Till Eulenspiegel

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Till Eulenspiegel
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Hermann Bote

Till Eulenspiegel

Wie er sein Leben vollbracht hat und knapp 100 weitere Antworten.

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Till Eulenspiegelaus

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Impressum neobooks

Till Eulenspiegelaus

Wie er sein Leben vollbracht hat.

Inhalt:

Wie Till Eulenspiegel geboren wurde

Wie alle über den jungen Eulenspiegel klagten

Wie Claus Eulenspiegel von Kneitlingen hinweg zog

Wie Eulenspiegel den Jungen Schuhe von den Füßen abschwatzte

Wie Eulenspiegels Mutter ihn ermahnte, ein Handwerk zu lernen

Wie Eulenspiegel einen Brotbäcker um einen Sack voll Brot betrog

Wie Eulenspiegel das Weckbrot mit anderen Jungen im Übermaß essen

mußte

Wie Eulenspiegel es machte, daß sich die Hühner um die Lockspeise

zerrten

Wie Eulenspiegel in einen Bienenkorb kroch

Wie Eulenspiegel ein Hofjunge wurde

Wie Eulenspiegel sich als Koch und Stubenheizer verdingte

Wie Eulenspiegel dem Kaufmann das Haus räumte

Wie Eulenspiegel die gebratenen Hühner vom Spieß aß

Wie Eulenspiegel Küster wurde

Wie Eulenspiegel in der Ostermesse ein Spiel machte

Wie Eulenspiegel verkündete, fliegen zu wollen

Wie Eulenspiegel des Bischofs Doktor behandelte

Wie Eulenspiegel Brot kaufte

Wie Eulenspiegel immer ein falbes Pferd ritt

Wie ein Bauer Pflaumen zum Markt fahren wollte

Wie Eulenspiegel sich als Turmbläser verdingte

Wie Eulenspiegel ein Brillenmacher wurde

Wie Eulenspiegel seinem Pferd goldene Hufeisen aufschlagen ließ

Wie Eulenspiegel den Schalksnarren des Königs von Polen überwand

Wie Eulenspiegel sich in sein Pferd stellte

Wie Eulenspiegel in einem Sturzkarren saß

Wie Eulenspiegel für den Landgrafen von Hessen malte

Wie Eulenspiegel mit den Studenten disputierte

Wie Eulenspiegel einen Esel lesen lehrte

Wie Eulenspiegel den Frauen die Pelze wusch

Wie Eulenspiegel mit einem Totenkopf umherzog

Wie Eulenspiegel die Stadtwächter munter machte

Wie Eulenspiegel um Geld aß

Wie Eulenspiegel nach Rom zog und den Papst sah

Wie Eulenspiegel die Juden betrog

Wie Eulenspiegel Hühner kaufte

Wie der Pfarrer Eulenspiegel eine Wurst wegfraß

Wie Eulenspiegel dem Pfarrer sein Pferd abschwatzte

Wie Eulenspiegel einem kranken Kinde zum Scheißen verhalf

Wie Eulenspiegel sich bei einem Schmied verdingte

Wie Eulenspiegel einem Schmied Hämmer und Zangen

zusammenschmiedete

Wie Eulenspiegel eine Wahrheit draußen vor dem Haus sagte

Wie Eulenspiegel einem Schuhmacher diente

Wie Eulenspiegel einem Schuhmacher Dreck als Talg verkaufte

Wie Eulenspiegel ein Brauergeselle wurde

Wie Eulenspiegel sich bei einem Schneider verdingte

Wie Eulenspiegel drei Schneiderknechte von einem Fensterladen fallen ließ

Wie Eulenspiegel die Schneider im ganzen Sachsenlande zusammenrief

Wie Eulenspiegel an einem Feiertag Wolle schlug

Wie Eulenspiegel sich bei einem Kürschner verdingte

Wie Eulenspiegel in trocknen und nassen Pelzen schlief

Wie Eulenspiegel einem Kürschner Wölfe statt Wolfspelze machte

Wie Eulenspiegel eine Katze als lebendigen Hasen verkaufte

Wie Eulenspiegel einem Ledergerber Leder sott

Wie Eulenspiegel den Weinzäpfer betrog

Wie man Eulenspiegel henken wollte

Wie Eulenspiegel eine große Tasche machen ließ

Wie Eulenspiegel einen Metzger um einen Braten betrog

Wie Eulenspiegel einen Metzger noch einmal um einen Braten betrog

Wie Eulenspiegel ein Schreinerknecht wurde

Wie Eulenspiegel Eulen und Meerkatzen backte

Wie Eulenspiegel das Mehl in den Hof beutelte

