Hundstage oder Donnas Traum vom roten Sofa

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Hundstage oder Donnas Traum vom roten Sofa
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Hundstage oder: Donnas Traum vom roten Sofa

Holger Hustemeier

© 2012 Holger Hustemeier

published at epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-1623-3

Inhaltsverzeichnis:

1. Ausflug

2. Revierverhalten

3. Tortellinis in Käse-Sahne-Sauce

4. Fliegen müsste man können

5. Hunde, die bellen, beißen nicht

6. Rauscherfahrungen

7. Lebensretter

8. Abschied im Regen

9. Wiederkehr im Sonnenschein

10. Die letzte Haltestelle

11. Träum weiter, Hundedame

12. Andere Länder, andere Sitten

13. Grün ist auch in Ordnung

1. Ausflug

Irgendwie war das kein gewöhnlicher Ausflug. Nicht so wie sonst. Ich saß auf dem Sitz in dieser rostigen Kiste neben ihm. Normalerweise fuhren wir nur selten damit. Es war ziemlich heiß heute, heißer als gewöhnlich. Spanien ist sowieso ein heißes Land, aber ich bin hier geboren, ich kannte es nicht anders. Sogar im Winter war es nicht richtig kalt hier. Aber ich mochte es, faul in der Sonne zu liegen und mir von den Strahlen den Pelz kitzeln zu lassen. Da könnte ich stundenlang liegen und schlafen. Wenn es so heiß war, hatte ich eh keine Lust aufzustehen, da musste schon was Besseres kommen als so ne rostige Kiste.

Naja, auf jeden Fall fuhren wir in dieser großen Kiste - nicht lange, vielleicht zwanzig Minuten - an der Küste entlang. So wie es hier roch, war ich hier wohl noch nicht gewesen. Kurze Zeit später hielten wir an und ich stieg aus. Ich sprang natürlich gleich herum, die Nase auf dem Boden, denn immer, wenn ich irgendwo war, wo ich vorher noch nie war, wurde ich ziemlich neugierig. Eine Million alte und neue Gerüche lagen mir in der Nase. Ich ging am Randstein entlang, irgendeiner Witterung hinterher. Es roch irgendwie nach Käse, oder nach Fisch. Ja, irgend so eine Mischung aus beidem. Ich hatte schon öfter Fisch gegessen, aber viel lieber mag ich Käse. Ich finde, Käse kann nie zu alt sein, je älter und stinkender, desto besser. Immer der Nase nach, musste ich auf die ganzen Leute aufpassen, die mir entgegenkamen, damit ich von niemandem überrannt wurde. Aber wenn ich hingucken würde, wo ich hin lief, dann konnte ich meine Nase nicht auf dem Boden lassen und riskierte somit, die leckere Käsespur zu verlieren. Wenige Meter weiter fand ich dann den Ursprung: Ein Mülleimer am Straßenrand enthielt allerlei Köstlichkeiten, nur leider war der Eimer zu hoch für mich. Ich stellte mich auf meine Hinterbeine, um reinzuschauen. Ich freute mich tierisch und immer wenn ich mich freue, wackelt mein Schwanz. Ich weiß auch nicht wieso, ich finde es auch nicht grade gut, denn immer wenn ich mit dem Schwanz wackel, haut er irgendwo gegen, und das tut ganz schön weh. Aber das macht der von ganz alleine, ich habe keine Chance, das zu steuern. Sei es so, ich war trotz dass ich auf den Hinterbeinen stand, was mich im übrigen sehr groß und mächtig erscheinen lässt, nicht in der Lage zu sehen, was genau in dem Eimer drin war.

»Riecht nicht übel, wa, Kurze«.

Ich drehte mich um und sah eine ziemlich fette Dogge hinter mir stehen.

»Was heißt hier Kurze? Du kommst sicher auch nicht in die Tonne«, sagte ich zu ihm. Er tänzelte irgendwie um mich herum und musterte mich von Kopf bis zu den Pfoten. Sein Fell war struppig und er hatte ne Menge Falten im Gesicht. Ich versuchte ihn anzuschauen, aber weil ich immer noch mit den Vorderpfoten an dem Mülleimer lehnte, meinen Kopf aber nach dem Dötschgesicht ausstreckte, überdrehte ich mich und viel voll auf die Nase.

»Hahaha…« lachte das Dötschgesicht und als er an meinem Hinterteil angekommen war, steckte er seine Nase genau dahin, was ich „fremde Angelegenheiten“ nennen würde. Ich drehte mich zurück auf den Bauch und knurrte ihn leise an.

