Es war eine Mutter - Abschied Stück für Stück

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Es war eine Mutter - Abschied Stück für Stück
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Hella Scholz

Abschied Stück für Stück

Es war eine Mutter

Engelsdorfer Verlag

Leipzig

2014

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind

im Internet über http://www.dnb.de/ abrufbar.

Copyright (2014) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

www.engelsdorfer-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder:

Vorwort

Teil 1

Kartoffeln und Hering

Mütterliche Aufklärung

Der Tauchgang

„Ich dachte, wenigstens hier geht es gerecht zu…“

Einen Korkenzieher bitte

Die Wunderpille

Der Verlobte

Großmutter, was hast du für schöne Beine?

Sperrstunden und kein Tanz

Ihr erster Mann

Die tolle Saalfeier

Schokolade statt Fahrkarte

Die zwei Enten

Der neue Vati

Die Eltern haben es eilig

Urlaub mit Zelt und Lebertran

Das Myom auf Beinen

Die Kinder hielten zusammen

Die große und die kleine Mutti

Der Bastard

Mit viel Einsatz

Grüne Heringe und Klöße

Die Stollenbäckerei

Unbeschwerte Kindheit

Der Trabi

Der Telefonanschluss

Trost und Halt

Neue Zeiten der Aufklärung

So selbstlos kann doch keiner sein

Die hintere Buchreihe

Rheinische Frohnatur

Ehrenamt und Heimarbeit

Ganz schön fette

Mit Schirm und Eierlikör

Ungerechtigkeiten

Studienbaby

Sorgenkind

Das Wunschessen

Die späte Reisetante

Ein doch nicht so schlechter Kerl

Schöne gemeinsame Urlaube

Ein ganz toller Rodler

Der große Familiensinn

Testament und Wende

Rommékönigin

2. Teil: Abschied Stück für Stück

Pfeffermühle Gastspiel Jürgen Walter im Konzert

„Warum hast Du es nur so eilig?“

Die Kastanie

Bei mir könnte ja auch ein Mann sein

Essen auf Rädern

Der 80.Geburtstag

Die Holperfahrt und der Rollator

Fahrt nach Warnemünde

Neues Auto

Wetterprobleme

Der Strandkorb

Toilettengänge

Hausbesuch

Keine Atemübungen heute

Tablettensorgen

Mein Kopf macht mich noch ganz verrückt

Die verlorenen Zähne

Vampire überall

Weiterbildung für Mutter und Sohnemann

Kur erforderlich nach erneuter Begutachtung

Kündigung und Wechsel

Schief wie ein Fragezeichen

Familienübersicht

Vorsorgevollmacht

Ein ungutes Gefühl

Rollstuhl, Fernsehen und Musik

Und was nun?

Gäste und Blumen

Demenzbetreuung

Wer sagt, dass sterben einfach ist

… und Abschiednehmen

… und Trauer

Nachwort

2. Nachwort aus aktuellem Anlass

Danksagung

Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder: Den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter.

Die Mutter, als Einzelkind aufgewachsen, hatte sich schon immer nichts sehnlichster gewünscht als viele Kinder zu bekommen.

Sie bekam ihre Jahreszeitenkinder.

Die erste Tochter Steffi kam im Januar 1948 auf die Welt, der Sohn Reinhard ein Jahr später im Juni 1949. In glücklicher zweiter Verbindung wurde dann noch das Herbstkind, die Tochter Silke, im September 1959 geboren und im verspäteten Frühling der Nachzügler Hella im März 1963. Da war die Mutter schon 40 und die Hella 15 Jahre jünger als ihre große Schwester Steffi, die für sie ihre „kleine Mutter“ wurde.

 

Die „große Mutter“ liebte alle ihre Kinder und gab ihre Liebe weiter an sie und das war nicht wenig.

Auch hatte sie noch genug Liebe und Kraft um ihre eigene Mutter im Alter und ihren, sie mehr als sein eigenes Leben liebenden Mann in schlimmer Krankheit zu versorgen und sie beide bei sich zu behalten – bis zum Schluss.

Nun hatte sie eigentlich keine Wünsche mehr. Doch noch den einen, sie wünschte sich nichts sehnlichster als auch im hohen Alter, wenn die Kraft nachlässt, bei ihrer Familie bleiben zu können.

