Wellen meines Lebens

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Das taten wir auch. Ich kletterte die Feuerleiter runter, die Jungs standen Schmiere. In seinem Zimmer spielten wir dann einige Zeit. Dann meinte er, er wollte uns „Turteltäubchen“ mal alleine lassen und eine rauchen gehen. Er ging auch, aber er schloss uns ein. Ich bekam Panik, musste ich doch pünktlich zur Frühschicht da sein.

Nach kurzer Zeit kam er aber wieder und dachte, uns dann in einer bestimmten Position vorzufinden. Aber wir hatten den Braten schon gerochen und uns nur unterhalten. Er war enttäuscht und erntete von Frank erst mal eine ordentliche Standpauke.

Nach unserer Verlobung, wir waren nun schon beide 18 Jahre alt, wollten wir gemeinsam in den Urlaub fahren. Wir suchten uns Güstrow aus. Dort gab es einen sehr schönen Badesee. Ich schrieb meiner Tante, ob wir bei ihr übernachten könnten und dann Güstrow kennenlernen. Das Barlachmuseum und das Güstrower Schloss waren auch sehr interessante Sehenswürdigkeiten.

Sie sagte zu. Wir fuhren mit seinem Moped nach Güstrow. Viel Gepäck brauchten wir nicht, denn es war ja Sommer und sehr warm.

Nicht schlecht staunten wir dann, als meine Tante uns getrennte Schlafplätze zuwies. Wir wären ja nicht verheiratet und vorher schickt sich so was nicht. In welchem Jahrhundert lebte sie???

Na, wir hatten trotzdem eine schöne Zeit in der Barlachstadt.

Die Fahrerlaubnis

Meine erste „Wohnung“ nach meinem Auszug aus dem Internat und meinem Lehrende bekam ich im sogenannten „Schweizerhaus“. Es war auch eine Dienstwohnung.

Ich zog dann mit Frank zusammen. Das Zimmer war ca. 20 qm groß und im Dachgeschoss. Es lebten noch mehrere Melker in dem Haus. Toilette und Bad/Dusche waren zur gemeinsamen Benutzung auf dem Flur. Ein Nutzungsplan teilte Zeit für die Körperpflege ein. Für die Reinigung der Flure und der sanitären Anlagen war jeder einmal an der Reihe. Die Wege zum Pferdestall und auch zum VEG waren nicht weit.

Ich hatte mich nun für die Fahrerlaubnis angemeldet. Dafür musste ich dann immer mit dem Rad 16 km in die nächste Stadt fahren. Nach 2 Jahren Jungfacharbeiter wurde ich vom Direktor des VEG zum Meisterlehrgang vorgeschlagen. Da ich sowieso schon lange eine Meisterstelle im FGM bekleidete, wäre es fair, dass ich dafür auch die angemessene Bezahlung erhielt. Die Ausbildung würde 2 Jahre in Anspruch nehmen und an der „Akademie für Landwirtschaften“, ca. 20 km von meiner Wohnstatt, stattfinden, 3 Tage pro Woche. Für die Zeit wäre ich dann von der Arbeit befreit. Das VEG übernahm die Kosten. Ich musste mich aber schriftlich für 3 Jahre nach dem Abschluss zum Arbeiten im VEG verpflichten, ansonsten müsste ich die Kosten ersetzen. Das war ein guter Deal. Und so fing eine sehr schwere Zeit für mich an. Die theoretische Fahrprüfung bestand ich auf Anhieb. Danach kam dann das Fahren im Fahrsimulator. So etwas kannte ich nun gar nicht. Man saß auf einem Fahrersitz, neben sich die Knüppelschaltung, vor sich alle Armaturen wie in einem richtigen Pkw und auch die Handschaltung. Dann lief ein Film vor einem ab, man kam sich vor wie im richtigen Straßenverkehr und musste dann reagieren wie im richtigen Verkehr. Im Anschluss fand auch hier eine Prüfung statt. Hatte man diese bestanden, ging es auf die sogenannte „Idioten-Wiese“. Ein durch Zäune abgeteiltes Gelände von ca. 600 qm war mit Schildern und Kettenständern ausgefüllt. Geübt wurde hier mit ausrangierten Trabanten, die eine Metallumrandung, ähnlich denen von Ranger-Fahrzeugen, hatten.

