Best of H.P. Karr - Band 4

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Best of H.P. Karr - Band 4
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Best of H.P Karr

Band 4

Drei Kriminalstories

Table Of Contents

01 Operation Casanova

02 Pacta sunt servanda

03 Unkraut vergeht nicht

04 Bonusstory

G - Ein Hotel sucht seinen Portier

Leseprobe Anzeige Der Mord macht die Musik

Die credits

Operation Casanova…

… oder: Je bester der Freund, desto trickreicher der Plan

Möchte nicht jeder ein Casanova sein? Egal, wie bieder das Leben ist, das man führt? Es kommt nur darauf an, dass man einen guten Freund findet, der einem ein paar richtig gute Tipps und Tricks verrät … und sie einem verkauft.

Pacta sunt servanda…

…oder: Unterschrieben ist unterschrieben

So eine Erbschaft kann den finanziellen Ruin bedeuten. Als Ella Jakobsen das feststellt, ist es leider schon zu spät. Da hat sie schon beim Kredithai Behrendt dieses und jenes unterschrieben und seitdem kreist der Pleitegeier über ihr und dem schönen Häuschen. Es sei denn …

Unkraut vergeht nicht …

… oder: Gift auf Gegenseitigkeit

Die Gartenidylle in der Reihenhaussiedlung täuscht. Römer und Jacoby haben beide die bittere Erkenntnis gewonnen, dass die Liebe geht, wenn die Routine kommt. Und dass Gleichgültigkeit Gift für jede Ehe ist. Gift könnte aber auch die Ehehölle ein für alle Mal beenden. Wenn man es geschickt anstellt …

und als Bonusstory:

G - Ein Hotel sucht seinen Portier - eine Dokumentation

Es geht um einen Film. Oder um zwei. Beziehungsweise um drei. Es geht um ein Abenteuer, in das Regisseur Fritz Lang im Jahr 1934 verwickelt wird, nachdem er kurz zuvor Deutschland verlassen hat. Die Dokumente enthüllen, was »M« und »Doktor Mabuse, der Spieler« mit einem unscheinbaren Hotelportier zu tun haben. Der eine Idee für einen Film hat.

01 Operation Casanova

Er saß im Bistro des »Treffpunkts im Hallenbad« und sah aus wie jemand, der ein gutes Bier und einen guten Freund brauchen konnte. Das Bier hatte er vor sich stehen, und um den Rest konnte ich mich kümmern.

Ich riß mich von den strahlend blauen Augen der Blondine an der Ecke des Tresens los und setzte mich neben ihn. Mitte vierzig, ein paar Kilo zuviel ein paar Haare zu wenig. »Reden Sie ein bißchen mit mir!«, sagte ich.

Sein skeptischer Blick streifte erst die Blondine und dann mich.

»Sehen Sie«, sagte ich, »ich werde die Blonde gleich ansprechen. Da sieht es besser aus, wenn ich hier vorher nicht wie ein depressiver loser herumsitze, sondern wie ein netter Typ, der mit einem Kollegen was trinkt!«

Ich winkte dem Wirt. »Nochmal das gleiche für mich und noch ein Bier für meinen Freund!«

Er hieß Walter Kleinkemper, war Abteilungsleiter für Elektrokleingeräte im Baumarkt am Zunftweg, und er war gerade drüben wie alle zwei Tage seine 200 Meter geschwommen, um fit zu bleiben. Jetzt starrte er auf den Prospekt für eine Dampflok BR 50 mit Schlepptender, Spur H0, den er vor sich liegen hatte.

»Ist sie nicht wunderbar?«

»Ist sie«, sagte ich. »Ihr Hobby?«

Seine Modellbahn, erzählte Walter, im Keller seines Häuschens draußen in Spellen, war vier mal fünf Meter groß, und auf einer Hauptstrecke und zwei Nebenstrecken konnte er bis zu fünf Züge fahren lassen. Für die Steuerung hatte er mehr als einen Kilometer Kabel verlegt und knapp zweihundert Relais verbaut, alles günstig auf Mitarbeiterrabatt in seinem Baumark besorgt. Er erzählte von Fahrstraßenschaltungen, automatischer Gleisfreimeldung und seinem Halbrundlokschuppen mit Drehscheibe.

