Laufen lieben lernen

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Laufen lieben lernen
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Für alle, die ihr Leben

positiv verändern möchten!


Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Warm-up: Der Beginn einer großen Leidenschaft

Ich weiß nicht wie, aber ich werde es schaffen

Nie wieder! ODER doch?

Step 1: Aller (Lauf-)Anfang ist steinig und schwer… – muss er aber nicht!

Ziele setzen und erreichen

12 Facts, die du als Laufanfänger wissen und beachten solltest

Das nötige Equipment

Die Spannung steigt: Dein Laufbeginn naht

Trainingsplan für Anfänger, sportlich Aktive und Wiedereinsteiger

Dehnen ist der erste Schritt zur Regeneration

Faszienrolle: Schmerzhaft, aber effektiv

Strategien gegen Spaßverderber

Step 2: Einfach(!) leichter Laufen – welche ist die für dich optimale Lauftechnik?

Das wichtigste vorneweg: Langsam laufen!

Welche ist die optimale Laufhaltung?

Die Arme sind ein wichtiger Bestandteil des Laufens

Wie setzt du deine Füße auf?

Wie kann ich einen flachen Fußaufsatz erreichen?

Wie laufe ich kraftschonend im hügeligen Profil?

Step 3: Höher, schneller weiter: Wie entwickle ich mich clever weiter?

Wie schaffe ich es, längere Strecken zu laufen?

Wie kann ich meine Geschwindigkeit erhöhen?

Wie schnell ist schnell? In welchem Tempo soll ich laufen, ohne mich zu unter- oder überlasten?

Wie bringe ich mehr Abwechslung in mein Lauftraining?

Wie schütze ich mich vor Überlastungen?

Cool-down: Nach dem Lauf ist vor dem Lauf

Danke!

Laufbücher

Autorin

„Etwa schon wieder ein neues Laufbuch?“

Genau das war auch mein erster Gedanke!

Ursprünglich war dieses Buch als Handout für meine Anfänger-Laufgruppen gedacht. Doch beim Schreiben nahm das Manuskript immer weiter an Umfang zu, so dass ich mich spontan dazu entschied, es allen interessierten Laufanfängern und Wiedereinsteigern oder auch den Läufern zugänglich zu machen, die auf der Suche nach neuen Inspirationen sind.

Es geht mir in diesem Buch nicht darum, einen Superläufer mit einem stilistisch perfekten Laufstil aus dir zu machen. Es geht auch nicht um Tempo oder das Erreichen toller Finisherzeiten – dafür gibt es genügend andere Bücher. Vielmehr ist es mein Anliegen, dich bei deinem individuellen Laufeinstieg zu unterstützen und dir die nötigen Impulse zu liefern, deinen Körper verstehen und lesen zu lernen. Ich möchte dir aufzeigen, mit welchen kleinen Tricks du leichter laufen kannst, damit du dir dauerhaft den Spaß daran erhältst. Und dir außerdem nahebringen, welche Fehler man aus Unwissenheit begehen kann – und wie du diese geschickt vermeidest. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung, daher schildere ich dir zu Beginn meine ganz persönlichen Lauferfahrungen.

Kurzum: Mein Hauptziel ist es, dir die Freude, Begeisterung und Glückseligkeit nahezubringen, mit denen das Laufen dein Leben bereichern kann. Das hört sich jetzt vielleicht etwas schwülstig an – ist aber so.

