Der neue Taschen-Knigge

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Der neue Taschen-Knigge
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Herbert Schwinghammer

Der neue

Taschen-Knigge

Gute Umgangsformen

in jeder Lebenslage


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Herbert Schwinghammer

Der neue Taschen-Knigge

Gute Umgangsformen in jeder Lebenslage

E-Book (epub): ISBN 978-3-86374-119-8

(Druckausgabe: ISBN 978-3-86374-117-4, 1. Auflage 2013)

Vollständig überarbeitete, aktualisierte und ergänzte Taschenbuch-Ausgabe

Originalausgabe „Knaurs neuer Knigge“ erschienen 2001 bei

Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH, München,

© Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Augsburg

Mankau Verlag GmbH

Postfach 13 22, D-82413 Murnau a. Staffelsee

Im Netz: www.mankau-verlag.de

Internetforum: www.mankau-verlag.de/forum

Lektorat: Martin Stiefenhofer, Ravensburg

Endkorrektorat: Susanne Langer M. A., Traunstein

Gestaltung Umschlag: Andrea Barth,

Guter Punkt GmbH & Co. KG, München

Gestaltung Innenteil: Sebastian Herzig, Mankau Verlag GmbH

eBook-Herstellung und Auslieferung:

Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

Wichtiger Hinweis des Verlags:

Der Autor hat bei der Erstellung dieses Buches Informationen und Ratschläge mit Sorgfalt recherchiert und geprüft, dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr; Verlag und Autor können keinerlei Haftung für etwaige Schäden oder Nachteile übernehmen, die sich aus der praktischen Umsetzung der in diesem Buch dargestellten Inhalte ergeben.

Inhalt

Vorwort von Carolin Lüdemann

„Über den Umgang mit Menschen“

Tischlein deck’ dich

Der perfekt gedeckte Tisch

Wie benutzt man was?

Allgemeine Regeln am Tisch

Gourmet-Genuss am Büfett?

Zwischen den Gängen

Versäumnisse von Küchen- und Servicepersonal

Die hohe Kunst des Essens

Vorspeisen

Fisch und Meeresfrüchte

Fleisch

Geflügel

Gemüse

Käse

Dessert

Die gelungene Einladung

Einladungen versenden

Die Gäste treffen ein

Kleider machen Leute?

Freizeitkleidung

Die Kleidung bei gehobenen Feierlichkeiten

Die Kleidung im Beruf

Besondere Anlässe

Die Umgangsformen im Beruf

Umgang zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern

Allgemeines über das Verhalten im Beruf

Moderne Kommunikation

Geschäftlich und privat

Handy und Telefon

Die E-Mail – unverzichtbarer Teil der Kommunikation

Chat-Rooms, Facebook und Twitter

Der Brief

Die Konversation: Lust oder Last?

Die hohe Schule des Sprechens

Der Umgang mit Gesprächspartnern

Gutes Benehmen auf Reisen

Gut vorbereitet reisen

Die Eigenheiten des Gastlandes achten

Das persönliche Auftreten

Die Körperhaltung

Körperhygiene und -pflege

Die Familie und ihre Feste

Der Umgang in der Kleinfamilie

Familienfeste

Krankheit und Tod

Ans Bett gefesselt

Der Todesfall

Die lieben Nachbarn

Eine gute Nachbarschaft pflegen

Regeln für ein harmonisches Zusammenleben

Von Mensch zu Mensch

Rücksichtnahme statt Ausgrenzung

Umgangsformen in der Öffentlichkeit

Situationen im Alltag

Glossar des guten Benehmens

Stichwortverzeichnis

Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

gern sagt man dem „Knigge“ nach, dass man sich gut und anständig benehmen solle, um seinem Gegenüber Respekt zu erweisen. Das ist sicher richtig. Denn es macht einen Unterschied, ob man seine Gesprächspartner mit einem feinen Zwirn oder einem Jogginganzug würdigt.

