Der schwarze Drache

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Der schwarze Drache
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Hannes Hörndler

Der schwarze
Drache


Illustrationen

Nicolas Rivero


Der schwarze Drache

von Hannes Hörndler

1. Digitale Auflage 2021

www.ggverlag.at

ISBN E-Book: 978-3-7074-1745-6

ISBN Print: 978-3-7074-2421-8

In der aktuell gültigen Rechtschreibung

Coverillustration: Nicolas Rivero

Innenillustrationen: Nicolas Rivero

© 2021 G&G Verlagsgesellschaft mbH, Wien

Alle Rechte vorbehalten. Jede Art der Vervielfältigung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe sowie der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme, gesetzlich verboten.

Inhalt

Kapitel 1: Tom

Kapitel 2: Lisa

Kapitel 3: Jonas

Kapitel 4: Tom

Kapitel 5: Lisa

Kapitel 6: Jonas

Kapitel 7: Tom

Kapitel 8: Lisa

Kapitel 9: Jonas

Kapitel 10: Jonas

Kapitel 11: Lisa:

Kapitel 12: Tom

Kapitel 13: Jonas

Kapitel 14: Tom

Kapitel 15: Lisa

Kapitel 16: Jonas

Kapitel 17: Lisa


Lisa ist ein Energiebündel, mutig, aber auch etwas stur. Sie geht Probleme entschlossen an und will sie auch lösen.


Tom lebt auf der Straße. Er ist ein magerer Bursche, der sich mit Bauernschläue durchs Leben schlägt. In manch brenzligen Situationen hilft es ihm, dass er ein schneller Läufer ist.


Jonas’ hervorstechendste Eigenschaft ist seine absolute Unauffälligkeit. Er selbst hält sich für einen völligen Durchschnittstyp, einen guten Beobachter und nicht gerade für einen Draufgänger.

Tom
Kapitel 1

„Ich werde dich finden!“ Tom wusste, dass sein Anführer recht hatte. Vermutlich hatte er Tom erspäht, als er in die alte Lagerhalle gelaufen war. Dabei war er so vorsichtig gewesen. Mehrmals hatte er sich umgesehen, ehe er blitzschnell hinter den durchsichtigen Lamellen des großen Tors verschwunden war. Danach war Tom in den ersten Stock gerannt und hatte sich zwischen zwei Regalen, die mit Putzmitteln und anderen Plastikflaschen vollgestopft waren, versteckt.

Licht drang durch ein zerbrochenes Fenster herein, ein Sonnenstrahl fiel auf die rote, moderne Ledertasche, die er in den Händen hielt. Er hatte sie herrenlos bei einer Bushaltestelle entdeckt und sie mitgehen lassen.

Sie war heute erst seine zweite Ausbeute gewesen – kein guter Tag für einen Taschendieb wie Tom es war.

Er schüttelte sein Diebesgut. Etwas Schweres befand sich darin – vielleicht ein Laptop? Vom Gewicht her könnte es hinkommen. Ein solches Gerät würde viel Geld bringen und Peter und seine Straßenbande doch noch versöhnlich stimmen. Normalerweise klaute er für seinen launischen Anführer Geldbörsen und Handys. Aber eine Polizeistreife ließ ihn heute vorsichtig sein. Immerhin wirkte er verdächtig: Er trug zerrissene Jeans, war schmutzig von oben bis unten und komplett abgemagert, seine braunen Haare hatte er selbst geschnitten. Leider sah er genau danach aus, was er wirklich war: ein aus dem Heim entlaufener Junge, der bettelte und für die Straßenbande von Peter stahl.

Tom hörte Schritte, sein Anführer war bereits im selben Stockwerk.

„Es ist wie in der Wirtschaft“, hörte er Peters laute Stimme. „Zeit ist Geld. Je länger du dich versteckst, desto mehr kostest du mich, weil du nicht für mich arbeitest. Und je mehr du mich kostest, desto weniger bekommst du zu essen! Also, komm jetzt raus, du machst es nur schlimmer!“

Peters Stimme kam näher und verriet, dass er ihn bald finden würde. Aber bevor er ihm gegenübertreten wollte, musste er wissen, was sich in der Tasche befand. Er wollte im Klaren sein, was er seinem Anführer gegenüber vorbringen konnte. Und bis jetzt würde er ihm nur eine fast leere Geldbörse anbieten können.