Es wurde Fahren nach Vorfahrtsregeln, synchrones Anfahren und Halten, Einparken in jeglicher Richtung geübt. Sobald die Ketten sich bewegten, wäre es im wahren Verkehr ein Crash gewesen. Auch da musste eine Abschlussprüfung absolviert werden, bevor es dann in den „echten“ Straßenverkehr mit einem Fahrschulwagen ging. Nun war das Problem, dass auf der „Idioten-Wiese“ nur mit Trabanten geübt wurde. Im Straßenverkehr wurde mit 353 Wartburg gefahren. Da war zwar auch Handschaltung, aber entgegengesetzt zur Trabant-Schaltung. Das war schon eine Umstellung. Nach einigen Fahrstunden kam dann die Abschlussprüfung. Am Freitag dem 13.01.1981 saß ich im Wartburg 353. Zuvor hatte es mächtig geschneit. Die Räumfahrzeuge hatten den Schnee zu großen Haufen an die Straßenränder geschoben. Ich war ja schon immer abergläubisch, was den 13. Anging, und hatte an dem Tag auch ein schlechtes Gefühl. Als dann auch noch der „Gewitterregen“ von „Karat“ im Radio spielte, bekam ich schon kalte Füße. Und so musste es dann auch kommen. Kurz vor dem Ende geriet ich in eine Schneewehe am Straßenrand. Ich versuchte noch, gegenzulenken, aber der Spiegel verabschiedete sich am Absperrgeländer. Um dann einen weiteren Abstand zu den Geländern zu halten, schnitt ich die nächste Kurve, die dann kam. Gott sei Dank kam mir keiner entgegen. Aber der Prüfer nahm mir das sehr übel. Und er ließ mich durchfallen. Der Fahrlehrer machte mich am Ende dann wegen des kaputten Spiegels noch total runter. Und das war’s dann. Völlig deprimiert und in Tränen aufgelöst kam ich nach Hause. Aber die Nachprüfung bestand ich dann mit Bravour. Da war ich dann sehr glücklich.

Zur Meisterschule nahm mich ab und zu immer mal ein Kollege mit dem Motorrad mit. Frank und ich trugen uns mit dem Gedanken eines Autokaufes. Die Fahrpraxis zu verbessern, ist ein großes Muss, wenn man die Fahrerlaubnis bestanden hat.

Auch wollte ich dann auch allein zum Meisterlehrgang fahren.

Wir hatten gerade einen Umzug in eine etwas bessere Wohnung hinter uns gebracht.

Den Speicher kannte ich ja schon aus der Lehrlings-Zeit. Nun bekam ich mit einer Kollegin, die in der Gegenschicht arbeitete, eine Wohnung. Wir teilten uns eine Küchennische und eine Toilette. Auf dem Flur gab es Nasszellen, in denen man Duschen und Wäschewaschen konnte. Das war dann pro Person, also jeder hatte so eine Zelle für sich privat. Mit dem Schlafen war es etwas schwierig, da sie ein großer Freund des Feierns war und es dann so manchen Abend etwas laut zuging, was unserem Verhältnis nicht gerade zugetan war. Auch hatte sie so ihre eigene Vorstellung von Sauberkeit und Hygiene. Wenn sie am Wochenende nach Hause zu ihren Eltern fuhr, kam mir so manches Mal der Schimmel aus den Töpfen unter dem Deckel vor. Ekelhaft. Wenn ich sie darauf hinwies, dass auch ich die kleine Küche benutzen musste, erntete ich nur hämisches Lächeln. Aber ich hatte schon Aussicht auf eine baldige bessere Wohnung. Darum schluckte ich alles runter und regte mich nicht auf.

Das erste Auto

Wir suchten die Zeitungsinserate nach einem billigen Trabant. Frank hatte während seiner Armeezeit auch die Möglichkeit gehabt, die Fahrerlaubnis zu erwerben. Nun waren wir also beide in der Lage, ein Auto zu fahren. In einem Dorf, ca. 10 km von unserem entfernt, wurden wir fündig. Ein blauer Trabant 600 Modell für 2500,– Mark war da zu verkaufen. Wir wollten noch kein neues Auto, da ich annahm, dass ich noch viele Fehler machen würde, was dann Motor und Getriebe bestimmt nicht überleben würden.

Da ich nun gar keine Ahnung hatte, wie man einen Zustand eines Autos beurteilt, nahm ich Frank und dessen Onkel als kompetente Verstärkung mit. Wir fuhren in dem Auto seines Onkels hin.

In dem Dorf wohnten vielleicht 5 Familien, es gab eine etwas bergige Straße.