Doch das ist nicht der einzige Grund, warum gutes Benehmen nach wie vor Sinn macht – denn vor allem benimmt man sich für sich selbst. Studien haben hinlänglich belegt, dass man so behandelt wird, wie man handelt und wie man sich präsentiert. Gelingt es also aufgrund eines zweifelhaften Auftretens nicht, als Person zu überzeugen, wird es um ein Vielfaches schwieriger, mit seinem eigentlichen Anliegen, mit seiner Fachkompetenz oder mit seinen Inhalten zu überzeugen. Überzeugt man dagegen schnellstmöglich als Person, hat man es im weiteren Miteinander umso leichter.

Und doch tue ich mich stets schwer, zwischen „schwarz“ und „weiß“ bzw. „richtig“ oder „falsch“ zu unterscheiden. Denn viel zu oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Wahrheit auch „grau“ sein kann. Um ein Beispiel zu nennen: In meinen Seminaren treffe ich häufig auf Kundenberater von Banken. Geht der Berater morgens im schwarzen Anzug, weißen Hemd und in roter Krawatte aus dem Haus, ist er objektiv betrachtet gut und korrekt gekleidet. Das gilt erst recht, wenn er im weiteren Verlauf des Tages ein Gespräch mit einem seiner Kunden wahrnimmt, der zum Beispiel Geschäftsführer eines Unternehmens und auf eine ähnliche Art und Weise gekleidet ist. Was aber, wenn unser Kundenberater im Anschluss einen weiteren Kunden besucht, der nun nicht hinter dem Schreibtisch agiert, sondern einen landwirtschaftlichen Hof betreibt? Dieser Kunde begegnet dem Bankmitarbeiter in Gummistiefeln und Jeans. Plötzlich ist die akkurate Kleidung des Bankers geeignet, Distanzen zu schaffen.

 

Dieses Beispiel zeigt, warum die Wahrheit auch zwischen den Extremen liegen kann. Es gibt Situationen, in denen „zu viel“ des Guten auch unfreiwillig Kluften schlagen kann. Daher werde ich nie müde zu betonen, dass Sie das Wichtigste in punkto „Umgangsformen“ bereits besitzen – und das ist Ihr Fingerspitzengefühl; Ihr feines Gespür für die jeweilige Situation und für das, was Ihr Gegenüber von Ihnen erwartet.

Dennoch meine ich, dass man möglichst viele der zahlreichen Regeln kennen sollte, um zu entscheiden, wo man welche Spielregeln zum Einsatz bringen möchte. Ich wünsche Ihnen, dass Ihnen genau hierbei dieses Buch ein treuer Ratgeber sein wird.

Ihre

Carolin Lüdemann

Mitglied im Deutschen Knigge-Rat

„Über den Umgang mit Menschen“

Bevor wir uns den Regeln des Anstands widmen, sollten wir uns fragen, warum wir eigentlich anständig miteinander umgehen sollen. Ist es nicht egal, wie wir etwas sagen oder wie wir etwas tun, wenn der Unterschied nur in der Form, jedoch nicht im Sinn besteht? Warum sollten wir beispielsweise eine Anweisung mit „bitte“ ergänzen, wenn sich damit an deren Inhalt nichts ändert? Habe ich als Individuum nicht das Recht, so zu sein, wie ich es für richtig erachte, wenn ich mich daran halte, meinen Mitmenschen körperlich keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu beleidigen?

Die Reihe solcher Fragestellungen könnte schier unendlich erweitert werden, aber alle Antworten, die darauf gegeben werden können, zielen in eine Richtung: Die individuelle Freiheit des Menschen hat dort seine Grenzen, wo er die individuelle Freiheit eines anderen Menschen beeinträchtigt! Diese Aussage kann man durchaus rein körperlich betrachten, denn ein einsamer Wald- oder Steppenbewohner, dessen nächster Nachbar einen Tagesmarsch entfernt wohnt, kann diese grundsätzliche Regel viel weiter auslegen als der Großstadtbewohner, der die Präsenz seiner nächsten Nachbarn oft auch bei geschlossenen Türen und Fenstern nicht überhören kann. Der einsam wohnende Mensch, der nicht in Kontakt mit anderen Menschen tritt, braucht sich tatsächlich an keine Regeln des Anstands zu halten, weil er niemanden mit seinem Verhalten stören kann. Dagegen ist die Nähe des Bewohners einer Stadt zu seinen Mitmenschen überall „greifbar“, auch wenn er selbst allein lebt: Sie sind fast immer zu hören, sie sind im öffentlichen Raum in großer Anzahl zu sehen, sie sind in der Enge, die nicht wenige Situationen mit sich bringt, sogar zu fühlen und zu riechen.