Ihre Kinder versprachen es ihr, egal was komme, sie versprachen es ihr, weil sie es selber wollten, sie versprachen es ihr, immer und immer wieder …

„Demenzerkrankungen gehören zu den großen Herausforderungen unserer langlebigen Gesellschaft“, sagt Prof. Riedel-Heller, Direktorin des Instituts für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health an der Leipziger Uni.

Hochrechnungen für Europa haben ergeben, so erklärt sie, dass sich die Zahl der Demenzkranken von sieben Millionen im Jahr 2000 auf 16 Millionen im Jahr 2050 erhöhen werde. Im Gegenzug dazu nimmt der Anteil der Personen, die sich um die Erkrankten kümmern können, dramatisch ab. Kamen 2000 auf einen Demenzkranken 70 Menschen im Erwerbsalter, so werden es 2050 nur noch 21 sein. Demenz ist der häufigste Grund für eine Heimeinweisung älterer Menschen. 50 – 70 Prozent aller Alten- und Pflegeheimbewohner leiden heute daran. Die meisten Senioren möchten in ihrer Wohnung, in ihrem privaten Umfeld bleiben. Doch von der Erkrankung an Demenz bis zur Unterbringung im Heim vergehen im Durchschnitt nur knapp drei Jahre. Das sind Ergebnisse neuester Studien, an denen die Leipziger Medizinprofessorin Steffi Riedel-Heller, die seit Jahren an der Medizinischen Fakultät der Universität über Demenz und Depression im Alter forscht, federführend beteiligt ist. „Die meisten Demenzpatienten wollen in ihrer Wohnung bleiben, zu Hause alt werden“, erzählt die Forscherin. Aber vielen bleibe die Heimeinweisung nicht erspart.

Die Heimbetreuung sei nicht nur die bei den Betroffenen am wenigsten beliebte Variante, sondern auch die mit Abstand teuerste, so Steffi Riedel-Heller. In einer weiteren Studie, die noch läuft, versuchen die Wissenschaftler daher herauszufinden, ob es möglich ist, dass Senioren durch präventive Hausbesuche länger in ihrer Wohnung bleiben können.

Die Wissenschaftler haben zudem herausgefunden, wie jeder selbst dem Gedächtnisverlust vorbeugen kann. Und diese Maßnahmen klingen keineswegs spektakulär. „Jeder sollte alle Chancen des Alltags nutzen, um sich zu bewegen“, rät die Medizinprofessorin. Treppensteigen, Gartenarbeit, zu Fuß gehen, all das beugt vor. Ebenso wichtig sei die geistige Aktivität, viel lesen und sich neuen Herausforderungen stellen. Auch im Alter könne man zum Beispiel noch ein Instrument lernen. Wichtig sei außerdem, soziale Kontakte zu pflegen und sich gesund zu ernähren.

Auszüge aus Gesundheit und mehr. der Patientenzeitung, im Jahr 2011

Demenz, Frauen-Power an Leipzigs Uni-Klinik

Vorwort

Für den Betroffenen ist es eine sehr leidvolle Erfahrung zu merken - und oft gibt es solche Momente des Bemerkens – wie nicht nur die allgemeine Kraft, sondern auch das Gedächtnis, die Orientierung – da nicht nur die örtliche, auch die zeitliche, die soziale – nachlässt und man eine unbeschreibliche Unruhe und Unsicherheit verspürt, eine Abwehr, eine Angst vor allem Neuen entwickelt und sich leider sogar das Bekannte in Fremdes verwandelt.

Für die Angehörigen bedeutet es, schwankend zwischen Hoffnung auf Besserung oder zumindest Stagnation und der Verzweiflung, sich dem fast täglichen Einsatz um bürokratische Hürden stellen zu müssen. Auf der anderen Seite will man dem Anspruch gerecht werden, immer wieder eskalierende Situationen in den Griff zu bekommen und den Alltag für den Betroffenen verlässlicher, erträglicher zu machen und dies alles bis zum schmerzhaften, letztendlich aber erlösenden Ende begleiten zu müssen.

