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8. Kapitel – Eine neue Seele erwacht

Außenposten der Menschen

Zur selben Zeit

Im Außenposten wurde die Überprüfung eines Roboters abgeschlossenen. Die Techniker fanden keinen Fehler, weder an der Technik, noch in der Programmierung, weshalb sie meinten, man könnte ihn gefahrlos wieder einschalten und auf Patrouille schicken, was sie auch taten. Doch sie ahnten nicht, was geschehen würde. Welches schicksalhafte Ereignis sich für immer in ihre Erinnerung einbrennen würde. Denn als die Energie der Atombatterie durch die Kabel pulsierte, begann nicht nur die eingebaute Festplatte, das Gedächtnis des Roboters, zu laufen. Mitten auf ihr saß ein rosa Klumpen, der lebte. Die Techniker hatten es nicht entdeckt, weil es sich im Tiefschlaf befand, doch jetzt pulsierte er und fing mit seiner Arbeit an. Es dachte und wuchs langsam, aber stetig.

Der Technische Oberleiter Martin Klinge stand vor dem Gerüst, das GKR–3443 hielt. Er arbeitete jetzt schon fünf Jahre lang mit Robotern, sodass er viel Erfahrung besaß. Obwohl er erst dreißig Jahre alt war, wirkte er auf viele deutlich älter, was auf seine Armprothese, die den linken Arm ersetzte, und seine weißen Haare zurückzuführen war. Damals hatte ihn ein losgelöster Arm eines Roboters seinen Arm zerquetscht. Er blickte hoch zum Kopf. Noch hing er schlaff nach unten, doch gleich würden die grünen Sehsensoren wieder leuchten. Er hob die Hand. Einer von seinen Assistenten nickte und betätigte einen Hebel auf dem Hauptschaltpult. Summend begann der Generator zu arbeiten. Ein kurzer Stromstoß aktivierte schließlich den Roboter. Die Augen leuchteten grün auf. Dann bewegte sich der Roboter aus dem Gerüst. „GKR-3443 meldet sich zum Dienst, Herr.“ Herr Klinge nickte zufrieden und befahl schlicht: „Geh wieder an die Arbeit.“ Ohne etwas zu erwidern, bewegte sich der Roboter zum Ausgang der Reparaturanlage. Herr Klinge blickte hinterher und glaubte einen Moment lang, dass der Roboter hinkte. Doch dann hielt er es für ein Hirngespinst, dachte nicht mehr daran und machte sich wieder an die Arbeit.

Im Labor 36 des Außenpostens untersuchte eine Gruppe Wissenschaftler gerade das rätselhafte Ei. Als sie selbst durch Röntgen zu keinem Ergebnis kamen, beschlossen sie, das Ei aufzubohren. Das Wesen im Inneren des Eis bemerkte es und schickte in seiner Angst einen Gedanken los.

GKR-3443 wandelte durch einen Gang, der ihn zum Hangar führen würde, als es passierte. Er empfing ein außergewöhnliches Signal. Es war stärker als alles andere, das er je zuvor empfangen hatte. Auch die Reaktion verstand er nicht. Wie auch, wenn er der erste seiner Art ist, dem dies passierte. Er folgte jetzt keinem Befehl, sondern etwas, das er nicht kannte. Menschen würde es Instinkt nennen. Er blieb stehen. Dann wandte er sich und ging in Richtung der Labore.

In der Hauptzentrale saßen wie üblich Techniker in blauen Uniformen, die mit dem Abbild von Terra geschmückt waren, an ihren Monitoren und überwachten über die Kameras den gesamten Außenposten. Einer von ihnen wollte sich gerade einen Schluck Kaffee gönnen, als ihm etwas auf einem der Monitore auffiel. Er setzte die Tasse ab und widmete ihm nun seine gesamte Aufmerksamkeit. Tatsächlich! Auf einem Gang, der zu den Hauptlaboren führte, befand sich ein Kampfroboter. Einer der Gamma-Reihe. Was hatte der hier zu suchen? Der Techniker beobachtete über die Kamera, wie der Roboter langsam auf die Sicherheitsschleuse zutrat, die zum Laborabteil führte. Davor war ein Soldat, der eine graue Uniform, einen schwarzen Brustpanzer und einen ebenfalls schwarzen Helm trug, postiert, der jetzt den Roboter bemerkt haben musste. Schon übertrug das Mikrofon an der Kamera folgendes: „Hey, Robot. Was hast du hier zu suchen? Zurück an deinen Posten!“ Der Roboter blieb stehen und verharrte einen Moment. Dann antwortete er mit seiner digitalen Stimme: „Gehen Sie aus dem Weg, Herr.“ Auf dem Gesicht des Soldaten tauchte eine Mischung aus Überraschung und Angst auf. Doch dann fragte er mit scheinbar ruhiger Stimme: „Hat man dich hierher befohlen, Robot?“

