Makroökonomik und Wirtschaftspolitik

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Sowohl die Unterkonsumtions- als auch die Überinvestitionstheorie und die zur Auflösung der konjunkturellen Verzerrung empfohlenen Instrumente werden heute überwiegend als überholt angesehen, helfen uns jedoch, die Prozesse besser zu verstehen. Die Konturen der Zyklen sind heute aufgrund der statistischen Datenerhebungs- und Analysemöglichkeiten deutlicher zu erkennen. Der technische Fortschritt erfolgt aufgrund der Globalisierung heute weniger in „plötzlichen“ Schüben als vielmehr relativ gleichmäßig. Es werden von dieser Seite heute eher keine Konjunkturzyklen ausgelöst.

2.4.2 Keynesianische Konjunkturmodelle

Zwei einfache Modelle zur Erklärung von Konjunkturschwankungen basieren auf der keynesianischen Theorie. Es sind die Modelle von John R. Hicks (1904–1989) und Paul A. Samuelson (1915–2009) (vgl. dazu z.B. Heubes 1991, 29–83 sowie Teichmann 1997, 11–14). Samuelson betrachtete in seinem Modell eine geschlossene Volkswirtschaft, d.h. das Export- und das Importverhalten der Unternehmen und privaten Haushalte bleiben außer Acht. Das BIP Y wird demnach für den Konsum der privaten Haushalte CH, die Investitionen I und den Staatskonsum CG verwendet. Das Preisniveau nimmt Samuelson als gegeben an, d.h. es wird nicht durch die genannten Größen beeinflusst. Der Produktionsfaktor Arbeit ist bei dieser Betrachtung ausreichend vorhanden. Der Produktionsfaktor Kapital stellt hingegen einen Engpass dar. Die Produktionsfaktoren werden beide im Produktionsprozess benötigt und können nicht durch den jeweils anderen ersetzt werden. Jede zusätzlich im Produktionsprozess eingebrachte Einheit Kapital erfordert eine bzw. mehrere zusätzliche Einheiten Arbeit und anders herum. Diese Annahme ist durchaus realistisch: man stelle sich ein neu angeschafftes Fließband vor, an dem nur unter besonderen Umständen Güter produziert werden können, ohne dass eine zusätzliche Arbeitskraft zum Einsatz kommt. Samuelson geht in diesem Modell davon aus, dass Konjunkturschwankungen durch Veränderungen des Verhältnisses der Investitionen I zum Output Y verstärkt werden. Steigen die Investitionen um eine Einheit, so ist zu erwarten, dass der Output entsprechend um zwei bis zu drei Einheiten, also überproportional zunimmt. Der Grund: Die Investitionen selbst erhöhen die Nachfrage des Unternehmens nach Zulieferprodukten, die weiterverarbeitet werden können, und damit werden Investitionen in weiteren Unternehmen notwendig. Die Investitionen wirken wie ein Akzelerator und dieser wird – wenn wir einmal die Annahme der geschlossenen Volkswirtschaft außer Acht lassen – nicht ausschließlich im Inland wirksam.[26] So waren 2015 in Deutschland rund |43|16 Prozent der Exportgüter chemische Erzeugnisse und etwa 13 Prozent der Importe (German Trade and Invest 2016). Auch zum Konsum CH trifft Samuelson verschiedene Annahmen: Die Konsumfunktion basiert auf den Annahmen von John M. Keynes’ makroökonomischem Modell zur Begründung der Notwendigkeit höherer Staatsausgaben in wirtschaftlichen Krisensituationen (Felderer 2005). Der Konsum CH der privaten Haushalte ist diesem zufolge vom Einkommen der Vorperiode abhängig. Dieses wiederum wird entweder gespart oder ausgegeben, je nachdem wie groß die Konsumneigung c bzw. die Sparneigung s ist. Konsumneigung und Sparneigung ergeben in der Summe immer 1, d.h. der Wert z.B. der Konsumneigung liegt zwischen 0 und 1. Wenn die Konsumneigung c 0,8 beträgt, werden 80 Prozent des verfügbaren Einkommens für Konsumzwecke verausgabt, und 20 Prozent gespart. Wenn die Konsumneigung von 0,8 auf 0,9 steigt, dann geht die Ersparnis zwar um 10 Prozentpunkte zurück, aber durch den zusätzlichen Konsum nimmt nicht nur die aktuelle Güternachfrage zu, sondern es steigen zudem die Investitionen. D.h., da die laufende Investitionsnachfrage sich – anders als die einkommensunabhängige autonome Investitionsnachfrage – proportional zum Konsum CH verhält, werden zusätzliche Investitionen getätigt und damit künftige Produktionskapazitäten geschaffen, um Nachfragesteigerungen bedienen zu können. Dies wiederum bewirkt, dass zusätzliche Arbeitseinheiten in den Produktionsprozess eingebracht werden müssen. Die Entlohnung des Produktionsfaktors Arbeit zieht gesamtwirtschaftlich ein höheres Einkommen nach sich. Ein höheres Einkommen seinerseits bewirkt, dass die Konsumausgaben, die annahmegemäß einkommensabhängig sind, steigen. Es liegt demnach ein doppelter Effekt vor, der durch die Konsumneigung hervorgerufen wird. Daraus resultiert der Begriff Multiplikator.

