Tristan und Isolde

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Und als er auf den Werder kam,

Des Schiffleins Kette gleich er nahm

Und band es fest an den Strand.

Dann schwang er sich zu Ross gewandt,

Und nahm in seine Hand den Sper;

Über den Werder hin und her

Sah man ihn schön punieren

Und reichlich loisieren;

Er warf die Puneiße

In dem ernstlichen Kreiße

So leicht und lustig an das Ziel,

Als gält es hier nur Scherz und Spiel.

Als Tristan auch zu Schiffe kam

Und das Seine zu sich nahm,

Seinen Sper und auch sein Ross,

Vorn stand er eh das Schifflein floß.

»Herr«, sprach er, »König Mark,

Seid mir nun nicht allzu stark

Besorgt um Leib und Leben:

Gott seis anheim gegeben.

Unsre Angst mag hier nicht frommen.

Es mag zu beßerm Ende kommen,

Als man wähnt, mir wird zu Theil.

Unser Sieg und unser Heil

Hängt nicht ab von Ritterschaft;

Sie steht bei Gottes Macht und Kraft.

So laßt denn alle Sorgen sein,

Denn ich mag gar wohl gedeihn.

Ich fahre guter Dinge

Zu diesem Streitberinge.

Seid fröhlich und gehabt euch wohl

Es ergeht doch was ergehen soll.

Doch wie mir auch gelinge,

Zu welchem End ichs bringe,

So befehlet Ihr doch heute

Euer Land und eure Leute

Dem, welchem ich vertraue:

Gott, der zu dieser Aue

Mit mir geht zum Gefechte,

Der bringe Recht zu Rechte.

Gott muß wahrlich mit mir siegen

Oder sieglos erliegen:

Der muß es walten, muß es pflegen.«

So bot er ihnen seinen Segen;

Sein Schifflein stieß er von dem Ort

Und fuhr in Gottes Namen fort.

Da ward sein Leib und sein Leben

Von manchem Munde Gott ergeben;

Ihm ward von mancher edeln Hand

Manch süßer Segen nachgesandt.

Und als er ans Gestade stieß,

Der Held sein Schifflein fließen ließ

Und schwang sich auf sein Ross gewandt.

Gleich ritt auch Morold an den Strand.

»Was soll das heißen, thu mir kund«,

Sprach Morold, »und aus welchem Grund

Hast du das Schifflein laßen gehn?«

Er sprach: »Das ist darum geschehn:

Hier ist ein Schiff und sind zwei Mann,

Und ist kein Zweifel auch daran,

Bleiben wir nicht beide hier,

Daß Einer doch, Ich oder Ihr,

Auf diesem Werder bald erliegt:

So hat der Andre dann, der siegt,

Wohl an dem einen Schiff genug,

Das dich zu diesem Werder trug.«

Morold sprach: »Ich höre wohl,

Daß es dabei verbleiben soll,

Der Kampf müße vor sich gehn.

Gedächtest du noch abzustehn

Und schieden wir in Minnen

Mit dem Geding von hinnen,

Daß der Zins von beiden Landen

Mir bliebe zugestanden,

Das deuchte mich dein Glück zu sein;

Denn fürwahr, es schafft mir Pein,

Wenn ich dich erschlagen soll.

Mir gefiel kein Ritter noch so wohl,

Den meine Augen je ersahn.«

Da sprach der kühne Tristan:

»Wir mögen nicht zur Sühne kommen,

Der Zins sei denn hinweggenommen.«

Der Andre sprach: »Auf meinen Eid,

Solcher Sühne bin ich unbereit.

Wir kommen nicht zu Minnen,

Der Zins muß mit mir hinnen.«

»So stellen wir«, sprach Tristan,

»Hier sehr unnütze Theidung an.

Da du so gar nicht Zweifel trägst,

Morold, daß du mich erschlägst,

So wehr dich, so du willst gedeihn;

Es kann hier schon nicht anders sein.«

Er warf das Ross im Bogen

Und kam zurückgeflogen

In richtiger Schlichte.

Herstob er in der Richte

Nach seines Herzens Begehr.

Mit herabgesenktem Sper,

Mit fliegenden Schenkeln,

Mit Sporen und mit Enkeln

Nahm er das Ross in die Seiten.

Da muste Jener auch wohl streiten,

Es gieng um das Leben nun.

Da that er wie sie Alle thun,

Die zu rechter Mannheit

Mit allen Sinnen sind bereit:

Er nahm auch eine Kehre

Nach seines Herzens Lehre,

Geschwind hindann, geschwind hinwieder,

Warf auf den Sper und zuckt' ihn nieder.