Wie ein Kaufmann Eulenspiegels Pferd den Schwanz auszog

Wie Eulenspiegel einem Pfeifendreher eine große Schalkheit antat

Wie Eulenspiegel von einer alten Bäuerin verspottet wurde

Wie Eulenspiegel einen Bauern um ein grünes Londoner Tuch betrog

Wie Eulenspiegel in eine Badestube schiß

Wie Eulenspiegel von den Landfrauen Milch kaufte

Wie Eulenspiegel seinen Gästen den Braten beträufelte

Wie Eulenspiegel Schälke säte

Wie ein Stiefelmacher Eulenspiegels Stiefel spickte

Wie Eulenspiegel eine Frau alle ihre Töpfe entzweischlagen ließ

Wie sich Eulenspiegel bei einem Barbier verdingte

Wie Eulenspiegel einem Bauern die Suppe begoß

Wie Eulenspiegel ein Weißmus allein ausaß

Wie Eulenspiegel den Gestank durch die Wand blies

Wie Eulenspiegel einen Wirt erschreckte mit einem toten Wolf

Wie Eulenspiegel dem Wirt auf den Tisch schiß

Wie Eulenspiegel den Wirt mit dem Klange des Geldes bezahlte

Wie Eulenspiegel von Rostock schied

Wie Eulenspiegel einen Hund schund

Wie Eulenspiegel derselben Wirtin einredete, Eulenspiegel liege auf dem

Rad

Wie Eulenspiegel eine Wirtin in die heiße Asche setzte

Wie Eulenspiegel einer Wirtin in das Bett schiß

Wie ein Holländer aus einer Schüssel einen gebratenen Apfel aß

Wie Eulenspiegel von einer Frau zu Gast geladen wurde

Wie Eulenspiegel 12 Blinden 12 Gulden gab

Wie Eulenspiegel für die Blinden einen Bürgen stellte

Wie Eulenspiegel an einem Tage alle Kranken ohne Arznei gesund machte

Wie Eulenspiegel die Mönche in der Messe zählte

Wie Eulenspiegel in Mölln krank wurde

Wie Eulenspiegel seine Sünden bereuen sollte

Wie Eulenspiegel sein Testament machte

Wie Eulenspiegel sein Gut in drei Teilen vergab

Wie Eulenspiegel starb

Wie Eulenspiegel von Beginen begraben wurde

Kapitel 1

Die 1. Historie sagt, wie Till Eulenspiegel geboren, dreimal an einem Tage getauft wurde und

wer seine Taufpaten waren.

Bei dem Wald, Elm genannt, im Dorf Kneitlingen im Sachsenland, wurde Eulenspiegel

geboren. Sein Vater hieß Claus Eulenspiegel, seine Mutter Ann Wibcken. Als sie des Kindes

genas, schickten sie es in das Dorf Ampleben zur Taufe und ließen es nennen Till

Eulenspiegel. Till von Uetzen, der Burgherr von Ampleben, war sein Taufpate. Ampleben ist

das Schloß, das die Magdeburger vor etwa 50 Jahren mit Hilfe anderer Städte als ein böses

Raubschloß zerstörten. Die Kirche und das Dorf dabei ist nunmehr im Besitze des würdigen

Abtes von Sankt Ägidien, Arnolf Pfaffenmeier.

Als nun Eulenspiegel getauft war und sie das Kind wieder nach Kneidingen tragen wollten, da

wollte die Taufpatin, die das Kind trug, eilig über einen Steg gehen, der zwischen Kneidingen

und Ampleben über einen Bach führt. Und sie hatten nach der Kindtaufe zu viel Bier

getrunken (denn dort herrscht die Gewohnheit, daß man die Kinder nach der Taufe in das

Bierhaus trägt, sie vertrinkt und fröhlich ist; das mag dann der Vater des Kindes bezahlen).

Also fiel die Patin des Kindes von dem Steg in die Lache und besudelte sich und das Kind so

jämmerlich, daß das Kind fast erstickt wäre. Da halfen die anderen Frauen der Badmuhme mit

dem Kind wieder heraus, gingen heim in ihr Dorf, wuschen das Kind in einem Kessel und

machten es wieder sauber und schön.

So wurde Eulenspiegel an einem Tage dreimal getauft: einmal in der Taufe, einmal in der

schmutzigen Lache und einmal im Kessel mit warmem Wasser.

Die 2. Historie sagt, wie alle Bauern und Bäuerinnen über den jungen Eulenspiegel klagten

und sprachen, er sei ein Nichtsnutz und Schalk; und wie er auf einem Pferd hinter seinem

Vater ritt und stillschweigend die Leute hinten in seinen Arsch sehen ließ.

