Die AUTISMUS-EPIDEMIE beenden

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Verklärung einer schwerwiegenden Behinderung

Wenn ich als Elternteil eines autistischen Sohnes lange genug in Silbermans fiktive Version des Autismus und seiner Geschichte eintauche, klingt alles irgendwie gut, wenn nicht sogar ein bisschen großartig. Autismus ist nur eine andere Art zu denken; er war schon immer da. Menschen mit Autismus sind begabt und haben der Welt so viel zu bieten. Eine US-Fernsehserie, die seit 2017 ausgestrahlt wird, The Good Doctor, macht Autismus sogar noch populärer – die Hauptfigur ist ein autistischer Arzt, der außergewöhnliche Heilkräfte besitzt.

Leider ähnelt „der gute Doktor“ jemandem, der etwas hinkt, am Stock geht und das Klischee des Querschnittsgelähmten repräsentiert. Seine Geschichte ist faszinierend und fesselnd, hat aber wenig Ähnlichkeit mit dem Autismus, mit dem die meisten Eltern, mich eingeschlossen, tatsächlich jeden Tag konfrontiert werden. Und persönlich ärgere ich mich darüber, wie Silberman, The Good Doctor und viele Verfechter der Neurodiversität eine schreckliche Behinderung verklären. Wenn Sie „im College entdeckt haben, dass Sie Autismus haben“, dann haben Sie nicht den Autismus, unter dem jetzt mehr als eine Million amerikanischer Kinder leiden, einschließlich meines eigenen Sohnes.

Trotz allem, wie Sie vielleicht gelesen haben, ist die Definition von Autismus im Laufe der Zeit bemerkenswert gleich geblieben. Da sich Autismus nicht mit einem Bluttest diagnostizieren lässt, wird er durch Beobachtung festgestellt, und jeder, der genügend Autismusmerkmale aufweist, leidet an dieser Krankheit. Zu den Merkmalen einer Autismusdiagnose gehören das frühe Auftreten der Symptome (typischerweise vor dem 30. Lebensmonat), die Unfähigkeit, eine Beziehung zu anderen Menschen zu entwickeln (die sogenannte „sozial-emotionale Reziprozität“), „grobe Defizite“ in der Sprachentwicklung, eigentümliche Sprachmuster und ungewöhnliche Beziehungen zur Umwelt (Bindung an unbelebte Objekte, Unbeweglichkeit und dergleichen).

Olmsted und Blaxill erklären: „Die meisten Kinder mit der Diagnose ‚Autismus‘ werden nie einer Arbeit nachgehen, Steuern zahlen, sich verlieben, heiraten, Kinder bekommen oder für ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen verantwortlich sein.“12 Tatsächlich sind laut des kalifornischen Bildungsministeriums mehr als 50 Prozent der autistischen Kinder überhaupt nicht in der Lage zu sprechen.13 Eine Studie im Journal of Autism and Developmental Disorders zeigte, dass 28 Prozent der achtjährigen Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) selbstverletzendes Verhalten an den Tag legen (das bedeutet, sie fügen ihrem eigenen Körper Verletzungen zu).14 Das Maternal and Child Health Journal veröffentlichte eine Untersuchung, aus der hervorgeht, dass Kinder mit Autismus doppelt so häufig fettleibig sind.15 Eine Studie aus dem Bereich der Pädiatrie ergab, dass 35 Prozent der jungen Erwachsenen, die an Autismus leiden, nach der Highschool nie einen Job hatten oder eine Ausbildung erhielten.16 Wissen Sie, wie hoch die durchschnittlichen Kosten für die Unterstützung eines autistischen Menschen im Laufe seines Lebens sind? 2,4 Millionen Dollar.17