So kam er her gerühret

Wie den der Teufel führet.

Sie stürmten beide, Ross und Mann,

Im Fluge gegen Tristan an

Noch schneller als der Falke thut;

So gierig war auch Tristans Muth.

Gleich heiß war beider Verlangen,

Die gleichen Flugs zusammen drangen

Daß sie die Spere stachen,

Die in den Schilden brachen

Wohl zu Tausend Stücken.

Da musten sie zücken

Die Schwerter von den Seiten.

Es gab zu Ross ein Streiten,

Gott selber möcht es gerne sehn.

Nun hör ichs allwärts so verstehn,

Und so heißts auch in der Märe,

Daß dieß ein Zweikampf wäre,

Und Alle denken sich dabei,

Da wären nur der Kämpfer zwei.

Doch bin ich zum Beweis bereit,

Daß es ein offener Streit

Zweier ganzen Rotten war.

Nicht gelesen hab ichs zwar

Noch je an Tristans Märe;

Doch hört ob ichs bewähre.

Morold, wie uns der Wahrheit nach

Gemeldet ward seit manchem Tag,

Besaß vierfache Manneskraft:

Das zählt für vier Mann Ritterschaft.

So stand es diesseits mit dem Streite;

Wer stand nun auf der andern Seite?

Erstlich Gott, zum andern Recht,

Der dritte war der beiden Knecht

Und getreuer Dienstmann,

Der wohlgemuthe Tristan;

Das vierte war bereiter Muth,

Der Wunder stäts als Streiter thut:

Hier vier und drüben wieder vier,

Aus diesen bild ich dort und hier

Zwei ganze Rotten, sind acht Mann,

So übel ich auch rechnen kann.

Ihr hättets sonst für Lüge

Gehalten, ungefüge,

Daß auf zwei Rossen sich zwo Scharen

Zum Kampf entgegen möchten fahren;

Nun habt ihr es für wahr vernommen:

Zusammen waren hier gekommen

Unter Einem Helm auf jeder Seite

Vier Ritter zum Vierritterstreite.

Die kamen nun geritten,

Daß sie sich stark bestritten.

Zuerst fuhr Eine Ritterschaft,

Morold mit der Viermannskraft,

Tristanden wie ein Donner an.

Derselbe leidge Teufelsmann

Schlug auf ihn so kräftiglich,

Kraft und Sinne sicherlich

Hätt er mit Schlägen ihm benommen,

Wär der Schild ihm nicht zu Gut gekommen,

Darunter er mit Listen

Sich schirmen konnt und fristen.

Weder Helm noch Halsberg,

Noch ein ander Waffenwerk

Hätt es ihm jemals aufgetragen:

Durch die Ringe hätt er ihn erschlagen:

Er wollt ihm so viel Zeit nicht gönnen,

Daß er vor Schlägen aufsehn können.

So gieng er ihn mit Schlägen an

Bis ers ihm mit Schlägen abgewann,

Daß Tristan von der Schläge Noth

Den Schild zu ferne von sich bot

Und so hoch die Deckung trug,

Daß er ihm durch die Hüfte schlug

Solch einen häßlichen Schwang,

Der ihm hart ans Leben drang,

Daß sein Fleisch und Gebein

Durch Ring' und Hosen warf den Schein

Und das Blut aufblitzte

Und den Werder überspritzte.

»Wie nun? Willst du mirs eingestehn?

Du magst hieran wohl selber sehn,

Daß Niemand Unrecht führen soll;

Man sieht hieran dein Unrecht wohl.

Nun bedenke, willst du noch gedeihn,

In welcher Weis es möge sein.

Denn wahrlich, Tristan, diese Noth,

Sie ist dein endlicher Tod,

Ich müst es denn noch wenden;

Von Weibs- noch Manneshänden

Wirst du sonst nicht mehr gesund.

Du bist von einem Schwerte wund,

Das tödtlich und vergiftet ist.

Aller Ärzte Kunst und List

Heilt dich nicht von dieser Noth;

Nur meine Schwester kanns, Isot,

Die Königin von Irland.

Die kennt der Würzen allerhand

Und weiß aller Kräuter Kraft

Und viel ärztliche Meisterschaft;

Die weiß auch diese Kunst allein

Und Niemand anders, wer sie sei'n;

Todt bist du, wenn dich Die nicht heilt.