Müssen viele Menschen in den verschiedensten Situationen in räumlicher Enge zusammenleben, kommt es zwangsläufig zu Problemen, weil die individuelle Freiheit des einzelnen Menschen sich mit der des nächsten überschneidet. Die Freiheit ist also keineswegs grenzenlos, sondern sie ist häufig stark eingeschränkt allein durch die Präsenz anderer Menschen. Soll diese Tatsache nicht zu Aggressionen untereinander führen, sind Rücksichtnahme und Regeln notwendig.

Ohne solche Regeln wäre ein geordnetes Zusammenleben nicht möglich, denn alle Menschen würden ihre individuelle Freiheit zumindest verteidigen wollen, andere würden Gewalt anwenden, um ihre Grenzen möglichst weit ziehen zu können. „Weg da!“ wäre für eine solche ungeregelte Gesellschaft ein passendes Motto. Aggressive Menschen würden schnell die Oberhand gewinnen, andere brutal ausgegrenzt werden.

Regeln des Zusammenlebens sind notwendig

Ein Teil dieser Regeln wird durch den Staat in Form von Gesetzen formuliert und durchgesetzt. Allerdings ist auch für die Existenz eines Staates ein einigermaßen reibungsloses Zusammenleben der Individuen notwendig. Schon Kaiser und Könige in vergangenen Jahrtausenden mussten erfahren, dass ein unfreundliches Klima im Lande den ganzen Staat von innen heraus in Turbulenzen bringen kann. Und viele der Herrscher kannten aus Furcht davor kein anderes Mittel, als das Volk mit den ihnen gegebenen Machtmitteln so unter Druck zu setzen, dass das unfreundliche Klima einem ungefährlichen Klima der Angst Platz machen musste. Schon der Staatsphilosoph Thomas Hobbes, der im 17. Jahrhundert lebte, vermerkte in seiner Abhandlung „Der Staat als Instrument eines aufgeklärten Egoismus“: „Ferner empfinden die Menschen am Zusammenleben kein Vergnügen, sondern im Gegenteil großen Verdruss, wenn es keine Macht gibt, die dazu in der Lage ist, sie alle einzuschüchtern … So liegen also in der menschlichen Natur drei hauptsächliche Konfliktursachen: Erstens Konkurrenz, zweitens Misstrauen, drittens Ruhmsucht.“ Dem ist auch aus heutiger Sicht kaum etwas hinzuzufügen. Versuchen wir aber, den von Hobbes dem Menschen zugeschriebenen Eigenschaften neben unseren heutigen Gesetzen auch noch den freundlichen und höflichen Umgang miteinander entgegenzusetzen, dann könnte der „große Verdruss“ doch deutlich zurückgedrängt werden.

Dieser freundliche und höfliche Umgang ist Teil der anderen, nicht durch den Staat verfügten Regeln. Sie sind im Lauf der Jahrhunderte gewachsen, haben sich in der Gesellschaft etabliert und werden während der Erziehung, die nicht nur auf das Kindesalter beschränkt sein muss, mündlich überliefert. Es ist also durchaus nicht abwegig, gute Umgangsformen als kulturelles Gut einer zivilisierten Gesellschaft zu betrachten.