„Nein, Herr.“

„Dann tu, was ich dir gesagt habe.“ Der Roboter starrte mit seinen grünen Augen den Wachposten an. Dann geschah es. Plötzlich schnellte der Flammenwerfer hoch und spuckte eine blaue Flamme aus. Der Wachposten konnte nicht mal schreien, bevor seine Überreste nur noch aus einem Häuflein Asche bestanden. Der Techniker war geschockt und während er auf den Monitor starrte, der den Roboter dabei zeigte, wie er die Sicherheitsschleuse mit seiner Kralle aufriss, hatte der Computer schon Alarm geschlagen.

Überall im Außenposten schrillten die Alarmsirenen. Alle, vom einfachen Soldaten bis zum Elitesoldaten, rüsteten sich nun für den Ernstfall, Selbstschussanlagen wurden aktiviert sowie auf die Vernichtung des scheinbar defekten Roboters programmiert und Kampfroboter der Beta-Reihe, Modelle wie GKR-3443, nur größer und gefährlicher, wurden aktiviert. Alle Kampfeinheiten eilten zu den Laboren.

GKR-3443 schritt langsam durch die Gänge, die die Labore miteinander verbanden. Ihm war klar, dass man versuchen würde, ihn aufzuhalten. Doch er war ein Roboter und spürte keine Angst. Er ging um eine Ecke und stand plötzlich vor einer Barrikade, die Soldaten auf die Schnelle aus Maschinen und Behältern gebaut hatten. Nun verschanzten sie sich hinter ihr und eröffneten das Feuer. Mehrere Laserstrahlen trafen GKR-3443, doch sein eingebauter Schutzschild fing die Attacke ab. GKR-3443 reagierte auf den Angriff und deckte den ganzen Gang mit Flammen ein. Schnell schmolz die Barrikade dahin und die Soldaten fielen schreiend und verkohlt zu Boden. GKR-3443 wollte seinen Weg nun fortsetzen, als er plötzlich eine Plasmagranate in den Rücken bekam und von der Wucht nach vorne geschleudert wurde. Sofort flammten die Sprungdrüsen auf, um das Gleichgewicht zu bewahren. Als GKR-3443 wieder stand, drehte er sich schnell um und aktivierte noch in der Drehung den Flammenwerfer. Schreiend fiel auch dieser Soldat.

In der Zentrale wurde dies beobachtet. „Gruppe Alpha wurde ausgelöscht!“

„Der Roboter setzt seinen Weg fort!“ Mehrere panische Rufe durchdrangen die Luft. Irving, der junge und unerfahrene Kommandant des Außenpostens, blickte wachsam auf die Bildschirme. Der Roboter musste schleunigst aufgehalten werden, sonst wäre er seinen Posten los. Und dieser Gedanke gefiel ihm ganz und gar nicht.