Wir fanden auch gleich die Familie, die das Auto verkaufen wollte. Das Auto gehörte einem Mann, der gerade seinen Armeedienst absolvierte und nicht vor Ort war. Seine Frau sollte das alles regeln. Sie sagte, das Auto stehe seit einem halben Jahr in der Garage und wurde nicht gefahren. Das hieß schon mal, dass die Batterie leer war. Nun hatte die Garage kein Licht. Im Dunkeln mit der Taschenlampe schauten Frank und sein Onkel unters Auto und drum herum. Sie befanden das Auto dann als probierwürdig.

Also schoben wir mit vereinten Kräften das Auto auf den höchsten Punkt der Straße.

Sofort schauten alle Dorfbewohner aus ihren Häusern heraus.

Frank sagte dann, ich solle den 2. Gang einlegen, die Kupplung loslassen und die Zündung einschalten. Das alles tat ich. Man konnte einen Trabant anschmeißen, indem

man ihn anschob, wenn die Batterie leer war. Diese sollte sich dann während der Fahrt durch die Lichtmaschine wieder aufladen.

Was Frank mir nicht sagte, dass ich auch die Handbremse lösen müsste. Ich hatte so ein Manöver noch nie gemacht, darum kam ich auch nicht alleine darauf. Der Wagen sprang aber nicht an, da er trotz des Anschiebens und der Bergabfahrt nicht genug Tempo entwickelte. Bis Frank dann mitbekam, dass die Handbremse fest war, schoben der Onkel und er den Trabant noch 2-mal den Berg hoch und runter unter mächtiger Kraftanstrengung. Dann schaute er in den Innenraum, warum der Trabant nicht schneller fuhr, und entdeckte die festgestellte Handbremse. Als wir die dann losmachten, bekamen wir den Motor in Gang.

Schnell wurde der Papierkram erledigt. Wir konnten dann losfahren Richtung Heimat.

Damit der Motor nicht abgewürgt werden sollte, fuhr Frank den Wagen.

Ich hatte mich schon die ganze Zeit gewundert, was die Haken unter den inneren Türgriffen wohl zu bedeuten hätten. Aber das sollte ich schnell erfahren.

Wir mussten über eine Bahnschiene fahren. Diese forderte dem Auto aufgrund ihrer Bauweise einen kleinen Sprung ab, wenn man nicht ganz langsam fuhr.

Frank fuhr dann wohl doch etwas zu schnell, jedenfalls sprangen auf beiden Seiten plötzlich die Türen auf und gingen auch nicht wieder zu, da die Schlösser klemmten.

Sofort hielten wir an. Anschnallgurte waren damals noch nicht installiert und wurden auch erst später zur Pflicht. Aber in den Seitentaschen der Beifahrertür erblickten wir ein Seil. Nun verstand ich auch, was die Haken an den Türen betraf. Die Türen waren wohl schon öfter aufgesprungen und dann mussten sie zugebunden werden. Ich fragte mich, was dann wohl die Polizei dazu bei einer Kontrolle sagen würde.

 

Frank wollte sich zu Hause gleich um diese Sachen kümmern.

Am Wochenende kamen dann meine Eltern zu Besuch. Wir wollten unsere neue Errungenschaft meinem Vater zeigen. Als der das Auto sah, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. „Was habt ihr euch denn da andrehen lassen? Und dann zu dem Preis??? Seht bloß zu, dass ihr das Ding bald wieder loswerdet. Der kommt nicht mehr durch den TÜV. Den hält ja nur noch der Rost zusammen und dann könnt ihr bald mitlaufen, so ist der Unterboden verrostet.“ Wir standen wie die begossenen Pudel da.

Mein Vater übernahm dann den Part und verkaufte das Auto als Ersatzteilgewinnung für 800,– Mark. Wir hatten 1700,– Mark Miese gemacht. Aber aus Schaden wird man bekanntlich klug.

Ich übte dann zwischendurch mit Franks Moped, einer „Schwalbe“, zu fahren. Die durfte ich anhand meiner bestandenen Fahrerlaubnis auch fahren.

Anfangs hatte ich enorme Gleichgewichtsprobleme und die „Schwalbe“ fuhr eher mit mir als ich mit ihr. Als ich dann einmal in einer Hecke landete und nicht wieder zurückkam, fragte ich auch nach dem Rückwärtsgang, was wieder mächtiges Gelächter zur Folge hatte über meine dumme Frage. Dann kam ich im Sandboden ins Schleudern und das Moped kippte um und brach mir mit dem Lenker den großen Zeh. Ich ging aber nicht zum Arzt, das heilte auch so, nur hatte ich bei der Arbeit mit dem Tragen der Gummistiefel Probleme. Aber auch das ging vorbei.