Die zusätzliche Konsumnachfrage erhöht die Investitionen unter der Annahme, dass ein entsprechender Kapitalstock aufgebaut werden kann. Die Gesamtinvestitionen beinhalten die laufenden, von der Konsumnachfrage abhängigen, Investitionen und die autonomen Investitionen. Das Zusammenwirken von Akzelerator und Multiplikator erklärt Samuelson zufolge das Auftreten von Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und damit Konjunkturschwankungen. Eine Zunahme der Konsumneigung c von z.B. 0,8 auf 0,9 wirkt also zunächst über den Multiplikator auf die Zunahme des Einkommens und über den Akzelerator wirkt dies auf die Erhöhung der Investitionen mit dem bekannten Effekt der Verzwei- bis Verdreifachung des Outputs. Der Aufschwung wird – zu sehr – verstärkt. Eine konjunkturelle Überhitzung kann die Folge sein. Andersherum wirkt eine Abnahme der Konsumneigung insofern nachteilig auf die wirtschaftliche Entwicklung, als dass die konjunkturelle Delle verschärft werden kann. In beide Richtungen kann die wirtschaftliche Entwicklung diesem Modell zufolge aufgrund des Zusammenwirkens von Akzelerator und Multiplikator ‚explodieren‘. Es können mit diesem Modell Konjunkturschwankungen erklärt werden.

Ein wichtiger Aspekt konjunktureller Schwankungen sind zeitliche Verzögerungen – time lags –, mit denen die Anpassungsprozesse eintreten. So ist davon auszugehen, |44|dass Effekte infolge der Veränderung der Konsumneigung erst zwei Perioden verspätet sichtbar werden. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Vielzahl eben dieser Verzögerungen als Auslöser von Konjunkturschwankungen in Frage kommt. Die Einkommen steigen beispielsweise bevor die Konsumausgaben CH zunehmen. Die Nachfrage CH wird geäußert und die Produktion nimmt erst daraufhin zu. Die Investitionsentscheidung geht der Investition voraus etc. Nach Samuelson sind Konjunkturschwankungen von unterschiedlichem Ausmaß natürlich, regelmäßig gleiche Amplituden der Schwankungen jedoch eher zufällig. Allerdings – und dies ist bedeutsam – wird in Samuelsons Modell der Einfluss der Erwartungsbildung außer Acht gelassen und es werden ausschließlich reale Größen betrachtet. Monetäre Effekte werden annahmegemäß nicht in die Analyse einbezogen. Dies beinhaltet darüber hinaus eine gewisse Realitätsferne, gleichwohl vereinfacht die Exogenität des Preisniveaus die realwirtschaftliche Betrachtung.

Hicks zeigte etwa ein Jahrzehnt nach Samuelson in den 50er Jahren, dass Konjunkturschwankungen um einen Gleichgewichtspfad herum verlaufen, d.h. dass sie gerade nicht ‚explodieren‘. Untenstehende Abbildung 11 veranschaulicht dies. Die Konjunktur schwankt um einen Wachstumspfad. Während auf der vertikalen Achse das Bruttoinlandsprodukt bzw. die Produktion Y dargestellt wird, veranschaulicht die horizontale Achse den Ablauf der Zeit t.