GKR-3443 war nicht aufzuhalten. Er näherte sich Labor 36 und hinterließ eine Spur der Verwüstung sowie haufenweise verbrannte Leichen. Niemand konnte ihn aufhalten. Bis jetzt. Der Roboter befand sich nun im letzten Gang, den er durchqueren musste. Am anderen Ende war die Schleuse zum Labor, auf der „36“ stand. GKR-3443 wollte zur Schleuse, als plötzlich seine Sensoren ausfielen. Er war auf einmal sozusagen blind. Ein Eliteteam, das sich von hinten genähert hatte, setzte einen Störsender ein, der die Sensoren von Robotern für nur einen kurzen Moment lahm legen konnte. Doch mehr Zeit brauchte das Eliteteam nicht. „Jetzt, der Überladungszapper!“ Während die Sensoren von GKR-3443 gerade erst wieder funktionierten, nahm ihn einer der Elitesoldaten mit einer Waffe, die einer Panzerfaust ähnelte, ins Visier. Der Überladungszapper: Eine Waffe, die durch eine starke Energiezufuhr die Atombatterie eines Roboters außer Gefecht setzen kann. „Hasta la vista, Robot!“, sagte der Soldat noch und drückte ab. GKR-3443 wurde in blaues Licht eingehüllt, dann sackte er leblos zusammen. Die Soldaten jubelten und klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Für sie war der Kampf scheinbar gewonnen. Doch saß im GKR-3443’s Kopf ein organischer Klumpen, der nicht aufgeben wollte. Der Klumpen, der nun fast die ganze Festplatte überwuchert hatte, zog sich zusammen, verharrte ein paar Sekunden, um sich dann plötzlich wieder auf seine volle Größe auszustrecken und dabei eine ungeheure Menge an Energie freizusetzen. Diese Energie raste durch den ganzen Roboter und erreichte schließlich die Atombatterie. Erst passierte gar nichts, doch dann pulsierte wieder Energie durch die Kabel von GKR-3443. Die Augen leuchtenden erneut smaragdgrünlich und der ganze Körper regte sich wieder. Der Soldat, der den Überladungszapper trug, erbleichte und konnte gerade noch „Was zum Teufel?“ sagen, als der Kampfroboter schon direkt vor ihm stand und ihn mit seiner Kralle den Zapper entriss. Das brach die Moral der Truppe und sie flohen alle bis auf den Zapperschützen. Dieser stand erstarrt vor dem Roboter. Dann sagte er schließlich: „Wenn du glaubst, dass ich um mein Leben flehe, dann …“ GKR-3443 zerbrach mit seiner Kralle den Zapper. „… hast du richtig getippt. Gnade!“ Doch Kampfroboter kannten keine Gnade. Wenige Sekunden später gab es eine weitere verkohlte Leiche im Außenposten. GKR-3443 trat an die Schleuse und aktivierte den Flammenwerfer. Als der Stahl begann, sich zu verflüssigen, brach er sie mit seiner Kralle auf. Die Wissenschaftler schrien, als er eintrat und dann schrien sie noch mehr, als er sie verbrannte. Sofort schossen Flammen hervor, da die Chemikalien Feuer fingen, und das Labor verwandelte sich in eine Flammenhölle. Das kümmerte den Roboter nicht groß, ihn interessierte nur das Ei. Behutsam nahm er es auf. Er wollte überrechnen, was er nun tun sollte, als ihn plötzlich Feuer vom Eingang überraschte. Er drehte sich um und stand einer Übermacht von drei Beta-Kampf-Robotern gegenüber. Er wusste sofort, dass er keine Chance hatte, als ihm plötzlich eine Idee kam: Er visierte die Decke an und schoss seine Raketen ab. Die Raketen explodierten und sofort bildeten sich Risse, bis schließlich die ganze Decke einstürzte. Die BKRs zogen sich zurück, um nicht zerschlagen zu werden. Als sich der Staub legte, war GKR-3443 mit dem Ei verschwunden.

In zehn Kilometern Entfernung bekam GKR-3443 wieder Boden unter den Füßen. Er hatte seine Befehle ausgeführt und wollte nun in Ruhestellung gehen, als es passierte. Der Klumpen hatte die Festplatte komplett überwuchert. Es bildeten sich Seitenarme, die sich nun von der Festplatte aus im ganzen Körper verteilten. Sie verknüpften sich mit jedem Gerät, sie verschmolzen mit jedem Kabel und bildeten so ein Nervensystem. GKR-3443 schrie. Es war ein schriller Schrei, der erste, den GKR-3443 ausstieß. Seine Seele erwachte, er fing an zu denken … er lebte!

 

Während der Ereignisse im Außenposten trafen sich zwei Gestalten im Magierturm der Akademie des Lichts in Erlin. Die Halle, in der Leanus starb, war verwüstet. In der Mitte, wo noch die Reste des Pentagramms sichtbar waren, stand ein Schattenelf in schwarzer Rüstung, die an den Schultern, Beinen und an den Armen mit einzelnen rot glühenden Stacheln verziert war. Die Haut des Schattenelfen war rabenschwarz, seine Haare ebenfalls und seine Augen glühten rot. Er sah durch den Saal und lächelte abgrundtief böse. Durch das zerstörte Tor eilte ein einfacher Soldat, bewaffnet mit Schild und Schwert, in ebenfalls schwarzer Rüstung. Er blieb hinter dem Schattenelf, der ihm den Rücken zuwandte, stehen und verneigte sich. Der andere Schattenelf drehte sich um und befahl mit tiefer Stimme: „Sprich, Wurm!“

