Eine pessimistische Katzengeschichte

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Eine pessimistische Katzengeschichte

1  Eine pessimistische Katzengeschichte

Eine pessimistische Katzengeschichte

»Ich kann mir sehr wohl denken, mein Kind, daß unter diesen Umständen dein Leben bei deiner Tante sehr wenig Annehmlichkeiten bietet, daß es vielmehr dem Dasein eines Engels gleicht, der zufällig in die gewiß sehr anständige, aber trotzdem nicht gerade empfehlenswerte Gesellschaft von des Teufels Großmutter geraten ist.«

»Du übertreibst, Eduard, die Tante ist zwar sehr wenig freundlich, ja, sie scheint sogar eine heftige Abneigung gegen meine Person zu empfinden, welche sie zu allerlei kleinen Bosheiten wider mich verleitet, da ich doch seit dem Tode meiner Eltern bei ihr zu leben gezwungen bin, aber ...«

»Und ist es nicht ein Zeichen der unerhörtesten Bosheit, daß sie trotz ihrer Abneigung gegen dich sich unserer Verbindung feindlich entgegenstellt, die sie doch in absehbarer Zeit von deiner ihr so unliebsamen Gegenwart befreien würde?« –

»Wir müssen uns eben gedulden, bis die Zeit meiner Minderjährigkeit abgelaufen.«

»Worauf die Tante wiederum dich laufenläßt, nicht wahr, Mizi? Aber dazu gehört Geduld, eine Sorte, von der ich leider durchaus keine Proben auf Lager habe. Und wenn noch wie in früheren glücklicheren Zeiten Entführungen gang und gäbe wären! Aber so etwas ist heutzutage nicht mehr modern. Oh, die Mode ist durchaus unpraktisch!«

»Urteilen wir weder über sie zu hart, noch über die alte Frau, die sich gewiß recht einsam fühlen wird, wenn ich sie einst verlassen habe, um dir zu folgen, mein Eduard.«

»Dann wird sie immer noch ihre Katze haben, an der sie ja übrigens mit jeder Faser ihres vertrockneten Herzens hängt. «

»Ich fürchte, auch diese Gesellschaft wird ihr genommen werden, denn mir kommt es so vor, als leide das Tier seit kurzem an der Krätze, eine Katzenkrankheit, die, glaub ich, gewöhnlich mit tödlichem Ausgange verbunden ist. Arme Mizi!«

»Was sagst du? Mizi heißt das Beest – Mizi! Deinen heiligen Namen, den eigentlich kein Mensch außer dir tragen sollte, entweiht man, um diese Kreatur ...«

»Aber Eduard, rege dich nicht auf! Du weißt doch, daß mein Name ...«

»Dein Name ...«

»Mizi!« rief in diesem Augenblick eine schrille Stimme unter den Fenstern des Zimmers, in welchem die Unterredung der beiden Liebenden stattfand.

»Das ist die Tante!« flüsterte das junge Mädchen.

»Sie ruft dich, mein armer Schatz; und wenn sie dich in meiner Gesellschaft findet, so wird es wieder einige besonders saure Tage für dich geben – Grund genug für mich, um mich für jetzt eiligst zu entfernen.«

»Deine Besorgnis ist diesmal unnötig«, erwiderte Mizi lächelnd, »denn es wird nur die Katze gerufen, um ihre Abendmahlzeit zu erhalten ...«

»Mizi!« ertönte die schrille Stimme zum zweiten Male.

»Aber«, fügte das junge Mädchen hinzu, »das Tier scheint sich wieder einmal verkrochen zu haben – seine Krankheit macht es scheu – und die Tante wird jetzt kommen, es hier zu suchen. Ich glaube daher, es ist besser...«

»Ich gehe schon, mein Schatz«, sagte der junge Mann, indem er zum Abschiede Mizis schlanke Finger an seine Lippen drückte, um dann eiligst durch eine Tür, welche ihm das junge Mädchen öffnete, und über eine Nebentreppe zu entschlüpfen.

Bei der Dunkelheit, welche auf dieser Treppe herrschte, war es nur natürlich, daß die Entfernung des liebenden

Eduard nicht ohne einiges Geräusch vor sich ging, und ebenso natürlich war es, daß sich auf dem Gesichte der Tante, die gleich darauf ins Zimmer trat, ein sehr fragendes Lächeln bemerkbar machte, während sie mit noch ungleich schrillerer Stimme als vorhin sagte:

»Was war denn das wieder für ein Spektakel? Muß denn ewig ein Lärm gemacht werden, als ständen wir vor dem Untergang der Welt?«

Auf letztere Vermutung hätte man nun wohl eher bei dem Anblick der alten Dame geraten können, deren sehr derangierte Kleidung und sehr ungeordnetes Haar sowie von Ärger und Hitze sehr gerötetes Antlitz ein Ensemble bildeten, das in erschreckender Weise an eines jener Zeichen gemahnte, die nach höchst glaubwürdiger Überlieferung am Ende aller Dinge unmittelbar vorhergehen sollen.

– Demgegenüber glich das junge Mädchen vielmehr einem jener Engel, die am Jüngsten Tage diejenigen, welche sich im Leben ihres Schutzes würdig gezeigt, ihrer ganz besonderen Hülfe teilhaftig werden lassen.

Als solch ein ausnehmend würdiger Sterblicher mußte dem hier in Gestalt Mizis tätigen Seraphim nun wohl der liebende Eduard erscheinen, denn noch bevor die Tante die Tür geöffnet, hatte sie sich mit bewunderungswürdiger Schlauheit auf eine möglichst unverfängliche Erklärung des durch den jungen Mann verursachten Geräusches vorbereitet, indem sie nämlich einen Stuhl ergriffen hatte, den sie jetzt mit beiden Händen umklammerte, als habe sie ihn soeben vom Boden erhoben, während sie mit einer Miene, auf der die volle Unschuld eines neugeborenen Kindes ausgeprägt war, sagte:

»Entschuldige, liebe Tante, ich war unvorsichtig, aber der Stuhl ist, wie ich hoffe, nicht beschädigt.«

»Ich möchte diese Hoffnung ebenfalls aussprechen, zugleich aber hinzufügen, daß es, um den Gesetzen, welche in einem anständigen Hause herrschen, entgegenzuhandeln, durchaus nicht einer völligen Zersplitterung des Mobiliars bedarf, sondern daß vielmehr schon dieser mörderische Lärm genügt, um das Gefühl einer gesitteten Hausfrau zu beleidigen: besonders, wenn man soviel Rücksicht nehmen wollte, zu bedenken, daß diese Hausfrau eine ältere Dame ist, deren Nerven ...«

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