Als wären diese Zahlen nicht schon schlimm genug, hat eine in der Zeitschrift Research in Developmental Disabilities publizierte Arbeit gezeigt, dass autistische Kinder auch erheblich kränker sind als ihre Altersgenossen ohne Autismus.18 Asthma, Haut- und Nahrungsmittelallergien, Ohrinfektionen, starke Kopfschmerzen und Durchfall oder Kolitis sind bei einem Kind mit Autismus weitaus wahrscheinlicher. Tatsächlich waren die Magen-Darm-Probleme bei autistischen Kindern sehr viel schlimmer als bei jeder anderen Gruppe. Die Autoren der Studie waren daher der Meinung, diese Kinder verdienten besondere Aufmerksamkeit, wobei sie feststellten, „dass ein Ergebnis besonders hervorsticht, wenn wir die Gruppen mit Entwicklungsstörungen miteinander vergleichen: Kinder mit Autismus litten im vergangenen Jahr mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit an Durchfall oder Kolitis wie Kinder mit ADHS, einer Lernbehinderung oder einer anderen Entwicklungsverzögerung. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie diese gastrointestinalen Probleme hatten, war siebenmal höher als bei Kindern ohne Entwicklungsstörungen.“ Kürzlich berichtete National Public Radio, dass Menschen mit Entwicklungsstörungen siebenmal häufiger sexuellen Übergriffen ausgesetzt sind und diese Übergriffe typischerweise „an Orten geschehen, wo sie geschützt und sicher sein sollten“ – ein Albtraumszenario für jedes Elternteil mit autistischem Kind.19

Schließlich, und das ist wirklich tragisch, schätzt die Organisation Autism Speaks, dass ein Drittel der Kinder mit Autismus auch an Epilepsie leidet, „einer Hirnstörung, die durch wiederkehrende Anfälle oder Krämpfe gekennzeichnet ist“.20 Und eine europäische Studie aus dem Jahr 2016 fand heraus, dass Menschen mit Autismus „jünger sterben als der Durchschnittsbürger – 12 bis 30 Jahre“, wobei die Hauptursache für einen frühen Tod Epilepsie ist.21 Ist dies dieselbe glückliche Welt, die Silberman beschreibt? Nicht in Ihrem Leben. Oder in deren.

Sogar der Kongress glaubt, dass wir eine Epidemie haben

Im Jahr 2012 hielt das Committee on Oversight and Government Reform, das der Aufsicht über Regierungshandeln dient, eine Anhörung zum Thema Autismus ab. Titel der Anhörung? „1 von 88 Kindern [die damalige Autismusquote]: Ein Blick auf die Reaktion des Bundes auf steigende Autismusquoten.“ Der Kommissionsvorsitzende Darrell Issa eröffnete die Anhörung und sagte: „Vorausgesetzt, die Zahlen sind korrekt, und wenn sie von dem heutigen Verhältnis von 1 zu 88 Kindern, die in irgendeiner Weise von ASD betroffen sind, weiter steigen, haben wir es heute in der Tat mit einer Epidemie zu tun. Es könnte sein, dass die Rate von 1 zu 150 zu Beginn des vorigen Jahrhunderts etwas zu niedrig war, dass bei den Menschen tatsächlich keine Diagnose festgestellt wurde. Aber das glauben nur wenige Menschen.“ Dan Burton, ein Kongressabgeordneter aus Indiana, fügte hinzu: „Wir sind von einer Autismusquote von 1 zu 10.000 Kindern auf 1 zu 88 gekommen. Es ist schlimmer als eine Epidemie; es ist eine absolute Katastrophe.“22 Carolyn Maloney, eine Kongressabgeordnete aus New York, verlieh dem Ganzen noch mehr Nachdruck:

Autismus entwickelt sich in den USA zu einer wachsenden Epidemie, die unbedingt bekämpft werden muss … Nun zu den Zahlen, auf die er vorhin hingewiesen hat, nämlich dass früher 1 von 10.000 Kindern Autismus hatte, jetzt ist es 1 von 88, und ich möchte Dr. Boyle [einen CDC-Angestellten] fragen, warum? Und ich möchte nicht hören, dass wir eine bessere Erfassung haben. Wir haben eine bessere Erfassung, aber eine Erfassung würde keinen Sprung von 1 zu 10.000 auf 1 zu 88 erklären. Das ist ein riesiger, riesiger, riesiger Sprung. Welche anderen Faktoren könnten neben einer besseren Erfassung dazu beitragen? Nehmen Sie die bessere Erfassung vom Tisch. Ich stimme zu, dass wir eine bessere Erfassung haben, aber diese Zahlen werden nicht berücksichtigt.

Unsere eigenen gewählten Vertreter scheinen die Wahrheit zu kennen und dennoch sind Menschen wie Silberman weiterhin in allen Medien vertreten.