„Herr, wir haben die Stadt unter Kontrolle. Die Lichtmagier und ihre Lehrlinge sind eingesperrt.“

„Und die einfachen Leute?“

„Es gab anfangs einige Probleme, doch seit wir ein paar Verstümmelungen hier und ein paar Hinrichtungen da durchführten, verhalten sie sich gehorsam und sitzen nun verängstigt in ihren Häusern, mein König.“ Maglinus, König der Schattenelfen, lächelte noch mehr und befahl schließlich: „Gehe nun an deinen Posten zurück.“ Der Soldat verbeugte sich abermals und eilte weg. Der König drehte sich wieder um und fragte schließlich: „Wo waren wir stehen geblieben?“ Eine Gestalt trat aus dem Schatten: Es war einer der schwarzen Ritter. „Bei dem Edelstein.“ Der Schattenelf lächelte wieder und nahm einem Beutel von seinem Gürtel und warf ihn dem Ritter zu. Dieser öffnete ihn und nahm einen großen Hämatit, schwarz wie die Nacht, heraus. „Danke, er wird uns bei unseren Forschungen sehr behilflich sein“, sagte der schwarze Ritter noch, dann verschwand er in den Schatten und verließ den Saal. Der König zuckte nur mit den Schultern. Daran war er schon gewöhnt. Wichtiger ist, dass er nun Herrscher von Erlin war.

Langsam zog sich die metallene Fläche weg und ließ zum ersten Mal seit drei Tagen wieder Sonnenlicht auf Erlin durch. Schließlich verschwand die Fläche und mit ihr die schwarzen Ritter. Zurück blieb eine von den Schattenelfen besetzte Stadt.

