Unglück

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Iris Wandering

Unglück

Erinnerungen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Inhalt

Ostersonntag, 20. April 2014, Zwischen Küchentisch und Badezimmer

Oktober 1992, Professor Doktor Ades Semesterbeginn

Montag, 22. Dezember 1997, Annas Kostensenkungspotenzial

Mittwoch, 7. Januar 1998, Max´ Training

Mittwoch, 7. Januar 1998, Kneipengeflüster

Dienstag, 2. Juni 1998, Vorlauf

Dienstag, 2. Juni 1998, Maßnehmen

Mittwoch, 3. Juni 1998, Aufbruch

Mittwoch, 3. Juni 1998, Erwachen

Mittwoch, 3. Juni 1998, Fehl am Platz

Mittwoch, 3. Juni 1998, Sommerliche Unterhaltung

http://duden.de/rechtschreibung/Unglueck, 30.08.2016

Mittwoch, 3. Juni 1998, Fünf nach zwölf

Mittwoch, 3. Juni 1998, Ein fauler Tag

Mittwoch, 3. Juni 1998, Überstunden statt Urlaub

Mittwoch, 3. Juni 1998, Die Suche geht weiter

Mittwoch, 3. Juni 1998, Annas Datenverkehr ist gestört

1998, Erich Preuß, «Eschede, 10 Uhr 59», Seite 23

Mittwoch, 3. Juni 1998, Terminersuchen

Mittwoch, 3. Juni 1998, Ohne Verbindung

Donnerstag, 4. Juni 1998, Ansichtssache

Donnerstag, 4. Juni 1998, Anna mittendrin

Donnerstag, 4. Juni 1998, Auf dem Weg, aber wohin?

Donnerstag, 4. Juni 1998, Maximalergebnis?

Donnerstag, 4. Juni 1998, Klassifizieren

Donnerstag, 4. Juni 1998, ID

Donnerstag, 4. Juni 1998, Urlaubsunterbrechung

Donnerstag, 4. Juni 1998, Was wird werden?