Es ist unendlich schwer einen geliebten Menschen, auch wenn im gesegneten hohen Alter, auf diese Art und Weise zu verlieren. Wenn man hilflos mit ansehen muss, wie er sich stückweise selber verliert, seine Identität, seine Gewohnheiten, seine Persönlichkeit, die ihm vertraute Umgebung ihm fremd wird, die ihm vertrauten Menschen ihm fremd werden, ihm sein Körpergefühl verloren geht. Wenn sein ganzes Wesen sich verändert und er immer hilfloser wird, erst dagegen ankämpft, sich immer mehr verliert und dies auch spürt, Ängste und Unsicherheiten ihn lähmen und hilflos machen, er sich mehr und mehr zurückzieht auf einen immer kleiner werdenden Radius und auch dort keine Ruhe mehr findet.

Ich, das im späten Frühling geborene, letzte Jahreszeitenkind möchte die Geschichte unserer Mutter erzählen. Ich erzähle auch aus ihrer Vergangenheit, aus ihrem Leben. Für mich, da ich es festhalten will, für den Leser, da er sie kennen lernen sollte vor ihrer Erkrankung und es wird auch um interessante Zeitgeschichte gehen mit sicher anderen moralischen und sozialen Wertvorstellungen und manches wird einfach nur witzig und menschlich einher kommen.

Meine Mutter fand in ihrer letzten Zeit immer einen Ruhepol in den alten Geschichten, erzählte diese immer gerne und erinnerte sich – das Langzeitgedächtnis war das ihr zuverlässigste und in ihren Erinnerungen fühlte sie sich in sicheren Gefilden, man konnte sie von Unruhe mit diesen Geschichten am besten ablenken.

Die Zeit ihrer Erkrankung und Pflege, Begebenheiten daraus kann ich bis auf einzelne Berichte, Briefe nicht mehr genau datieren. Ich war sicher mit einigen Tagen restlos überfordert. Vollberufstätig, die Pflege, das Kümmern gingen fließend in 2. Schicht über. Ich hatte einfach nicht die Zeit, mir täglich Notizen zu machen. So sind diese Passagen zwar chronologisch geordnet nach Geschehen, wie auch die früheren Schilderungen aus ihrem Leben – da aber auch manches im Zusammenhang bleibend, da ich es nicht auseinander reisen wollte – ohne Datum versehen.

Ich hoffe es wird dennoch übersichtlich und ein stimmiges Ganzes. Man möge mir auch entschuldigen, wenn einiges Persönliches von mir eingeflossen ist, obwohl Gegenstand der Betrachtungen ja eigentlich die Mutter sein soll.

Einerseits wäre es mir unmöglich gewesen, unsere Mutter darzustellen im Zenit ihres Lebens, als die uns liebende Mutter, als aus der Perspektive meiner Kindheit, also auch aus meinen Erlebnissen und Empfindungen heraus. Andererseits sollen diese Erinnerungen nicht nur ein Geschenk an unsere Familie, besonders an meine Schwestern, sondern auch für meinen lieben Sohn sein, der in dieser schweren Zeit des Abschiedsnehmens mir und meiner Mutter sehr verlässlich und hilfreich zur Seite stand. Ich hoffe ihm damit eine Freude zu machen, Anteil an Episoden aus dem Leben seiner Vorfahren nehmen zu können und an der Kindheit, am Erleben seiner Mutter.

Unsere Mutter Blanka wurde 1923 geboren und lebte nach dem Tode unseres Vaters Ernst und dem ihrer eigenen Mutter Irma, die 1903 auf die Welt kam, mit mir und meinem Sohn Hannes, geboren im sogenannten Wendejahr 1989 (ein Frühlingssohn, leider waren bei mir die anderen Jahreszeiten und andere spätere Frühlinge nicht so fruchtbar, auch ich hätte gerne noch mehr solcher Kinder gehabt) in unserem „Mehrgenerationen-Haus“ zusammen und wir begleiteten sie in ihren letzten Lebensjahren.

Sie, die uns immer eine gute Mutter war, bescherte uns aufopferungsvoll und liebend eine unbeschwerte Kindheit in einem Haus voller Liebe und Fröhlichkeit. Respekt, Achtung und vor allem die große Liebe der Eltern zueinander bestimmten das offene und ehrliche Klima und bot uns eine liebevolle harmonische Atmosphäre, an das ich mich so gerne erinnere.