Als nun Eulenspiegel so alt war, daß er stehen und gehen konnte, da spielte er viel mit den

jungen Kindern. Denn er war munteren Sinnes. Wie ein Affe tummelte er sich auf den Kissen

und im Gras so lange, bis er drei Jahre alt war. Dann befleißigte er sich aller Art Schalkheit so

sehr, daß sich alle Nachbarn miteinander beim Vater beklagten, sein Sohn Till sei ein Schalk.

Da nahm der Vater sich den Sohn vor und sprach zu ihm: »Wie geht das doch immr zu, daß

alle unsere Nachbarn sagen, du seist ein Schalk?« Eulenspiegel sagte: »Lieber Vater, ich tue

doch niemandem etwas, das will ich dir eindeutig beweisen. Geh hin, setz dich auf dein

eigenes Pferd, und ich will mich hinter dich setzen und stillschweigend mit dir durch die

Gassen reiten. Dennoch werden sie über mich lügen und sagen, was sie wollen. Gib darauf

acht!« Das tat der Vater und nahm ihn hinter sich aufs Pferd. Da hob sich Eulenspiegel hinten

 

auf mit seinem Loch, ließ die Leute in den Arsch sehen und setzte sich dann wieder. Die

Nachbarn und Nachbarinnen zeigten auf ihn und sprachen: »Schäme dich! Wahrlich, ein

Schalk ist das!« Da sagte Eulenspiegel: »Hör, Vater, du siehest wohl, daß ich stillschweige

und niemandem etwas tue. Dennoch sagen die Leute, ich sei ein Schalk.«

Nun tat der Vater dies: er setzte Eulenspiegel, seinen lieben Sohn, vor sich auf das Pferd.

Eulenspiegel saß ganz still, aber er sperrte das Maul auf, grinste die Bauern an und streckte

ihnen die Zunge heraus. Die Leute liefen hinzu und sprachen: »Seht an, welch ein junger

Schalk ist das!« Da sagte der Vater: »Du bist freilich in einer unglückseligen Stunde geboren.

Du sitzest still und schweigst und tust niemandem etwas, und doch sagen die Leute, du seist

ein Schalk.«

Die 3. Historie sagt, wie Claus Eulenspiegel von Kneitlingen hinweg zog an den Fluß Saale,

woher Tills Mutter gebürtig war, dort starb, und wie sein Sohn auf dem Seil gehen lernte.

Danach zog sein Vater mit ihm und seiner Familie von dannen in das magdeburgische Land an

den Fluß Saale. Von dorther stammte Eulenspiegels Mutter. Und bald darauf starb der alte

Claus Eulenspiegel. Die Mutter blieb bei dem Sohn in ihrem Dorf, und sie verzehrten, was sie

hatten. So wurde die Mutter arm. Eulenspiegel wollte kein Handwerk lernen und war doch

schon etwa 16 Jahre alt. Aber er tummelte sich und lernte mancherlei Gauklerei.

Eulenspiegels Mutter wohnte in einem Haus, dessen Hof an die Saale ging. Und Eulenspiegel

begann, auf dem Seile zu gehen. Das trieb er zuerst auf dem Dachboden des Hauses, weil er es

vor der Mutter nicht tun wollte. Denn sie konnte seine Torheit nicht leiden, daß er sich so auf

dem Seil tummelte, und drohte, ihn deshalb zu schlagen. Einmal erwischte sie ihn auf dem

Seil, nahm einen großen Knüppel und wollte ihn herunterschlagen. Da entrann er ihr zu einem

Fenster hinaus, lief oben auf das Dach und setzte sich dort hin, so daß sie ihn nicht erreichen

konnte.

Das währte so lange mit ihm, bis er ein wenig älter wurde. Dann fing er wieder an, auf dem

Seil zu gehen, und zog das Seil oben von seiner Mutter Hinterhaus über die Saale in ein Haus

gegenüber. Viele junge und alte Leute bemerkten das Seil, darauf Eulenspiegel laufen wollte.

Sie kamen herbei und wollten ihn darauf gehen sehen; und sie waren neugierig, was er doch

für ein seltsames Spiel beginnen oder was er Wunderliches treiben wollte.

Als nun Eulenspiegel auf dem Seil im besten Tummeln war, bemerkte es seine Mutter; und sie

konnte ihm nicht viel darum tun. Doch schlich sie heimlich hinten in das Haus auf den Boden,

wo das Seil angebunden war, und schnitt es entzwei. Da fiel ihr Sohn Eulenspiegel unter

großem Spott ins Wasser und badete tüchtig in der Saale. Die Bauern lachten sehr, und die

Jungen riefen ihm laut nach: »Hehe, bade nur wohl aus! Du hast lange nach dem Bade

verlangt!«

Das verdroß Eulenspiegel sehr. Das Bad machte ihm nichts aus, wohl aber das Spotten und

Rufen der Buben. Er überlegte, wie er ihnen das wieder vergelten und heimzahlen wollte. Und

also badete er aus, so gut er es vermochte.