»Es ist eine eigene kleine Welt«, sagte er und seine Augen bekamen einen ganz weichen Blick, »wenn ich da unten in meinem Keller am Schaltpult sitze und alles steuere. Züge, die in die Nacht fahren, Intercitys, die über die Gleise gleiten, Güterzüge, die in den Verschiebebahnhof rollen …« Er deutete auf den Prospekt. »Limitierte Serie. Nur dreihundert Euro. Ein Schnäppchen, verstehen Sie?« Er versank wieder in tiefes Brüten. »Inge wird mir wieder eine Szene machen.«

»Ihre Frau?«

»Sie hasst die Modellbahn. Macht mir Vorwürfe, dass ich ihr Geld zum Fenster hinauswerfe.« Er schüttelte den Kopf. »Von wegen »ihr Geld«, sie hat einfach nur Glück gehabt, dass sie die Aktien vor dieser ganzen Finanzkrise im letzten Herbst verkauft hat.«

»Frauen!«, sagte ich und schaute wieder zu der Blonden hinüber. »Ich denke, ich probiere es mal!«

»Viel Glück.«

»Klar, ich weiß«, sagte ich, »ich sehe nicht aus wie Brad Pitt oder George Clooney. Aber ich hab da so meine Tricks.«

Seine Augenbrauen wanderten in die Höhe.

Ich prostete der Blonden zu. Sie nippte an ihrem Tonic drehte sich weg.

»Tricks, ja?«, meinte mein neuer Freund.

Ich holte das kleine Tuch heraus, Damast, mit eingestickten Initialen und Hohlsaumstickerei. Es lag weich in der Hand, war blitzsauber, anschmiegsam, und roch ein wenig nach Lavendel. Vom Keeper, einer niederrheinischen Frohnatur mit einem fast zweistelligen Wortschatz, ließ ich mir ein Tonic geben. Damit ging ich zu der Blonden, legte das Tuch sorgfältig auf den Tresen, stellte das Tonic darauf und lächelte Sie an. »Machen Sie mir die Freude?«

Ihre Augen blitzten, dann lächelte sie. Sie nahm den Tonic und strich mit den Fingerspitzen über das Tuch. Ein Wort gab das andere. Und nach einer Viertelstunde lachte sie und küsste mich auf die Wange.

Ich sah ihr noch nach und ging dann zurück zu meinem neuen Freund. »Sie heißt Diana, kauft hier grad irgendwelche Aluminiumteile für Ausstellungsstände und wohnt im Hotel Voerde an der Friedrichsfelder Straße. Wir sehen uns nachher.«

Sein Blick senkte sich traurig zu seiner BR 50 mit Schlepptender.

»Und ich schaffe es nicht mal, dass meine Kollegin von den Tapeten und Teppichen mittags mit mir in die Kantine geht!« Dann schaute er auf und bekam gerade noch mit, wie die Blonde ihre Fingerkuppen über das Tuch gleiten ließ und mich dabei anflirtete. Sie legte einen Zwanziger auf den Tresen und glitt vom Barhocker. Beim Hinausgehen kam sie bei mir vorbei und hauchte ein »Bis gleich!«, während ihre Hand über meinen Arm glitt.

Dann klappte die Tür hinter ihr und meinem neuen Freund fiel der Unterkiefer herunter. »Was ist das für ein Trick?«

»Es ist das Tuch«, sagte ich leise und stand auf. »Entschuldigen Sie mich … ich möchte die Lady nicht warten lassen.«

---

Es war kurz nach elf, als ich ins Hotel Voerde kam. Die Bar war noch geöffnet, die Blonde saß bei einem Tonic an der Ecke des Tresens.

Der Keeper wirkte wie der Bruder der Frohnatur aus dem Hallenbad-Bistro. Ich ließ mir einen Daiquiri geben und setzte mich neben die Blonde. Sie hatte mein Tuch vor sich liegen und fuhr mit den Fingerspitzen das eingestickte Monogramm nach.

»Faszinierend, nicht wahr?, meinte ich.

»In der Tat!«, sagte sie und trank aus. »Komm, gehen wir nach oben.«

Er saß wieder auf seinem Stammplatz, als ich am übernächsten Tag mit der Blonden ins Bistro kam. Ich nickte ihm zu. »Walter, das ist Diana«, sagte ich.

»Hallo Walter!«, sagte sie und schmiegte sich an mich.

Ich zwinkerte Walter zu und legte meine Hand auf Dianas Hüfte. Sie küsste mich auf die Wange, knabberte an meinem Ohrläppchen und sagte gerade so laut, dass Walter es noch mitbekam: »Ich kann gar nicht genug von dir kriegen. Zu blöd, dass ich noch diesen Geschäftstermin habe. Bis nachher …«

Sie stöckelte auf ihren High Heels hinaus und Walters Augen wurden zu kleinen Schlitzen, so intensiv starrte er ihr nach.

Ich bestellte mir einen Daiquiri.