„Laufen lieben lernen“ ist keine Laufbibel. Es umfasst auch nicht jeden einzelnen Aspekt des Laufens bis ins kleinste Detail, denn ich bin weder als Ärztin, Physiotherapeutin noch als Ernährungsberaterin tätig. Ich schreibe hier über meine ureigensten Erfahrungen als Lauftrainerin und (Ultra-)Läuferin. Ich berichte, wie ich die Freude am Laufen entdeckte und einen steinigen Weg gehen musste, bis sie sich als Liebe meines Lebens entpuppte. Wenn du dieses Buch in den Händen hältst, stehst du möglicherweise genau vor demselben Schritt, den ich vor 20 Jahren gegangen bin: Du willst mit dem Laufen anfangen und weißt gar nicht genau, wie. Weil es mir genauso erging, bin ich mir sicher, dass ich deine Herangehensweise an den Laufsport, deine Bedenken, Motive und möglichen Widerstände aus einem anderen Blickwinkel betrachten und darauf eingehen kann, als ein Profiläufer dazu in der Lage wäre, der womöglich bereits als Kind mit der Leichtathletik begonnen und daher schon früh eine Karriere als Profisportler eingeschlagen hat. Ich weiß, was es heißt, dran zu bleiben, auch wenn es scheinbar kein Vorankommen gibt. Ich weiß, was es heißt, sich trotz eines stressigen Bürojobs zum Laufen aufzuraffen und Rückschläge einzustecken. Aber ich weiß auch, wie es sich anfühlt, den Flow und die Leichtigkeit des Laufens endlich für sich zu entdecken.

Ich berichte in diesem Buch über meine Erlebnisse aus zwei Jahrzehnten Langstreckenlauf – vom Halbmarathon und Marathon über den Ironman bis hin zu Ultraläufen mit einer Streckenlänge von bis zu 168 Kilometern nonstop. Ich weiß, wie wichtig es ist, möglichst effektiv, kraftsparend und verletzungsfrei zu laufen, um selbst einen Ultralauf genießen zu können. Und ich schreibe über Erfahrungen aus meinem Coaching mit vielen Laufanfängern, die mit den gleichen Unsicherheiten und Fragen konfrontiert werden, wie du vielleicht gerade. Ich verzichte hier bewusst auf zu viele Fachbegriffe und langatmige wissenschaftliche Erklärungen, denn genau das hat mich bei meinem Laufbeginn in vielen Büchern am meisten gestört. Damals wollte ich einfaches praktisches Wissen, das ich direkt in die Tat umsetzen konnte und mich durch keine theoretischen Grundlagen quälen. Aus diesem Grund habe ich die Kapitel von „Laufen lieben lernen“ mit vielen Praxistipps gespickt. Bitte versuche, alle Übungen mindestens einmal zu absolvieren, und übernimm die in dein Lauftraining, die sich für dich gut und richtig anfühlen.

Dieses Buch soll dir ein Anreiz sein, das Abenteuer Laufen zu beginnen. Es soll dich dabei unterstützen, deinen eigenen Laufstil zu finden – und vor allem zu fühlen – sowie dir das nötige Rüstzeug geben, um dauerhaft die „Leidenschaft Laufen“ zu leben.


Warm-up: Der Beginn einer großen Leidenschaft

Früher habe ich das Laufen gehasst. Okay, das ist vielleicht etwas krass ausgedrückt – aber im Prinzip war es viele Jahre so, dass ich zwar gelaufen bin, aber das Laufen an sich überhaupt nicht mochte. Ich lief, weil meine Kolleginnen der Universitätsbibliothek Kaiserslautern, in der ich damals arbeitete, einen Lauftreff ins Leben gerufen hatten. Also schloss ich mich an und lief mit – damit wir uns treffen und miteinander reden konnten, aber nicht um des Laufens willen. Später lief ich, weil ich einen Typen in einer anderen Laufgruppe süß fand und ihm dadurch nah sein konnte (dass er das nie bemerkt hat und Jahre später aus allen Wolken fiel, als ich im davon erzählte, ist eine ganz andere Geschichte…). Und ich lief, weil meine Freundin Christine mich immer wieder dazu drängte. Aber ich lief nie aus eigenem Antrieb. Das Laufen hat mich einfach nicht weiter interessiert. Ich lief, weil man dies damals eben so tat, weil das Laufen irgendwie in Mode kam. Aber nicht, weil ich es unbedingt wollte und Spaß daran hatte. Ich weiß noch genau, wie eine Kollegin mir erzählte, dass sie demnächst beim Berlin Marathon starten würde. Ich sagte Dinge wie: „Ah, wie toll“ und: „Viel Spaß dabei“. Aber im Grunde berührte mich das kaum. Das war Mitte der 1990er Jahre.