9. Kapitel – Das braune Ei

Irgendwo im Osten des Sumpfes

Abend des dritten Tages nach dem Fall von Erlin

Janok saß allein in seiner einfachen Stoffkleidung an seinem Lagerfeuer und döste im Schein des roten Mondes, der in dieser Nacht schien, vor sich hin. Der Tag hatte sich gelohnt: Er hatte nicht nur dem kleinen Elf das Leben gerettet, sondern auch wertvolle Sumpfschmetterlingsseide an sich bringen können. Janok, der einsame Ork, konnte wirklich zufrieden sein. Er nahm eines seiner Schwerter und begann es zu schleifen. Als er fertig war, wollte er sich sein zweites vornehmen … da vernahmen seine grünen, spitzen Ohren mehrere leise Geräusche. Sie klangen wie Schritte. Janok war von Natur aus neugierig, weshalb er aufstand und den Geräuschen nachging. Er nutzte dabei jeden Stein und jedes Gebüsch als Deckung, um nicht zu früh bemerkt zu werden, und kam so langsam dem Ursprung der rätselhaften Geräusche näher. Der Ork kroch einen Hügel hoch und konnte nun sehen, wer diese Geräusche verursachte. Direkt in einer Senke vor ihm waren sechs Schattenelfen, die in dunkle Lederrüstungen gekleidet und mit Schwert und Schild ausgerüstet waren. Sie umkreisten ein großes, braunes Ei, das noch an der Unterseite glühte und in einem Krater lag. Ein Schattenelf, der auf seine verbrannten Hände pustete, jammerte: „Warum habt Ihr mich nicht gewarnt? Ich habe mir die Hände verbrannt.“ Ein weiterer, der im Gegensatz zu den anderen eine schwarze Rüstung und ein zweihändiges Schwert trug, schrie ihn genervt an: „Klappe, Soldat. Hören Sie auf zu jammern und denken Sie lieber nach, wie wir es zum General bringen können!“ Bevor der Schattenelf mit den verbrannten Händen oder einer der anderen vier antworten konnte, knackte es plötzlich. Alle Augen, auch die von Janok, richteten sich auf das Ei. Es war von Rissen übersät. Es knackte noch ein letztes Mal laut, dann brach das Ei auf und gab ein sonderbares Wesen frei. Es schien ein Mischling zweier Tiere zu sein: Das Hinterteil ähnelte dem eines Tieres, dem man Janoks Meinung nach Löwe nannte. Der vordere Teil schien von einem Weißkopfseeadler zu stammen. Es hatte kleine, aber prächtige Flügel mit braunen Federn. Janok hatte zwar schon einen Adler und die Zeichnung von einem Löwen gesehen, doch so ein Tier war ihm völlig unbekannt. Dank des roten Mondes war es hell genug, sodass Janok sehen konnte, wie der Schattenelf in der Rüstung, der wohl der Anführer der Gruppe war, lächelte und mit heimtückischer Stimme sagte: „Oh, es ist geschlüpft. Ihr kennt die Anweisungen für diese Situation.“ Die Untergebenen nickten allesamt und zückten ihre Schwerter. Das frisch geschlüpfte Wesen schien die Gefahr zu spüren, kreischte ängstlich und versuchte zu fliehen. Ein Schattenelf stürzte sich darauf, doch die Klinge seines Schwertes rammte sich in die Erde. Dem Wesen gelang es, den Hügel schnell hoch zu krabbeln. Es versuchte zu fliegen, doch seine Flügel waren noch zu verklebt. Die Schattenelfen waren zuerst verwirrt, doch dann rannten sie hinterher und holten auf. Als Janok sah, wie die Schattenelfen das arme Wesen den Hügel hinauf hetzten, hatte er seine Entscheidung getroffen. Als das Wesen Janoks Position fast erreicht hatte, stemmte er sich mit einem Brüllen auf. Das Wesen erstarrte und blickte ihn mit seinen großen Augen entsetzt an. „Keine Angst, ich werde dich beschützen“, sagte Janok, um das Wesen zu beruhigen. Das Wesen schien es verstanden zu haben und versteckte sich hinter Janoks Beinen. Die Schattenelfen blieben stehen und starrten den Ork an. Der Anführer drohte schließlich: „Aus dem Weg, Grünhaut. Sonst stirbst du!“ Janok blieb unbeeindruckt und spottete: „Komm nur her, Rotauge.“ Die Schattenelfen wollten sich alle auf ihn stürzen, doch der Anführer schrie: „Zurück, der gehört mir.“ Der Schattenelf sprang in die Luft und holte im Flug mit dem Schwert aus. Doch als die Klinge hinuntersauste, war der Ork nicht mehr dar. Er war zur Seite ausgewichen und nutze nun die Hilflosigkeit des Elfen aus, denn die Klinge war im Erdreich versunken. Der Elf erkannte die Gefahr, ließ den Griff los und sprang über die beiden Stiche des Orks hinüber. Janok guckte verdutzt nach oben und bekam die Füße des Elfen ins Gesicht. „Na, schmeckt es dir, Ork?“, fragte der Elf gehässig, als er sein Schwert heraus zog. Statt zu antworten, fiel Janok in markerschütterndes Gebrüll. Der Schattenelf, selbst er konnte sich der Angst einflößenden Wirkung eines Orkschreis nicht entziehen, erstarrte. Janok nutzte dies aus und schlug dem Elfen ins Gesicht. Die Nase brach und die Lippen platzten auf. Der Schattenelf flog ganze fünf Meter weit zurück, überschlug sich im Flug und landete dann unglaublicherweise wieder auf den Beinen. Janok, der sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, konnte nur staunen und auch die Untergebenen des Schattenelfen gaben überrascht ein „WOW!“ von sich. Dem Schattenelf war die Siegessicherheit verloren gegangen, an ihre Stelle trat kalte Wut. Mit Kampfgebrüll, das sich fast mit dem von Janok messen konnte, stürzte er sich mit seinem Zweihänder auf den Ork und schlug in Raserei auf ihn ein. Der Ork hatte Mühe, die Schläge mit seinen zwei Schwertern abzuwehren. Er setzte all sein Können ein, doch er konnte keine Zeit für einen Gegenschlag gewinnen. Da passierte es: Das Schwert des Schattenelfen durchbrach die Verteidigung und durchschnitt von oben das Fleisch der rechten Schulter des Orks. Nur dank der Härte von Orkknochen wurde der Arm nicht abgetrennt. Während Janok ungläubig auf seine Schulter starrte, lachte der Schattenelf wie verrückt in seinem Blutrausch. Aber er lachte nicht mehr lange: Plötzlich packte ihn eine grüne, riesige Hand am Hals. Janok hob ihn hoch und starrte ihn hasserfüllt und rasend an. Dann drückte er zu. Das Genick des Elfen brach sofort. Janok ließ los und der Schattenelf fiel tot zu Boden. Doch Janoks Wut war noch nicht verraucht, sie kochte sogar noch mehr. Mit einem weltenerschütternden Gebrüll, das locker das erste übertraf, raste er auf die restlichen fünf Schattenelfen zu. Die waren noch von dem Tod ihres Anführers geschockt, sodass Janok mühelos zwei an den Hälsen packen und deren Köpfe zusammenschlagen konnte. Es knackte zweimal laut und Hirnmasse spritzte. Die drei, die nun noch übrig waren, verloren komplett den Mut und flohen. Der Ork verfolgte sie nicht, denn er hatte inzwischen seine Wut verbraucht. Er guckte ihnen nur verächtlich hinterher und sagte schließlich: „Es gibt nichts Besseres als einen ordentlichen Kampf.“ Er wollte zurück zu seinem Lager gehen, als er bemerkte, dass das Schwert des Anführers noch in seiner Schulter steckte. Er zog es heraus, spuckte auf seine Wunde und wollte nun endlich den Rückweg antreten, als er sich plötzlich immer schwerer und schwächer fühlte. Er hatte keine Kraft mehr und stürzte zu Boden. In ihm keimte ein Verdacht auf und er blickte auf die Klinge des herausgezogenen Schwertes. Sein Blut, das an der Klinge klebte, war grün. „Gift …“, röchelte Janok noch, bevor alles um ihn herum schwarz wurde.