»Wie zum Teufel …« Walter sah mich mit seinem Hundewelpenblick an.

Ich zog das Tuch heraus und legte es auf den Tresen.

»Es ist ein Casanova-Tuch«, sagte ich. »Casanova sagt Ihnen sicher was. Philosoph und Frauenheld, 1725 bis 1798. Dieses Tuch stammt aus seinem Nachlass. Vor ein paar Jahren sind zwei davon in einem Archiv aufgetaucht. Er hatte diese Schweißtücher dabei, immer wenn er … Sie wissen schon. »

Endlich war sein Interesse für mich größer als für alle Schlepptender-Loks oder Fahrstraßenschaltungen dieser Welt.

»Das faszinierende ist«, sagte ich, »dass die aphrodisierende Wirkung sich weder durch Waschen noch durch lange Lagerung verflüchtigt. Ganz und gar nicht. Wie Sie gesehen haben.«

»Und woher …«

»Lange Geschichte«, sagte ich. »Sehen Sie, mein Schwager hat vor ein paar Jahren seine Dissertation über den alten Aufreißer geschrieben und ich hab für ihn in den Archiven hier in der Gegend rumgegraben, weil Casanova 1764 für ein paar Wochen in Wesel war, um sich von einem Arzt kurieren zu lassen, weil er sich vorher in London … also … etwas angefangen hatte.«

Er sah mich skeptisch an. Ich zog das abgegriffene Buch aus meiner Jackentasche. »Seine Memoiren, hier können Sie's lesen: »Der junge Arzt, der die verkörperte Sanftmut war, lud mich ein, bei ihm zu wohnen. Er versprach mir, seine Mutter und seine Schwestern würden mich so sorgfältig pflegen, wie ich es nur wünschen könnte. Von einer Preisvereinbarung wollte der Doktor nichts wissen. Er sagte mir, ich könnte ihm bei meiner Abreise geben, soviel ich wollte, und er würde damit sehr zufrieden sein. Ich schämte mich so sehr, dass ich mein Taschentuch vors Gesicht hielt, um dieses nicht der Mutter und den Schwestern des jungen Doktors zu zeigen.««

 

Mein Freund nahm das Buch und sah auf die Titelseite. »In Wesel«, murmelte er. »Unglaublich.«

Ich sagte: »Jedenfalls habe ich im Stadtarchiv von Wesel, irgendwo ganz hinten, doch tatsächlich eine Kiste mit seinen Sachen gefunden, die er damals bei dem Doktor gelassen hatte, weil er mit leichtem Gepäck weiterreisen wollte, nach Braunschweig. Alles alter Kram, und dazwischen die Tücher. Zwei Stück.« Ich grinste. »Und was soll ich Ihnen sagen - kaum hatte diese süße kleine Archivarin, die mir beim Kramen geholfen hat, so ein Tuch in der Hand …« Ich lächelte ein schmutziges Lächeln. »Wir sind die ganze Nacht nicht mehr aus dem Archiv rausgekommen.«

Mein Freund verschluckte sich fast an seinem Bier.

»Sagen Sie mal …«, meinte er dann, »also ich meine, Sie haben eben gesagt, dass da zwei von den Tüchern …«

Man sah förmlich, wie seine Hormone Amok liefen.

»Ja«, sagte ich. »Zwei Tücher.«

Ich faltete das Tuch auseinander und fuhr mit den Fingerspitzen über das eingestickte Monogramm, ein verschnörkeltes G und ein darin verschlungenes C. Er leckte sich die Lippen. »Und … also mal angenommen … wie viel …«

Ich lächelte. »Bestimmt mehr, als Sie sich jemals von dem Taschengeld absparen können, das Ihre Inge Ihnen gibt.«

»Ich habe Geld!«, beteuerte er. »Also ich meine, wir haben …« Er versank in dumpfes Brüten. Dann straffte er sich auf einmal. »Also eigentlich ist es mein Geld. Ich habs von meinem Vater, aber sie hat nach der Erbschaft einfach gemeint, dass es besser ist, wenn sie sich darum kümmert. Sie hat …«

»… einfach Ihr Leben in ihre Hand genommen!«, sagte ich. »Und seien Sie ehrlich, Walter: Solange das so ist, brauchen Sie dieses Tuch vom alten Casanova gar nicht. Und die Kollegin von den Tapeten und Teppichen werden Sie auch nie rumkriegen. Sie haben ja Ihre Inge.«

»Ich habe das Geld!«, sagte er trotzig.

»Und ich habe noch eins von diesen Tüchern!«

Er sah mich an. »Wieviel?«

Ich musterte ihn lange. »20000.«

Er schluckte.

