Geschichte einer Pandemie

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Leben in der Pandemie

Weitere Lockerungen vom 6. Mai

Kanzlerin A. Merkel hat weitreichende Lockerungen verkündet. Die erste Phase der Corona-Krise sei überstanden. Trotzdem müssen die Kontaktbeschränkungen bis 5. Juni 2020 verlängert werden – mit kleinen Änderungen. Merkel sagte weiter, wir müssen aber vorsichtig bleiben und weiterhin Abstands- und Hygieneregeln beachten – also Mindestabstand von 1,5 Metern sowie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.

Weitere Lockerungen: – keine 800 Quadratmeter-Beschränkung für Geschäfte mehr –, Besuchsbeschränkungen für Kliniken, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen sollen bundesweit begrenzt gelockert werden –, Lockerungen für Schulen und Kitas –, Notbetreuung soll ab 11. Mai 2020 in den Kitas ausgeweitet werden. Die Einzelheiten regeln hierbei die Länder. – Die Bundesliga kann ab Mitte Mai unter Auflagen den Spielbetrieb wieder aufnehmen. – Der Breiten- und Freizeitsport unter freiem Himmel ist, unter bestimmten Auflagen wie Distanz und kontaktfrei, wieder erlaubt. – Für kulturelle Veranstalter in Theatern, Opern und Kinos gebe es Lockerungen. Die Konzepte hierfür orientieren sich an den Vorgaben für öffentliche Gottesdienste. – Im Bereich der Gastronomie und auch der Hotellerie sollen die Bundesländer bei schrittweisen Öffnungen in eigener Verantwortung vorgehen – vor dem Hintergrund des jeweiligen Infektionsgeschehens sowie landesspezifischer Besonderheiten. Der Tourismus soll langsam, wo es möglich ist unter Auflagen, hochgefahren werden. Ein schwieriges Unterfangen!

Statistik Stand 7.Mai

Infiziert – Todesfälle – in % – Genesen

Deutschland

168.162 – 7.275 – 4,326 – 132.374

Weltweit

3.755.341 – 263.831 – 7,025 – 1.245.415

Überhaupt seien die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Merkel übereingekommen, die Beschlüsse über Lockerungen künftig in die Hände der Länder zu geben. Laut Einigung sollen auch die Länder sicherstellen, dass in Landkreisen oder kreisfreien Städten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sofort wieder ein konsequentes Beschränkungskonzept umgesetzt wird. Diese „Notbremse“ ist ein zentrales Element für weitere Lockerungen. Es liegt nun mehr Verantwortung bei den Ländern. Aber die größte Verantwortung tragen die Bürger. Sie bestimmen durch ihr Verhalten letztendlich, ob diese weitergehenden Lockerungen von Erfolg gekrönt sind und weitere folgen können. Ab 8. Mai hat das RKI das tägliche Virus-Briefing eingestellt. Zu Beginn der Virus-Krise sei es wichtig gewesen, das Geschehen einzuordnen. Es werde künftig nur noch anlassbezogene Pressekonferenzen geben.

Schlagzeilen vom 10. Mai

Von den Toten lernen Rechtsmediziner haben in Hamburg rund 170 Covid-19-Tote obduziert. Die Ergebnisse der Studie zeigen: Corona-Patienten sterben häufig an Thrombosen und Lungenembolien. Die neuen Erkenntnisse sollen bei der Behandlung helfen. Es gibt Hinweise für die Wirksamkeit blutverdünnender Medikamente.

Finanzhilfe für Eltern und Studierende Mütter und Väter sollen wegen der Corona-Krise keine Einbußen beim Elterngeld hinnehmen müssen. Der Bundestag hat ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Auch Studierende bekommen Unterstützung, Von der Opposition kommt Kritik. Sie fordert weitergehende Maßnahmen und plädiert für die Einführung eines Corona-Elterngeldes.

Kritik an geschlossenen Grenzen Bis zum 15. Mai will Innenminister Seehofer die Grenzkontrollen aufrechterhalten – trotz scharfer Kritik. Sie seien Teil unseres bisherigen Erfolgs gegen Corona. Vor allem die Grenzregionen klagen über die Belastung. Die Kritiker sagen, dass diese Kontrollen wenig bringen. Parteiübergreifend fordern sie eine Öffnung zu den europäischen Nachbarstaaten. Nach sieben Wochen müsse endlich Schluss sein mit Gitterzäunen und Schlagbäumen im Herzen Europas. Die WHO rät ebenfalls von Reisebeschränkungen ab. Die Grenzen zu schließen, um ein Virus nicht ins Land zu lassen, funktioniere nicht.