 

Anfang 1999 zog ich aufgrund eines Jobangebotes nach Frankfurt am Main. Ich kündigte meinen Beamtenjob und war nach meinem nebenberuflichen BWL-Studium in die Frankfurter Finanzbranche gewechselt. Ein Traumjob, wie ich anfangs dachte. Eineinhalb Jahre später war ich eines Besseren belehrt. Da stand ich nun, war immer gestresst, hatte ein paar Kilo zu viel auf den Hüften, diverse gescheiterte Beziehungen und außer meinen Bürokollegen keine wirklichen Freunde in unmittelbarer Nähe. Kurzum: Ich war richtig unzufrieden mit mir, meinem Körper und meinem Leben. Wenn ich heute eingehender darüber nachdenke, stand ich mit ziemlicher Sicherheit kurz vor einer Depression. Ich trank ein wenig zu viel Alkohol, heulte ein wenig zu oft bei den kleinsten Anlässen, hatte keinerlei Antrieb und stopfte ein wenig zu viel Junkfood in mich hinein. In Kaiserslautern war ich abends oft mit Freunden unterwegs, war jahrelang regelmäßig ins Sportstudio gegangen, hatte alle möglichen Fitnesskurse besucht und Squash gespielt, aber in Frankfurt waren mir die Angebote zu teuer und der zeitliche Aufwand schlichtweg zu groß. Wie sollte das auch funktionieren, nach einem stressigen 10-Stunden-Tag im Büro? Wer konnte sich da schon noch aufraffen? Doch als die Not schließlich immer größer und die Zahl auf der Waage immer höher wurde, fiel mir irgendwann das Laufen wieder ein...

Es war ein Sonntag, als ich meine alten Laufschuhe herauskramte – oder das, was ich damals für Laufschuhe hielt – und einfach mal loslief. Ich schnaufte schwer, schaffte es kaum bis zum nahegelegenen Fluss (das sind immerhin satte 500 Meter!) und wechselte ziemlich schnell und mit hochrotem Kopf in den Geh-Modus. Ich war schockiert! Wo war meine Fitness geblieben? Früher konnte ich aus dem Stand heraus immer eine Stunde am Stück laufen, doch nun schien meine komplette Kondition dahin. X-mal versuchte ich an diesem Tag, in einen lockeren Trab zu fallen, doch immer wieder musste ich nach kürzester Zeit kapitulieren und völlig außer Atem ein Stück gehen. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Nach 30 Minuten gab ich auf und schlich völlig deprimiert nach Hause.