Donnerstag, 4. Juni 1998, Bruchteile

Donnerstag, 4. Juni 1998, Aus dem Takt

Freitag, 5. Juni 1998, Leitung

Freitag, 5. Juni 1998, Amtlich verordnetes Warten

Freitag, 5. Juni 1998, Klick

Freitag, 5. Juni 1998, Spende nicht absetzbar

Freitag, 5. Juni 1998, Zusammenkunft in Prof. Dr. Ades Kaminzimmer

Freitag, 5. Juni 1998, Unterschiedliche Stationen

Samstag, 6. Juni 1998, Angekündigt

Samstag, 6. Juni 1998, Übergabe

Samstag, 6. Juni 1998, Abgeschaltet

Samstag, 6. Juni 1998, Freizeichen

Samstag, 6. Juni 1998, Auf Reisen

Samstag, 6. Juni 1998, Rückkehr

Sonntag, 7. Juni 1998, Anna macht sauber

Sonntag, 7. Juni 1998, Spuren

Montag, 8. Juni 1998, Anna wird nicht schlauer

Mittwoch, 10. Juni 1998, Abgeordnete Ratlosigkeit

Mittwoch, 10. Juni 1998, Abwarten

Samstag, 13. Juni 1998, Meldung

Sonntag, 14. Juni 1998, Anna lernt die Praxis ihrer Theorie kennen

Montag, 15. Juni 1998, Die üblichen Verdächtigen

Montag, 15. Juni 1998, In den Spiegel schauen

Dienstag, 16. Juni 1998, Tapetenwechsel

Mittwoch, 17. Juni 1998, Notfallhilfe

Juni 1998, Resteverwertung

Juni 1998, Notfallhilfe 2.0

Samstag, 20. Juni 1998, Abgeholt

Samstag, 20. Juni 1998, Ade verpflichtet

Sonntag, 21. Juni 1998, Sacksammlung

Sonntag, 21. Juni 1998, Sacksammlung 2.0

1998, «Erich Preuß, Eschede, 10 Uhr 59», Seite 40

Juni 1998, Die Bahncard

Juni 1998, Hüllenreste

Juni 1998, Die Bahn kommt

Juni 1998, Medizinische Hilfe

Juni 1998, Klang im Ohr

Juli 1998, Innerer Reichtum

Juli 1998, Schwarzer Tag

Juli 1998, Annas Abschied

Juli 1998, Endlich

Juli 1998, Alles ist gut

Juli 1998, Max´ Geheimnisse

1998 bis ?, Fehlschaltungen

August 1998, Mitgefühl

August 1998, Begegnungen

Donnerstag, 27. August 1998, Parallelwelten

Montag, 26. Oktober 1998, Monotonie singulärer Ereignisse

November 1998, Fragen

Dezember 1998, Weitere Kostenabwehr

Dezember 1998, Promovierte Langsamkeit

Dezember 1998, Sterben muss jeder mal

1998, Weihnachten

Montag, 3. April 1999, Mitteilen

24. Mai 1999, Bis die Schwarte kracht

 

22. Dezember 1999, Selbsthilfe

2000, Koordination

Irgendwann zwischendrin, Universen

Spätestens seit dem 3. Juni 1998, Wiederkehrender Gedanke

2000, Zwischendurchgedanke

Juni 2000, Tote geben keine Interviews

August 2000, Zuviel

Oktober 2000, Licht an!

Oktober 2000, Candlelight-Dinner

11. November 2000, Neue alte Verfahrensweise?

Januar 2001, Entschuldigung des A

2001, Plattform

11. Mai 2001, Einweihung

10. November 2001, Hinterbliebene Geschwister

Februar 2002, Überraschung

Mai 2002, Keine drei Sekunden

Mittwoch, 30. April 2003, Zwischen den Zeilen

Donnerstag, 1. Mai 2003, Anna im Frühling

8. Mai 2003, Wer erfand die Röntgenstrahlung?

8. Mai 2003, Rüge oder Auszeichnung – das ist die Frage

8. Mai 2003, Silvia peilt über den Daumen

Frühling 2004, Kita-Fragen

Herbst 2005, Der Anfang vom Ende

Winter 2006, Ein anderes Ende

2006, Vergleich

2007, Möglichkeiten

2008, Fraglos glücklich

2010, Erkenntnis

2011, Jugend in Arbeit

November 2012, Schlechte Wettervorhersage

Dezember 2012, Jahreswechsel

Dezember 2012, Entscheidungen

Donnerstag, 3. Januar 2013, SMS-Frage an Nina

Januar 2013, Jahresbeginn

Sonntag, 20. Januar 2013, Wo ist Nina?

Montag, 28. Januar 2013, Alles nur geträumt

Mittwoch, 30. Januar 2013, SMS an Nina

Sonntag, 24. Februar 2013, Nina noch verschwunden

Februar 2013, Esc-Taste klemmt

Montag, 25. März 2013, Gefunden

Montag, 3. Juni 2013, Gedanken

Montag, 3. Juni 2013, Vor Ort

Montag, 3. Juni 2013, Ohne Kontakt

Montag, 3. Juni 2013, Gute Fahrt

Montag, 3. Juni 2013, Antrieb

Montag, 3. Juni 2013, Auftrieb

Montag, 3. Juni 2013, Arbeit

Montag, 17. Juni 2013, Das fehlende Wort

Samstag, 22. Juni 2013, Sommerfest

August 2013, Glück

Sonntag, 1. September 2013, Kaminzimmer, Prof. Dr. Ade erinnert sich

Herbst 2013, Umleitung zur Wand

Sonntag, 1. Dezember 2013, Zehnjähriges

Silvesternacht 2013 – 2014, Willkommen

Februar 2014, Fächerbilder

Februar 2014, Auf Treu und Glauben

Februar 2014, Überdimensionierte Postsendung

Februar 2014, Verschlossen

Februar 2014, Gesammelte Werke

Spiegel-Artikel «Ein gewisses Risiko» 8/2001 von Udo Ludwig

Fraunhofer Institut, Gutachten zur Bruchursache des Radreifens vom ICE 884, Unfall vom 03.06.1998 in Eschede, Darmstadt 20. Dezember 1999