Dramatischer Einbruch bei Steuereinnahmen Allein in diesem Jahr dürfte der Staat aufgrund der Corona-Krise rund 100 Milliarden € weniger Steuern einnehmen als bei der Herbst-Schätzung prognostiziert.

Hilfe für ärmere Länder Bundeskanzlerin Merkel und Papst Franziskus wollen ärmere Länder in der Corona-Krise unterstützen. Es geht um den Zusammenhalt und die Solidarität in Europa und der Welt. Ein Denkansatz, der keines weiteren Kommentars bedarf.

Neuinfektionen auf Rekordhöhe Mehr als 11.200 Menschen haben sich innerhalb eines Tages in Russland mit dem Corona-Virus infiziert. Ein neuer Rekord. Die Gesamtzahl stieg damit auf mehr als 177.000.

Öffnungen von Restaurants und Tourismus

Nach wochenlanger Leere dürfen Speisegaststätten in NRW ab 11. Mai 2020 wieder Gäste empfangen – allerdings unter Auflagen. Es geht um Abstand, Infektionsschutz- und Hygienekonzepte. Offene Büffets sind nicht erlaubt. Kneipen, Bars, Clubs, Diskotheken und Bordellbetriebe bleiben weiterhin geschlossen. In der Freude über den Neustart mischt sich auch Skepsis. Ob unter den noch genau abzusprechenden Auflagen eine Wirtschaftlichkeit erzielt werden kann, ist die große Unbekannte. Positiv ist, dass die Mehrwertsteuer auf Speisen für ein Jahr von 19 auf sieben Prozent reduziert wird. Auch dürfen nur maximal zwei Hausstände an einem Tisch versammelt sein. Für private Hochzeits-, Geburtstags- oder sonstige Familienfeiern gibt es derzeit noch keine Erlaubnis. Es sind noch viele offene Fragen zu klären.

Durch die vielen vorsichtigen Lockerungen wird das Gebot

des Abstandhaltens, Maskentragen und der Hygiene von

zentraler Bedeutung. In der ersten Phase sind wir dem

Virus ausgewichen. Jetzt kommt die Phase, wo wir lernen

müssen, mit dem Virus zu leben.

Ab dem 18. Mai sollen auch touristische Übernachtungen von Inländern in Hotels wieder möglich sein. Auch gastronomische Angebote soll es dann wieder in Hotels geben. Ab 30. Mai seien auch touristische Führungen sowie kleine Gruppen- und Busreisen wieder möglich. Für alles gelten genau wie in der Gastronomie ebenfalls strenge Hygiene-Konzepte. Es sind auch wieder Fachmessen, unter Auflagen, zugelassen. Weitere Öffnungen für Campingplätze, Ferienparks und auch Ferienwohnungen werden folgen. Wie schon beschrieben, wird dies in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt.

Der Deutsche Ethikrat hat auch festgestellt, dass von der Wichtigkeit her die Kinder absoluten Vorrang haben vor dem Glas Bier oder Wein und einem guten Essen, egal ob in einem Restaurant oder Hotel. Die Öffnungen von Kitas und Schulen sind schwierig und komplex. Dieses Thema hat es verdient, besonders beschrieben zu werden.

Lockerungen in Kitas und Schulen

Um Lockerungen im Kita- und Schulbereich durchzusetzen, wurde den Regierungen im Bund und den Ländern einiges abverlangt. Neben den Gesundheits- und Ansteckungsfragen für Kinder, welche bis heute nicht abschließend geklärt sind, gab es Raum-, Platz- und andere organisatorische Probleme zu lösen. Was eindeutig feststeht ist, dass Familien in vielerlei Dingen an ihre Grenzen stoßen, sowohl psychisch wie auch physisch. Dass ein Lehrauftrag nicht mehr erfüllt werden kann, sei nur am Rande erwähnt. Bis wieder Normalität eintreten wird, wird nach Aussage der Fachleute noch eine lange Zeit vergehen. Das müssen die Kinder lernen auszuhalten und sind auf viele Hilfen angewiesen. Was aber besonders hervorsticht, sind die unterschiedlichen sozialen Verhältnisse eines jeden Kindes. Kinderarmut wird am besten in Krisen erkannt und muss wie viele andere soziale Ungerechtigkeiten dringend auf die Agenda gesetzt werden.