Keine Epidemie, keine Verantwortung

Robert F. Kennedy jun. gab eine überzeugende Vorstellung davon, warum seiner Meinung nach das Abstreiten von Epidemien ein Thema in der öffentlichen Debatte bleibt. In einem pointierten Essay, in dem Silbermans Buch im Jahr 2015 besprochen wurde, schreibt Kennedy:

Eine Fadenwurmtaktik, die ein Jahrzehnt lang von der Pharmaindustrie und dem Center[s] for Disease Control (CDC) und ihren Verbündeten angewandt wurde, um gegen die wissenschaftlichen Beweise anzugehen, dass die explosionsartige Autismusausbreitung eine von Menschen verursachte Epidemie neueren Ursprungs ist, war die Andeutung, dass es überhaupt keine Autismus-Epidemie gibt. Die öffentlichen Gesundheitsbehörden lehnen es ab, die plötzliche Explosion der Krankheit als „Epidemie“ oder „Krise“ zu bezeichnen und raten aktiv davon ab, die umweltbedingten Ursachen dafür wissenschaftlich zu untersuchen. „Sie werden niemals hören, dass die CDC die explosionsmäßige Autismusverbreitung als eine Krise oder eine Epidemie bezeichnet“, sagte Dr. Brian Hooker, Epidemiologe der Simpson University. „Solange es keine Epidemie gibt, braucht niemand nach dem Auslöser in der Umwelt zu suchen. All dies erklärt die Aufregung bei den von Big Pharma finanzierten Medien während des erstmaligen Erscheinens von Steve Silbermans Buch Geniale Störung: Die geheime Geschichte des Autismus und warum wir Menschen brauchen, die anders denken. Indem er die alten Falschmeldungen der Pharmaindustrie nachplappert, deutet Silberman an, dass Autismus eine gänzlich genetisch bedingte psychische Erkrankung sei, die uns in ähnlicher Häufigkeit wie heute schon immer begleitet hat. Silberman argumentiert, dass wir bis vor Kurzem Autismus nie bemerkt haben, weil betroffene Personen mit der Krankheit früher in psychiatrischen Einrichtungen untergebracht oder falsch diagnostiziert wurden.23

Kennedy kommt zu folgendem Schluss: „Silbermans übergreifende Botschaft lautet, dass wir aufhören sollten, die umweltbedingte Ursache der Autismus-Epidemie – und mögliche Heilmittel – zu untersuchen, und einfach das Mosaik der Neurodiversität der Menschheit feiern sollten. Das ist natürlich alles dummes Zeug.“ Olmsted und Blaxill geben ihre eigene Meinung zu dem Warum kund, indem sie fragen: „Wer profitiert davon?“

Die erste Frage, die wir uns stellen müssen, ist die unvermeidliche Frage des Eigennutzes: Cui bono? Wer profitiert von diesem unfassbaren Versäumnis, die einfache Wahrheit zuzugeben und anzusprechen? Angesichts des Ausmaßes des Autismusproblems ist es nicht verwunderlich, dass mächtige Interessengruppen nach Wegen suchen, um nicht für das Problem verantwortlich gemacht zu werden und, was noch schlimmer ist, auf irgendeine Weise – finanziell oder anderweitig – zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wie wir im ersten Satz des Buches geschrieben haben, stehen Billionen von Dollar auf dem Spiel, darunter Milliarden von Gewinnen, Aktienkursen, Boni und Verbindlichkeiten. Die mit der Epidemie verbundenen Dollarzeichen sind so groß, dass es für die Hauptverdächtigen Milliarden wert ist, sich der Rechenschaftspflicht zu entziehen.24

 

Das System der Epidemie-Verleugnung

Ganz vorne im System der Verleugnung der Epidemie sitzt ein Mann: Dr. Paul Offit. Oberflächlich betrachtet gibt es keinen Grund, warum Offit eine große Meinung zu Autismus haben oder jemals von der Mainstream-Presse über Autismus zitiert werden sollte, da sein Fachgebiet … Impfstoffe sind. Paul Offit ist Professor für „Vakzinologie“ am Kinderkrankenhaus von Philadelphia und hat persönlich zig Millionen Dollar verdient, als eine seiner Erfindungen – ein Impfstoff gegen Rotaviren – in den von den USA empfohlenen Impfkalender aufgenommen wurde.25 Offit hat zwar keine formelle Ausbildung auf irgendeinem Gebiet, das mit Autismus zu tun hat, aber das hielt ihn nicht davon ab, Bücher über Autismus zu schreiben (Autism’s False Prophets: Bad Science, Risky Medicine, and the Search for a Cure, nur englischsprachig, Anm. d. Verlags), und er wird in den Medien oft zitiert, wenn es um Autismus geht. Im Jahr 2010 wählte der Age of Autism-Blog Paul Offit zum „Verleugner des Jahrzehnts“ für die Nuller Jahre.26 Hier ist ein typisches Zitat Offits über die Autismusquote:

Es ist keine wirkliche Epidemie. Mitte der 1990er-Jahre wurde die Definition von Autismus auf das erweitert, was heute als Autismus-Spektrum-Störungen bezeichnet wird. Viele mildere Teile des Störungsbilds – Probleme mit der Sprache, soziale Interaktion – wurden in die Skala mit aufgenommen. Wir sind heute auch aufmerksamer, sodass wir diese Krankheit öfter wahrnehmen. Und es gibt einen finanziellen Anstoß, Kinder in die erweiterte Definition einzubeziehen, damit ihre Behandlung von der Versicherung übernommen wird. Zöge man die aktuellen Kriterien heran und ginge 50 Jahre zurück, würde man, so wird behauptet, ungefähr genauso viele Kinder mit Autismus sehen.27

In der Welt von Paul Offit gibt es hier kein Problem. Die Dinge sind so, wie sie immer waren; wir verstehen sie nur besser. Und wenn es keine Epidemie gibt, gibt es auch keine Ursache in der Umwelt, denn warum einen auslösenden Sündenbock suchen, wenn etwas nicht wirklich gewachsen ist? Anders ausgedrückt: Die Autismus-Epidemie zu bestreiten bedeutet, das Leiden von Millionen von Kindern und ihrer Familien zu leugnen und auch die Erforschung der wahren Ursache abzulehnen, um die Epidemie beenden zu können. Aber was ist Offits wahre Motivation? Meiner Meinung nach ist die Autismus-Epidemie die größte Bedrohung für das Impfprogramm in seiner derzeitigen Form. Wie bereits erwähnt, wird die Gleichung von Risiko und Nutzen hinsichtlich des Impfprogramms zerstört, wenn Impfungen bei einem von 36 Kindern Autismus auslösen. Wenn andererseits Autismus schon immer präsent war, könnten Impfstoffe möglicherweise keine Rolle spielen.

Paul Offit ist ein öffentliches Sprachrohr mit engen finanziellen Beziehungen zu insbesondere einem Unternehmen: Merck, dem größten Impfstoffhersteller der Welt. Tatsächlich ist Offit Maurice R. Hilleman, Professor für Impfstoffkunde (derselbe Maurice Hilleman, der den MMR-Impfstoff erfunden hat) an der Perelman School of Medicine der University of Pennsylvania, einem von Merck gestifteten Lehrstuhl.

Ist es wirklich so schwer zu verstehen, warum er für die Medien der Ansprechpartner für Behauptungen ist, wenn es darum geht, Epidemien zu leugnen?

Paul Offit ist nicht der einzige, der schöne Sprüche oder Kommentare zu Studien von sich gibt und manchmal auch Primärforschung betreibt, um Zweifel an der Zunahme der Autismusquote aufrechtzuerhalten. Dr. Peter Hotez, Dr. Eric Fombonne und Dr. Paul Shattuck sind drei weitere medienfreundliche Sprachrohre mit engen Verbindungen zur Impfstoffindustrie, die in der etablierten Presse als objektive und sachkundige Experten zu Geschichten über Autismus hofiert werden.

Peter Hotez, der vielleicht meistzitierte „Experte“ für Impfstoffe und Autismus in den vergangenen Jahren, ist in Wirklichkeit Patentinhaber mehrerer experimenteller Impfstoffe.28 Eric Fombonne hat nicht nur eine der verblüffend schlechtesten Studien über den Impfstoff gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) verfasst (den ich in Kapitel 3 bespreche), sondern auch als Sachverständiger für Impfstoffhersteller gedient, indem er vor Gericht gegen die Eltern von Kindern aussagte, die durch den Impfstoff Schaden genommen haben.29 Paul Shattuck war ein Merck-Stipendiat und hat von der CDC Zuschüsse von mehr als 500.000 Dollar zur Finanzierung seiner Forschung erhalten.30 Objektive Experten? Nicht einmal annähernd. „Profitieren“ sie von der Leugnung einer Epidemie? Natürlich tun sie das, wie Blaxill und Olmsted wortgewandt erklären:

Die Menschen, die am meisten von der Verleugnung einer Autismus-Epidemie profitieren, sind diejenigen, die die Toxine herstellen und die Expositionen inszenieren, die, wenn auch unbeabsichtigt, die Epidemie verursacht haben. Sie profitieren zuerst, unnötig zu sagen, indem sie Geld verdienen und dann, indem sie eine Schuld in Form von rechtlicher, finanzieller und möglicherweise sogar strafrechtlicher Haftung vermeiden.31

Der Autismusexperte

In Geniale Störung lobt Silberman die Arbeit von Dr. Bernard Rimland, einem wegweisenden Psychologen, dessen berühmtes Buch Infantile Autism von 1964 für immer die Vorstellung zerstörte, Autismus sei emotional distanzierten Eltern geschuldet. Silbermans Entscheidung, Rimland zu vergöttern, ist angesichts seiner immensen Beiträge auf dem Gebiet des Autismus zwar völlig angemessen, aber auch paradox, wenn man bedenkt, dass Rimland auch die früheste und öffentlichste Stimme war, die eine schleichende Dynamik in der Autismusdebatte hinter-fragte, die Mitte der 1990er-Jahre zum ersten Mal auftrat: die Verleugnung der Epidemie.

Bernard Rimland, der sowohl die Autism Society of America als auch das Autismusforschungsinstitut gründete, war in den 1980er- und 1990er-Jahren und bis zu seinem Tod im Jahr 2006 die führende Autorität zum Thema Autismus. Tatsächlich war er der Pionier der biomedizinischen Intervention, der sich viele Eltern zur Genesung ihrer Kinder bedienten. Mitte der 1990er-Jahre erkannte er eindeutige Beweise für einen massiven Anstieg der Anzahl autistischer Kinder und schrieb bereits 1995 einen Aufsatz mit dem Titel „Is there an autism epidemic?“ (Gibt es eine Autismus-Epidemie?).32 Rimlands Antwort war einfach und direkt: „Ja! Die Anzahl der autistischen Kinder hat eindeutig stark zugenommen.“ Bis zum Jahr 2000 konnte Rimland kaum mit einer ständig wachsenden Zahl autistischer Kinder Schritt halten, ebenso wenig wie mit dem anhaltenden Versuch einiger Experten, das Wasser zu trüben. In jenem Jahr veröffentlichte er einen inzwischen berühmten Essay im Journal of Nutritional & Environmental Medicine, in dem es heißt:

Während es einige wenige Ewiggestrige gibt, die darauf insistieren, dass es keine wirkliche Autismus-Epidemie gibt, sondern nur höhere Aufmerksamkeit, ist es für alle anderen offensichtlich, dass die Zahl der Kleinkinder mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASD) dramatisch zugenommen hat und weiter steigt … Die Beweise waren 1995 überzeugend und sind im Jahr 2000 überwältigend. Nichtsdestotrotz lese und höre ich täglich über Fachleute, darunter viele, die als Autoritäten für Autismus gelten und behaupten, die Anzahl autistischer Menschen nehme nicht wirklich zu … Ich las das Wort Autismus zum ersten Mal im Frühjahr 1958, fünf Jahre nachdem ich meinen Doktor in Psychologie gemacht hatte … Ich habe ähnliche Geschichten von vielen Ärzten, Sonderschullehrern und Schulleitern gehört, deren Erfahrungen bis in die frühen 1970er Jahre und davor zurückreichen. Autismus war damals wirklich selten.33

Die drei Hauptargumente von Leugnern der Autismus-Epidemie

Wenngleich Dr. Rimland zweifellos der bekannteste Autismusforscher war, als Mitte der 1990er-Jahre erstmals die Leugnung der Epidemie aufkam, reichen seine Worte allein möglicherweise nicht aus, um jeden zu überzeugen. Wichtig ist, sich die tatsächlichen Daten, die Details und die vielen publizierten Studien anzusehen.

„Epidemie-Leugner“ bieten drei einzelne, aber verwandte Erklärungen dafür, warum sie glauben, dass Autismus uns schon immer in gleichem Maße begleitet habe: dass sich die Diagnose verbessert habe, dass Autismus eine Neuklassifizierung geistiger Retardierung sei und dass sich die Definition des Begriffs Autismus erweitert habe. Jede Erklärung klingt, oberflächlich betrachtet, plausibel, wird aber durch Fakten und Wissenschaftsstudien zunichte gemacht. Und jede dieser drei gängigen Erklärungen ist leicht überprüfbar. Lassen Sie uns also sehen, was die Beweise zeigen. Zuerst aber sollten wir einen Referenzwert festlegen.

