dem Raum. Der König wandte sich dem Pentagramm zu, streckte seine Hände aus und konzentrierte magische Energie auf das Symbol.



Zuerst passierte nichts. Dann begann das Pentagramm grün zu leuchten. Leanus’ Leiche stieg empor und fing an, ebenfalls grün zu leuchten. Maglinus trat näher an die schwebende Leiche heran und hob die Hand. Dann steckte er sie rasant in die Brust des Leichnams. Die Hand tauchte in den Körper ein. Maglinus ballte die Hand und riss sie dann wieder heraus. Der Körper löste sich in grünen Staub auf, der dann in die Hand eingesogen wurde. Ein kurzes grünes Aufblitzen und es war vollbracht. Maglinus öffnete die Hand und auf seiner Handfläche lag ein Smaragd. Der König lächelte, schloss dann die Augen und konzentrierte sich. Der Smaragd schwebte hoch, fing an sich zu drehen und leuchtete grün auf. Leanus’ wutverzerrtes Gesicht wurde in dem grünen Schein sichtbar. „Von niemand anderem außer Euch hätte ich es erwartet, dass er die Seelenfesselung durchführen würde, Maglinus.“



„König Maglinus!“, donnerte es vom Schattenelf zurück. „Von mir aus können Sie behaupten, dass Sie der König von ganz Locondia sind. Für mich bleiben Sie eins: Ein stinkender Verräter.“ Maglinus lachte auf und fragte hämisch: „Warum denn so wütend, Leanus? Und warum diese höflichen Anreden? Wir waren schließlich früher Freunde.“



„Sie sagen es: früher. Als Sie noch nicht Maglinus hießen und noch ein Lichtmagier voller Tatendrang waren. Bevor Sie diese Sekte gründeten. Bevor Sie sich mit Dämonen einließen. Bevor … „



„Genug!“, donnerte der König wieder, „ich habe dich nicht hergerufen, um über früher zu reden. Ich will Antworten. Wo sind sie?“



„Die Eier? In Sicherheit. Wo genau weiß ich nicht.“



„Lüge mich nicht an, sonst … „



„Sonst foltern Sie meine Seele?“, fragte Leanus. „Sie können keine Antworten aus mir herausfoltern, die ich nicht weiß.“ Der Schattenelf beruhigte sich und sagte: „Nun gut. Dann beantworte meine zweite Frage: Wo ist er?“ Laenus sah ihn verwirrt an: „Wen oder was meinen Sie?“



„Wo ist Erwin? Antworte!“ Maglinus warf voll von wieder aufgeflammter Wut den Seelenstein auf den Boden. Er zersprang nicht, er bekam nicht einmal einen Kratzer ab, doch Leanus schrie vor Schmerz. Maglinus hob den Seelenstein wieder auf und hielt ihn auf Augenhöhe: „Wo?“ Leanus’ Gesichts war schmerzverzerrt und er presste mühsam hervor: „Auch in Sicherheit. Wo Sie ihn nicht finden und verderben können. Und selbst wenn Sie ihn finden würden, er würde Ihnen nie folgen.“



„Weil du ihn mit deiner Lehre in die Irre geführt hast? Doch ich werde ihn finden und ihn seiner wahren Bestimmung zuführen.“ Leanus sah ihn wieder verwirrt an: „Seiner Bestimmung?“ Jetzt war der Schattenelf an der Reihe verdutzt zu gucken: „Du weißt es nicht? Na, verraten werde ich es dir noch nicht.“ Bevor Leanus wieder etwas sagen konnte, beendete Maglinus die Verbindung. Als der Seelenstein verloschen war, nahm er die Kette, die er am Hals trug, in die Hand. Die Kette bestand aus mehreren Sockeln, von denen alle bis auf den größten in der Mitte Seelensteine trugen. Maglinus steckte Leanus’ Seelenstein in den freien Sockel. Der Stein hakte sich ein. Zufrieden legte der Schattenelf die Kette wieder um seinen Hals. Dann prüfte er das Pentagramm und stellte fest, dass es, trotz der ganzen Magieabgabe, noch intakt war. Er klatsche in die Hände und der Diener eilte herbei. „ Was wünschen Sie, mein König?“



„Hole die Kerzenständer und verdunkle dann den Raum.“ Der Diener eilte wieder hinweg und brachte fünf Kerzenständer und stellte jeweils einen an eine der Spitzen des Pentagramms. Die Kerzen bestanden aus Blut und Wachs, weshalb sie blutrot waren. Als der Diener fertig war, schob er die schweren Vorhänge so, dass sie die Fenster bedeckten und kein Licht mehr in den Saal eindrang. Maglinus schickte den Diener hinaus und schloss dann die Tür.



Maglinus stellte sich vor das Pentagramm und breitete die Arme aus. „Schuka!“ Die Kerzen entflammten sich mit blauen Flammen. „Muka!“ Die Linien des Pentagramms leuchteten rot auf. „Bruka!“ Ein Beben setzte ein. Es nahm immer mehr zu, bis es dann plötzlich wieder aufhörte. Ein Zischen wurde hörbar und in der Mitte des Pentagramms schwebte im blauen Schein der Kerzen eine schwarze Energiekugel. Aus dieser zuckten immer wieder Erhebungen hervor. Dann fing sie an, eine Gestalt aus sich zu bilden. Es entstand eine Gestalt in einer schwarzen Kutte, dessen Gesicht d

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