Teil 1

Wie unsere Mutter Blanka auf die Welt kam und wie es ihrer Mutter, der Irma, zu dieser recht unaufgeklärten Zeit der Jahrhundertwende erging:

Kartoffeln und Hering

Meine Oma wohnte im 4. Stock mit Plumpsklo auf der Treppe, hatte ihren Richard geheiratet, einen fast 20 Jahre älteren, lebenserfahrenen, netten, schicken Herrn, einen alten Seefahrer, in den sie sich schon als junges Mädchen „verschwärmte“ und nach einigen Bedenken von ihrem Vater aber dann doch wohlwollend an ihn übergeben wurde mit dem Hinweis, er möge doch bedenken sie ist noch sehr träumerisch und unerfahren.


Ja, die Irma war nun schwanger, bekam Wehen und die Hebamme kam ins Haus. Da lag sie im Bett mit Wehen und die Nachbarn hatten eine Schüssel Heringe und Kartoffeln vorbereitet. Das war so üblich für den Einsatz der Hebamme, die sicher so aussah wie durch Heinrich Zille festgehalten mit Dutt auf dem Kopf und Kittelschürze.

Sie schaute natürlich erst mal die Gebärende an, zu ihrer Erleichterung bemerkte sie, es sei noch nicht ganz so weit und machte sich erst mal über das tolle Mahl her. Sie bemerkte nicht, dass Irma an ihr vorbei auf die Toilette ging. Als sie dann ihr Mahl beendet hatte, schaute sie wieder nach der Gebärenden, diese war aber nicht im Bett zu finden, sondern klagend auf dem Plumpsklo der 4. Etage.

Die Hebamme bekam einen Schreck und führte angstbleich Irma wieder ins Bett, wo kurz darauf Blanka das Licht der Welt und zum Glück nicht als Erstes deren Fäkalien erblickte.


Mütterliche Aufklärung

Es war eine völlig andere Zeit und es wurde keine Aufklärung betrieben. Dazu müsste ich eine kurze Begebenheit aus den Tagen der Irma erzählen, die diese erlebte, als sie noch ein Kind war und in die Schule ging. Also ihre Schwester bekam einen dicken Bauch und Irma erzählte dies ihrer besten Freundin in der Schule und über ihre Vermutung, dass die Schwester wohl ein Kind bekäme. Darauf erpresste diese Freundin Irma regelmäßig um ihre besser belegten Schulbrote, denn sie kam nur aus ‚Armeleuteverhältnissen‘ wo es meist nur ‚Fettbemmen‘ gab. Irma aus der stabileren Mittelstandsschicht, ihr Vater war Stuhlmeister, bekam schon auf die Stullen Butter und Wurst.

Die Freundin drohte Irma, sollte sie zum Brottausch nicht bereit sein, dem Lehrer zu petzen, was Irma ihr anvertraute. Das war ein Skandal, darüber sprach man nicht. Als Irma dann eines Tages nach Hause kam, standen die Hausbewohner schon im Treppenhaus und ließen sie nicht hoch, denn da wäre gerade der Zahnarzt bei ihrer Schwester. Als der angebliche Zahnarzt dann ging, durfte Irma ihren neuen Neffen begrüßen, der auf einmal wie durch ein Wunder in den Armen ihrer Schwester lag und da wurde nicht etwa über das warum, woher oder wieso gesprochen, er lag einfach nur friedlich da und die Schwester war wieder etwas schlanker und Irma konnte ihre Stullen wieder selber essen.

Der Tauchgang

Wie medizinisch unwissend meine Oma war, beweist sicher auch diese Geschichte.

In meiner Kindheit gab es noch den anzufeuernden Badeofen und jeden Sonntag Badetag für die ganze Familie. Waren wir in der Wanne, saß oft unsere Oma mit im Bad und wir unterhielten uns. Sie fragte dann immer: „Was soll ich denn erzählen?“


Und wir baten um Geschichten von früher. Das war immer herrlich und entschädigte etwas für die nachträglich anzuziehende selbst gestrickte Wäsche, die immer so kratzte.

Meine Oma zählte auch die Sekunden, die wir unter Wasser bleiben konnten.