Hier kommt nun Adolph Freiherr von Knigge ins Spiel. Offensichtlich waren ihm gewöhnliche Erziehung und mündliche Überlieferung nicht sicher, aber vor allem auch nicht weitgehend genug. Er wurde mit dem Werk „Über den Umgang mit Menschen“ bekannt, das ganz im Sinne der Zeit der Aufklärung stand und gegen Ende des 18. Jahrhunderts erschien. Man wird diesem Werk und dem Autor in keiner Weise gerecht, wenn man es auf Benimmregeln reduziert, denn es geht in seinem Werk ganz speziell um Regeln des Umgangs untereinander. Knigge hält der Gesellschaft einen Spiegel vor, er spricht von Pflichten und Moral („Wenn die Regeln des Umgangs nicht bloß Vorschriften einer konventionellen Höflichkeit oder gar einer gefährlichen Politik sein sollen, so müssen sie auf die Lehren von den Pflichten gegründet sein, die wir allen Arten von Menschen schuldig sind, und wiederum von ihnen fordern können. – Das heißt: Ein System, dessen Grundpfeiler Moral und Weltklugheit sind, muss dabei zum Grunde liegen.“), aber auch vom Umgang mit sich selbst („Respektiere Dich selbst, wenn Du willst, dass andere Dich respektieren sollen.") oder von der Gesellschaft ganz allgemein, wobei viele seiner Aussagen sehr gut auch noch auf unsere moderne Welt passen („In großen Städten gehört es leider zum guten Tone, nicht einmal zu wissen, wer mit uns in demselben Hause wohne.“). Erstaunlich, dass man in diesem Buch nicht ein Wort beispielsweise über das Benehmen am Tisch oder über die Kleiderordnung zu bestimmten Anlässen finden kann. Des Rätsels Lösung ist, dass schon bald nach Knigges Tod sein Werk vom Verlag mit diesen Themen fortgeschrieben und damit die Grundlage gelegt wurde, dass heute mit „Knigge“ vor allem das formale Benehmen beschrieben oder – noch weiter eingeschränkt – eine Fortschreibung höfischer Regeln vorgenommen wird. Für Knigge waren das aber eher Kleinigkeiten, die er – von seinem großen Ansatz aus gesehen – als Selbstverständlichkeiten betrachtete. Denn Benimmregeln sind nur ein Teil des Umgangs mit Menschen, vor allem dann, wenn sie rein formal aufgefasst werden. Anstand in allen Situationen des Lebens gegenüber anderen Menschen ist der große Rahmen, in dem das Leben in der Masse erträglich werden kann.

Dementsprechend möchten wir auch für dieses Buch betonen, dass uns nicht nur die Form wichtig ist, auch wenn sie im Vordergrund steht. Niemandem ist damit gedient, dass zwar geschliffene Umgangsformen das Zusammenleben der Menschen bestimmen, aber kaum mehr der eigentliche Mensch dahinter erkannt werden kann. Die Folge wäre eine Anonymisierung der Gesellschaft, in der sich die Menschen stark ähneln, weil der ausschließlich formale Umgang jede persönliche Kante einschleift und Charaktereigenheiten nicht in den Vordergrund treten können. Eine solch „charakterentleerte“ Gesellschaft ist nicht viel besser als eine, in der das schlechte Benehmen regiert.

In unserer heutigen Gesellschaft aber besteht die in den vergangenen Jahrhunderten nicht vorhandene Chance, die beiden Extreme abzulehnen und persönlichen Charakter zu zeigen und trotzdem gleichzeitig rücksichtsvoll zu sein sowie gute Umgangsformen vorweisen zu können. Denn sinnentleerte Formen sollten heute keine Chance mehr haben. Deshalb lohnt es sich, etwas für sympathisches Auftreten und gutes Benehmen zu tun, ohne zum Smalltalk- und Benimm-Roboter zu werden. Anstand und gutes Benehmen hat auch etwas mit Stil, Bildung und Intelligenz zu tun. Diese faszinierende Mischung lernt man aber nicht in Schule und Studium, sondern man kann sie „erfahren“, genährt aus Interesse an vielen Dingen, an immerwährender Lernbereitschaft und dem Mut, sich in (der) Gesellschaft zu zeigen.