Februar 2014, Davids Pandora

Samstag, 15. März 2014, Entbindung

Samstag, 15. März 2014, Sprössling

Sonntag, 16. März 2014, Veränderungen

http://duden.de/rechtschreibung/Opfer, 30.08.2016

Sonntag, 16. März 2014, Dämmerung

Sonntag, 16. März 2014, Terminsache

Donnerstag, 17. April 2014, Hüllenerbe

Donnerstag, 17. April, Vorbereitungen

Karfreitag, 18. April 2014, Plan B

Samstag, 19. April 2014, Übergewicht

Samstag, 19. April 2014, Kopien

Samstag, 19. April 2014, Proviant

Samstag, 19. April 2014, Gedächtnistraining

Samstag, 19. April 2014, Ausgleich

Samstag, 19. April 2014, Übliche Praxis

Samstag, 19. April 2014, Abstellgleis?

Samstag, 19. April 2014, Second Life

Samstag, 19. April 2014, Aufbau

Samstag, 19. April 2014, Wärmende Gedanken

Samstag, 19. April 2014, Rüge

Samstag, 19. April 2014, Erfrischung

Samstag, 19. April 2014, Verjährung?

Samstag, 19. April 2014, Heimweg

Samstag, 19. April 2014, Anklage

Samstag, 19. April 2014, Belege

Samstag, 19. April 2014, Nachweise

Samstag, 19. April 2014, Lesbar

Samstag, 19. April 2014, Gravität

Samstag, 19. April 2014, Note

Samstag, 19. April 2014, Frisch geschnitten

Samstag, 19. April 2014, Rezept

Samstag, 19. April 2014, Werte

Samstag, 19. April 2014, Hochprozentiges

Samstag, 19. April 2014, Abfolgen

Samstag, 19. April 2014, Freie Sicht

Samstag, 19. April 2014, Haltung

Samstag, 19. April 2014, Positionen

Samstag, 19. April 2014, Signale

Samstag, 19. April 2014, Risikobereitschaft

Samstag, 19. April 2014, Anna kommt wieder

Samstag, 19. April 2014, Marionetten

Samstag, 19. April 2014, Vergangenheit?

Samstag, 19. April 2014, Altpapier

Samstag, 19. April 2014, Handlungsreisender

Samstag, 19. April 2014, Befehle

Samstag, 19. April 2014, Schutzvorrichtung

Samstag, 19. April 2014, Zuschnitt

Samstag, 19. April 2014, GmbH

Langenscheidt, Großes Taschenwörterbuch Englisch, 2009 S.1203

Samstag, 19. April 2014, Unmündig

Samstag, 19. April 2014, Es ist angerichtet

Samstag, 19. April 2014, Inszenierung

Samstag, 19. April 2014, Deutsches Mark

Samstag, 19. April 2014, SMS

 

Samstag Mitternacht, 19. April 2014, Glück ist eine Gabe

Anna in Katerstimmung, Freitag 2. Januar 1998

Ergebnisse, Samstag 3. Januar 1998

Training, Mittwoch 7. Januar 1998

Fachinformation für ein Fachblatt, Februar 1998

Auf der Überlegspur, Sonntag 1. März 1998

Lebenslauf, Donnerstag 19. März 1998

Streckenposten, Freitag 20. März 1998

Laufbahn, Freitag 20. März 1998

Angebot, Freitag 20. März 1998

Personalprobleme, Dienstag, 2. Juni 1998

Impressum neobooks

Inhalt

Anna und Max sind sehr verschieden, dennoch passen sie gut zusammen. Sie wollen gemeinsam ein neues Leben beginnen. Anna will ihm etwas sagen. Max will sie etwas fragen. – Dann passiert ein Unfall. Ein Zugunfall in Eschede.