10. Kapitel – Das freche Ei

Die Große Einöde

Morgen des vierten Tages nach dem Fall von Erlin

Schimascha fluchte. Und wie. Sie hatte geplant, im Nordosten aus dem Dschungel herauszukommen. Doch die Einöde vor ihr belehrte sie eines Besseren. „Kein Zweifel, das ist die Große Einöde. Wie konnte ich mich nur so verlaufen?“

„Vielleicht hast du keinen Orientierungssinn?“ Schimascha sprang, wie von einer Pisakmücke gestochen, erschreckt auf und sah sich um. „Wer spricht da?“

„Ich!“ Schimascha war noch verwirrter. „Zeig dich, damit ich dich sehen kann.“ Dann hatte sie einen Geistesblitz. Sie hob das Ei auf Augenhöhe und fragte: „Du steckst da drin, richtig?“ Sie spürte eine zustimmende Bewegung im Ei: „Ja, und ich bin dein zukünftiger Kampfgefährte.“

„Was meinst du damit?“, wollte Schimascha wissen, doch das Ei antwortete nur: „Alles zu seiner Zeit.“

Schimascha marschierte zügig durch die Einöde, bis sie das große steinerne Tor sah. Davor war eine ganze, kleine Armee der Tarborianer stationiert, welche die Grenze bewachte. Kein Wunder, schließlich führte sie geradezu ins Orkreich. Als Schimascha sich näherte, kam der Kommandant der Wache, erkennbar an seiner weißen Edelholzrüstung, auf sie zu, verbeugte sich und grüßte: „Willkommen, mächtige Schamanin! Wohin des Weges?“

„Nach Norden, Soldat.“ Der Kommandant sah sie fragend an. „Der Norden ist groß. Es geht mich ja nichts an, könnte ich vielleicht trotzdem ein genaueres Ziel erfahren?“ Schimascha schüttelte den Kopf. „Ich weiß es selber noch nicht genau. Der Dschungelgott hat mich auf eine Mission geschickt, von der ich noch nichts Exaktes weiß.“ Der Kommandant dachte erst einen Moment nach, dann sagte er schließlich: „Nun gut. Dann wünsche ich Ihnen ein gutes Gelingen.“

„Danke, möge der Dschungelgott schützend über Sie und Ihre Kameraden wachen.“ Mit diesen Worten wandte sie sich ab und schritt durch das mächtige, steinerne Tor.

Lange nachdem Schimascha das Tor hinter sich gelassen hatte, meldete sich das Ei wieder: „Du, Schimascha?“

„Was ist?“

„Ich wollte fragen, ob du mir einen Namen geben würdest.“ Schimascha war überrascht und dachte über diese Bitte nach, bevor sie antwortete: „Noch nicht, solange du nicht geschlüpft bist. Ich weiß schließlich noch nicht, was du bist. Oder kannst du es mir verraten?“

„Könnte schon“, antwortete das Ei. „Doch ich will dir die Überraschung nicht verderben.“

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