Zu den Kitas; Ab dem 14. Mai 2020 können in NRW die Kitas wieder mehr Kinder betreuen. Zugang bekommen zunächst diejenigen Vorschulkinder, die einen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket haben – also Kinder mit einem besonderen Förderbedarf. Zudem sollen alle Kinder mit Behinderung betreut werden. Die Kindertagespflege steht wieder allen Zweijährigen offen. Privat organisierte Betreuung durch Eltern wird erlaubt. Dies stellt eine stufenweise Öffnung von Kitas dar. Man wolle von der jetzigen „erweiterten Notbetreuung“ hin zu einem „improvisierten Betrieb“ kommen. Alle Kinder sollten so in irgendeiner Form „zumindest stundenweise“ wieder an die Kitas angebunden werden. Bis zum Regelbetrieb werde es noch eine lange Zeit dauern.

Ab dem 28. Mai können dann alle Vorschulkinder in die Kita. Ab Juni sollen alle Kinder in NRW wenigstens für zwei Tage pro Woche vor der Sommerpause in die Kitas zurückkehren dürfen. Ab September sollen möglichst alle Kinder wieder in einem eingeschränkten Regelbetrieb in die Kitas gehen können. Dieser Plan steht natürlich unter dem Vorbehalt der weiteren Entwicklung der Corona-Infektionen. Die Opposition fordert ein konkretes Konzept für den Neustart. Wie wäre es, wenn die Opposition auch mal einen Vorschlag machen könnte, vielleicht könnte aus zwei Vorschlägen ja ein sinnvoller Vorschlag rauskommen. Jetzt sind eigentlich Parteien gefragt, die nach Lösungen suchen und nicht nur fordern. Einfach mal ausbrechen aus dem alten Trott!

Zu den Schulen; Allen Schülern soll schrittweise und unter Auflagen bis zu den Sommerferien eine Rückkehr an die Schulen ermöglicht werden. In NRW können ab dem 7. Mai die vierten Klassen wieder mit dem Unterricht beginnen. Ab dem 11. Mai werden dann auch weitere Jahrgangsstufen in einem tageweisen „rollierenden“ System unterrichtet. Welche Fächer unterrichtet werden, entscheiden die Schulen. Allen Schülern soll schrittweise und unter Auflagen bis zu den Sommerferien eine Rückkehr an die Schulen ermöglicht werden. Schüler mit besonderem Unterstützungsbedarf etwa wegen der häuslichen Situation oder der fehlenden technischen Ausstattung sollten „möglichst umgehend gezielte pädagogische Präsenzangebote an den Schulen erhalten“. Auch in den Schulen sind, genau wie auch in den Kitas, soziale Ungleichheiten erkennbar und ein Problem.

 

Die Bundesbildungsministerin verspricht, bedürftige Kinder finanziell beim Homeschooling zu unterstützen. Es fehlen Laptops oder Tablets. Davon abgesehen, dass Homeschooling die Schule nicht ersetzen kann, sind viele Eltern damit überfordert. Erschwerend kommt hinzu, dass mit unterschiedlichen Softwareprogrammen gearbeitet wird, was unnötige Nachfragen zur Folge hat. Es ist schier unmöglich, dem Bildungsauftrag gerecht zu werden, trotz aller gutgemeinten Bemühungen. Es sollen 500 Millionen € für ein „Sofortausstattungsprogramm“ bereitgestellt werden. Das Geld sollen die Schulen für Online-Lehrangebote nutzen. Fest steht, dass Schüler aus ärmeren Familien abgehängt werden könnten, weil sie weder E-Mail noch andere Geräte zur Kommunikation mit den Lehrern haben. Das wäre aber eine Grundvoraussetzung, um einen geordneten Bildungsauftrag in einem Klassenverband zu gewährleisten. Der letzte Teil des Schuljahres ist für viele SchülerInnen ein Desaster. Wir sind in unserem Land noch meilenweit von einer digitalen Schule entfernt und dies wird sich bis zu den Sommerferien nicht wesentlich verbessern.

Neben den organisatorischen Aufgaben, die zu erwarten sind, wie Raum-, Personal-, Hygiene-, Transport- und Wegeproblemen innerhalb des gesamten Schulgeländes erwartet die SchülerInnen auch einiges. Sie sind diejenigen, die durch ihr Verhalten dazu beitragen, dass das Ganze auch gelingt. Das heißt, die Infektionsraten so gering wie nur möglich zu halten. Ansonsten können alle guten Vorsätze, salopp gesagt, in die Tonne geklopft werden. Den Renovierungsstau in den einzelnen Schulen zu beheben wird in der Kürze der Zeit nicht machbar sein. Es muss aber möglich sein, da wo es erforderlich ist, mit wenigen Mitteln eine verträgliche Situation für alle zu schaffen.