Die Katastrophenhochzeit

Mein Vater hatte sich vor einiger Zeit einen Trabant 601 bestellt. Bis dato fuhr er auch ein 600er Modell. Der Zustelltermin des Autos näherte sich. Mein Vater bot mir an, den 600er Trabant zu übernehmen. Er hatte ihn sehr gut in Schuss gehalten. Oft habe ich ja auch als Kind mitgeholfen. Er überließ ihn mir kostenlos, legte mir aber ans Herz, wenn mal was sein sollte, sollte ich mich bei ihm melden. Er hatte den Wagen bereits 17 Jahre gefahren. 4-mal hatte der Trabant die Farben gewechselt aufgrund von Unfällen, bei denen aber nie mein Vater der Verursacher war. So zahlten die verschiedenen Farben immer die Versicherungen der Unfallverursacher. Einmal sogar die Straßenbahnversicherung. Unter seiner Aufsicht machte ich mich mit den Gegebenheiten des Autos vertraut. Da er viel umgebaut hatte, war natürlich mit der mitgelieferten Gebrauchsanweisung des Werkes nicht mehr viel anzufangen. Meine Eltern waren mit dem Auto mehrfach ins Ausland gefahren (Polen, CSSR, Ungarn). Da hatte er eine Alarmanlage eingebaut. Ich war mal in der Stadt zum Einkaufen und brach den Schlüssel ab. So musste ich das Auto unverschlossen auf dem Parkplatz stehen lassen. Wenn man das Auto ordnungsgemäß zu- und aufgeschlossen hätte, wäre die Alarmanlage nicht angesprungen. Ich sah zu meinem Unglück auch noch 2 Polizisten auf Streife gehen. Da ich es eilig hatte, musste ich ins Auto. Natürlich ging die Alarmanlage (lautes ununterbrochenes Hupen) los. Zünd- und Türschlüssel waren bei den damaligen Autos nicht ein und derselbe. Schnell waren die Polizisten bei mir. Gott sei Dank war der Zündschlüssel schnell bei der Hand, sodass ich dem ein Ende machen konnte. Trotzdem musste ich mich ausweisen bei den Polizisten, da sie einen Diebstahl vermuteten. Ein anderes Mal wollte ich mit dem Auto zur Arbeit fahren und kam nicht weiter als 200 m. Dann ging der Motor aus, mitten auf der Straße. Da meine Schwiegermutter in einer Telefonzentrale arbeitete, rief ich meinen Vater in der Werft an. Er musste erst aus einer Versammlung geholt werden. Ich schilderte ihm dann das Problem und er fragte als Erstes, ob ich denn auch den Benzinhahn geöffnet hätte. Natürlich nicht. Aber mit Luft und Liebe fährt ein Auto nun mal nicht.

Meine Großeinkäufe machte ich immer einmal pro Woche in den größeren Städten mit dem Auto. Bei einem 600er Trabant konnte nur durch Ziehen eines Handhebels im Fahrgastraum der Kofferraum geöffnet werden. Auf- und abgeschlossen wurden die Türen von außen. Der Kofferraum konnte von außen nicht geöffnet werden.

Da es ein schöner Sommertag war, hatte ich ein leichtes Sommerkleid ohne Taschen an. Größere Taschen für den Einkauf standen im geräumigen Kofferraum. Alle Schlüssel, einschließlich Autoschlüssel, befanden sich auch im Kofferraum, nachdem ich die Klappe zugemacht hatte und, nur mit meiner Geldbörse bewaffnet, den Einkaufskorb holen wollte. Ich kaufte dann auch ganz unbefangen meine Sachen, die auf dem Zettel standen ein und kam dann mit dem Korb zum Auto zurück. Da erst wurde mir das Dilemma bewusst. Ich hatte mich ausgesperrt. In 2 Stunden begann meine Spätschicht. Was nun? Alle Fenster waren zu, die Türen natürlich auch. Ich hatte keine Chance, in das Auto zu kommen ohne Schlüssel. Der Ersatzschlüssel war zu Hause, aber ich hatte auch keinen Haustür- und Wohnungsschlüssel, alles im Kofferraum. Ich war den Tränen nah. Nun sah ich, dass auf dem Parkplatz neben meinem Auto auch ein 600er Trabant stand. Obwohl ich es als total unwahrscheinlich einstufte, wartete ich auf die Fahrerin, um sie zu fragen, ob ihr Autoschlüssel eventuell auch bei meinem Auto passen könnte.