Nach dem ersten Schock hatte die Aktion jedoch eines geweckt: meinen Ehrgeiz. Es konnte doch wohl nicht wahr sein, dass ich innerhalb so kurzer Zeit meine komplette körperliche Fitness verloren hatte!? Das war ein riesiges Desaster! Ich war damals Ende 20 und hatte die Kondition einer Couchpotato. Das musste sich ändern - und am besten sofort! Doch ganz so einfach ging es dann doch nicht, und es war ein hartes Stück Arbeit, mich mit Laufen und Gehen im Wechsel wieder auf Trab zu bringen. Schritt für Schritt steigerte ich mich, und nach ein paar Wochen schaffte ich es immerhin, wieder eine Stunde am Stück durchzulaufen. Wenn auch sehr, sehr langsam. Aber das war mir egal. Die 60-Minuten-Hürde war geschafft, und das machte mich sehr stolz. Doch was jetzt? Nach ein paar weiteren Monaten spürte ich, dass ich ein neues Ziel brauchte, um mich weiterhin zu motivieren. Und so fragte ich mich, ob es denn nicht möglich sei, einfach mal 90 Minuten am Stück zu laufen? Als ich dies bewältigt hatte, war ich glückselig. Doch irgendwann wollte ich den nächsten Schritt wagen und wissen, wie es wohl wäre, die 2-Stunden-Marke zu knacken. Dabei ging es mir nicht darum, eine gewisse Strecke zurückzulegen, sondern einfach nur, 2 Stunden im Laufschritt auf den Beinen zu sein. Das war eine ziemlich große Sache. Aufgeregt lief ich früh am Morgen los und wählte ein sehr, sehr gemächliches Tempo. Doch es lief nicht wie erwartet. Mehrmals zweifelte ich an der Sinnhaftigkeit der Unternehmung. Kein Mensch musste 2 Stunden laufen können, kam mir in den Sinn. Eine Stunde reicht doch vollkommen aus, bereits das war doch schließlich mehr, als der Durchschnittsdeutsche schaffte… Ich könnte jetzt einfach umkehren, heimlaufen, und niemand musste je von meinem „Scheitern“ erfahren… Und ich hätte es damals wirklich als ein Scheitern empfunden. Zuhause könnte ich schön auf der bequemen Couch sitzen und meinen Kaffee genießen… Ganz in Ruhe. Und vor allem auch die Beine hochlegen! Meine Gedanken gingen kreuz und quer, und ich weiß nicht warum, aber irgendwie hielt ich an diesem Morgen durch. Ich wollte mir einfach nur beweisen, dass ich es konnte. Und tatsächlich: Zu meiner eigenen Verwunderung schaffte ich es, die kompletten 120 Minuten durchzuhalten. Mann, war ich da stolz auf mich! Dabei war es weniger eine körperliche als eine mentale Herausforderung. Zudem hatte ich etwas bewältigt, was Monate zuvor noch unvorstellbar erschien. Ich war nicht schnell, aber ich hatte mein persönliches Ziel erreicht – und dabei immerhin 14 Kilometer zurückgelegt. Noch im Freudentaumel kam der Gedanke auf: Du kannst alles schaffen, wenn du es nur wirklich willst – und hart dafür arbeitest! Mit anderen Worten: Ich hatte plötzlich das Gefühl, die ganze Welt stehe mir offen.

Spätestens da hatte mich das Lauffieber gepackt. Ich abonnierte Laufzeitschriften und wechselte von meinen alten Puma-Hallenschuhen zu richtigen Adidas-Laufschuhen – dem Cairo, den ich mir damals für unglaubliche 90 D-Mark leistete. Aber es hatte sich noch weitaus mehr verändert: Ich war viel ausgeglichener, weniger gestresst und konnte besser schlafen. Ich fand auch meinen „alten“ Antrieb wieder und den Spaß an der Arbeit. Das Laufen war zudem zu einer Art Meditation für mich geworden, die mich auf eine gewisse Art „erdete“. Nach 3 Tagen ohne Bewegung wurde ich unruhig, irgendwas fehlte, und ich spürte, dass es mich in die Natur zog. Nicht unbedingt der Anstrengung wegen, sondern weil ich einfach mit mir alleine sein konnte. Weil ich mich beim Laufen frei und unbeschwert fühlte.

Dass ich in dieser Zeit auch wieder mein altes Gewicht erreichte, war nur einer von sehr, sehr vielen positiven Nebeneffekten. Ich konnte plötzlich essen was ich wollte – und das mit vollem Genuss.

Ich weiß nicht wie, aber ich werde es schaffen

Es muss irgendwann im Frühsommer 2002 gewesen sein, als ich in der Zeitschrift Runners World einen Laufbericht von Manfred Krämer über seine Teilnahme am 73 km langen Rennsteiglauf in Thüringen las. Dieser Artikel war wie eine Initialzündung. Ich fieberte mit, als der Startschuss fiel, litt, als er sich über die Strecke quälte und freute mich am Ende mit Tränen in den Augen über seinen erfolgreichen Zieleinlauf. Mir war plötzlich glasklar: Genau das möchte ich auch! Ich will genau diese Emotionen spüren! Möchte eine – für mich – unvorstellbar lange Strecke in Angriff nehmen, wenn es sein muss dafür leiden, mich dennoch durchbeißen und am Ende mit Tränen der Freude, des Stolzes und der Erschöpfung belohnt werden. Wie herrlich musste sich das anfühlen? Welch gigantische Erfahrung musste das sein? Ich malte mir das in den schönsten Farben aus - und nur einen Tag später meldete ich mich für den Frankfurt Marathon an.