Die SchülerInnen werden viele Regeln zu beachten haben. Sei es in der Bahn, im Bus, in der Schule. Die Schulträger sind in der Pflicht, alle diese Regeln zu vermitteln. Es wird ein hoher organisatorischer Aufwand erforderlich sein. Ohne strenge Regeln und deren Einhaltung wird das Projekt Schule aber scheitern, was alle sehr bedauern würden. Da müssen alle, Lehrer und SchülerInnen, dahinterstehen und mitmachen. Dann kann das auch was werden!

Unsere Kinder sind wichtig für unsere Gesellschaft und

haben gemäß ihrem Leistungsstand die beste Ausbildung

und Förderung verdient, die der Staat zu leisten vermag.

Wir sehen aber, dass die Corona-Krise noch sehr viele

Mängel in der Schulbildung sichtbar macht.

Dazu gehört auch noch mehr soziale Gerechtigkeit.

Wo ist eigentlich das Corona-Virus?

Die Lockerungsgeschichten haben zurzeit den Auslöser des ganzen Dilemmas ein wenig verdrängt. Gut, es ist auch viel passiert! Soviel, dass es unmöglich ist, dies alles in Gänze und ausführlich darzustellen. Aber das Virus ist noch da. Mit all seiner Kraft und dem Leid, das dem einen oder anderen zugefügt wird. Noch sind die Zahlen, bis auf wenige Ausnahmen, in einem vertretbaren Ausmaß festzustellen. Die Virologen haben auch die erste Reihe verlassen. Es scheint jedenfalls so.

Es wird aber ein gefährlicher und trügerischer Eindruck erweckt, der uns sagt, wir haben alles im Griff. Tatsache ist aber, wir haben uns eine Situation geschaffen, die uns durch Konsequenz und Willen in diese gute Lage gebracht hat. Mehr ist nicht geschehen. Wir dürfen in dieser Lage nicht vergessen, dass dies nur eine Momentaufnahme ist. Wir müssen achtsam bleiben, sagt auch die Kanzlerin.

„Wir haben nichts besonders gut gemacht,

Wir haben es nur früher gemacht.“

Zitat: Virologe Christian Drosten

Der Mensch lässt sich leicht manipulieren. Er nimmt positive Signale viel eher auf als negative. Wenn von außen nur von Lockerungen gesprochen wird, entsteht ein Eindruck: geht doch, läuft gut. Dass unter anderem die Tourismusbranche sich nach Normalität sehnt, ist doch verständlich. Rund um unser Land wird geworben, was das Zeug hält. Die Sehnsucht nach Wasser, Land und Bergen ist ungebrochen. Endlich mal raus, was anderes sehen, nach diesen Wochen der „Enthaltsamkeit“.

Wenn man zwischen den Zeilen oder mal zu Ende liest, muss man feststellen, dass alles mit einem großen Fragezeichen versehen ist. Es ist mit Einschränkungen vieler Art zu rechnen. Über diese Einschränkungen sind in der Vergangenheit schon Entschädigungsprozesse geführt worden. So einen Urlaub möchte eigentlich niemand machen. Es ist streng genommen unseriös, heute Versprechungen zu machen, welche ich morgen vielleicht gar nicht einhalten kann. Wollen wollen wir alle, aber geht das auch? Ich unterstelle auch niemandem eine böse Absicht. Es ist auch ein Kampf um das wirtschaftliche Überleben, das wissen wir doch alle. Wir müssen aufpassen, dass wir vor lauter Lockerungen nicht vergessen, worum es geht. Ein zweiter „Lockdown“ wird uns wirtschaftlich zurückwerfen und uns in die Knie zwingen. Es wird so viel Geld gedruckt, was aber letztendlich nichts mehr wert sein wird. Das möchte mit Sicherheit niemand.

Besuch in Alten- und Pflegeheimen

Vorweg eine Bemerkung: alle gut gemeinten Lockerungen sind nur Absichtserklärungen. Es sollen Erleichterungen, unter Einhaltung von Vorschriften, für die betreffenden Personen oder Bürger hergestellt werden. Wenn aber Lockerungen mit Vorgaben verbunden sind, müssen diese auch kommuniziert werden, und zwar zeitnah und eindeutig. Wenn dies nicht geschieht, können die Verheißungen auch nicht umgesetzt werden. Das ist, so glaube ich, das größte Manko bei Vorhaben. Es reicht nicht, nur eine Überschrift zu verkünden, sondern das Kleingedruckte gehört dazu. Es ist wichtiger als die Headline. So ist das auch geschehen. Zu Recht wurde verkündet, dass Besuche in Alten- und Pflegeheimen ab 9. Mai wieder möglich werden.