So ist das Wissen, dass Sie Weißwurst nicht wie Wiener Würstchen essen sollten oder dass für bestimmte Anlässe eine besondere Kleiderordnung vorgesehen ist, im Kontext einer höheren moralischen Ordnung zu sehen. Denn viele der Benimmregeln allein haben nichts mit dem hehren Ziel eines friedlichen Miteinanders gemein, sondern sie sind einfach nur praktisch und machen Sie im Umgang mit anderen Menschen sicherer. So sollten Sie auch dieses Buch betrachten: als eine Sammlung von praktischen Regeln und Beschreibungen von Umgangsformen, die das positive Klima in der Gesellschaft fördern und die zudem heutzutage noch praktikabel erscheinen. Vieles wird Ihnen bekannt vorkommen, manches ist vielleicht schon völlig in Vergessenheit geraten und anderes wird völlig neu für Sie sein. Es wird sich jedenfalls für Sie lohnen, wenn Sie sich mit den Benimmregeln vertraut machen, denn sie werden Ihnen in vielen Bereichen des Lebens Sicherheit geben! Die Grundlagen dazu können Sie aus diesem Buch erfahren – das Engagement, sie im Zusammenhang mit gesellschaftlich anständigem Verhalten umzusetzen, müssen Sie jedoch selbst aufbringen. Freiherr von Knigge würde sich darüber freuen.

Tischlein deck’ dich …

Es gibt verschiedene Anlässe, ein Essen im stilvollen Rahmen einzunehmen. Meist hängen sie mit einem gesellschaftlichen Ereignis oder einer größeren Einladung im privaten Bereich zusammen. Auch im Berufs- und Geschäftsleben wird häufig eine wichtige, in der Regel positive Veränderung mit einem Restaurantbesuch eingeläutet. So kommt es vor allem im gehobenen Management vor, dass im Büro begonnene Vorstellungsgespräche während eines Essens ihren Abschluss finden. Welche verheerenden Folgen kann es in solchen Momenten haben, wenn – um nur ein Beispiel zu nennen – für die Vorspeise das Messer des Hauptgangs verwendet wird. Das Verhalten bei Tisch kann also durchaus entscheidend für die Zukunft sein.

Der perfekt gedeckte Tisch

Für den Feinschmecker gibt es wohl kaum etwas Anziehenderes als einen wunderschön eingedeckten Esstisch mit einer schier unüberschaubaren Menge an Tellern, Gläsern, Besteck, Tüchern, Blumen, Kerzen und vielem anderen mehr. Er weiß, dass die scheinbar chaotische Vielfalt ihre genaue Ordnung hat und dass er sich mit einem erwartungsvollen Gefühl an diesen Tisch setzen kann.

„Anstandsfallen“ umgehen

Andererseits gibt es aber nicht wenige Menschen, die angesichts eines derart reich eingedeckten Tisches unruhig werden. Sie fürchten sich vor einer Blamage, weil sie eine Reihe von „Anstandsfallen“ auf diesem Tisch vermuten. Tatsächlich wissen heutzutage nur wenige Menschen, was sie mit all dem Besteck, den vielen Tellern und Gläsern anfangen sollen. Denn der klassisch eingedeckte Tisch ist für viele die Ausnahme, die aber gerade dann eintritt, wenn ein gesellschaftliches Ereignis ansteht und das Publikum als besonders kritisch eingeschätzt wird.

Das Einmaleins des Eindeckens

Aber nicht nur der Gast sieht einem Festessen möglicherweise mit Bangen entgegen, sondern oft auch der Gastgeber, der ein solches Ereignis privat zelebrieren möchte. Denn er muss die Tischregeln genau kennen, wenn er einem Kenner nicht Anlass zur Kritik geben will und sich nicht – im Gegensatz zum unwissenden Gast – durch Beobachten durchmogeln kann. Wir wollen Ihnen in diesem Kapitel die nicht ganz einfachen Tischregeln näher bringen, sodass Sie, ob Gast oder Gastgeber, vor einem an sich schönen Ereignis nicht zu zittern brauchen.

 

Haben Sie genügend Platz?

Sie haben sich also vorgenommen, zu einem privaten Festessen einzuladen. Sie haben die Einladungen verschickt (s. Seite 88ff.) und wissen, ob jemand der Eingeladenen abgesagt hat. Selbstverständlich haben Sie dabei bedacht, wie viele Personen bei Ihnen am Tisch in der Weise Platz finden, dass sich Gläser, Bestecke und andere Utensilien von Tischnachbarn nicht gegenseitig ins Gehege kommen.