Die 4. Historie sagt, wie Eulenspiegel den Jungen etwa zweihundert Paar Schuhe von den

Füßen abschwatzte und machte, daß sich alt und jung darum in die Haare gerieten.

Kurze Zeit danach wollte Eulenspiegel seinen Schaden und den Spott wegen des Bades

rächen, zog das Seil aus einem anderen Haus über die Saale und zeigte den Leuten an, daß er

abermals auf dem Seil gehen wolle. Das Volk sammelte sich bald dazu, jung und alt. Und

Eulenspiegel sprach zu den Jungen: jeder solle ihm seinen linken Schuh geben, er wolle ihnen

mit den Schuhen ein hübsches Stück auf dem Seil zeigen. Die Jungen glaubten das, und alle

meinten, es sei wahr, auch die Alten. Und die Jungen huben an, die Schuhe auszuziehen, und

gaben sie Eulenspiegel. Es waren der Jungen beinahe zwei Schock, das sind zweimal sechzig.

Die Hälfte der Schuhe wurde Eulenspiegel gegeben. Da zog er sie auf eine Schnur und stieg

damit auf das Seil. Als er nun auf dem Seil war und hatte die Schuhe mit oben, sahen die

Alten und die Jungen zu ihm hinauf und meinten, er wolle ein lustig Ding damit tun. Aber ein

Teil der Jungen war betrübt, denn sie hätten ihre Schuhe gern wiedergehabt.

Als nun Eulenspiegel auf dem Seil saß und seine Kunststücke machte, rief er auf einmal:

»jeder gebe acht und suche seinen Schuh wieder!« Und damit schnitt er die Schnur entzwei

und warf die Schuhe alle von dem Seil auf die Erde, so daß ein Schuh über den anderen

purzelte. Da stürzten die Jungen und Alten herzu, einer erwischte hier einen Schuh, der andere

dort. Der eine sprach: »Dieser Schuh ist mein!« Der andere sprach: »Du lügst, er ist mein!«

Und sie fielen sich in die Haare und begannen sich zu prügeln. Der eine lag unten, der andere

oben; der eine schrie, der andere weinte, der dritte lachte. Das währte so lange, bis auch die

Alten Backenstreiche austeilten und sich bei den Haaren zogen.

Derweil saß Eulenspiegel auf dem Seil, lachte und rief: »Hehe, sucht nun die Schuhe, wie ich

kürzlich ausbaden mußte!« Und er lief von dem Seil, und ließ die Jungen und Alten sich um

die Schuhe zanken.

Danach durfte er sich vier Wochen lang vor den Jungen oder Alten nicht sehen lassen. Er saß

deshalb im Hause bei seiner Mutter und flickte Helmstedter Schuhe. Da freute sich seine

Mutter sehr und meinte, es würde mit ihm noch alles gut werden. Aber sie kannte nicht die

Geschichte mit den Schuhen und wußte nicht, daß er wegen dieses Streichs nicht wagte, vors

Haus zu gehen.

Die 5. Historie sagt, wie Till Eulenspiegels Mutter ihn ermahnte, ein Handwerk zu lernen,

wobei sie ihm helfen wollte.

Eulenspiegels Mutter war froh, daß ihr Sohn so friedlich war, schalt ihn jedoch, daß er kein

Handwerk lernen wollte. Er schwieg dazu, aber die Mutter ließ nicht nach, ihn. zu schelten.

Schließlich sagte Eulenspiegel: »Liebe Mutter, womit sich einer abgibt, davon wird ihm sein

Lebtag genug.« Da sagte die Mutter: »Wenn ich über dein Wort nachdenke: seit vier Wochen

habe ich kein Brot in meinem Haus gehabt.« Doch Eulenspiegel sprach: »Das paßt nicht als

Antwort auf meine Worte. Ein armer Mann, der nichts zu essen hat, der fastet am Sankt-

Nikolaus-Tag, und wenn er etwas hat, so ißt er mit Sankt Martin zu Abend. Also essen wir

auch.«

Die 6. Historie sagt, wie Eulenspiegel in der Stadt Staßfurt einen Brotbäcker um einen Sack

voll Brot betrog und es seiner Mutter heimbrachte.