Ich hatte nur ein kleines Fünkchen Hoffnung, aber diese seltsame Eingebung. Sie kam dann auch, sah mich da völlig fertig und den Tränen nah stehen und fragte, ob sie mir helfen könne. Ich schilderte ihr meine Misere und fragte dann wirklich nach dem Schlüssel. Ich war total fassungslos, als er wirklich passte. Die Tür ging auf. Ich öffnete den Kofferraum und holte als Erstes mein Schlüsselbund heraus. Dann packte ich meine Einkäufe ein. Ich bedankte mich ausgiebig bei der Frau. Dass sie mir sehr geholfen hatte, konnte ich gar nicht oft genug betonen. Sie freute sich auch sehr, denn sie hatte auch nicht daran geglaubt, dass der Schlüssel passen könnte. Ich fuhr dann schnell nach Hause und kam doch noch pünktlich zur Arbeit.

Das Auto hatte im Besitz meiner Eltern und auch in meinem in 27 Jahren insgesamt 200 000 km hinter sich. Immer noch mit dem ersten Motor, war das eine Sache, die auf guter Pflege und gutem Umgang beruhte. Aber eines Tages an einer Kreuzung mitten in der Stadt, streikte der Motor dann doch. Die Zylinderkopfdichtung gab den Geist auf. Das wäre für eine Reparatur eine teure Angelegenheit geworden.

Mein Vater hatte sich einen Lada „Samara“ bestellt und dessen Liefertermin war demnächst fällig. So verschrotteten wir dann den „600“ und ich bekam den „601“.

Nach einer gewissenhaften Einweisung durch meinen Vater übernahm ich für die nächsten 10 Jahre dann den Trabant 601. Der hatte uns auch lange gute Dienste geleistet. Trotzdem der Kofferraum erheblich kleiner war, transportierten wir neben Tierfutter und Kartoffelsäcken, auch Tiere. Von besagten Hunden über Ferkel, Kälber, Enten und Gänsen war da alles möglich.

Im Oktober 1978 stellte ich fest, dass ich erneut ein Baby erwartete. Meine Fahrerlaubnis hatte ich, die Meisterprüfung hatte ich auch mit Bravour bestanden, und nun war es an der Zeit, eine Familie zu gründen. Da ich schon eine Fehlgeburt hatte, war ich als Risiko-Schwangere eingestuft worden. Das hieß, dass ich häufigere Kontrolluntersuchungen hatte. Im November wurde ich dann auf eine Kur geschickt auf die Insel Rügen. Da hatte ich Mitstreiterinnen, die auch schon so einiges durchhatten in puncto Kinderkriegen. Wir waren in einem Sanatorium direkt an der Ostsee untergebracht. Essen, Betreuung und Unterkunft waren hervorragend. Als wir uns dann untereinander näher kennengelernt hatten, war es etwas langweilig. Das Wetter war zu dieser Jahreszeit natürlich auch nicht so besonders. Aber so manchem Strandspaziergang tat das keinen Abbruch. Anhand unserer Innenhandlinien pendelten wir aus, ob wir einen Jungen oder ein Mädchen bekommen würden. Eine Frau war da etwas esoterisch angehaucht und glaubte an so etwas. Mit dem Ultraschall im 3. Monat konnte man das Geschlecht des Babys noch nicht erkennen. Bei mir stimmten die Orakel sogar, ich bekam auch einen Jungen, wie es das Pendel angezeigt hatte. Aber dazu später.

Frank war zu diesem Zeitpunkt gleich nach der Lehre zur Armee eingezogen worden.

Ich übermittelte ihm die Neuigkeit per Brief. Wir freuten uns wahnsinnig auf das Baby und ich schonte mich sehr, damit es nicht wieder in einem Abort endete. Wir hatten schon einen Hochzeitstermin festgemacht, der 16.02.1979 sollte es sein. In der damaligen DDR bekam man vom Staat einen Kredit für eine Eheschließung, der zusätzlich für jedes in der Ehe geborenen Kindes um 1000,– Mark aufgestockt wurde

und nicht zurückgezahlt werden musste. Das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Auch war dann die Aussicht auf eine entsprechende Wohnung wahrscheinlicher. Frank war in der Armee an die Westgrenze in Herrenburg kurz vor Lübeck beordert worden. Da musste rechtzeitig der Urlaub beantragt werden, denn keiner wusste, was der „Klassenfeind“ so plante und wann Einsätze zur Verteidigung des Vaterlandes notwendig werden würden.