Es sollte eine gewisse Ellenbogenfreiheit gewährleistet sein, da es sehr anstrengend ist, längere Zeit mit eng angelegten Armen zu speisen. Natürlich haben Sie auch ausreichend viel Geschirr, Besteck und Gläser für Ihre Gäste im Schrank, um den Tisch komplett und einheitlich eindecken zu können. Gegebenenfalls können Sie all dies ausleihen.

Die Vorbereitungen

Sie stehen nun vor Ihrem leeren Tisch und stellen sich vor, dass diese Leere einer festlichen Stimmung weichen soll. Es ist für Sie kein Geheimnis, dass der Erfolg einer Essenseinladung nicht nur vom hervorragenden Geschmack der Speisen abhängt, sondern auch von der Gestaltung der gedeckten Tafel. Nicht umsonst sagt man: Das Auge isst mit!

Wie viele Stühle passen an die Tafel?

Fangen Sie am besten damit an, probeweise die Stühle am Tisch zu platzieren, um so die grobe Anordnung der Gedecke festzulegen und die Ellenbogenfreiheit zu überprüfen. Ist dieser Test zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen, entfernen Sie die Stühle, denn sie stören bei den folgenden Arbeiten am Tisch.

Die Tischdecke

Als Erstes wird die Tischdecke ausgebreitet. Reicht eine nicht aus, können Sie problemlos eine zweite etwas überlappend anlegen, ohne die Etikette zu verletzen. Liegt die zweite Tischdecke nicht glatt genug auf der ersten, bügeln Sie den Rand ruhig auf dem Tisch zurecht.

Die Tischdecke sollte bei einem klassischen Service einen dezenten Farbton aufweisen. Es versteht sich unter ästhetischen Gesichtspunkten von selbst, dass die beiden Tischdecken dieselbe Farbe haben müssen. Apropos Farbe: Die klassische Farbe der Tischdecke ist weiß, wobei die feine Strukturierung des Stoffes in der Regel keine Rolle spielt. Erlaubt ist, was gefällt – je rustikaler der Anlass, umso mehr darf die Tischdecke Farbe auf die Tafel bringen.

Allerdings passt eine Lackfolie nicht zu einem erlesenen Dinner. Das ist eher etwas für den Kindergeburtstag. Und die Papiertischdecke von der Rolle sollte dem Büfetttisch vorbehalten bleiben – dort ist sie sehr praktisch, weil die unvermeidlichen Flecken mitsamt der Tischdecke im Müll landen können und weil man nicht am Büfetttisch isst, sondern an einem anderen, nach allen Regeln der Kunst eingedeckten Tisch (mit Stofftischdecke).

Unmöglich sind durchsichtige Folien über der Tischdecke. Das erinnert an Betriebskantinen der Sechzigerjahre, außerdem könnte man Sie für kleinkariert und geizig halten.

Blumen, Kerzen und andere Accessoires

Ohne Blumen und Kerzen ist eine festliche Tafel kaum denkbar, auch viele andere Accessoires können das Ganze aufwerten. Bedenken Sie aber, dass die Gedecke und die anderen notwendigen Gegenstände allein schon viel Platz beanspruchen. Allzu viel werden Sie also zusätzlich nicht mehr unterbringen können. Ein überladener Tisch engt beim Essen ein und kann protzig wirken. Warten Sie deshalb mit dem Schmücken der Tafel, bis alles Notwendige gedeckt ist – dann können Sie immer noch entscheiden, was dazu passt und was nicht. Achten Sie darauf, dass die Schmuckgegenstände, die Sie auf die Tafel stellen, nicht zu hoch sind. Ein Blumenbukett oder ein Kerzenständer dürfen nicht den Blick auf den gegenübersitzenden Gast verdecken.

Tischkarten und Menükarten

Ob Sie Tischkarten verwenden, hängt davon ab, ob Sie in die Sitzordnung eingreifen wollen oder gar müssen. Letzteres könnte dann der Fall sein, wenn bestimmte Konstellationen am Tisch den harmonischen Ablauf Ihrer Einladung gefährden könnten. Oder wenn Sie Gäste aufgrund ähnlicher Interessen etc. zusammenbringen möchten.

Brauchen Sie eine Tischordnung?

Eine Tischordnung ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Größe der Tafel es zulässt, dass man sich „aus dem Weg gehen“ kann. Denn ob miteinander im Streit liegende Personen nebeneinander oder sich direkt gegenübersitzen, macht kaum einen Unterschied.