Lieber Gott, hilf«, dachte Eulenspiegel, »wie soll ich die Mutter beruhigen? Wo soll ich Brot

herbekommen für ihr Haus?« Und er ging aus dem Flecken, in dem seine Mutter wohnte, in

die Stadt Staßfurt. Dort fand er eines reichen Brotbäckers Laden, ging hinein und fragte, ob

der Bäcker seinem Herrn für zehn Schillinge Roggen- und Weißbrot schicken wolle. Er nannte

den Namen eines Herren aus der Gegend und sagte, sein Herr sei hier zu Staßfurt, und

benannte auch die Herberge, in der er sei. Der Bäcker solle einen Knaben mit in die Herberge

zu seinem Herren schicken, dort wolle er ihm das Geld geben. Der Bäcker sagte: »ja.« Nun

hatte Eulenspiegel einen Sack mit einem verborgenen Loch. In diesen Sack ließ er sich das

Brot zählen. Und der Bäcker sandte einen Jungen mit Eulenspiegel, um das Geld zu

empfangen. Als Eulenspiegel einen Armbrustschuß weit von des Brotbäckers Haus war, ließ

er ein Weißbrot aus dem Loch in den Dreck der Straße fallen. Da setzte Eulenspiegel den Sack

nieder und sprach zu dem Jungen: »Ach, das besudelte Brot darf ich nicht vor meinen Herrn

bringen. Lauf rasch damit wieder nach Haus und bring mir ein anderes Brot dafür! Ich will

hier auf dich warten.« Der Junge lief hin und holte ein anderes Brot. Inzwischen ging

Eulenspiegel weiter in ein Haus in der Vorstadt. Dort stand ein Pferdekarren aus seinem

Flecken. Darauf legte er seinen Sack und ging neben dem Kärrner her. So kam er heim ans

Haus seiner Mutter.

Als der Bäckerjunge mit dem Brot wiederkam, war Eulenspiegel mit den Broten

verschwunden. Da rannte der Junge zurück und sagte das dem Bäcker. Der Brotbäcker lief

sogleich zu der Herberge, die ihm Eulenspiegel genannt hatte. Doch dort fand er niemanden,

sondern sah, daß er betrogen war.

Eulenspiegel brachte seiner Mutter das Brot nach Hause und sagte: »Schau her und iß, dieweil

du etwas hast, und faste mit Sankt Nikolaus, wenn du nichts hast.«

Die 7. Historie sagt, wie Eulenspiegel das Weck- oder Semmelbrot mit anderen Jungen im

Übermaß essen mußte und noch dazu geschlagen wurde.

In dem Flecken, worin Eulenspiegel mit seiner Mutter wohnte, herrschte eine Sitte: wenn ein

Hauswirt ein Schwein geschlachtet hatte, gingen die Nachbarskinder in das Haus und aßen

dort eine Suppe oder einen Brei. Das nannte man das Weckbrot.

Nun wohnte in demselben Flecken ein Gutspächter, der war geizig mit dem Essen und durfte

doch den Kindern das Weckbrot nicht versagen. Da erdachte er eine List, mit der er ihnen das

Weckbrot verleiden wollte. Er schnitt in eine große Milchschüssel harte Brotrinden. Als die

Kinder kamen, Knaben und Mädchen – darunter auch Eulenspiegel -, ließ er sie ein, schloß die

Tür zu und begoß das Brot mit Suppe. Der Brotbrocken waren aber viel mehr, als die Kinder

essen konnten. Wenn nun eins satt war und davongehen wollte, kam der Hauswirt und schlug

es mit einer Rute um die Lenden, so daß ein jedes im Übermaß essen mußte. Und der

Hauswirt wußte wohl von Eulenspiegels Streichen, so daß er auf ihn besonders achtgab. Wenn

er einen anderen um die Lenden hieb, so traf er Eulenspiegel noch besser. Das trieb er so

lange, bis die Kinder alle Brocken des Weckbrotes aufgegessen hatten. Das bekam ihnen

ebenso gut wie dem Hund das Gras.

Danach wollte kein Kind mehr in des geizigen Mannes Haus gehen, um Weckbrot oder

Metzelsuppe zu essen.

Die 8. Historie sagt, wie Eulenspiegel es machte, daß sich die Hühner des geizigen Bauern um

die Lockspeise zerrten.

Als der Hauswirt am nächsten Tage ausging, begegnete er Eulenspiegel und fragte: »Lieber

Eulenspiegel, wann willst du wieder zum Weckbrot zu mir kommen?« Eulenspiegel sagte:

»Wenn sich deine Hühner um den Köder reißen, je vier um einen Bissen Brot.« Da sprach der

Mann: »Dann willst du also lange nicht zu meinem Weckbrot kommen?« Eulenspiegel

entgegnete: »Wenn ich aber doch eher käme, als die nächste Zeit für fette Metzelsuppe ist?«

Und damit ging er seines Weges.