„Es reicht! Raus aus deinem Versteck!“

„Noch nicht“, dachte sich Tom. „Bleib geduldig und wirf einen Blick in die Tasche!“ Er zog an dem Reißverschluss. „Bitte, lieber Gott, lass einen wertvollen Laptop hervorkommen!“ Die Prügel würden Tom nicht stören. Nur sein Magen knurrte, er brauchte dringend etwas Ordentliches zu essen, was er nur bekam, wenn er Besitztümer ablieferte, die Geld einbrachten. Ständig wurde er beobachtet, stahl er etwas, bekamen es Peters Handlanger sofort mit. Mist! Kein Computer, sondern nur ein dünnes, altes Buch steckte darin. Er warf einen kurzen Blick hinein, auf einer Seite prangte ein Drache. Schnell tastete er nach weiteren Sachen.

Nichts!

Vielleicht noch etwas in der Seitentasche? Er fuhr mit dem Zeigefinger hinein und spürte einen kleinen Gegenstand in der hintersten Ecke. Tom holte ihn heraus und hielt ihn ins Licht. Ein roter Stein, in den ein schwarzer Drache eingraviert war. Er gefiel ihm, obwohl er auf den ersten Blick nicht wertvoll schien.


„Hinter dem Regal!“, rief jemand. Peter und seine zwei Helfer hatten ihn also entdeckt. Jetzt musste er sich schnell entscheiden. Das Buch war wertlos, die Tasche könnte ein paar Euro bringen, die Geldbörse würde er aushändigen, aber den Stein wollte er behalten. Der Gegenstand landete gerade noch rechtzeitig in der linken Hosentasche (die rechte hatte ein Loch), ehe das Sommersprossengesicht von Peter um die Ecke lugte.

„Es wirkt nicht gerade vertrauenserweckend, wenn man sich versteckt.“ Aus dunkelbraunen Augen starrte er Tom an. Seine zwei Helfer hielten sich im Hintergrund. Der eine hieß „der Lange“, der andere „der Dicke“. Peter sprach in seiner Bande nie jemanden mit richtigem Namen an. Tom war „der Neue“.

„Ich habe die Beute bereits für dich sortiert“, log Tom.

„Wahrscheinlich aussortiert“, brummte Peter.

„Ich habe eine schöne Ledertasche und eine Geldbörse mit ein paar Scheinen erbeutet.“

„Mehr nicht?“, fragte Peter mit einem misstrauischen Blick, während er die beiden Sachen an sich nahm.

„War kein guter Tag heute.“

„Wird es mir Freude bereiten, wenn ich da reinschaue?“

„Wenn du auf Drachen stehst, dann ja.“

„Mumm hast du, das muss ich dir lassen. Die anderen scheißen sich in die Hose, wenn sie vor mir stehen.“

Peter kramte das dünne, aber schwere Buch heraus und schmiss es Tom aus nächster Nähe ohne Vorwarnung an den Kopf. Tom sah schwarz, ihm wurde schwindelig.

Nur langsam erholte er sich davon.

„Sicher kein Laptop in der Tasche gewesen?“, hakte Peter nach.

Tom schüttelte den Kopf. Ihm lag noch eine lustige Bemerkung auf der Zunge, die er sich aber verkniff.

„Langer, Dicker! Durchsucht die Halle, vielleicht hat der Neue ja das Gerät irgendwo hier versteckt!“

Die beiden taten, wie ihnen befohlen worden war.

Peter hingegen trat dicht an Tom heran. Er roch nach scharfem Kaugummi, den er herausholte und auf Toms Stirn klebte. Tom ließ es sich gefallen.

Er hatte seine Hände tief in die Hosentaschen gesteckt und umklammerte seinen Stein. Er hoffte, dass Peter nichts bemerkt hatte. Der Kaugummi löste sich und fiel auf den Boden.

„Dann werde ich einmal den Neuen gründlich durchsuchen!“

Lisa
Kapitel 2

Lisa starrte aufs Meer. Während ihre Freunde bereits wieder die Schule besuchten, durfte sie baden gehen.