Der Referenzwert in Wisconsin

1970 wurde in den Archives of General Psychiatry ein Referenzwert für die Prävalenz von Autismus festgelegt.34 Anhand von Daten aus Wisconsin versuchten Dr. Darold Treffert und Kollegen, „die Inzidenz und Prävalenz von Kindheitsschizophrenie und frühkindlichem Autismus in der gesamten Bevölkerung des Bundesstaates im Alter von 12 Jahren und darunter zu ermitteln“. Dies war das erste Mal, dass ein gründliches Verfahren durchgeführt wurde, um die Autismusquote zu ermitteln, und Treffert und sein Team untersuchten etwa 899.000 Kinder; sein Ergebnis: 0,7 Kinder von 10.000 „entsprechen der Definition des klassischen, frühkindlichen Autismus“. (In den 1970er-Jahren war Autismus in Medizinerkreisen in Deutschland größtenteils noch unbekannt. Zwar wurde die Zahl autistischer Kinder aufgrund epidemiologischer Studien auf 6.000 bis 7.000 geschätzt, allerdings waren Mitte der Siebziger gerade einmal 600 Fälle bekannt. Anm. d. Verlags) Dies ist die Studie, aus der die weitverbreitete Zahl „1 von 10.000“ stammt.

Erwähnenswert ist, dass Treffert über die Merkmale berichtete, aufgrund derer ein Kind aus Wisconsin als autistisch gilt:

Klassischer frühkindlicher Autismus, der die Organizität ausschließt und sich durch frühes Auftreten der Krankheit, Selbstisolation und die Unfähigkeit, Beziehungen aufzubauen sowie Sprachprobleme, Verdacht auf Taubheit und das Bedürfnis nach Gleicherhaltung manifestiert. [Mein Sohn hatte all diese Kriterien erfüllt].

Trefferts Untersuchung erkannte auch einen großen Gegensatz im Geschlechterverhältnis von autistischen Kindern und stellte fest, dass Jungen häufiger an der Krankheit litten als Mädchen, und zwar im Verhältnis 3,4 zu 1. Ebenso fand man heraus, dass Eltern autistischer Kinder „ein hohes Bildungsniveau“ hatten und „eine geringe Inzidenz psychischer Erkrankungen“ aufwiesen. Die Studie war besonders gründlich und die Autoren hatten Zugang zur gesamten psychiatrischen Infrastruktur von Wisconsin, einschließlich aller Einrichtungen, in denen sich ein Kind mit Symptomen einer psychischen Störung befand.

Treffert war der Ansicht, „dass es aufgrund der Komplexität der neurologischen Störung, der schwierigen Differentialdiagnose und der komplizierten Dispositionsplanung sehr unwahrscheinlich war, dass innerhalb von fünf Jahren kein Fall von Kindheitsschizophrenie oder frühkindlichem Autismus in der Altersgruppe bis zu 12 Jahren in einer der oben genannten Situationen aufgetreten wäre.“ Wäre Steve Silbermans Weltanschauung richtig, hätte es in Wisconsin mehr als 18.000 Kinder mit Autismus geben müssen. Dr. Treffert und sein Team fanden lediglich etwas mehr als 60.

45 Jahre später, im Jahr 2015, kommentierte Treffert die Autismus-Epidemie für die Wisconsin Medical Society in einem Blog-Beitrag. Während er einerseits behauptete, dass die Zunahme der Autismusfälle sich teilweise darauf zurückführen ließe, dass die Anzahl der Kriterien vergrößert wurde (siehe das dritte Argument zur Leugnung der Autismus-Epidemie auf Seite (S. 28)), machte er andererseits deutlich, dass er „überzeugt ist, dass es eine tatsächliche Zunahme der Erkrankung gibt … Und meiner Ansicht nach ist dieser Anstieg zum Teil tatsächlich auf einige Umweltfaktoren zurückzuführen (unterschiedliche Schadstoffe, die ebenfalls zu einer Zunahme weiterer angeborener Anomalien und Frühgeburten beitragen können)“.35

 

Lassen Sie mich das klarstellen, denn es handelt sich um eine wirklich große Sache: Der allererste Epidemiologe, der 1970 in Wisconsin die Autismusquote in Wisconsin analysierte, meint, dass es einen tatsächlichen Anstieg dieser Quote gebe und diese Zunahme zumindest teilweise auf Umweltfaktoren zurückzuführen sei.