Eulenspiegel wartete, bis es Zeit war, daß des Mannes Hühner auf der Gasse Futter suchten.

Dann knüpfte er zwanzig Fäden oder mehr jeweils zwei und zwei in der Mitte zusammen und

band an jedes Ende eines Fadens einen Bissen Brot. Er nahm die Fäden und legte sie verdeckt

hin, die Brotstücke aber waren zu sehen. Die Hühner pickten und schluckten nun hier und dort

die Brotbissen mit den Fadenenden in ihre Hälse. Aber sie konnten die Bissen nicht

herunterschlucken, denn am anderen Ende des Fadens zog ein anderes Huhn, so daß je eins

das andere zog. Kein Huhn konnte das Brot ganz hinunterschlucken oder es wieder aus dem

Hals herausbekommen, da die Brotstücke zu groß waren. So standen mehr als zweihundert

Hühner einander gegenüber und würgten und zerrten an der Lockspeise.

Die 9. Historie sagt, wie Eulenspiegel in einen Bienenkorb kroch, zwei Diebe in der Nacht

kamen und den Korb stehlen wollten und wie er es machte, daß die beiden sich rauften und

den Bienenkorb fallen ließen.

Einmal begab es sich, daß Eulenspiegel mit seiner Mutter in ein Dorf zur Kirchweih ging. Und

Eulenspiegel trank, bis er betrunken wurde. Da suchte er einen Ort, wo er friedlich schlafen

könne und ihm niemand etwas täte. Hinten in einem Hof fand er einen Haufen Bienenkörbe,

und dabei lagen viele Immenstöcke, die leer waren. Er kroch in einen leeren Korb, der am

nächsten bei den Bienen lag, und gedachte, ein wenig zu schlafen. Und er schlief von Mittag

 

bis gegen Mitternacht. Seine Mutter meinte, er sei wieder nach Hause gegangen, da sie ihn

nirgends sehen konnte.

In derselben Nacht kamen zwei Diebe und wollten einen Bienenkorb stehlen. Und einer sprach

zum anderen: »Ich habe immer gehört, der schwerste Immenkorb ist auch der beste.« Also

hoben sie die Körbe und Stöcke einen nach dem anderen auf, und als sie zu dem Korb kamen,

in dem Eulenspiegel lag, war das der schwerste. Da sagten sie: »Das ist der beste

Irnmenstock«, nahmen ihn auf die Schultern und trugen ihn von dannen.

Indessen erwachte Eulenspiegel und hörte ihre Pläne. Es war ganz finster, so daß einer den

anderen kaum sehen konnte. Da griff Eulenspiegel aus dem Korb dem Vorderen ins Haar und

riß ihn kräftig daran. Der wurde zornig auf den Hinteren und meinte, dieser hätte ihn am Haar

gezogen, und er begann, ihn zu beschimpfen. Der Hintermann aber sprach: »Träumst du, oder

gehst du im Schlaf? Wie sollte ich dich an den Haaren rupfen? Ich kann doch kaum den

Immenstock mit meinen Händen halten!« Eulenspiegel lachte und dachte: das Spiel will gut

werden! Er wartete, bis sie eine weitere Ackerlänge gegangen waren. Dann riß er den Hinteren

auch kräftig am Haar, so daß dieser sein Gesicht schmerzlich verziehen mußte. Der

Hintermann wurde noch zorniger und sprach: »Ich gehe und trage, daß mir der Hals kracht,

und du sagst, ich ziehe dich beim Haar! Du ziehst mich beim Haar, daß mir die Schwarte

kracht!« Der Vordere sprach: »Du lügst dir selbst den Hals voll! Wie sollte ich dich beim Haar

ziehen, ich kann doch kaum den Weg vor mir sehen! Auch weiß ich genau, daß du mich beim

Haar gezogen hast!«

So gingen sie zankend mit dem Bienenkorb weiter und stritten miteinander. Nicht lange

danach, als sie noch im größten Zanken waren, zog Eulenspiegel den Vorderen noch einmal

am Haar, so daß sein Kopf gegen den Bienenkorb schlug. Da wurde der Mann so zornig, daß

er den Immenstock fallen ließ und blindlings mit den Fäusten nach dem Kopf des

Hintermannes schlug. Dieser ließ den Bienenkorb auch los und fiel dem Vorderen in die

Haare. Sie taumelten übereinander, entfernten sich voneinander, und der eine wußte nicht, wo

der andere blieb. Sie verloren sich zuletzt in der Finsternis und ließen den Immenstock liegen.