»Soso Schätzchen. Mach dich locker. Wollte nur mal sehen, ob wir uns kennen«.

»Ich glaube nicht«, sagte ich, »und das ist glaub ich auch ganz gut so«.

»Du siehst nicht so aus, als hättest du Hunger«, meinte das Dötschgesicht beiläufig.

»Willst du sagen, dass ich fett bin? Unerhört. Guck dich doch mal an. Ne Schönheit bist du auch nicht gerade…« Ich streckte meine Nase in die Luft und tat so, als würde ich etwas riechen. Da hob die Dogge ihr hinteres Bein und pisste an den Mülleimerpfahl.

»Sach mal, kannst du nicht aufpassen? Das spritzt doch wie Sau«. Ich machte einen Satz nach hinten und plötzlich streifte mich etwas ganz leicht am Rücken und machte unheimlichen Lärm. Ich sprang sofort wieder auf den Gehweg, als eine metallene, große Kiste hupend an mir vorbei donnerte und immer noch laute Töne von sich gab. Ich landete genau in Dötschgesichts Urinlache.

»Verdammt. Igitt…«.

Als hätte er die Ruhe weg, latschte er immer noch um mich herum und musterte mich. Ein Wunder dass er durch diese Augen etwas sah, denn sie waren von den ganzen Falten fast gänzlich verdeckt gewesen. So viel überschüssige Haut, davon könnte man nem Dackel ne ganze Garnitur Winterklamotten schneidern.

»Was machst du hier?« fragte er mich. Ich fing wieder mit meinem Schwanz an zu wedeln, weil ich mich wieder tierisch zu freuen anfing, weil ich ja vor lauter Käse, Fisch und Mülltonnen den Ausflug ganz vergessen hatte.

»Wir machen nen Ausflug. Ist doch klasse…«, sagte ich und hörte nicht auf zu wedeln.

»Wir…?« fragte er. »Du und dein Schwanz?« Und wieder fing er an zu lachen.

»Nein. Ich und mein Herrchen«, sagte ich und sah mich nach ihm um. Aber irgendwie sah ich ihn nicht mehr, und auch die rostige, laute Kiste konnte ich nicht mehr sehen. Ich drehte mich um und spitzte die Ohren. Vielleicht hörte ich ein Pfeifen, denn immer, wenn er wollte, dass ich kam, hatte er gepfiffen. Natürlich hatte ich das ganz schnell begriffen, nur gekommen bin ich trotzdem nicht immer gleich. Aber böse war er mir deshalb nie.

»Sieht schlecht aus, wa, Kurze? Es scheint als hätte dein Herrchen keine Lust mehr auf dich. Mach dir nichts draus, die ganze Stadt ist voll von solchen wie dir«.

»Ach was. Er ist sicher nur irgendwo um die Ecke, die große Kiste unterstellen. Er kommt bestimmt gleich, ich muss nur hier warten«.

»Wie du meinst«, sagte die Dogge. »Ich mach dann mal los. Wenn du dein Herrchen doch nicht finden solltest, kannst du ruhig runter zum Strand kommen. Vorausgesetzt ich darf noch mal an deinem Hinterteil schnüffeln«.

Mit diesen Worten trabte Dötschgesicht Richtung Promenade. Furchtbar, diese Rüden. Denken nur an das Eine.

Ich saß ziemlich lange an dieser blöden Mülltonne und wartete auf mein Herrchen. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr zu warten und hing meinen Riechkolben wieder in den Bordstein und schnupperte mir meinen Weg zurück. Ich konnte genau die Spur verfolgen, wo ich lang gegangen war aber irgendwann hörte diese Spur auf. Nur weder die große Kiste noch der Spanier, der mal mein Herrchen war, wartete hier auf mich. Was war passiert? Wo war er geblieben? Würde ich noch mal nach Hause kommen?

Ich stand dort, wo die große Kiste gestanden hatte und wartete. Es konnte nicht sein, er würde sicher gleich wiederkommen, da war ich mir sicher.

Nach einer Stunde setzte ich mich hin, die Ohren gespitzt, die Augen überall. Nach zwei weiteren Stunden musste ich mich hinlegen, weil mit die Pfoten wehtaten, und irgendwann wurde es dunkel. Es liefen kaum noch Menschen über die Straßen und auch von den großen Kisten fuhren immer weniger herum. Ich fing an zu weinen. Ich lag mutterseelenallein auf dem Bürgersteig und fiepte wie ein frischer Welpe. Dumpfer Lärm von den umliegenden Straßencafés drang in meine Ohren und von weiter her hörte ich leise die Wellen des Meeres. Und irgendwann schlief ich ein.