Silvia und Mini erfahren von einem Bahnunfall und machen sich auf die Suche nach Max, ihrem großen Bruder. – Die Geschwister geben sich nichts in ihren Fragen. Mick ist Silvias verlässlichster Freund, und beste Freunde sind manchmal sehr unbequem. – Mick hat so manche passende Antwort. Und dann ist da noch Jan, den Silvia zwar nicht gesucht aber gefunden hat. Schließlich gibt es noch einen Professor, der mit der Justiz spielt, als handele es sich um Marionetten.

Ausgehend von einer realistischen Situation erzählt Iris Wandering in diesem Roman vom Suchen und Finden. Von Tränen und solchen, die im Halse stecken bleiben. Vom Leben und Tod und einem vielfältigen Dazwischen – von freiwilligen und unfreiwilligen Veränderungen. Silvias Erinnerungen sind wie Puzzlestücke, die sich rund um ein Unglück ergeben können.

Die Geschichte hat sich so nie ereignet. Da sich aber manche so darstellen, dass es sie wirklich geben könnte – Handlungen als auch Personen – kann es zusammen mit den Zitaten zu zufälligen Übereinstimmungen kommen.

Ostersonntag, 20. April 2014, Zwischen Küchentisch und Badezimmer

Psst.

Silvia, wieso «Psst»?

Sei nicht so laut. Es ist mitten in der Nacht! Und mach dich nicht so breit.

Warum denn nicht?

Dann kann ich meine Gedanken nicht sortieren. Ich will schreiben.

Ich bin deine Gedanken.

Na, dich will ich jetzt aber nicht. Ich will die anderen. Also mach dich mal dünne. Warte! Eins noch: Wie schreibt man heute das Wort Katastrophe?

Mensch Silvia, du hast wirklich seit den Achtzigern keine einzige Rechtschreibreform mitgemacht?

Nee, wozu denn? Die haben doch immer mal wieder etwas geändert. Also, wie ist das mit der Katastrophe – doch mit f?

Warum hat´s so lange gedauert, dich hierherzubekommen?

Halt! Lass mich doch erst einmal aufwachen und der Stift muss auch noch funktionieren. Also, sei nicht so ungeduldig und fang noch mal von vorne an. Danke!

Okay, okay!

Jetzt sei nicht eingeschnappt.

Bin ich nicht. Fang endlich an!

Ist ja gut! Ist schon schräg genug, wenn mich alle für stumm halten, weil ich sonst nichts sage und noch schräger, wenn die wüssten, mit wem ich rede.

So schlimm ist es nicht. Ein Außenseiter zu sein ist gar nicht so schlecht, da bekommst du interessante Perspektiven auf das Leben.

Soso. – Das Notizbuch ist schon fast voll.

Du hast im Schrank noch mehr davon.

Stimmt.

«Es war einmal ein großer Bruder, der ...»

Nicht so!

Wie dann?

So wies war.

Wie wars denn?

Echt beschissen. Also los und sei authentisch!

Mit den vielen Stimmen im Kopf? Das ist authentisch?

Herzchen! Das sind keine Stimmen, das sind Gedanken!

Also gut. Lieber Gedanke, sei bitte einfach mal still, damit ich anfangen kann.

Okay.

Einige Dinge sind aber so daneben gewesen, die glaubt keiner.

Das Leben schreibt immer noch die besten Geschichten naja, nicht immer die besten, aber die markantesten auf jeden Fall.

Ah so. Hm. «Es war einmal ein großer Bruder.»

Anders! Fang am Anfang an.

An welchem Anfang? Die Erinnerungen hüpfen hin und her. Halbe, ganze und sich wiederholende Gedanken. Da gibts keine lineare Struktur.

Nee, nur den «katastrophalen Strukturunwillen», ich weiß, ich hab Adams auch gelesen. Na gut, dann fang eben mit dem großen Briefumschlag an.