Oft genug wurde abrupt der Urlaub gestrichen, weil sich ein Reh oder ein Hirsch im Grenzzaun verfangen und so einen Alarm ausgelöst hatte. Dann mussten alle ausrücken und kampfbereit sein.

Andererseits stand er aber auch spontan in der Tür und sagte: „Es ist alles ruhig an der Grenze. Ich kann dann mal Urlaub machen.“ Dann war die Freude auf beiden Seiten groß. Aber man konnte keine großen Pläne machen, weil man darauf nicht vorbereitet war.

Mit meiner Mutter hatte ich mir dann aber schon mal ein wunderschönes Hochzeitskleid ausgesucht. Ebenso Schuhe und weiteres Zubehör an Kleidung und Accessoires.

Die Kur dauerte 6 Wochen. Danach bekam ich dann den Schonplatz als Treiber, ich brauchte nicht mehr zu melken.

Winter 1978/79

Keiner konnte wissen, dass es dieses Jahr einen Jahrhundertwinter geben würde.

Schon Anfang Dezember zeichnete sich eine Wetterabweichung ab. Weihnachten und Silvester war es frühlingshaft warm. Zur gleichen Zeit tobte in den USA ein Schneesturm besonderen Ausmaßes. Stündlich wurde von Todesopfern, Verschütteten

und Katastrophen in den Nachrichten berichtet.

Dann wurde der Februar, als ich wieder arbeitete, auch in unseren Gefilden sehr kalt. Wie ich schon in den vorigen Kapiteln erwähnte, war im Kuhstall die Hölle los. Schnee war noch nicht so das Thema, aber extremer Frost brachte vieles zum Erliegen. Melken mussten wir ja weiter, auch unter extremen Umständen. Die Kühe gaben jetzt sowieso nicht mehr viel Milch, Färsen und Kälber hatten arg mit der Kälte zu tun, zumal starke Stürme die Temperaturen noch tiefer erscheinen ließen.

Ich musste für die beiden FGMs treiben. Warm genug angezogen war ich und es klappte auch ganz gut. Dann wollte der Fütterer mit dem Futterwagen von einem Stall zum anderen fahren. Dazu musste ich ein doppelflügeliges Schwenktor öffnen und wieder schließen, damit die Kühe nicht wegliefen oder durcheinander gerieten. Das Tor hing etwas schief in den Angeln, sodass ich eine Seite etwas anheben musste. Ich hatte eiskalte Hände trotz Handschuhen. Ich beobachtete die Kühe und achtete nicht darauf, wo ich meine Finger hatte. Der rechte kleine Finger war im Torgelenk. Aufgrund der kalten Hände merkte ich das nicht. Mit der linken Hand zog ich dann schwungvoll den anderen Torflügel zu mir. Und dann hörte ich nur noch ein Knacken, und eine Blutfontäne spritzte hoch. Ich hatte mir über den Hebel den kleinen Finger in der Mitte durchgebrochen. Das letzte Glied hing nur noch an einem Hautfetzenund ich nahm schnell ein Taschentuch und band den Finger ab wegen des Blutverlustes. Dann setzte der Schmerz ein und verursachte fast eine Ohnmacht.

Schnell wurde der Schichtleiter benachrichtigt. Der zu der Zeit gerade Dienst habende Anlagenleiter packte mich ins Auto, mir war derzeit schon gewaltig schlecht vor

Schmerz. Eine Spucktüte vervollständigte meine Habseligkeiten. Wir fuhren schnellstens in die Klinik in die Stadt zur Notaufnahme.

Das Ganze passierte nachmittags in der Spätschicht, ich war bereits im 7. Monat schwanger.

In der Klinik musste ich lange warten, bis ich an der Reihe war. Ich musste operiert werden, die Ärzte waren sich aber nicht im Klaren, wie das mit der Betäubung gehen sollte, da das Baby nicht belastet werden sollte, weil ich ja eine Risiko-Schwangere war.

Gegen 22.00 Uhr entschloss sich ein Arzt, die OP unter örtlicher Betäubung zu wagen. Ich hatte immer noch mein Kuhstall-Outfit an, auch die Gummistiefel.

Der Schmerz war nun schon fast unerträglich, und ich hätte die Wände angehen können. Ich wollte nur noch Erlösung. Zunächst fragte mich der Arzt, ob er das letzte Fingerglied amputieren oder wieder annähen solle. Ich entschied mich fürs Annähen. Ich hatte Angst, meinen Beruf an den Nagel hängen zu müssen, wenn ich nicht mehr melken könnte. Ich bekam dann eine örtliche Betäubung in die Hand, die auch wirkte, und schaute dann bei der OP zu. Nach 20 Minuten war ich fertig. Er sagte, der Finger müsse täglich gebadet werden. Ein täglicher Verbandswechsel müsse auch durchgeführt werden, um eine Wundinfektion zu verhindern. Das Tor war ja auch sehr verrostet. So waren unzählige Keime in die Wunde gelangt, die dann auch zu einer Blutvergiftung und auch zum Tod führen könnten.