Eine Tischordnung kann aber auch dann sinnvoll sein, wenn Sie Ihre Gäste so gut kennen, dass Sie die Stimmung am Tisch damit beeinflussen können. So können Sie eher schweigsame Menschen neben „Plaudertaschen“ setzen in der Hoffnung, dass sich die beiden Extreme irgendwo in der Mitte treffen. Bei geschäftlich orientierten Essen sollte man natürlich die Hauptakteure auf sprechfreundlichen Positionen platzieren.

Die protokollarische Tischordnung

Vorausgesetzt, die Gastgeber sind ein Paar, so sitzen sie sich an den schmalen Enden der Tafel gegenüber. Links neben der Dame des Hauses – von ihr aus gesehen – sitzt als ihr Tischherr der ranghöchste Gast, der meist der Ehrengast ist. Rechts neben dem Hausherrn – von ihm aus gesehen – sitzt die ranghöchste Dame. Selbstverständlich kann auch diese Dame der Ehrengast sein. Rechts von der Dame des Hauses sitzt der zweithöchste Herr der Runde. Auf der anderen Seite wird genauso verfahren: Links neben dem Hausherrn sitzt die zweithöchste Dame usw. Es gelten folgende Rangordnungen: ältere Gäste vor jüngeren, ausländische Gäste vor einheimischen, Angehörige fremder Firmen vor den eigenen. Einem ausländischen Gast wird ein Gast mit entsprechend guten Fremdsprachenkenntnissen zugeordnet, auch wenn er nach der Rangordnung dort nicht sitzen dürfte. Künstler genießen besondere Bevorzugung, weil sie im Allgemeinen zu den „Vorzeigegästen“ gehören. Damen und Herren sitzen immer im Wechsel, wenn dies von der Zusammensetzung der Gästeliste her überhaupt möglich ist. Neben körperbehinderten Gästen, die auf Hilfe angewiesen sind, sitzt immer die jeweilige Hilfsperson. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Kinder in der Rangordnung keine Rolle spielen. So sitzen Kleinkinder selbstverständlich neben einem Elternteil.

Ihre Gäste werden es Ihnen in jedem Fall danken, wenn Sie ihnen ihre Plätze persönlich zuweisen. Hilfreich kann es für Sie sein, wenn Sie nach der offiziellen protokollarischen Tischordnung (siehe Kasten) vorgehen. So können Sie sich elegant aus der Affäre ziehen, wenn der eine oder andere Gast mit seinem Tischnachbarn nicht zurechtkommt.

Die Platzierung der Tischkarten

Tischkarten stehen oberhalb des Gedecks unmittelbar hinter dem Nachtischbesteck. Verwenden Sie außerdem Menükarten, dann werden diese direkt hinter die Tischkarten platziert. Die Menükarten sind so gefalzt, dass man sie aufrecht stellen kann. Denkbar ist auch eine Kombination aus Tisch und Menükarte, indem der Name auf die Vorderseite der Menükarte gedruckt wird. Im Inneren sind die Getränke und die Speisen. Auf der Tischkarte sind der Vor- und Nachname (gegebenenfalls mit Titel) des jeweiligen Gastes vermerkt. Bei einem Essen mit guten Freunden genügt der Vorname auf der Tischkarte.

Servietten

Eine weitere Vorbereitungsarbeit, die sowohl Ideenreichtum als auch Geschick erfordert, ist die Aufstellung der Servietten. Keinesfalls sollten Sie Ihre Festtafel mit Papierservietten schmücken, auch wenn Ihnen so manches Muster besonders gut gefallen sollte. Zu einem nach allen Regeln der Kunst eingedeckten Tisch gehören große Stoffservietten, die mindestens 50 mal 50 Zentimeter groß sind. Sie sollten die gleiche Farbe und Struktur wie die Tischdecke aufweisen. Falls dies nicht möglich ist, greift man auf eine möglichst ähnliche Struktur oder gleichfarbige Servietten ohne Struktur zurück.