Nun zur Sache: dieses Vorhaben war schon längst überfällig. Die Todesrate in diesen Häusern ist erschreckend hoch. Das liegt natürlich auch am Alter und am Gesundheitszustand der Bewohner. Dass fehlende und mangelnde Schutzkleidung auch eine Ursache der hohen Todesrate ist, wurde in anderen Kapiteln schon beschrieben.

Betrachtet man die humanitäre Seite, wird ein großes menschliches Dilemma erkennbar. Einen alten, kranken und vielleicht sterbenden Menschen zu isolieren und Kontaktverbote zu erteilen, ist an „Unmenschlichkeit“ nicht mehr zu überbieten. Da hat sich niemand mit Ruhm bekleckert. Diesen Zustand haben die Verantwortlichen in den Heimen selber bedauert und auf schnelle Abhilfe gedrängt. Die Angehörigen waren in der gleichen Situation und haben diesem Schicksal eigentlich hilf- und machtlos gegenübergestanden.

Nun ist aber die Lockerung in Kraft, aber die Umsetzung der Vorgaben auf die Schnelle nicht möglich. Hinterher ist man ja immer klüger. Stimmt! Katastrophenpläne, die es ja gibt, können nicht alle Eventualitäten einschließen. Was man aber kann ist, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Diese Chance hat man nun. Es wird nicht die letzte Krise dieser Art gewesen sein.

Die „Notbremse“

Am 6. Mai 2020 wurden umfangreiche Lockerungen bekanntgegeben. Unter anderem wurde auch eine „Notbremse“ eingeführt. Sie sieht vor, dass, wenn innerhalb von sieben Tagen sich mehr wie 50 Fälle auf 100.000 Einwohner mit dem Coronavirus infizieren, sofort entsprechende Rücknahmen der Lockerungen vorzunehmen sind. Überprüfen müssen das die Gesundheitsämter in Kooperation mit den Landräten. Kritiker sind der Meinung, dass die Gesundheitsämter personell unterbesetzt und gar nicht in der Lage sind, Infektionsketten lückenlos zu verfolgen. Was aber Voraussetzung ist, um zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen. Die Intention ist eigentlich folgerichtig. Wenn im Norden des Landes eine Stadt eine zu hohe Infektionsrate aufweist, müssen nicht zwangsläufig im Süden des Landes besondere Maßnahmen erfolgen.

Das Gute an dem Corona-Virus ist ja, dass es brutal und

schonungslos die Schwächen und Fragwürdigkeiten

ganzer Systeme aufdeckt.

Zitat: Christoph Ullrich

Bevor die angekündigten Lockerungen in Kraft treten, ist in drei Städten von NRW passiert, dass über 50 Infektionen innerhalb von sieben Tagen festgestellt wurden. Näher zu beleuchten ist ein Fall in einem Schlachtbetrieb in Coesfeld. Dieser ist besonders zu erwähnen, weil hier gleich mehrere gravierende Mängel im Umgang mit dem Coronavirus festgestellt wurden.

Innerhalb weniger Tage hatten sich mehr als 100 Mitarbeiter von 1200 infiziert. Die Firmenleitung hatte eine Schließung abgelehnt, die von einem Kreistagsabgeordneten aber verlangt wurde. Am Tag darauf wurde angekündigt, den Betrieb in reduziertem Umfang weiter zu fahren. Zwischenzeitlich kontrollierten Mitarbeiter der Bezirksregierung Münster den Betrieb und stellten sowohl im Zerlegebetrieb als auch in den Umkleiden Verstöße gegen die Infektionsschutzvorgaben fest. Mittlerweile war auch die Zahl der infizierten Mitarbeiter von zwischenzeitlich 129 auf 151 gestiegen. Am Abend wird die Schlachterei geschlossen. Die Hälfte der Belegschaft in Coesfeld sind Leiharbeiter aus Osteuropa, die überwiegend in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind. Möglicherweise konnte sich hier das Virus rasant verbreiten. Die positiv getesteten Mitarbeiter wurden, laut der Firma, eilig in angemieteten Wohnungen separiert. Außerdem sei in mehreren Sprachen auf die Hygieneregeln hingewiesen worden, beteuerte die Firma. Alle Lockerungen in Coesfeld werden um eine Woche, auf den 18. Mai, verschoben. Die Kitas und Schulen sind davon nicht betroffen.