 

Die Hand wurde dann noch in eine Schiene gelegt, Gips ging nicht, da ja täglich alles gewechselt werden musste und zudem die Hand stark anschwoll.

In einem der Urlaubstage von Frank hatten wir uns auch schon Eheringe gekauft, von denen meiner dann wohl nicht passen würde.

Der Unfall passierte genau am 05.02.1979. Am 16.02.1979 war die Hochzeit anberaumt.

Täglich fuhr mein Vater mich dann zum Arzt zur Behandlung des Fingers. Die

Verbandsabnahme war jeden Tag eine Tortur. Alles war verklebt, da immer wieder die Blutung aufflammte, nachdem der Schorf abgerissen war.

Ich fragte mich langsam, wie ich mit der Schiene in mein Hochzeitskleid, welches lange Ärmel hatte, passen sollte. Aber die Frage erübrigte sich, wie ich gleich berichten werde. Das Wetter dümpelte so vor sich hin, es war Winter.

Die Hochzeitsvorbereitungen liefen, das Taxi war bestellt, Getränke waren geordert, die dann in das Lokal, in dem wir feiern wollten, mitgebracht werden sollten, ebenso die Speisen, Kuchen und Torten. Die Gäste waren auch alle eingeladen und freuten sich schon auf die bevorstehende Feier. Aber dann kam alles anders. Ab dem 15.02.1979 verkündeten auch bei uns die Nachrichtensender eine Wetterkatastrophe. Heftige Schneefälle und Wind sollten in den nächsten Tagen alles lahmlegen. Ich erinnerte mich an die Bilder aus den USA.

Ich schaute aus dem Fenster und sah, dass es immer so vor sich hin fusselte. Aber Kleinvieh macht auch Mist. So wurden aus den Fusseln immer größere Flocken und auch der Wind nahm stündlich zu. Unwetterwarnungen kamen in immer kürzeren Abständen durch den Äther. Ich befand mich zu der Zeit bei meinen Eltern.

Wir hatten bereits tagsüber die ganzen Speisen und Platten zu Hause. Getränke mit und ohne Alkohol befanden sich bei meinen Schwiegereltern.

Keiner wusste, ob Frank rechtzeitig kommen würde, denn er war auch noch nicht da.

Eine telefonische Verbindung gab es nicht.

So langsam neigte sich der 15.02.79 dem Abend zu. Das Lokal, in dem wir feiern wollten, schickte einen Boten vorbei, der die Sache absagte. Auch ein Taxi kam vorbei, klingelte von unten und sagte ab. Telegramme meiner entfernten Verwandten verkündeten die Absagen.

Dass die Gäste nicht kommen würden, dachten wir uns bereits. Nun galt es, Schadensbegrenzung zu betreiben. Meine Oma war auch bei meinen Eltern, sie wollten sie dann morgen mitnehmen. Die Trauung sollte in einem ländlichen Standesamt stattfinden, welches 2 km entfernt vom Wohnort meiner Schwiegereltern und meines zukünftigen Mannes lag.

In der Nacht wütete das Wetter noch stärker. Die Armee wurde bereits mit schwerer Technik angeheuert zum Schneeschaufeln. Ländliche Orte konnten nicht mehr mit Lebensmitteln versorgt werden, da Schneeverwehungen auf den Straßen für meterhohe Wälle sorgten. Panzer und schweres Gerät kamen zum Einsatz, da die Räumfahrzeuge nicht mehr hinterherkamen. An den Straßen stehende Fahrzeuge waren eingeschneit und wurden nicht gesehen, öffentliche Verkehrsmittel fuhren nicht mehr. Viele Menschen saßen fest und kamen nicht mehr nach Hause. Sie mussten in Notunterkünften und Turnhallen übernachten und wurden vom DRK versorgt. Keiner wusste, wann das ein Ende haben würde. Sogar Babys wurden im Panzer geboren. Bei meinem Sohn war auch ein Mitschüler in der Klasse, der im Panzer geboren worden war. Hubschrauber waren im Einsatz. Dazu kamen immer häufigere Stromausfälle, sodass dann Taschenlampen, Kerzen und Zündhölzer angesagt waren.