Abbildung 11:

Produktionspotenzial und Konjunkturschwankungen (Quelle: Eigene Darstellung nach Albertshauser 2007).

|45|Grundlegende Annahmen auch dieses Modells sind das Vorliegen einer geschlossenen Volkswirtschaft, die Tatsache, dass Staatsinvestitionen autonom und damit nicht nachfrageinduziert sind, während private Investitionen nachfrageabhängig sind. Zudem wird angenommen, dass Preise und Löhne kurzfristig konstant bleiben. Neben den genannten Annahmen liegen dem Modell von Hicks Verhaltensannahmen zugrunde:

 So hängt der private Konsum CH wie bei Samuelson vom Einkommen der Vorperiode ab. Der Konsum ist sogar ausschließlich vom Einkommen abhängig, d.h. eine autonome Konsumkomponente wird – anders als bei John M. Keynes – nicht berücksichtigt, weil eine kurzfristige Entwicklung erklärt werden soll.

 Die Investitionen haben zwei Facetten.

1 Sie sind teils unabhängig vom Einkommen. Ausgehend von einer anfänglichen Investitionsnachfrage wächst die Investitionstätigkeit mit einer konstanten Rate. (Samuelson ging nicht von einer konstanten Wachstumsrate der einkommensabhängigen Investitionen aus.) Es kann für jede Folgeperiode das Volumen der einkommensunabhängigen Investitionen bestimmt werden. Als Begründung für die Autonomie der Investitionen und deren konstanter Wachstumsrate werden der laufende technische Fortschritt, eine veränderte Konsumnachfrage sowie staatliche Ausgaben aufgeführt.

2 Die bedeutsamere Komponente der Investitionen besteht in der nachfrageabhängigen Kapitalstockänderung, d.h. die Investoren orientieren sich bei der Planung ihrer Investitionen an den Einkommen der Vergangenheit. Sie gehen davon aus, dass die Einkommensdifferenzen der vergangenen Perioden in die Zukunft fortgeschrieben werden können. (Samuelson ging davon aus, dass eine Abhängigkeit vom Konsum besteht.) Zudem wird die Investitionshöhe durch den konstant angenommenen Akzelerator festgelegt. Hierin kann berechnet werden, welche Kapitalausstattung notwendig ist, um die erwartete Nachfragezunahme in der Folge der Einkommenserhöhung zu befriedigen.