Es war immer noch dunkel als ich aufwachte und nun waren nur noch ganz vereinzelt Menschen unterwegs. Wie lange hatte ich hier gelegen? Sollte ich noch weiter warten? Vielleicht war das ein Test von meinem Herrchen. Oder vielleicht war es eine Strafe, weil ich nicht immer gehört hatte.

Mir knurrte der Bauch. Ich hob mein Hinterteil an, ließ die Vorderpfoten jedoch auf dem warmen Asphalt liegen und streckte mich. Dann stand ich auf und lief zurück zu der Mülltonne. Ich stellte mich wieder auf die Hinterbeine und steckte meine Nase in den Eimer, naja, zumindest versuchte ich es. Aber keine Chance. Ich war einfach zu klein, und durch den Schlitz zwischen Eimer und Abdeckung hätte ich sowieso nicht gepasst. Ich musste mir etwas anderes suchen. Aber eigentlich war ich ja nicht am verhungern. Ich war es halt gewohnt, jeden Abend mein Fressen zu bekommen. Wenn ich mal nichts essen würde, wäre das kein Beinbruch. Außerdem war es gut für meine Figur. Auch wenn es mich nicht interessierte, ob Dötschgesicht oder irgendein anderer Köter mich für zu dick hielten. Außerdem hatte ich vor einigen Wochen sechs Welpen geworfen. Meine süßen Kleinen. Mittlerweile brauchten sie mich zwar nicht mehr so wie am Anfang, denn sie fraßen jetzt das selbe Futter, was man mir abends hinstellte. Oder besser: hingestellt hatte.

Ich schlenderte die Straße entlang, in irgendeine Richtung. Ich hatte keine Ahnung, wo ich jetzt hingehen sollte, aber irgendwo musste ich mir was zum Schlafen suchen. Ich lief eine Weile, rechts von mir gingen ab und an Treppen hinunter zum Strand. Links, auf der anderen Straßenseite, standen Häuser, in den meisten von ihnen waren im unteren Teil Geschäfte, die ihre Waren hinter durchsichtigen Glaswänden anpriesen. Aber hinter diesen Glaswänden war es dunkel, genau wie am Strand. Nur ich lief vom Licht der einen Straßenlaterne ins Licht der Nächsten, ein Glück, denn sonst hätte ich nicht die Scherben gesehen, in die ich beinahe reingelaufen wäre. Ich war schon mal in eine Scherbe gelaufen, das hat vielleicht wehgetan. Mein Herrchen hatte sie zwar rausgemacht, aber meine Pfote war ne ganze Weile geschwollen und richtig laufen konnte ich dann auch nicht mehr.

 