Die Servietten werden gut gebügelt, sodass man sie zu beliebigen Formen falten kann. Sie dürfen nicht von selbst aufgehen und müssen aufrecht stehen können. Denn man legt die Servietten weder unter den Platzteller noch irgendwie gefaltet unter das Besteck, sondern auf den Teller des ersten Ganges bzw. auf den Platzteller. Das hat den Vorteil, dass die Gäste die Serviette auf den Schoß legen können, ohne dabei das von Ihnen so sorgfältig arrangierte Gedeck in Unordnung zu bringen. Auch eine Platzierung neben dem Gedeck ist nicht üblich, weil dafür der Platz meist ohnehin nicht ausreicht.

Tafelsilber rechtzeitig überprüfen

Sollten Sie Silberbesteck und anderes Tafelsilber (z. B. Platzteller, Silbervasen, Silberkerzenhalter) verwenden, ist es ganz wichtig, das Silber einen Tag vor der Einladung herauszunehmen und zu prüfen, ob es inzwischen angelaufen ist. Denn Sie könnten eine böse Überraschung erleben, wenn Sie wenige Stunden vor dem Essen den Tisch eindecken wollen, das lange nicht mehr benutzte Besteck herausholen und der ganze Satz bräunlich verfärbt vor Ihnen liegt. Dann ist angesichts der knappen Zeit guter Rat teuer. Um beispielsweise einen Satz Silberbesteck mit 159 Teilen (für zwölf Personen) zum Glänzen zu bringen, müssen Sie mit etwa zwei Stunden Putzzeit rechnen. Um bei solchen Fällen zumindest gut gerüstet zu sein, sollten Sie immer Silberputzmittel im Haus haben.

Das kleine Gedeck

Wenn Sie ein dreigängiges Menü planen, dann sind im Gedeck auch nur die Bestecke einzudecken, die dafür gebraucht werden. Laden Sie nur zu einem Spaghetti- oder Eintopfessen ein, weil Sie ein Meister in der Zubereitung von Spaghettisaucen oder Eintöpfen sind, dann werden pro Gedeck lediglich ein Löffel und eine Gabel aufgelegt. Vielleicht können Sie sich in diesem Fall ja noch zu einem Dessert durchringen – dann würde es um den Platzteller herum nicht ganz so leer aussehen. Es ist nicht üblich, alles auf den Tisch zu stellen, wenn nur ein Teil davon gebraucht wird. Dies gilt auch für die Gläser und könnte bei Nichtbeachtung zu peinlichen Missverständnissen führen.

Das Drei-Gänge-Menü

Sie haben die Tischdecke aufgelegt, sodass sie schön plan liegt. Außerdem sind so viele Blumen und Kerzen sowie andere Accessoires vorgesehen, dass die Gedecke noch reichlich Platz haben. Wenn Sie über passende Platzteller verfügen, sollten Sie diese auch auf den Tisch stellen, denn sie werten eine Tafel optisch auf. Sie dienen den Tellern der einzelnen Gänge als Unterteller. Beim Eindecken steht auf ihnen der Teller für den ersten Gang. Platzteller sind immer dann zwingend notwendig, wenn der erste Gang eine Suppe ist, die in der Suppentasse serviert wird. Ohne den Platzteller würde bis zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor dem Gast eine bedenkliche Leere herrschen. Auch die Serviette fände in diesem Fall keinen standesgemäßen Platz im Gedeck. Bei einem Drei-Gänge-Menü mit Suppe, Hauptspeise und Dessert wird ein kleines Gedeck aufgelegt. Der Platzteller und die richtigen Gläser sollten nicht fehlen.

Das Besteck beim Drei-Gänge-Menü

Für ein Drei-Gänge-Menü, das aus Suppe, Hauptgang und Dessert besteht, benötigen Sie vier bzw. fünf Besteckteile, die Sie wie folgt um den Platzteller anordnen: Die Gabel kommt links neben den Teller, das Messer rechts, ganz rechts außen der Suppenlöffel. Oberhalb des Tellers wird quer liegend der Dessertlöffel und/oder die Dessertgabel gelegt. Wenn statt Suppe eine kalte oder warme Vorspeise serviert wird, liegt links und rechts außen das Vorspeisenbesteck.