Die genannten Verhaltenshypothesen bestimmen die Entwicklung des BIP Y, wenn von einem Gütermarktgleichgewicht ausgegangen wird. Das bedeutet, dass das BIP dem privaten Konsum zuzüglich der Investitionen entspricht und damit, dass die Entwicklung des BIP um einen Wachstumspfad herum schwankt. Im Gegensatz zu Samuelson betrachtete Hicks einen in Abbildung 11 dargestellten Gleichgewichtspfad und nicht einen Gleichgewichtswert. Dies hängt mit den beiden Modifikationen der Investitionsnachfrage zusammen (Heubes 1991, 39). Der natürliche Wachstumspfad des BIP liegt theoretisch bei einer Normalauslastung der Kapazitäten vor. Dieses stetige Wachstum beinhaltet jedoch keinerlei Konjunkturschwankungen, d.h. das BIP beläuft sich in der Periode t=1 auf das BIP in der Periode t=0 zuzüglich des Produktes aus dem BIP und der konstanten Wachstumsrate der einkommensunabhängigen Investitionen. Diese letztgenannte Wachstumsrate wird durch den technischen Fortschritt bestimmt. Da aber Konjunkturschwankungen beobachtet werden, ist davon auszugehen, dass dieses dynamische Gleichgewicht nicht bzw. nur zeitweise besteht. D.h. es liegt ein gleichgewichtiger Wachstumspfad vor, um den herum die Konjunktur schwankt. Der Multiplikator weicht bei Hicks von dem Samuelsons ab. Hicks’ Multiplikator kann als |46|‚Supermultiplikator‘ bezeichnet werden, da neben der Konsumneigung c der Akzelerator k einen unmittelbaren Einfluss auf die Investitionen sowie das BIP Y hat. Die Folge dieses ‚Supermultiplikators‘ ist, dass Störungen des Gleichgewichtspfades zu starken Schwankungen des Einkommens führen können. Die Störungen können die unterschiedlichsten Ursachen haben. Beobachtet wurde, dass Energiepreisänderungen sich gravierend auf die wirtschaftlichen Aktivitäten und auf die einkommensunabhängige Nachfrage auswirken. Derartige Störungen des Gleichgewichts sorgen für Schwankungen, deren Amplituden aber begrenzt sind, so die These von Hicks. Die obere Grenze besteht bei Maximalauslastung der Produktionsfaktoren (Produktionspotenzial). Aufgrund der Kapazitätswirkungen der autonomen Investitionen wächst diese obere Grenze mit der Wachstumsrate, die vom technischen Fortschritt beeinflusst wird. Die untere Grenze ergibt sich aus der Höhe der Abschreibungen. Unter der Annahme, dass es sich bei den einkommensabhängigen Investitionen um Nettoinvestitionen und nicht nur um Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen handelt, müsste ein Kapitalabbau bei sinkender Nachfrage durch eine Verschrottung von Maschinen erfolgen. Weil dies in der Realität nicht beobachtbar ist, sind die Nettoinvestitionen im Konjunkturabschwung betragsmäßig auf die Höhe der Abschreibungen D beschränkt (Teichmann 1997, 13). Die Amplitude der Schwankung kann nicht weiter nach unten ‚ausbrechen‘: Die Abschreibungen nehmen mit der gleichen Wachstumsrate wie das Volkseinkommen zu. Übersteigen die einkommensabhängigen Investitionen im Konjunkturabschwung die Höhe der Abschreibungen, so sinkt die gesamte Investitionsnachfrage.

 

Abbildung 11 veranschaulicht, dass die dargestellte Wirtschaft im Aufschwung so stark wächst, dass das Produktionspotenzial gänzlich ausgenutzt wird. Ab diesem Zeitpunkt kann die Wirtschaft nur noch mit der Wachstumsrate zunehmen. Diese ist niedriger als die im Aufschwung realisierte Wachstumsrate. Da somit die Differenz zwischen den Volkseinkommen in den Perioden t=1 und t=0 kleiner wird, gehen auch die einkommensabhängigen Investitionen zurück, so dass das Einkommen schließlich sinkt. Mit sinkendem Einkommen tritt nun ein negativer Multiplikator-Akzelerator-Prozess in Kraft. Dieser kumulative Prozess wird jedoch gebremst, sobald die einkommensabhängigen Investitionen die Höhe der Abschreibungen erreicht haben. Die Wirtschaft befindet sich kurzfristig genau auf dem Wachstumspfad. Ab diesem Zeitpunkt wird der Akzelerator-Mechanismus außer Kraft gesetzt, so dass die Entwicklung des Einkommens durch den Multiplikator bestimmt wird. Die Wirtschaft nähert sich nun der ansteigenden unteren Grenze an. Schließlich kann – nach Durchschreiten der Depression – ein neuer positiver Akzelerator-Prozess gestartet werden und die Wirtschaft in einen Aufschwung gelangen. Keine der Entwicklungen führt dem Modell von Hicks zufolge zu einem ‚explodierenden‘ Verlauf der Konjunktur. Kritisiert wird allerdings, dass im Modell nicht erläutert wird, warum und wann die Wendepunkte im wellenförmigen Konjunkturverlauf erreicht werden. Damit wird zudem nicht deutlich gemacht, warum der Akzelerator ab diesen Wendepunkten wirksam bzw. nicht wirksam ist. Darüber hinaus berücksichtigt auch dieses Modell keine monetären Größen. Die Annahme des stabilen Preisniveaus erscheint zudem wenig realitätsnah.

|47|Die keynesianischen Modelle zur Erklärung von Konjunkturphänomenen weisen die nachfrageabhängige Investitionsfunktion als gemeinsames Merkmal auf. In beiden vorgestellten Modellen löst ein exogener Anstoß die Konjunkturschwankungen aus. Diese werden durch den Multiplikator-Akzelerator-Prozess verstärkt. Erwartungen finden keine Berücksichtigung. Besonders hervorzuheben ist, dass die Keynesianer davon ausgehen, dass die modellhaft betrachtete Volkswirtschaft in sich instabil ist, weil die Nachfrage phasenweise zu gering ist, um das gesamte Angebot zu aufzunehmen.

