Die Wetterhexe

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Die Wetterhexe

Heinrich Seidel

Inhaltsverzeichnis

Über den Autoren:

Die Wetterhexe

Impressum

Über den Autoren:

Heinrich Friedrich Wilhelm Karl Philipp Georg Eduard Seidel war ein deutscher Ingenieur und Schriftsteller.

Die Wetterhexe

In dem freundlichen Dorfe Huldingsheim lagen zwei Bauernhöfe, deren Felder und Wiesen aneinandergrenzten. Die beiden jungen Bauern hatten ihr Erbteil, das ihnen von ihren Vätern in gutem Zustande überliefert worden war, fast zu gleicher Zeit angetreten, doch nun, da erst sieben Jahre verflossen waren, machte sich bereits ein sehr großer Unterschied zwischen den beiden Besitztümern bemerklich. Kam man auf den Hof des einen, der Valentin hieß, so ward man erfreut durch einen Glanz von Reinlichkeit, Ordnung und Wohlstand, der auf allen Dingen lag; alles stand an seinem Ort und war sauber abgegrenzt und richtig. Die Gebäude waren reinlich gestrichen, die Türen hübsch gemalt, und an den Strohdächern war kein Fehler zu sehen. Auf dem Teich schwammen die stattlichsten Enten, und im Hofe wanderten Hühner umher, bei denen es schwer zu unterscheiden war, ob sie auf ihren mächtigen Hahn oder dieser auf seine Hühner hätte stolzer sein dürfen.

Trat man in die große Vordiele des Hauses, an der zu beiden Seiten die Viehställe gelegen sind, so war es wieder eine Lust, die wohlgepflegten Kühe und Pferde zu betrachten, die so blank waren, daß man sich fast darin spiegeln konnte. Aber noch blanker war das Kupfer- und Zinngeschirr, das neben dem Herde am Ende der Diele aufgestellt war nebst hübsch bemalten Tellern und glasierten Töpfen und dergleichen reinlichem Küchengerät. An dem Herde aber wirtschaftete eine saubere Hausfrau, und es war lustig zu sehen, wie flink ihr alles von der Hand ging, und lustig zu hören, wie fröhlich sie dabei sang. Über dem Herde aber im Rauchfange hingen in stattlichen Reihen Würste, Speckseiten und Schinken und boten einen tröstlichen und erfreulichen Anblick dar. Das Wohnzimmer, die Putzstube und die Vorratskammer zu betrachten war nun erst recht ein Vergnügen. Die Fußböden waren blank gescheuert und mit weißem Sand bestreut, die alte Kuckucksuhr tickte behaglich, und der Sonnenschein kam durch die blanken Fensterscheiben und malte die Schatten von Geranium und Goldlack auf den Fußboden, blinkte freundlich in den grünglasierten Kacheln des alten Ofens und setzte die Schnörkel und das Schnitzwerk des riesigen braunen Erbschrankes, der den großen Leinenschatz des Hauses enthielt, ins rechte Licht. Und in der Vorratskammer, welch behaglicher Duft nach Backobst und gedörrten Äpfeln, und welche Schätze von seidenweichem Flachs und selbstgesponnenem Garn – wahrlich, da konnte mancher Hausfrau das Herz groß werden. Ging man sodann mit dem jungen Bauern durch die Hintertür und den mit gesunden, wohlgepflegten Obstbäumen besetzten Grasgarten auf den Acker, da merkte man bald, daß es in Feld und Wiese ebenso aussah wie in Haus und Hof und daß Fleiß, Ordnung und Reinlichkeit die guten Geister dieses Hauses waren.

Der andere junge Bauer, der Balthasar hieß, war recht das Gegenspiel von Valentin. Schon als Knabe hatte er am liebsten den Vögeln die Nester ausgenommen, den Katzen Schweinsblasen mit Erbsen an die Schwänze gebunden, fremde Hunde mit Steinen geworfen und die eigenen auf arme Bettler gehetzt. An der Arbeit hatte er nie Gefallen gefunden und hatte gemeint, ihm, als dem einzigen Sohne eines wohlhabenden Bauern, müsse es von selbst kommen. Später heiratete er ein hübsches Mädchen, das er auf dem Tanzboden kennengelernt hatte und dessen lustiges Wesen ihm gefiel. Das war eine Frau, die recht für ihn paßte, denn arbeiten mochte sie ebensowenig wie er, Kuchenbacken und Kaffeekochen ausgenommen. Da nun schlechte Herrschaften stets schlechte Dienstboten haben, die das Beispiel, das ihnen gegeben wird, getreulich nachahmen, so konnte es nicht verwundern, daß Haus und Feld allmählich in Verfall gerieten und daß sich auf dem Dünger, der über den ganzen Hof unordentlich zerstreut lag, die Hühner ihres erbärmlichen Hahnes und dieser sich seiner kläglichen Hühner schämte. Die Kühe und Pferde sahen mager und rauh aus, als seien sie mit Moos statt mit Haaren bewachsen, und an Stelle fröhlichen Gesanges hörte man Keifen und Schelten und widerwärtiges Fluchen durch das Haus schallen.

Aber trotzdem er an dem Verfall seines Anwesens selbst die Schuld trug, so wurde Balthasars Herz doch von Neid und Mißgunst erfüllt, wenn er die herrlichen Felder des Nachbars neben seinen kümmerlichen, verwahrlosten Äckern liegen sah, wenn er auf seine Wiese blickte, die höckerig war von bewachsenen Maulwurfshaufen, die er nicht rechtzeitig geebnet hatte, und dann auf die des Nachbars, wo grün und dicht, einer Sammetdecke vergleichbar, das süßeste Futter wuchs. Es fraß an seinem Herzen wie gieriges Ungeziefer, wenn er im Wirtshaus saß und Valentins Lob verkünden hörte, während man auf ihn spöttische Seitenblicke warf; er faßte einen tiefen Groll und Haß gegen jenen, dem nach seiner Ansicht ein blindes Glück alles in Hülle und Fülle in den Schoß warf, während er selbst von unverdientem Mißgeschick verfolgt wurde. Denn also verblendet war sein Sinn, daß er die wahren Ursachen des Rückganges seiner Angelegenheiten nicht mehr erkennen wollte. Eines Tages hatte er sich in hämischer Weise gegen Valentin darüber ausgesprochen, und als dieser ihm einfach erwiderte, der Nachbar könne dasselbe Glück haben, wenn er mehr Fleiß und Mühe auf die Bestellung seines Hauswesens und seiner Äcker verwenden wolle, denn der Boden sei derselbe wie bei ihm, und da Wetter und Wind auch dieselben wären, so müsse es wohl an anderen Dingen liegen, – da hatte er seinen Ärger verbissen und sich still beiseite gedrückt; aber von dieser Zeit an sann er Tag und Nacht, wie er es anstellen möchte, dem Nachbar einmal einen rechten Schaden anzutun.

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