Mein Herrchen hatte eigentlich immer auf mich aufgepasst, ich war schon, seit ich geboren bin, bei ihm. Ich hatte meine eigene Hütte und bekam jeden Tag mein Futter. Gut, meistens war ich an einem Pfahl angeleint, der neben der Hütte stand, aber das waren alle Hunde, die ich aus der Nachbarschaft kannte. Viele hatten es sogar schlechter als ich, denn ich wurde kaum bestraft, wenn ich mal nicht auf das hörte, was man mir sagte. Der schwarze Terrier von nebenan zum Beispiel wurde von seinem Herrchen oft geschlagen und getreten, das hab ich zwar nicht immer gesehen, aber ich hab ihn oft jaulen hören. Wir haben uns nachts oft noch unterhalten, aber je mehr Zeit verging und je mehr Schläge er kassierte, desto schlechter wurde unser Verhältnis. Irgendwann erzählte er nichts mehr, er knurrte und bellte mich sogar an, wenn wir uns sahen. Ich hab das nicht ganz verstanden, warum er nicht einfach tat, was sein Herrchen ihm sagte, aber er meinte, er wusste oft gar nicht, was er hätte tun sollen. Das konnte ich natürlich gut nachvollziehen, auch ich hatte nur selten eine Ahnung, was genau von mit erwartet wurde. Das Pfeifen blieb mir allerdings im Gedächtnis, denn auch ich habe mir bisweilen zwei, drei Tritte eingefangen. Und um dem vorzubeugen, ging ich bei jedem Pfiff zu meinem Herrchen. Manchmal war das richtig und manchmal eben nicht. Und weil ich es nicht recht wusste, ging ich manchmal schneller und manchmal etwas langsamer. Jedenfalls wurde der schwarze Terrier von nebenan irgendwann so böse zu allem und jedem, ich glaube, er war einfach nur verwirrt und verzweifelt. Und eines Tages biss er sein Herrchen in die Hand, als dieser gerade zum Schlag ausholen wollte. Aber sein Herrchen darf man doch trotzdem nicht beißen. Wer bringt einem denn sonst das Futter? Ich hatte alles mit angesehen. Der schwarze Terrier wurde mit Tritten von schweren, italienischen Designerschuhen bombardiert, er erwischte sie zwar auch ein paar Mal, das brachte ihm jedoch nichts. Ein Tritt gegen den Kopf brachte ihn zu Fall, aber der Mensch hörte nicht auf. Ich hörte das laute Jaulen meines Nachbarn, angeleint an einen in den Boden geschlagenen Holzpfahl, er hatte keine Chance, wegzulaufen. Er wehrte sich bald nicht mehr gegen die Tritte sondern ließ es einfach zu. Ich hörte, wie sein Schädel brach. Das Herrchen müsste es auch gehört haben, denn es war ziemlich laut. Da der schwarze Terrier nun nicht mehr jaulte und sich nicht rührte, hörte der Mensch irgendwann auf. Er war ziemlich verschwitzt und er hatte so einen Blick in den Augen, den ich vorher noch nicht gesehen hatte. Er löste das Halsband von dem toten Terrier, wuchtete ihn hoch und schmiss ihn in seine Restmülltonne. Der Hund war etwas zu groß und deswegen ging der Deckel nicht richtig zu. Zwei Tage später hatte der Mann einen neuen Hund, er trug das gleiche Halsband wie sein Vorgänger. Es war ein kleiner Podenco, genau wie ich einer war, aber ich vermied jedes Gespräch mit ihm.

Kurz bevor ich eine Brücke erreichte, lief ich rechts eine Treppe hinunter zum Strand. Denn unter Brücken ist es schattig und dort konnte man schlafen. Ich lief ganz zum Ende und kauerte in der hintersten Ecke, so dass ich von Brücke und Boden ganz umschlossen war. Wenn ich mich ruhig verhielt, würde mich niemand entdecken. Ich sah mich noch mal genau um, bevor ich mich hinlegte. Dann schloss ich die Augen und schlief ein, zum zweiten Mal in dieser Nacht.

2. Revierverhalten

Ich wachte von meinem eigenen Knurren auf, denn irgendetwas Kaltes versuchte, in meinen Arsch zu kriechen. Dann knurrte ich automatisch, denn Absicht war das keine, zumindest nicht in diesem Moment. Als ich die Augen öffnete und mich umdrehte, sah ich zwei verlauste Hunde, von denen der eine seine kalte Schnauze an mein Hinterteil presste und mir das Geschlechtsteil leckte. Ich versuchte aufzustehen, konnte es aber nicht, da ich in der hintersten Ecke lag und über mir die Brücke anfing. Deswegen bellte ich ein paar Mal.

»Hey, hey, schon gut. Wollte nur mal wissen, ob wir uns kennen«.

»Scheint ein Standartspruch zu sein. Kommt echt nicht an, Jungs, lasst euch mal was Besseres einfallen«.

Ich kroch aus meinem Schlupfwinkel und reckte mich zweimal. Irgendwie war ich ganz steif von dieser Nacht. Doch der Schnüffler ließ weiterhin nicht von mir ab.

»Ich beiß dir gleich in die Nase, Freundchen, wenn du deine Zunge nicht in deinem Hals lässt«, drohte ich. Aber irgendwie ließ er sich von einer kleinen Podenco-Dame wie mir nicht beeindrucken. Kein Wunder, denn er war mindestens zwei Köpfe größer als ich. Da er aber jünger war, das konnte ich sehen, forderte ich mein Recht als Ältester in dieser Runde ein und schnappte nach ihm. Er wich zurück, versuchte aber wieder, mir den Arsch zu lecken. Ich machte einen Satz seitwärts und kläffte ihn an, das ganze Spiel ging dann noch ein paar Mal, bis auch er verstanden hatte, dass ich für so was nicht zu haben war.

»Hausköter. Alles frigide Tussis«, sagte er beleidigt.

»Du kannst mich mal. Leck deinem Kumpel doch die Eier, wenn du´s so nötig hast«.