Der folgende Abschnitt ist keinesfalls zur Nachahmung empfohlen. Ich möchte dennoch meinen Weg und meine Erfahrungen hier niederschreiben. Vor allem auch, um zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich vernünftig mit der Materie zu befassen, bevor man große Ziele in Angriff nimmt. Verstehe mich nicht falsch: Große Ziele sind wichtig! Aber sie sollten auch einigermaßen realistisch sein. Ich sehe heute immer wieder, dass Läufer viel zu schnell viel zu viel wollen – häufig von den vielen Erfolgsgeschichten auf allen möglichen Social-Media-Kanälen angetrieben. Viele scheitern und verlieren damit den Spaß an der Sache oder verletzen sich ernsthaft und können teilweise monatelang überhaupt nicht mehr laufen. Dieses Buch soll dabei helfen, einen vernünftigen Start in ein langes und erfülltes Läuferleben zu schaffen. Dazu gehört auch, dass du deinen eigenen Körper kennst und lernst, auf seine Signale zu hören.

An dieser Stelle will ich nochmal meine damalige Situation beschreiben: Ich lief zu diesem Zeitpunkt seit etwa 2 Jahren regelmäßig 3 bis 4 Mal pro Woche, jeweils 30 bis 60 Minuten – einfach so zum Spaß. Ich hatte keinerlei Wissen von einem vernünftigen Trainingsaufbau, geschweige denn von Kraftübungen, Lauf-ABC, Dehnen oder Regeneration. Ich machte mir null Gedanken über Lauftechnik, war in keinem Verein und hatte weder einen Lauftrainer noch kannte ich jemanden, der damals einen Marathon lief und von dessen Wissen ich hätte profitieren können. Wenn ich es recht bedenke, hatte ich mir auch noch nie einen Marathonlauf angeschaut – weder live noch im Fernsehen. Kurzum, ich hatte nicht die geringste Ahnung davon, wie ein Marathon funktionierte. Aber ich hatte etwas anderes: Den unbändigen Willen, einen Marathon zu schaffen, um den unbändigen Stolz zu spüren, wenn ich die Ziellinie erreichte. Ich brannte förmlich für diesen einen Augenblick.

Ich weiß nicht, was mich im Leben noch alles erwartet. Aber ich weiß, was ich erreichen möchte, und dafür werde ich kämpfen.“

Es ist natürlich nicht so, dass ich mich damals nicht auf den Marathon vorbereitet hätte. Mit dem Buch „Perfektes Marathontraining“ von Herbert Steffny hatte ich einen Leitfaden zur Hand, mit dem ich mein Training strukturierte. Ich lief zur Vorbereitung ein 10-km-Rennen und absolvierte das erste Mal in meinem Leben einen Halbmarathon. Dennoch beging ich aus Unwissenheit einfach viel zu viele Anfängerfehler. Der größte war wohl, dass dieser Marathon ein paar Monate, wenn nicht gar 1 bis 2 Jahre, zu früh für mich kam. Mein Körper war noch nicht bereit, eine solch lange Ausdauerleistung vernünftig wegzustecken – konnte es nach der kurzen Zeit auch noch gar nicht sein. Aber davon wollte ich damals natürlich partout nichts hören. Ich trainierte so gut es ging und fieberte meinem „großen Tag“ entgegen. Um den Druck auch von außen weiter zu erhöhen, erzählte ich jedem, der es hören wollte, von meinem bevorstehenden Marathon. So wusste ich, dass ich auf keinen Fall einen Rückzieher machen konnte und ich mich durchbeißen würde, selbst, wenn es hart auf hart käme. Was sollte mir auch schon passieren? Schließlich war ich nach meinem Gefühl top vorbereitet und mental sowieso schon längst im Ziel meiner Träume eingelaufen.