«Das Frühstück ist schon fast beendet ...», sei aber nicht zu still, ja?

Halt den Rand.

Selber. Und wie mach ich das mit der Geschichte vom großen Bruder?

Füg sie einfach ein.

Einfach?

Na, dann eben kursiv.

Was, noch mehr Stimmen?

Das hatten wir doch gerade, das sind Gedanken oder in deinem Fall eben Erinnerungen.

Hm.

Mir ist schlecht.

Das ist das Osterfeuer!

Nein, das ist Magen-Darm!

Echt?

Ich denke schon – jetzt muss ich spucken.

Weil das alles zum Kotzen ist? Jan hat dir doch extra für so etwas die papierumwickelten Dinger besorgt!

Puh, die kriegt ja keiner runter.

Die sollen auch nicht schmecken das ist Medizin!

So wie «Böses muss Böses» vertreiben?

Exakt!

Kanns endlich losgehen?

Klar, bin multitasking. Solls formulieren, trotz Grummeln im Bauch und Gurgeln in der Kehle und ´nem Kerl im Kopf, der alles besser weiß.

Wieso bin ich eigentlich ein Kerl? Hab ich dich nie gefragt.

War immer schon so.

Und wieso heiß ich Mick?

Wegen der Musik.

Aus den Achtzigern bei Sat.1?

Jepp.

Gut!

Also, wie schreibt man heute diese Bewegung von oben herab?

Keine Ahnung. Schreib doch einfach einfacher die haben doch gesagt, dass sie es vereinfachen wollen.

Dann schreibt man jetzt Philosophie mit f und f? Hast du sie noch alle?

Was ist mit dem Ursprung der Spra –

das interessiert doch heute keinen mehr und sind auch kürzere SMS.

Seit wann filosofierst ausgerechnet du per SMS!?

Ruhe jetzt! Und huste nicht so laut! Du weckst ja das ganze Haus auf.

Machst du Witze? Wie soll das denn gehen?

Schreib, dann vergisst du schon den Husten.

Oder er mich.

Verrat mir mal was. Wieso Notizbücher?

Hey, du magst meine analogen Bilder doch! Und solange der Walkman funktioniert ...

Ja, klar.

Also, Ruhe! Das macht mich ganz wuschig, ich soll doch authentisch sein.

Dann musst du aber alles übertragen. Ist das nicht umständlich?

Nö. Dann kann ich dir noch die eine oder andere Gemeinheit dazu in den Mund legen.

Ah ja!? Ich dachte, das seien Erinnerungen.

Sag ich doch! Und jetzt sei still, sonst bist du auch bald eine.

Nur eines noch: Wähle dein Schlachtfeld mit Bedacht.

Oktober 1992, Professor Doktor Ades Semesterbeginn

«Ich bin nicht sonderlich an Geschichte interessiert, ich modelliere sie nur gerne» ist eine der Einleitungen bei seinen Vorlesungen, welche Professor Ade gerne auf diese Weise beginnt und mit einem Lächeln in sein mehr oder seltener auch minder aufmerksam lauschendes Publikum ergänzt.

Das Lächeln umspielt nur wenig mehr als die Lippen, seine klaren grauen Augen erreicht es dabei nicht ganz. Hochaufgeschossen und für jegliche Dinge aufgeschlossen hatte Herr Professor Ade sein Amt vor einem Jahr an der Hochschule angetreten.

Er ist ein Mann, der weiß was er will und wer er ist. Er ist jemand, der – im Gegensatz zu vielen anderen Männern – auch weiß was oder vielmehr wer er nicht sein möchte. Der von ihm mit seiner etwas rauen und dennoch melodischen Stimme in Schwingung versetzte Universitätsraum ist etwas älter, klassisch eingerichtet in Holz mit Holz, und eine gute Ausgangslage für vieles. Oft weiß man zu Beginn nicht wie eine Sache ausgehen wird, denkt er, aber man kann einiges dafür tun, um es in die Richtung zu bringen, die man für sinnvoll erachtet – Dinge die sich rechnen lassen. Er mag es, wenn seine Stimme auch ohne Mikrofon nur mit Hilfe der architektonisch gut durchdachten Akustik noch die hinterste Reihe erreicht.