»Was suchst du hier?« fragte er. »Das ist unser Revier, du kannst hier nicht so einfach rumlaufen und schlafen wie es dir gefällt«.

Ich lief an den Rand der Brücke, hob mein Bein und setzte meine Markierung daran. Hündinnen heben normalerweise nicht ihr Bein beim urinieren, aber ich hatte mir das abgeguckt von einem Rüden in unserer Straße und ich muss schon sagen, es sah einfach besser aus. Hatte irgendwie… mehr Stil.

»So, nun ist es auch mein Revier«, sagte ich und sah ihm direkt in die Augen.

»So einfach ist das aber nicht, mein junges Fräulein«.

»Ich bin nicht dein Fräulein. Und jung schon gar nicht. Ich bin drei Jahre alt und so wie du dich benimmst, bist du nicht älter als eineinhalb«.

»Zweieinhalb. Fast«, sagte er. »Also, sag schon. Was willst du hier?«

»Ich will gar nichts«, sagte ich und ging langsam in Richtung Treppe, die zur Straße führte. Ich hatte nämlich keine Lust auf Streit mit diesen Kötern. »Ich brauchte bloß einen Platz zum Schlafen«. Der Schlecker lief mir nach und der andere, der noch kein Wort sagte, trottete hinterher.

»Das ist Rillos Revier und wenn du dich hier aufhältst, musst du ihn erst fragen«.

»Jaja, schon gut. Ich geh ja schon«.

Ich stieg die Treppe hoch zur Straße und lief über die Brücke, unter der ich die Nacht verbracht hatte, und die zwei Rüden hinter mir her.

»Lauf mir doch nicht nach, Mann«, sagte ich.

»Bleib doch mal stehen, Süße. Ich will doch bloß mal an dir schnuppern«.

»Musst du da nicht erst Rillo fragen?« fragte ich ihn, schaute jedoch nicht zurück.

»Ich muss niemanden fragen und schon gar nicht dich, Haushund«.

»Hau ab, Junge, ich hab echt keinen Nerv für so´n Mist, klar?« Ich war sauer, schließlich musste ich mir noch Gedanken darüber machen, wo ich hingehen sollte, wie es weitergehen würde.

»So nicht, Fräulein«, rief der Schlecker und machte einen Satz. Er landete auf meinem Hinterteil und ich merkte, wie er versuchte, seine Lustwumme mir sonst wo reinzuschieben. Ich drehte mich, so dass er von mir abließ und bellte ihn abermals an. Diesmal ließ ihn das jedoch völlig kalt, er verpasste mir einen Satz mit seiner Pfote, bellte, kläffte und knurrte. Er machte erneut einen Satz und versuchte mich zu beißen. Ein richtiges Gerangel ging los, er auf mir, dann wieder ich auf ihm, jedoch schaffte es keiner, den anderen ernsthaft zu verletzen. Es war kein richtiger Kampf, sondern einer dieser ständigen Machtprüfungen, die vor allem die Rüden irgendwie nötig zu haben schienen.

Jetzt mischte sich auch der andere ein, jedoch versuchte er, den Streit zu schlichten. Irgendetwas sagte er auch und er sah dabei ziemlich aufgeregt aus und bevor ich versuchte, zu hören was er zu sagen hatte, quietschte neben uns ein Reifen von einer dieser lauten Kisten. Es war eine ziemlich große Kiste und ich sah auf den ersten Blick, dass es nicht die Kiste von meinem Herrchen war. Aus den Augenwinkeln sah ich jemanden auf uns zukommen, und zwar ziemlich schnell, aber der Schlecker versuchte immer noch mir klarzumachen, dass er und sein Teil einfach die Größten wären. Plötzlich ließ er von mir ab, aber nicht freiwillig. Eine blaue Schnur, die nun um seinen Hals lag, zerrte ihn von mir weg. Und auch vor meinen Augen wedelte eine Schlinge, die versuchte mich am Hals zu packen. Ich schlüpfte gerade noch heraus und rollte mich seitwärts ab, um ihr zu entgehen und checkte erstmal die Lage, was jedoch sehr schnell gehen musste. Ich sah zwei Menschen mit langen Stöcken, an deren Enden die Schlingen befestigt waren. Der eine hatte damit zu tun, den Schlecker festzuhalten, der andere versuchte immer noch, seine Schlinge in meine Richtung zu lenken. Plötzlich erschien über mir der Kollege vom Schlecker, der einen Satz auf meinen Verfolger ausführte. Er landete in Höhe der Brust und stieß ihn um, so dass er seinen Stock mit der Schlinge fallen ließ. Noch voller Adrenalin vom Kampf mit dem aufsässigen Schlecker tat ich es ihm gleich, rannte auf den anderen Menschen zu und sprang hoch. Ich bin ein ziemlich kleiner Hund, ich reiche den Menschen vielleicht bis zum Knie, aber das spielte in dem Moment keine Rolle. Da mir mitten im Sprung klar wurde, dass mein Gewicht wohl kaum ausreichen würde, um den Menschen umzuwerfen, beschloss ich ganz spontan, ihn in die Hand zu beißen, mit der er versuchte, mich abzuwehren. Ich traf mitten ins Schwarze und hing an ihm, wie Schleckers Zunge an meinem Hintern. Er ließ seine Stange los, so dass Schlecker sich befreien konnte. Der Mensch schlug mit seiner freien Hand auf mich ein und ich musste ihn loslassen. Schlecker bellte und stellte sich zwischen mich und dem Menschen.