Was sagt uns dieses Beispiel? Auch wenn ein Betrieb als „systemrelevant“ eingestuft wird, hat dieser sich an Recht und Gesetz zu halten. Insbesondere in dieser kritischen Situation. Es wird auch nicht genug kontrolliert. Das wurde es auch nicht vor der Corona-Zeit! Die Kontrolleure in den zuständigen Bereichen leiden auch unter Personalmangel. Hier liegt die Verantwortlichkeit auf einer ganz anderen Ebene.

Hauptschuldiger ist aber die Firma. Sie hat darauf zu achten, dass alle arbeits- und gesundheitsrechtlichen Bestimmungen eingehalten werden. Dies gilt sowohl für den Arbeits- als auch den Privatbereich der Leiharbeiter. Es stellt sich auch die Frage, wann hat die Firma ihre Mitarbeiter schriftlich in mehreren Sprachen informiert? Nicht nur, dass sie die Arbeitsplätze, Umkleide und auch Privatunterkünfte nicht kontrolliert, sie schiebt die Verantwortung auf die Subunternehmer ab.

Die ganze Welt hat mittlerweile erkannt, wie mit dem Virus umzugehen ist. Dass das Corona-Virus nicht vor dem Firmentor halt macht, weiß jedes Kind. Das dürfte auch die Geschäftsleitung wissen und die trägt jede Verantwortung. Nach einigem Zögern hat das Land NRW doch noch die richtige Entscheidung getroffen. Fast zu spät! Der Staat hat auch die Pflicht, Verstöße jeglicher Art zu ahnden. Ansonsten verliert er seine Glaubwürdigkeit. Das wäre fast noch schlimmer als das Coronavirus. Wir erkennen auch, gerade in den Krisen, die Schwächen und Fragwürdigkeit verschiedener Systeme.

Die Maske verändert unser Leben

Fast alle Menschen tragen beim Einkauf und auf Wochenmärkten eine Maske. Das steht auch für Respekt gegenüber dem Anderen. Dieser Mund-Nasen-Schutz verändert aber die Kommunikation untereinander. Man muss lauter reden und versteht nicht immer alles. Und, wenn man Brillenträger ist, beschlägt diese und man sieht gar nichts oder nicht viel.

Das Leben wird auch anonymer. Hier helfen kleine Gesten, feine Mimik, uns einander zu verstehen. Sie helfen einzuordnen, ob wir dem Gegenüber trauen oder mögen. Es muss nun besser auf die Signale geachtet werden. Entscheidende Signale zeigt aber auch das obere Gesicht. Wir ziehen zum Beispiel die Augenbrauen-Innenseiten hoch, wenn wir traurig sind. Wir ziehen sie zusammen, wenn wir ärgerlich sind. Wir ziehen sie hoch und zusammen, wenn wir Angst haben. Es ist jedenfalls spannend, wie die Menschen derzeit kommunizieren. Ein Clown, der auch noch geschminkt ist, beherrscht all diese Mimik bis ins kleinste Detail. Der Clown ist eigentlich der „menschlichste Mensch“.

Tränen und Trauer sind noch am einfachsten zu erkennen. Freudentränen übrigens auch, weil dann alles entspannter ist. Was den Menschen am meisten fehlt, ist das Lachen. Man hört es, aber sieht es nicht. Hier helfen vielleicht Gesten. Zuneigung kann man auch zeigen, indem man die Hand aufs Herz legt. Respekt, indem man sich verneigt, das heißt, den Kopf mehr oder weniger neigt. Es gibt also einige Möglichkeiten, Signale jeder Art zu zeigen. Das Maskentragen ist, gemessen an der Ursache, noch das kleinere Problem und wir werden uns daran gewöhnen müssen.

 

Suche nach einem Corona-Impfstoff

Auf einer Geberkonferenz Anfang Mai 2020 sammelten ein Dutzend Länder gemeinsam 7,4 Milliarden € für die Entwicklung eines Impfstoffs. „Die Welt ist vereint gegen das Coronavirus, und die Welt wird gewinnen“, sagte EU-Kommissionschefin von der Leyen. Mit einem Beitrag von 1 Milliarde € trägt die EU selbst einen großen Anteil dazu bei. Es folgen Kanada 780 Millionen €, Deutschland 525 Millionen €, Frankreich 500 Millionen €, Italien 140 Millionen € und die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung sagt 100 Millionen Euro zu usw. Ziel der Initiative ist, dass alle Kräfte für die Forschung an Impfstoffen und Arzneien gebündelt werden und alle Länder weltweit – auch ärmere – davon profitieren.