Ich faltete das Tuch wieder zusammen und steckte es ein.

»Zahlen!«, sagte ich zum Keeper.

»Nein-nein, Moment«, stieß er hervor.

Ich schrieb ihm meine Handynummer auf einen Bierdeckel. »Rufen Sie mich an, wenn Sie bereit sind, Ihr Leben wieder in die eigene Hand zu nehmen!«

Als ich drei Tage später wieder ins Bistro am Hallenbad kam, war mein Freund Walter nicht da. Statt dessen winkte mich ein smarter Lederjackentyp zu sich. Der Barkeeper drückte sich in der hintersten Ecke herum und erweiterte seinen Wortschatz mit dem neuen Batman-Comic.

»Walter Kleinkemper«, sagte der Lederjackentyp, der Steinbrecher hieß und Hauptkommissar bei der Kripo Wesel war. Das hatte er mir schon gesagt, als er mich auf dem Handy angerufen und herbestellt hatte, um »einige Dinge zu klären«, wie er es ausgedrückte.

Steinbrecher trank Rotwein, aber so wie er ihn kippte, hätte es auch Leitungswasser sein können. Er sagte: »Sie haben sich also ein paarmal hier mit Walter unterhalten?«

Der Barkeeper bewegte lautlos die Lippen bei der Lektüre des Comics.

»Unterhalten wäre zuviel gesagt«, meinte ich. »Nur das, was man halt so am Tresen so redet.«

»Und das wäre?

»Autos, Fussball.«

»Frauen?«

»Auch das.«

Er sah mich an. »Und, wie war das? Mit Walter und den Frauen?«

Ich hob die Schultern. »Was soll ich sagen? Er ist verheiratet.«

»War. War verheiratet. Steinbrecher lächelte knapp. »Walter Kleinkemper ist tot.«

Das war nicht gut. Ich sagte: »Oh?«

»Eigentlich ist das alles reine Routine und wir hätten die Sache als Unfall abgelegt, wenn da nicht die Geschichte mit dem Geld gewesen wäre.«

Ich hob eine Augenbraue.

»Sehen Sie«, sagte Steinbrecher, »da lebt unser Walter Kleinkemper, Abteilungsleiter für Kleinelektro beim Baumarkt, Jahr für Jahr an der Seite seiner Frau in seinem Häuschen in Spellen vor sich hin und spart sich jeden Wagen und jede Lokomotive für seine Modelleisenbahn von seinem Taschengeld zusammen - bis er plötzlich vorgestern 20000 Euro von der Bank abhebt. In bar.«

Walter hatte also genau das getan, was ich ihm gesagt hatte. Aber das ging Steinbrecher nichts an.

»Nun ist es so, dass bis dahin immer seine Frau die Geldgeschäfte erledigt hat«, meinte der Kommissar. »Dazu kommt, dass die Kassiererin bei der Volksbank in Spellen jede Woche mit Inge Kleinkemper beim TC Blau-Weiß Tennis spielt. Ihr kommt das also komisch vor mit dem Geld, und deshalb ruft sie ihre Freundin Inge an und fragt sie, ob das in Ordnung ginge, dass ihr Gatte da auf einmal das ganze Tagesgeld abräumt. Und am gleichen Abend haben die Kollegen vom Revierdienst einen Einsatz wegen HG am Zimmermannsweg. Sie wissen, was HG ist?

»Häusliche Gewalt?«

»Genau. Und was meinen Sie, finden die Kollegen im Zimmermannsweg? Walter Kleinkemper, unten an der Kellertreppe, vor der Tür zu seiner Modelleisenbahn, mit einem Platzwunde am der Stirn, einem frischen Veilchen und einem gebrochenen Genick. Und oben an der Kellertreppe eine vollkommen aufgelöste Inge Kleinkemper, die Stein und Bein schwört, dass ihr Gatte eben von ganz allein die Treppe runtergefallen ist.« Steinbrecher wartete einen Moment, aber als ich nichts sagte, fuhr er fort: »Na und wo die Kollegen schon mal da waren, rufen sie uns vom Kriminaldauerdienst aus Wesel, damit wir auch was zu tun kriegen, so mitten in der Nacht. Inge Kleinkemper sagt, dass das kein Streit gewesen ist, wegen dem die Nachbarn die Polizei gerufen haben, und dass Walters Veilchen daher kommt, dass er sich kurz vorher am Hängeschrank in der Küche gestoßen hat und dass er dann wohl auf der Kellertreppe das Gleichgewicht verloren haben muss, als er runterging, um seine neue Lok auf seiner Modellbahn fahren zu lassen.

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