Nun lugte Eulenspiegel aus dem Korbe, und als er sah, daß es noch finster war, schlüpfte er

wieder hinein und blieb darin liegen, bis es heller Tag war. Dann kroch er aus dem Bienenkorb

und wußte nicht, wo er war. Er folgte einem Weg nach, kam zu einer Burg und verdingte sich

dort als Hofjunge.

Die 10. Historie sagt, wie Eulenspiegel ein Hofjunge wurde und ihn sein Junker lehrte, wo er

das Kraut »Henep« fände, solle er hineinscheißen; da schiß er in den Senf (»Senep«) und

meinte, »Henep« und »Senep« sei ein Ding.

Bald danach kam Eulenspiegel auf eine Burg zu einem Junker und gab sich als Hofjunge aus.

Er mußte gleich mit seinem Junker über Land reiten. Am Weg stand Hanf; den nennt man im

Lande Sachsen, aus dem Eulenspiegel stammte, »Henep«. Der Junker sprach zu Eulenspiegel,

der die Lanze seines Herrn trug: »Siehst du das Kraut, das da steht? Es heißt Henep.«

Eulenspiegel sagte: »ja, das sehe ich wohl.« Da sprach sein Junker: »Sooft du daran

vorbeikommst, so scheiße darein einen großen Haufen! Denn mit dem Kraut bindet und henkt

man die Räuber und die, die sich ohne Herrendienst aus dem Sattel ernähren. Das geschieht

mit dem Bast, der aus dem Kraut gesponnen wird.« Eulenspiegel sagte: »ja gern, das werde

ich tun.«

Der Junker (oder Hofmann) ritt mit Eulenspiegel hin und her in viele Städte und half rauben,

stehlen und nehmen, wie es seine Gewohnheit war.

Eines Tages begab es sich, daß sie zu Hause waren und still lagen. Als es Imbißzeit wurde,

ging Eulenspiegel in die Küche. Da sprach der Koch zu ihm: »Junge, geh in den Keller, da

steht ein irdener Hafen oder Topf, darin ist Senep (so auf sächsisch genannt), den bring mir

her!« Eulenspiegel sagte ja und hatte doch seinen Lebtag noch keinen Senep oder Senf

gesehen. Und als er in dem Keller den Topf mit Senf fand, dachte er: was mag der Koch damit

tun wollen? Ich meine, er will mich damit binden. Und er dachte weiter: mein Junker hat mich

geheißen, wo ich solches Kraut fände, sollte ich hineinscheißen. Und er hockte sich über den

Topf mit Senf, schiß ihn voll, rührte um und brachte ihn so dem Koch.

Was geschah? Der Koch machte sich keine weiteren Gedanken, richtete eilends in einem

Schüsselchen den Senf an und schickte ihn zu Tische. Der Junker und seine Gäste tunkten in

den Senf: der schmeckte ganz übel. Der Koch wurde geholt und gefragt, was er für Senf

gemacht habe. Und der Koch kostete auch den Senf, spie aus und sprach: »Der Senf schmeckt,

als wär darein geschissen worden.« Da fing Eulenspiegel an zu lachen. Sein Junker sprach:

»Was lachst du so spöttisch? Meinst du, wir können nicht schmecken, was das ist? Willst du

es nicht glauben, so komm und schmeck hier den Senf auch!« Eulenspiegel sagte: »Ich esse

das nicht. Wißt Ihr nicht, was Ihr mich geheißen habt am Feld auf der Straße? Wo ich das

Kraut sähe, so sollte ich darein scheißen, denn man pflege die Räuber damit zu henken und zu

erwürgen. Als mich der Koch in den Keller nach dem Senep schickte, habe ich darein getan

nach Eurem Geheiß.« Da sprach der Junker: »Du verwünschter Schalk, das soll dein Unglück

sein! Das Kraut, das ich dir zeigte, das heißt Henep oder Hanf. Was dich der Koch bringen

ließ, das heißt Senep oder Senf. Du hast das aus Bosheit getan!« Und er nahm einen Knüppel

und wollte ihn damit schlagen. Aber Eulenspiegel war behend, entlief ihm von der Burg und

kam nicht wieder.

Die 11. Historie sagt, wie Eulenspiegel sich in Hildesheim bei einem Kaufmann als Koch und

Stubenheizer verdingte und sich dort sehr schalkhaftig benahm.

Rechts in der Straße, die in Hildesheim vom Heumarkt führt, wohnte ein reicher Kaufmann.