Doch es kam, was kommen musste: 4 Tage vor dem Start wachte ich morgens mit leichtem Fieber, Halsweh sowie Kopf- und Gliederschmerzen auf. „Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, schimpfte ich immer wieder vor mich hin. Wieso werde ich ausgerechnet jetzt krank?! Dass dies eine Reaktion des Körpers sein kann, der nach einer ungewöhnlich harten Trainingsphase an den Ruhetagen vor dem Start nun endlich die langersehnte Auszeit nutzte, wusste ich damals noch nicht. Ich versuchte mit allen Mitteln (und Medikamenten), das Fieber zu bekämpfen. Damit beging ich einen weiteren Anfängerfehler: Ich lief einen Marathon, obwohl ich zum Start nicht zu 100 Prozent fit und leistungsfähig war. Aber eine Absage kam für mich keinesfalls in Frage. Schließlich „fieberte“ ich im wahrsten Sinne des Wortes seit Wochen auf diesen Tag hin. Ich hatte jedem von diesem bevorstehenden Ereignis erzählt. Jetzt zu kneifen, wäre mir peinlich gewesen. Sätze, wie: „Ha, wohl kalte Füße gekriegt...?!“, wollte ich mir nicht anhören müssen.

Kurzum: Es kam mir in keiner Sekunde in den Sinn, den Start wegen eines leichten Fiebers abzusagen. Wer macht denn sowas? Und was wusste ich damals schon von Langzeitschäden oder einer Herzmuskelentzündung…? Mein Körper streikte, und ich fühlte mich schlapp. Bei jeder kleinsten Belastung schwitzte ich ungewöhnlich stark und schaffte es kaum, Treppenstufen ohne Pause hochzusteigen. Das hätte mir eigentlich Warnung genug sein sollen. Zu allem Übel hatte auch noch der Wettergott keinerlei Erbarmen mit uns Läufern: Orkanböen mit bis zu 115 km/h waren vorhergesagt. Und strömender Regen. Wer nicht unbedingt vor die Tür musste, sollte an diesem Sonntag besser zuhause bleiben, hieß es. Das galt aber natürlich nicht für mich – ich musste raus, ich musste ja meinen ersten Marathon laufen!

Wenn ich heute über meinen ersten Start nachdenke, kann ich nur noch den Kopf schütteln. Ich trug viel zu viel Ballast mit mir: meinen Lippenpflegestift, ein komplettes Päckchen Taschentücher und – sicher ist sicher – eine Trinkflasche mit 0,5 l Wasser. Auf den ersten Kilometern konnte ich den Lauf total genießen und wunderte mich noch, als sich mein Laufnachbar bei Kilometer 10 übergeben musste. Mir hingegen ging es gut, ich genoss den Trubel an der Strecke, die Menschen und die Musik. Die Zuschauer jubelten mir zu: „Iris, du schaffst das“ und “das sieht gut aus“ - und mehr als einmal überzog mich eine feine Gänsehaut. Ab Kilometer 15 spürte ich allerdings so langsam, wie die Anstrengung in meinen Körper kroch. „Das geht gleich wieder“, versuchte ich, mich aufzumuntern. Doch weit gefehlt. Von da an ging es immer weiter bergab, und beim Halbmarathon war der Spaß komplett vorbei. „Warum mache ich das?“, fragte ich mich mehr als einmal. „Ich will heim!“ war nur noch mein einziger Gedanke. Als wir dann durch Nied liefen, den Stadtteil, in dem ich wohne, sah mir wohl auch ein weiterer Läufer meine Qualen an und sagte: „This is called the wall!“ Ich nickte nur, doch irgendwie half mir das jetzt auch nicht weiter. Ich hatte einiges über den „Mann mit dem Hammer“ gelesen, der irgendwann auftauchen sollte, aber mit ihm umzugehen, dafür hatte ich keine Strategie. Irgendwann war ich so geschwächt, dass ich immer wieder gehen musste. Und so wanderte ich schließlich die Marathonstrecke entlang, begann zwar immer wieder kurz zu traben, aber nur, um dann erneut kraftlos in den Gehschritt zu wechseln. Zusätzlich musste ich mich ständig gegen den Sturm stemmen sowie fallenden Straßensperrungen ausweichen oder den Trinkbechern, die zu Hunderten von den Verpflegungstischen auf die Straße geweht wurden. „Ich hätte nie gedacht, dass Marathonlaufen so anstrengend ist“, sagte ich hilflos zu einem anderen Läufer. „Doch, das ist es!“, stöhnte dieser. „Das ist mein dritter Start, und es ist jedes Mal die Hölle!“

 

Frankfurt Marathon im Oktober 2002: Diese Hölle hatte glücklicherweise einen Ausgang. Nach über 5 Stunden im Ziel meines ersten Marathons.