Am nächsten Tag trafen wir dann die Entscheidung. Meine Oma hatte bei meinen Eltern mit übernachtet. Sie besserte zurzeit ihre Rente etwas auf und arbeitete als Telefonistin in der Deutschen Post (genau in der, bei der ich damals im Orchester gespielt hatte). Da die Bäcker 7 Torten nicht mehr zurücknehmen wollten, mussten wir die irgendwie verticken. Es waren alles Sahnetorten und mir wurde schon schlecht bei dem Ausblick, täglich diese fetten Torten essen zu müssen. Wir hatten schon genug zu tun, später auch die Platten mit den belegten Broten und Salaten zu verwerten. Meine Oma hatte dann den Einfall, die Torten in der Post zu verkaufen. Da war ein zahlenmäßig größeres Personal trotz der Katastrophe noch am Arbeiten. Viele versuchten, bei der Post zu telefonieren und so Nachrichten zu ihren Angehörigen zu versenden. Es klappte.

Gesagt, getan, wir luden alle Torten in den Trabant und fuhren auf den Parkplatz der Post. Mein Vater überließ meiner Oma dann die Autoschlüssel. Kalt genug war es ja, sodass meine Oma keinen Kühlschrank zum Aufbewahren der Torten brauchte. Mein Vater und ich wollten uns dann zu Fuß durchschlagen zum Rest der Familie aufs Land, um erst mal zu sehen, was da los war und wo mein zukünftiger Mann steckte.

Meine Schwiegermutter arbeitete beim Kartoffelinstitut in der Pförtnerloge (mit Telefon) und ich kannte die Nummer. Als wir noch in der Post meine Oma ablieferten, rief ich die Nummer auf Verdacht an, in der Hoffnung, dass meine Schwiegermutter auch am Telefon war.

Und ich hatte Glück. Ich erreichte sie sofort. Wir schilderten unsere Situationen. Frank war abends am 15.02.79 mit einem Armeeauto völlig durchgefroren, seit 1,5 Tagen auf Tour, im Ort angekommen. Er machte sich große Sorgen um mich und das Baby.

Ich sagte, dass mein Vater und ich nun auf dem Weg zu ihnen seien, zu Fuß.

Sie wollte dann die Trauung von 10.00 Uhr auf 15.00 Uhr verschieben lassen.

Dann zogen mein Vater und ich los.

An eine Hochzeit mit Kleid usw. war natürlich unter diesen Umständen nicht zu denken. In Umstandskleidung, mit Winterstiefeln und der Witterung gemäß dick angezogen, froren wir nicht. Der Weg war sowieso recht schwierig. Links und rechts war der Schnee meterhoch zusammengeschoben worden. Nur in der Mitte der Fahrbahn hielten Armeefahrzeuge eine Spur frei. Jedes Mal, wenn ein Fahrzeug hinter oder vor uns war, sprangen wir in die Schneewehen und mussten wie die Pinguine Gleichgewicht halten, um nicht zu versinken. Dann ging es weiter.

Hinter uns kam dann ein Transporter, der aus einem Dorf, welches auf unserem Weg lag, Kartoffeln holen sollte. Der Fahrer hielt an und wir konnten per Anhalter auf der Ladefläche mitfahren ein Stück. Er hatte schon eine Menge Leute eingesammelt, sodass für mich ein Platz auf dem Ersatzreifen frei war. Aber besser als Laufen, sagte ich mir, hatte aber doch etwas Angst um mein Baby. Aber es ging alles glatt.

Als wir dann den Rest des Weges zu Fuß weitergingen, schloss sich uns eine Frau an, die denselben Weg hatte wie wir, aber nicht alleine gehen wollte. So gingen wir zu dritt. Unsere Situation hatte sich im Dorf mittlerweile herumgesprochen. Es musste Brot für den Dorfkonsum besorgt werden. Ein Schneepflug wurde losgeschickt. Der Fahrer kannte uns natürlich nicht, und wir wussten nichts von dem Unterfangen. Der Fahrer sollte uns mitnehmen. Meine Schwiegermutter hatte das in die Wege geleitet. Er sollte auf einen Mann und eine schwangere Frau auf dem Weg ins Dorf achten und diese dann einsammeln. Nun waren wir aber zu dritt, was der Fahrer wiederum nicht wusste. So ging die Aktion aneinander vorbei. Ich hatte den Schneepflug schon bemerkt. Aber ich wusste ja nicht, dass der Fahrer uns mitnehmen sollte.