»Komm, wir hauen ab, los, steh auf«, sagte er. Schlecker und sein Kollege rannten los und diesmal war ich diejenige, die hinter ihnen herlief. Tja, so schnell kann´s gehen.

Wir rannten die Brücke entlang zurück zur Treppe, die zum Strand führte. Die beiden schienen sich auszukennen, denn sie rannten unter der Brücke durch in Richtung eines verwachsenen Hanges, ungefähr vier Meter hoch. Unter dem Gestrüpp durch, noch ein paar Meter weiter, waren Löcher in einer Steinwand, nicht geschlagen, sondern vom Laufe der Zeit und Witterung entstandene Kuhlen, teilweise so groß, dass ein Mensch liegend darin Platz gefunden hätte.

Wir hielten an und lugten durch die Büsche, sahen aber keinen der Menschen mehr hinter uns herlaufen.

»Hier sind wir sicher«, sagte Schlecker und jetzt sah ich, dass er dem Namen, den ich ihm gegeben hatte, alle Ehre machte. Seine Zunge hing vor Erschöpfung aus seinem Maul und die war nun wirklich sehr lang. Zwei Mäuse könnten darauf sitzen und hätten immer noch Platz um Canasta zu spielen. Auch der Kollege lag auf dem kalten Asphaltstein und schnaufte. Ich versuchte die ganze Zeit herauszufinden, welcher Rasse die beiden angehörten, aber ich hatte keinen blassen Schimmer. Bei manchen Mischlingen konnte man oft noch die Eltern zumindest teilweise erkennen, aber bei denen sah ich gar nichts. Mir sah man den Podenco an. Aber ich war etwas kleiner als die anderen Podencos, also hatte ich wohl noch irgendwelche anderen Gene in mir. Aber ehrlich gesagt hätte ich genauso gut die Tochter eines Podenco und einer Fledermaus sein können, mit meinen riesigen Ohren

»Hey, junges Fräulein«. Schleckers Lappen hing immer noch bis auf den Boden herunter. Er hechelte. »Danke«.

Also waren doch noch ein paar Manieren in dem leckenden Rüden versteckt.

»Kein Thema«, sagte ich, »dafür lässt du deine Zunge aber bei dir«.

»Das muss ich mir erst noch überlegen«, sagte er und grinste blöd.

»Und ich danke dir… Ähm, wie heißt´n du eigentlich?« fragte ich Schleckers Kollegen.

»Timmy«, sagte er und grinste ebenfalls. »Kein Problem. Für so bezaubernde Damen tue ich einiges«.

»Schleimer«, raunte Schlecker ihn an, legte sich auf die Seite und streckte alle Viere von sich. »Ich heiße übrigens Tasso«, sagte er.

»Mir egal. Für mich bist du Schlecker. Mit so ´nem Lappen im Gesicht und diesem starken Drang anderer Hunde Ärsche zu lecken, kannst du nur Schlecker heißen«, entgegnete ich.

»Ärsche? Gutes Fräulein, ich war niemals hinter deinem Arsch her«. Er grinste noch breiter als vorher und streckte seine Pfoten genüsslich der Sonne entgegen.

»Ich heiße Donna«, sagte ich. Mein Herrchen hatte mich so gerufen.

 

»Sehr erfreut«, sagte Timmy. Irgendwie war er süß.

Sie haben die kostenlose Leseprobe beendet. Möchten Sie mehr lesen?