Einmal wollte ich sie veralbern und nahm heimlich meinen Schnorchel mit in die Wanne und bat Oma zu zählen. Sie zählte laut und zählte und zählte, es wurde eine Minute, zwei Minuten, drei … ich verlor langsam die Geduld, sie kam bis acht Minuten, da tauchte ich enttäuscht auf.

 

„Merkst du denn gar nicht, dass man solange nicht tauchen kann!“, rief ich wütend.

„Ach so und ich dachte schon, du bist heute ganz besonders gut“, kam von meiner medizinisch unbeleckten Oma. Und sie meinte es wirklich so und hatte nicht etwa meinen Schnorchel entdeckt. Auch später bei medizinischen Fragen hatte sie einfach keine Erklärung und war aber auch nie sonderlich interessiert. Als ihre Tochter später an Gebärmutterkrebs erkrankte und operiert wurde, tröstete sie sie damit, dass es ihr ja auch so ergangen war. Dass es sich bei ihr allerdings um eine gutartige Geschwulst gehandelt hatte und dies schon ein Unterschied darstellt, erkannte sie nicht.


Nach so einer ‚Aufklärung‘ in der Generation vor meiner Mutter konnte sie natürlich nicht unbedingt viel mehr für sich erhoffen.

So war es dann auch, es wurde über nichts dergleichen gesprochen. Blanka war 16 Jahre alt und Schülerin der Handelsschule in Leipzig. Im Fach Englisch und Spracherziehung hatten sie einen äußerst charmanten, ledigen Studienassessor. Alle Mädchen schwärmten für ihn, sie auch. Im Englisch-Unterricht stellte er die Frage: „What have you in your Mouth?“ Aufgeregt wie immer, wenn sie von ihm angesprochen wurde, verwechselte sie doch das besitzanzeigende Fürwort und antwortete: „In my mouth I have your Tongue!“

Darauf antwortete er lächelnd: „Schön wär’s!“

Einige Mitschülerinnen, die schon etwas weiter waren als sie, hatten aufgrund ihrer Antwort und der Resonanz des Lehrers gekichert.

Blanka war das peinlich und sie beschwerte sich in der Pause bei ihren Freundinnen über deren Albernheit, denn man dürfe sich doch wohl noch mal versprechen.


Diese fragten sie dann recht verwundert, ob sie denn nicht wüsste wie geküsst wird und erklärten es ihr.

Fortan hatte Blanka im Englischunterricht stets einen hochroten Kopf und getraute sich gar nicht mehr ihren Lehrer anzuschauen.

Als sie dann mit 17 wirklich das erste Mal geküsst wurde, von einem jungen übermütigen Soldaten, ist sie doch laut weinend nach Hause gerannt und meinte, jetzt bekomme sie sicher ein Kind, sie wäre einem Sittenstrolch in die Hände gefallen.

Als ihr Vater dann genau nachfragte und sie erzählte was passiert war, musste er sich umdrehen und erst später meinte sie zu wissen, dass er wohl lachen musste über ihre Naivität.

„Ich dachte, wenigstens hier geht es gerecht zu …“

Als sie dann wirklich ein Kind bekam, das war aber erst später in ihrer ersten Ehe, meinte ihre Mutter nur zu ihr, sie solle keine Angst haben, es ist nur ein wenig schmerzhafter als die Tage – das war das Höchstmaß an Aufklärung.

Blanka war da noch streng gläubig und zur Entbindung in ein kirchliches Krankenhaus gegangen. Sie befindet sich also dort auf Station und quält sich schon eine Weile mit blinden Wehen.

Da kommt eine Frau in ihr Zimmer, wird von der Schwester untersucht und gleich eiligst in den Kreissaal verlegt, da die Geburt ja schon im vollen Gange sei. Blanka richtet sich ganz entrüstet in ihrem Bette auf und meint: „Ich dachte, wenigstens hier geht es gerecht zu, ich war zuerst da!“

Ich muss wohl nicht erwähnen, dass die Schwester erst sprachlos war und ihr dann nicht mehr von der Seite wich und sie liebevoll betreute. Mutter meinte später lachend, die nette Schwester hatte bestimmt Angst gehabt, dass sie in ihrer Naivität vielleicht aus dem Fenster springe um die Geburt zu beschleunigen oder irgendeinen anderen Blödsinn mache. Ihr Ausspruch hat dort sicher die Runde gemacht und ist in die Klinikannalen eingegangen.