Der ging einmal vor dem Tor spazieren und wollte in seinen Garten gehen. Unterwegs fand er

Eulenspiegel auf einem grünen Acker liegen, grüßte und fragte ihn, was er für ein

Handwerksgeselle sei und welche Geschäfte er triebe. Eulenspiegel antwortete ihm klüglich

und mit heimlichem Spott, er sei ein Küchenjunge und habe keinen Dienst. Da sprach der

Kaufmann zu ihm: »Wenn du tüchtig sein willst, nehme ich dich selber auf und gebe dir neue

Kleider und einen guten Sold. Denn ich habe eine Frau, die zankt alle Tage wegen des

Kochens; deren Dank meine ich wohl zu verdienen.« Eulenspiegel gelobte ihm große Treue

und Redlichkeit.

Darauf nahm ihn der Kaufmann in seinen Dienst und fragte ihn, wie er hieße. »Herr, ich heiße

Bartholomäus.« Der Kaufmann sprach: »Das ist ein langer Name, man kann ihn nicht gut

aussprechen. Du sollst Doll heißen.« Eulenspiegel sagte: »ja, lieber Junker, es ist mir gleich,

wie ich heiße.« »Wohlan«, sprach der Kaufmann, »du bist mir ein rechter Knecht. Komm her,

komm her, geh mit mir in meinen Garten. Wir wollen Kräuter mit uns heimtragen und junge

Hühner damit füllen. Denn ich habe für den nächsten Sonntag Gäste eingeladen, denen wollte

ich gern etwas Gutes antun.« Eulenspiegel ging mit ihm in den Garten und schnitt Rosmarin.

Damit wollte er etliche Hühner auf welsche Art füllen, die restlichen Hühner mit Zwiebeln,

Eiern und anderen Kräutern. Dann gingen sie miteinander nach Hause.

Als die Frau den seltsam gekleideten Gast sah, fragte sie ihren Mann, was das für ein Gesell

sei, was er mit ihm tun wolle und ob er Sorge habe, das Brot im Hause werde schimmlig. Der

Kaufmann sagte: »Frau, sei zufrieden. Er soll dein eigner Knecht sein; denn er ist ein Koch.«

Die Frau sprach: »Ja, lieber Mann, wenn er gute Dinge kochen könnte!« »Sei zufrieden«,

sprach der Mann, »morgen sollst du sehen, was er kann.« Dann rief er Eulenspiegel: »Doll!«

Der antwortete: »Junker!« »Nimm einen Sack und geh mit zu den Fleischbänken. Wir wollen

Fleisch und einen Braten holen.« Also folgte er ihm nach. Da kaufte sein Junker Fleisch und

einen Braten und sprach zu ihm: »Doll, setze den Braten morgens bald auf und laß ihn kühl

und langsam braten, damit er nicht anbrennt. Das andere Fleisch setz auch beizeiten dazu,

damit es zum Imbiß gesotten ist.« Eulenspiegel sagte ja, stand früh auf und setzte die Speise

aufs Feuer. Den Braten aber steckte er an einen Spieß und legte ihn zwischen zwei Fässer

Einbecker Biers in den Keller, damit er kühl liege und nicht anbrenne.

Da der Kaufmann den Stadtschreiber und andere gute Freunde zu Gast geladen hatte, kam er

und wollte nachsehen, ob die Gäste schon gekommen und ob die Kost auch bereit sei. Und er

fragte seinen neuen Knecht danach. Der antwortete: »Es ist alles bereit außer dem Braten«.

»Wo ist der Braten«? sprach der Kaufmann. »Er liegt im Keller zwischen zwei Fässern. Ich

wußte im ganzen Haus keinen kälteren Ort, um ihn kühl zu legen, wie Ihr sagtet.« »Ist er denn

fertig gebraten?« fragte der Kaufmann. »Nein«, sprach Eulenspiegel, »ich wußte nicht, wann

Ihr ihn haben wolltet.«

Inzwischen karnen die Gäste; denen erzählte der Kaufmann von seinem neuen Knecht und wie

er den Braten in den Keller gelegt habe. Darüber lachten sie und hielten es für einen guten

Scherz. Aber die Frau war um der Gäste willen nicht damit zufrieden und sagte dem

Kaufmann, er solle den Knecht gehen lassen. Sie wolle ihn im Hause nicht länger leiden, sie

sähe, daß er ein Schalk sei. Der Kaufmann sprach: »Liebe Frau, gib dich zufrieden! Ich

brauche ihn für eine Reise nach der Stadt Goslar. Wenn ich wiederkommen will ich ihn

entlassen.« Kaum konnte er die Frau dazu überreden, sich damit abzufinden.

Als sie des Abends aßen und tranken und guter Dinge waren, sprach der Kaufmann: »Doll,

richte den Wagen her und schmiere ihn! Wir wollen morgen nach Goslar fahren. Ein Pfaffe,

Herr Heinrich Hamenstede, ist dort zu Hause und will mitfahren.« Eulenspiegel sagte ja und