 

Das war auch schon der einzige Vorteil ihres Umzugs in das fremde Land. Es hatte heftigen Streit zwischen ihr und ihren Eltern gegeben. Ihr Vater hatte eine neue Arbeit auf einem anderen Erdteil bekommen und dort ein Jahr lang allein verbracht. Nun hatte die Familie entschieden, ihm zu folgen. Die Familie? Pah! Mama und Papa hatten es unter sich ausgemacht! Sie war nicht einmal gefragt worden.

Lisa zog ihr T-Shirt und ihre Shorts aus, darunter kam der neue schwarze Bikini zum Vorschein. Sie band ihr blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und legte ihre Kette ab. Es war ein Abschiedsgeschenk von ihrem Opa gewesen – ihr wertvollstes Mitbringsel aus ihrer alten Welt. Vorsichtig ließ sie die Kette mit dem besonderen Stein in der Mitte auf den Boden ihres Strandkorbes gleiten. Sie schnappte sich ihre rote Matratze und schwamm weiter ins Meer hinaus, als es Mama und Papa erlauben würden. Vielleicht aus Trotz, vielleicht einfach nur, weil ihr danach war. Die Wellen glitzerten in der Sonne, sie ließ ihre Füße ins warme Wasser gleiten. Hätte sie hier auf Anhieb Freunde gefunden, wäre es vielleicht ein schöner Badetag geworden. Nur so schnell fand man in einem fremden Land keine neuen Freunde. Wenn in ein paar Tagen die Schule losgehen würde, würde alles leichter werden, hatten ihre Eltern versucht sie zu trösten. Ja, vielleicht.

Die Schule konnte aber ebenso zum Alptraum werden.

Mama und Papa stellten sich immer alles so einfach vor. Sie war allein und ihr war langweilig. Punkt! Papa arbeitete den ganzen Tag, Mama suchte Arbeit den ganzen Tag und sie fadisierte sich den ganzen Tag!

Bildete sie sich das nur ein oder tauchten da schwarze Flecken am Horizont auf? Oder hatte sie einfach zu lange in die Sonne gestarrt? Lisa richtete sich auf der Matratze auf. Womöglich zogen dunkle Wolken auf.

Nein, es waren keine Wolken, dafür waren die Punkte zu nah am Wasser. Vielleicht Nebel? Gab es überhaupt Nebel in diesem Land? Lisa wusste es nicht. Die wenigen anderen Strandbesucher reagierten nicht, womöglich spielten ihr ihre Augen einen Streich. Doch ein ungutes Gefühl kroch in ihr hoch. Sie konnte nicht ausmachen, woher das Gefühl stammte. Die Schwärze erinnerte sie an etwas. An eine dieser verrückten Erzählungen ihres Großvaters? Der hätte bestimmt etwas über die dunklen Flecken gewusst, er hatte auf alles eine Antwort. Er war so ein unglaublich guter Geschichtenerzähler. Sobald sie an ihn dachte, vermisste Lisa ihren Opa und seine unglaublichen Einfälle sehr. Eine von seinen Erzählungen handelte von schwarzen Flecken und einem gefährlichen Nebel. Darin kamen auch Drachen und eine Schwärze vor, die zu einer unüberwindbaren Wand heranwachsen und alles verschlucken sollte. Ziemlich cool und spannend obendrein. „Aber es gibt keine Drachen!“, redete sich Lisa ein. „Es war doch nur eine Geschichte.“

Sie blickte sich um. Nein, die düsteren Punkte bildete sie sich definitiv nicht mehr ein. Mittlerweile hatte sich aus den kleinen runden Dingern ein riesengroßer schwarzer Klumpen gebildet, der sich vom Meer her Richtung Küste ausbreitete. Sie erkannte, dass auch andere Menschen darauf aufmerksam wurden. Zwei Männer, die gerade um die Wette kraulten, hielten kurz inne und starrten in den Himmel, ehe sie unbekümmert weiterschwammen. Drei Jugendliche hingegen flüchteten aus dem Wasser. Auch sie selbst musste sofort an Land! An diesen Teil von Opas Geschichte konnte sie sich genau erinnern: Drei Steine spielten darin eine wichtige Rolle und sie hatte einen davon an ihrer Kette baumeln. Wenn die Erzählung stimmen sollte (das mit dem Drachen glaubte sie nach wie vor nicht), würde der Stein ihr und der Menschheit das Leben retten können. Sie paddelte, so schnell sie konnte, Richtung Strand.

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