2.4.3 Neoklassisches Konjunkturmodell

Milton Friedman (1912–2006) gilt gemeinsam mit John M. Keynes als der einflussreichste Ökonom des 20. Jahrhundert und entwickelte einen monetaristischen Ansatz zur Erklärung von Konjunkturschwankungen (Heubes 1991, 84–86). Im Jahr 1963 wurde sein gemeinsam mit Anna J. Schwartz (1915–2012) geschriebenes Hauptwerk „A Monetary History of the United States, 1867–1960“ (Friedman 1971 [1963]) veröffentlicht, in dem die Auswirkungen von Geldmengenänderungen auf Konjunkturzyklen beschrieben werden. Mit diesem Werk haben Friedman und Schwartz die – oben aufgeführten – nachfrageorientierten keynesianischen Erklärungen von Konjunkturzyklen bestritten.

Friedman und Schwartz legen ihrem Modell den Markträumungsansatz zu Grunde. Das bedeutet, dass angenommen wird, dass die Volkswirtschaft auch bei flexiblen Preisen in einem stabilen Gleichgewicht ist. Dieses walrasianische Gleichgewicht, benannt nach Léon Walras (1834–1910) liegt augenblicklich vor, wenn nur einer der Märkte (Gütermarkt, Geldmarkt etc.) im Gleichgewicht ist, da sich dann automatisch alle anderen Märkte ebenfalls im Gleichgewicht befinden müssen. Unabhängig davon können gemäß Friedman und Schwartz die nominalen Einkommen schwanken, wenn die Zentralbank die Geldmengenpolitik verändert. Dies wiederum erzeugt Konjunkturwellen. Friedman und Schwartz stellen die These auf, dass exogene monetäre Schocks Konjunkturschwankungen verursachen können. Hinzu kommt der Gedanke, dass diese in Verbindung mit nicht angemessenen Erwartungen der Wirtschaftssubjekte entstehen. Um zu zeigen, dass Einkommensschwankungen auf Geldmengenänderungen zurückgeführt werden können, führen Friedman und Schwartz die Erwartungshaltung der Wirtschaftssubjekte hinsichtlich der Inflation ein.

Geld ist diesem Ansatz zufolge ein Vermögensobjekt unter vielen. Die Nachfrage nach Geld ist von dem Kalkül der Wirtschaftssubjekte bestimmt, das Vermögen optimal unter verschiedenen Anlageformen aufzuteilen. Durch dieses Verhalten wird das Risiko der Vermögenshaltung gestreut und damit ein möglicher Verlust minimiert. Die optimale Aufteilung des Vermögens richtet sich nach den Renditen der einzelnen Anlageformen. Diese stellen – von der anderen Seite betrachtet – die Opportunitätskosten der Geldhaltung dar. Der Zinssatz und die Inflationsrate dienen bei Friedman und Schwartz der Bemessung der Opportunitätskosten. Ansatzpunkt für die Bewertung des Gesamtvermögens ist das laufende Einkommen, da das Gesamtvermögen nur schwer zu bestimmen ist. Künftige Einkommensströme schätzen die Wirtschaftssubjekte annahmegemäß anhand vergangener Einkommen ab, d.h. sie handeln auf der Basis adaptiver Erwartungen. Das rationale Verhalten der Wirtschaftssubjekte spiegelt |48|sich in der individuellen Nutzenmaximierung sowie in preis- und zinselastischem Verhalten wider. Preisänderungen bewirken somit eine Veränderung der Güternachfrage. Zinsänderungen bedingen eine Anpassung der Zusammensetzung des Vermögensportfolios. Dieses kann aus folgenden Vermögenswerten bestehen:

 Festverzinsliche Finanzaktiva und/ oder Aktien, wobei die Erträge Zinsen sein können oder Stimmrechte auf Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften;

 Sachaktiva wie physisch vorhandene und nicht-menschliche Güter;

 Humankapital wie Aus- und Fortbildung.