Doch diese Hölle hatte glücklicherweise einen Ausgang. Als ich eine Stimme aus dem Lautsprecher sagen hörte: „Iris, jetzt sind es nur noch 600 Meter!“, spürte ich eine unglaubliche Erleichterung. Nach 5 Stunden und 2 Minuten erreichte ich unter Einsatz meiner allerletzten Kräfte die langersehnte Ziellinie. Kamen jetzt die großen Emotionen hoch, war ich voller Freude, Euphorie und unbändigem Stolz? Nein. Ganz im Gegenteil. Ich überquerte die Ziellinie und heulte erst einmal jämmerlich. So fertig war ich. Mit meinen Nerven vollkommen am Ende. Aber auch irgendwie enttäuscht darüber, dass ich den Lauf überhaupt nicht genießen konnte und mir nun jedes einzelne Körperteil höllisch weh tat. Alles schien im Eimer: meine Beine, die Knie, die Sprunggelenke und – am allerschlimmsten – mein gesamter Rücken. In meinen Vorstellungen sollte der Frankfurt Marathon ein einziger Triumphlauf sein. Doch auf ein Runners High wartete ich während dieser kompletten 5 Stunden vergeblich. Ich fühlte mich vollkommen leer, war froh, dass ich noch lebte und wollte nur noch nach Hause. Und eines wusste ich dabei mit absoluter Sicherheit: nie, niemals wieder!!

Die Erschöpfung und die Enttäuschung über meinen ersten Marathon standen mir deutlich ins Gesicht geschrieben.

Auch am nächsten Tag hielt sich meine Euphorie über den erfolgreichen Marathonlauf in Grenzen. Beide Füße waren so dick geschwollen, jede einzelne Zelle meines Körpers tat so unendlich weh, dass ich mich schon darüber freute, überhaupt aus dem Bett aufstehen und humpelnd ein paar Schritte zurücklegen zu können. Und das sollte sich auch so schnell nicht ändern. In den folgenden 6 Wochen war an Laufen überhaupt nicht zu denken, so sehr schmerzten nach wie vor meine Knöchel, so mühsam war jeder Schritt. Danach dauerte es weitere 6 Wochen, bis ich auch vom Kopf her wieder dazu in der Lage war, wenigstens 5 Kilometer am Stück zu laufen. Oh Mann, das hatte ich mir alles ganz anders vorgestellt!

Warum berichte ich hier von meinen Qualen? Sollte ich in einem Buch für Anfänger nicht lieber zum Laufen animieren – und von dessen Freuden und Vorteilen schreiben? Was ich allen Laufanfängern mit auf den Weg geben möchte, ist: Laufen ist der schönste Sport der Welt. Aber man kann auch sehr, sehr, sehr viele Fehler dabei begehen. Insbesondere am Anfang. Dann, wenn man übermotiviert ist und in kurzer Zeit zu viel erreichen möchte. Dann nämlich kann das Laufen auch sehr schädlich sein. Nicht nur für Bänder, Sehnen und Gelenke, sondern auch für das gesamte Herz-Kreislauf-System. Ich möchte mit diesem Buch bewirken, dass DU deine ganz eigene Leidenschaft für das Laufen entwickeln kannst. Finde deinen eigenen Sinn darin, den Spaß und die Liebe dafür. Lies‘ von meinen ganz persönlichen Erfahrungen, und lerne, den für dich richtigen Weg einzuschlagen. Setze dir gerne hohe Ziele, doch sollten sie immer im Bereich des Machbaren liegen - und vor allem mit deiner individuellen Leistungsfähigkeit gesundheitlich unbedenklich erreichbar sein.