«Sie werden in diesem Studiengang lernen wie man Dinge lenkt. Aber nur, wenn Sie sich dafür eignen. Sie werden die Geschicke der Staatsorgane wie ein Marionettenspieler in der Hand haben. Nicht, indem Sie sich in der Öffentlichkeit prostituieren, sondern unsichtbar hinter dem grauen Vorhang der Bürokratie im Verborgenen handeln. Bevor die Figuren es bemerken, werden Sie sie bereits bewegt haben. Wenn Sie gut sind, werden Sie Ihre Grenzen erkennen.» Meist hat sein Publikum Mühe, ihm zu folgen. Auch seine leisen Scherze werden leider nicht immer als solche erkannt. Was die Leute im Hörsaal als geistreich unterhaltend empfinden, ist für ihn Alltag, den er mit Freude gestaltet. Vielleicht trifft er den ein oder anderen von ihnen in ein paar Jahren nur in anderem Ambiente wieder. Er hatte schon immer gerne mit Menschen gearbeitet.

Da ist sie wieder: Die Kraft der Rhetorik! Sie ist sein Mittel der Kommunikation. Eine Möglichkeit, mit Sprache zum Verständnis beizutragen. Nichts anderes tut er. Er macht seinem Publikum wirksam seinen Standpunkt klar. Das war schon bei seinem Vater so, er kennt es gar nicht anders. Er geht den Weg unbeirrt fort, den sein Vater so vorzüglich beschritten hat, genau wie sein Großvater zuvor. Er wäre ein Narr, wenn er die Firma nicht weiterführte. Er will in seinem Leben Verschiedenes erreichen. Seine guten Kontakte tun ihr Übriges. Und so hat er schon früh eine Anerkennung als bester Jungunternehmer erhalten und sich damit seine Sporen verdient. Aber das ist nicht das Ziel, eher nur eine Basis, für seine selbstgewählten Aufgaben.

Seine Besuche zu Hause gelten weniger der Familie als der Arbeit des Vaters. Beruflich gesehen sein Vorbild, das er zu überragen gedachte. Nicht wie kleine Kinder spielen oder pokern, und dann verzweifelt jammern, wenn sie das Spiel verlieren.

Überhaupt besteht sein Leben aus Überragendem. Körperlich groß gewachsen, daher auch die Anfertigung der höheren Bergère-Sessel, weil die Originale ihm nicht gerecht werden. Da sind die Fußstapfen des Vaters, die Fürsorge der Mutter und der Neid der Geschwister auf seine klare Vorstellung vom Leben.

Eines seiner Ziele, dem Herausragenden aus allen übrigen, ist ihm dank Fleiß und Ausdauer geglückt. Aber was heißt geglückt? Er hat es gewählt und erreicht. Mehr fühlt er es, als dass er es wirklich weiß – er verlässt sich in diesem Punkt auch auf seine Sekretärin, Frau Zett, und ihre Quellen – weit geachtet sei er, manches Mal auch gefürchtet, weit gekommen und von allem weit weg, so wie er es immer wollte. Was ihm guttut, ist auch für andere gut. Auch wenn es manchmal etwas einsam um ihn herum ist, so bindet ihn bisher doch nichts an eine Art Stammtisch oder Ähnliches. Er ist lieber mit sich allein, als dass er einsam unter vielen Menschen sich Situationen anpassen muss, die andere ihm vorgeben.

Etwas mehr Beachtung könnte er seinen eigenen Ideen allerdings schenken, fühlt er. Vielleicht ergibt sich so nach und nach die Möglichkeit, es sich beruflich etwas bequemer machen zu können. Für ihn werden sich die Gelegenheiten bieten. Man ist, was man denkt. Und er ist gut, sehr gut sogar.