Je nachdem, bei welchem Vermögenswert die höchsten Renditen zu erwarten sind, wird das Wirtschaftssubjekt sein Portfolio entsprechend optimieren. Unter der weiteren Annahme, dass die Wirtschaftssubjekte sich an realen Größen orientieren, ergibt sich für die Nachfrage der Wirtschaftssubjekte nach realer Kassenhaltung, also nach Bargeld oder Giralgeld, dass sich diese in gleicher Weise wie das reale Einkommen ändert. Der Einfluss der Inflationsrate ist anhand der Entwicklung des realen Einkommens zu erkennen. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wirtschaftssubjekte ihre reale Geldnachfrage nur geringfügig von Zinsänderungen abhängig machen. Demgegenüber hat der Zins sehr wohl einen Einfluss auf das Halten festverzinslicher Finanzaktiva, Sachaktiva etc. Friedman und Schwartz nutzen diesen Zusammenhang dazu, Konjunkturschwankungen zu erläutern. Sie gehen von einem Vollbeschäftigungsgleichgewicht und zunächst von einem stabilen Preisniveau aus. Zudem wird angenommen, dass die Wirtschaft mit einer jährlichen Rate von drei Prozent wächst, wobei die Finanzierung der steigenden Umsätze durch ein Wachstum der Geldmenge von ebenfalls drei Prozent sichergestellt wird. Es resultiert demnach in dieser Situation keine Inflation. Dieses Gleichgewicht wird nun im Zeitpunkt t0 durch eine Erhöhung der Geldmenge zum Beispiel um acht Prozent gestört. Dieser exogene Schock bewirkt gemäß Friedman und Schwartz eine Konjunkturschwankung.

 Aufgrund der erhöhten Geldmenge übersteigt die von den Wirtschaftssubjekten gehaltene Geldmenge die optimale Geldnachfrage.

 Die optimale Geldnachfrage bleibt annahmegemäß zunächst bei noch unverändertem Nominaleinkommen und gegebenen Inflationserwartungen gleich.

 Die Wirtschaftssubjekte werden deshalb ihre überflüssige Kassenhaltung abbauen. Sie schieben ihre überflüssige Kassenhaltung (gehaltene Geldmenge) je nach Zinshöhe in Finanzaktiva etc. oder sie konsumieren. Die Preise für Güter und Dienstleistungen steigen in Folge einer höheren Nachfrage.

 Dies führt schließlich zu einem Anstieg des nominalen Einkommens. Dieser Anstieg ist zum Teil auf die Erhöhung des Preisniveaus zurückzuführen.

 Da die Wirtschaftssubjekte ihre Inflationserwartungen nun (fälschlicherweise) korrigieren, steigt die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Das vorhandene Geld wird häufiger umgesetzt.

 Die Wachstumsrate des Nominaleinkommens übersteigt die Wachstumsrate der Geldmenge um die Veränderungsrate der Umlaufgeschwindigkeit.

 |49|Es kommt zu einem ‚over shooting‘ des Nominaleinkommens in der Folge der Erwartungsbildung der Wirtschaftssubjekte. Eine Konjunkturschwankung wurde durch die unerwartet starke Geldmengenexpansion ausgelöst.

Friedmans und Schwartz’ Ziel war es, zu veranschaulichen, dass u.U. zufällige Schwankungen der Geldmenge das gesamte Wirtschaftssystem in Schwingungen versetzen können. Nicht ausschließlich die Konsumnachfrage ist Dreh- und Angelpunkt konjunktureller Verwerfungen, wie in den keynesianischen Theorien dargestellt. Obschon darauf hingewiesen wurde, dass Veränderungen des Nominaleinkommens zum Teil auf die Höhe der Inflationsrate und zum Teil auf das Realeinkommen rückwirken, wurde offen gelassen, welche realen Auswirkungen die Anpassung an das neue Gleichgewicht auf die Wachstumsrate des Volkseinkommens hat.