Die USA nahmen allerdings nicht an der Konferenz teil. Sie hatten ein paar Tage zuvor ein eigenes Programm gestartet. um einen Impfstoff in „Überlicht-Geschwindigkeit“ zu starten. Der US-Präsident liebt diese blumige Wortwahl und möchte damit die besondere Größe Amerikas hervorheben. Dieser Präsident hat auch zu Beginn der Corona-Krise versucht, bei einem Deutschen Forschungsinstitut die Alleinrechte für einen Impfstoff zu bekommen. Dies wurde zum Glück rechtzeitig verhindert. UNO-Generalsekretär António Guterres sagte auch, dass rund fünf Mal so viel Geld nötig sei. Ende Mai soll eine weitere Konferenz folgen.

Bei den Untersuchungen stellen die Wissenschaftler und auch Ärzte immer mehr und andere Krankheitsverläufe und Nebenwirkungen fest. Das Coronavirus fordert die Menschheit gerade mit ihrem ganzen Wissen heraus. Weltweit wird jedenfalls an Lösungen gesucht. Was Hoffnung macht: Wissenschaftler, Forscher, Virologen und Ärzte arbeiten, bis auf wenige Ausnahmen, weltweit miteinander und tauschen ihre Erfahrungen aus. Solange es noch keinen Impfstoff gibt, arbeiten Wissenschaftler an Medikamenten, auch mit dem Ziel, den Krankheitsverlauf deutlich zu mildern oder zu verkürzen. Da gibt es einige vielversprechende Ansätze.

Demos gegen Corona-Regeln

Tausende Menschen haben in Stuttgart, München, Berlin und anderen Städten gegen die Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie demonstriert. In Dortmund griff ein Rechtsextremer ein Presseteam an. Hauptredner in Stuttgart war der wegen seiner Verschwörungstheorien umstrittene Youtuber Ken Jebsen. Nach Angaben der Polizei seien Abstandsregeln hier meist eingehalten worden. Es sei friedlich geblieben.

In Berlin nahm die Polizei wegen Nichteinhaltung von Regeln etwa 30 Personen fest, zwecks Überprüfung der Personalien. Der Mindestabstand wurde nicht eingehalten. Dieses Verhalten wurde bei fast allen Demos festgestellt. Trotz Missachtung der Ansagen habe man aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Demos laufen lassen. Auch wenn die Staatsgewalt ihre „Glaubwürdigkeit“ aufs Spiel setzt, ist vielleicht Zurückhaltung, um zu deeskalieren, manchmal vernünftiger. Da sind schwierige Entscheidungen zu treffen.

Die Reproduktionszahl, Stand 9. Mai,

übersteigt kritischen Wert. Sie sehen

die Ansteckungsrate derzeit auf dem Wert von 1,1.

Das RKI mahnt in der Corona-Krise

nach wie vor zur Vorsicht.

Ziel unser aller Bemühung war,

den Wert konstant weit unter 1,0 zu halten.

Wir leben in einem der freiheitlichsten Länder. Um unser Grundgesetz mit unseren Persönlichkeitsrechten beneiden uns viele Menschen weltweit. Wenn der Mensch aber glaubt, Freiheit bedeutet, alles tun und machen zu dürfen, müssen wir Freiheit neu definieren, insbesondere in Krisenzeiten. Der Mensch ist in seinem Tun so lange frei, solange er andere in ihrer Freiheit nicht beschränkt oder sogar Schaden zufügen kann.

In diesen Zusammenhang der Demos passt die Meldung: „Bischöfe verbreiten Verschwörungstheorie“. Mehrere Bischöfe kritisieren die Corona-Maßnahmen. Sie sehen den Auftakt zu einer „Weltregierung“, mit dem Ziel, persönliche Freiheiten dauerhaft einzuschränken. Es gebe auch Grund zur Annahme, dass es Kräfte gibt, die daran interessiert ist, in der Bevölkerung Panik zu erzeugen. Sie äußern auch Zweifel an der „tatsächlichen Ansteckungsgefahr“.

Wenn ich solche Äußerungen vom kirchlichen Würdenträger höre, gerate ich auch in Panik. Kümmert Euch um die Botschaft Gottes und Eure Schäfchen. Ihr seid die Arbeiter in Eurem Weinberg und nicht die Verkünder von dubiosen Verschwörungstheorien. Die Deutsche Bischofskonferenz distanziert sich und äußert deutliche Kritik – auch innerhalb der katholischen Kirche. Sie sagt ferner, dass sie grundsätzlich keine Aufrufe einzelner Bischöfe außerhalb Deutschlands kommentieren würde. Das muss sie auch nicht. Der Vatikan, bzw. Papst Franziskus, haben sich noch nicht über diesen ungeheuerlichen Vorfall geäußert.

Verantwortung der Bundesländer

Bei den Lockerungen vom 6. Mai 2020 wurde sehr deutlich, dass die Länder immer mehr in der Verantwortung stehen. Das hängt auch damit zusammen, dass sowieso viele Aufgaben, welche auch die Bundesregierung beschlossen hatte, Ländersache waren.

A. Laschet aus NRW und auch M. Söder aus Bayern waren diejenigen, welche nach außen zeigen wollten, das Richtige für ihr Land tun zu wollen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es wurden nicht immer die Abmachungen, was den Zeitplan anbelangt, zwischen den Ländern und der Regierung, eingehalten. Das hängt auch damit zusammen, dass der Druck von verschiedenen Seiten immer größer auf die Länder wurde. Böse Zungen behaupten sogar, dass sich die beiden Protagonisten auf die bevorstehende Bundestagswahl 2021, sprich auch als Bundeskanzler, schon positionieren würden. Obwohl M. Söder Ambitionen weit von sich weist. Er fühlt sich in Bayern sehr wohl, Berlin kann warten. A. Laschet will allen beweisen: ich kann Krise gut. Wenn alles gut geht für ihn, hat er auch gute Karten. Wenn es schief geht, freut sich Merz oder Röttgen. So läuft Politik!

So, nun wieder zum Thema Coronavirus. Dass die Länder unterschiedliche Intentionen und Schwerpunkte haben, liegt in der Natur der Sache. Die Gefahr besteht darin, dass es einen Flickenteppich an Lockerungen, weiteren Beschränkungen und auch Verboten gibt. Problematisch wird es dort, wo es grenznahe Unterschiede gibt. Das muss man dann den Unternehmen und auch den Bürgern verständlich kommunizieren. Das geht über unterschiedliche Lockerungen in Geschäften und Regeln in den unterschiedlichsten Bereichen. Dieses Thema hatten wir schon mal. Diejenigen, die Regeln und Verordnungen umsetzen müssen, sind auf klare, verständliche und vor allen Dingen rechtzeitige Infos angewiesen. Es gibt so viele Berufsverbände, die alles Mögliche regeln. Warum kann die Bundes- oder auch Landesregierung nicht schon im Vorfeld Absprachen über mögliche Abläufe und Regeln mit den Verbänden treffen. Die Verbände geben dies dann weiter. Es muss nicht alles im Detail geregelt sein, es reicht manchen schon eine grobe Richtung zu erkennen, um erste Maßnahmen vorzubereiten.

Als ein Negativ-Beispiel sehe ich auch den Umgang mit den Schulen an. Am 16. März wurden die Schulen geschlossen. Drei Wochen später begannen die Osterferien (NRW). Fünf Wochen Stillstand, jedenfalls wusste zu diesem Zeitpunkt niemand, wann und wie es weitergeht. Am 7. Mai, noch einmal zweieinhalb Wochen später, begann für Teile der Schüler der Unterricht. Der Schulbetrieb war knapp acht Wochen ausgesetzt. Was ist passiert in dieser Zeit. Ich weiß es nicht. Man muss sich zuerst ein genaues Bild machen und dann bis ins Kleinste durchdiskutieren, um dann hinterher festzustellen, das ist nicht zu schaffen. Es mag überspitzt dargestellt sein, aber so kommt das bei dem Bürger an. Ich weiß auch, dass SchulleiterInnen und LehrerInnen bis zum Wahnsinn gerödelt haben, um den Laden nach den vorgegeben Richtlinien am Laufen zu halten. Ich stelle schlicht und einfach fest, die SchulministerInnen, Schulträger usw. hatten keinen Plan, wie in einen solchen Fall zu verfahren ist. Man kann ja nicht auf alle Eventualitäten eingestellt sein! Wenn es aber einen Plan geben sollte, würde das die Sache nicht besser machen. Das Dilemma wird auf dem Rücken der SchülerInnen ausgetragen.