Willst du mir folgen unverweilt

Und den Zins nicht weigern fürderhin,

Meine Schwester soll, die Königin,

Mit eigner Hand dich heilen;

Und Ich will mit dir theilen

Gesellig Alles was ich habe,

Und weigre nie dir eine Gabe

Was auch dein Wunsch begehre.«

Tristan sprach: »Meine Ehre

Und mein Recht geb ich nicht auf,

Deiner Schwester nicht, noch dir zu Kauf.

Ich hab in meiner freien Hand

Hieher gebracht zwei freie Land'

Und bringe sie von hinnen

Oder ich muß gewinnen

Größern Schaden noch, den Tod.

Ich bin auch noch zu solcher Noth

Mit Einer Wunde nicht getrieben,

Daß dir der Sieg schon wär geblieben.

So leicht mag sich uns Beiden

Der Kampf hier nicht entscheiden.

Der Zins sei Dein Tod oder Meiner!

 

Das ist der Ausgang, anders keiner.«

Hiemit ritt er ihn wieder an.

Nun spricht vielleicht ein kluger Mann

(Ich muß die Rede für ihn thun):

»Gott und Recht, wo sind sie nun,

Tristans Kampfgefährten?

Daß sie ihm nicht Schutz gewährten,

Das muß mich Wunder nehmen.

Zeit wär es, daß sie kämen:

Ihre Rotte und ihr Orden

Ist gar schadhaft geworden.

Wenn sie nicht eilends kommen,

So kann es nicht mehr frommen;

Darum so kommt in Eil, denn hier

Reiten zweie gegen vier

Und streiten um das bloße Leben;

Das ist auch hingegeben

Schon dem Zweifel und dem Bangen.

Sollen sie noch Trost empfangen,

Wohlan, so sei es nur schnelle.«

Nun reiten Gott und Recht zur Stelle

Nach gerechtem Urtheile;

Ihrer Rotte zum Heile,

Ihren Feinden zum Falle.

Schon beginnen sie sich Alle

Gleichmäßig zu rottieren,

Vier entgegen vieren,

Und reiten Schar wider Schar.

Und Tristan als er gewahr

Wird seiner Kampfgesellen,

Fühlt Muth und Stärke schwellen:

Ihm brachte die Genoßenschaft

Neues Herz und frische Kraft.

Das Ross er mit den Sporen nahm,

So schnell er hergeschoßen kam,

Daß er nach ganzer Herzenslust

Anstoßend mit des Rosses Brust

So auf den Gegner schnellte,

Daß er zur Erd ihn fällte

Mit Ross und mit Allem;

Und als er von dem Fallen

Wieder auf die Füße kam

Und schon das Ross beim Zügel nahm,

Schlug Tristan, eh ers glaubte,

Ihm den Helm vom Haupte,

Daß er hinflog über all den Plan.

Da lief ihn Morold wieder an:

Durch die Couvertüre schlug

Er Tristans Rosse weg den Bug,

Daß es unter ihm darniederfiel.

Doch Er bedachte sich nicht viel.

Aus dem Sattel schwang er sich in Eil.

Morold der listige derweil

Den Schild zum Rücken kehrte

Wie ihn die Schlauheit lehrte,

Griff mit der Hand hernieder

Und nahm den Helm sich wieder.

Er hatt in seinen Listen

Gedacht sich so zu fristen:

Wenn er zu Rosse käme

Und den Helm zu Haupte nähme,

Auf Tristan ritt' er wieder an.

Als er nun den Helm gewann,

Nach dem Rosse lief er da

Und kam dem auch bereits so nah,

Daß er mit der Hand den Zügel

Ergriff und schon im Bügel

Mit einem Fuße stand, gottlob;

Wie er da die Hand zum Sattel hob,

Da hatt ihn Tristan erflogen

Und schlug ihm auf dem Sattelbogen

Das Schwert weg samt der rechten Hand,

Daß sie beide fielen auf den Sand

Mit den Ringen alle;

Und über diesem Falle

Gab er ihm wieder einen Schlag,

Der, wo des Helmes Kuppe lag,

So mächtig fuhr hernieder,

Daß er nur schartig wieder

Seine Waffe zog zurück,

Indem des Schwerts ein kleines Stück

In dem Hirnschädel blieb,

Das denn in Ängste später trieb

Tristanden und in große Noth:

Es bracht ihm nahezu den Tod.

Morold, das trostlose Heer,

Als er ohne Kraft und Wehr

Hingieng mit taumelndem Schritt

Und schon schier zu Boden glitt,

»Wie nun, wie nun«, sprach Tristan,

»Helf dir Gott, Morold, sag an,

Ist dir diese Märe kund?

Mich dünkt, du bist auch übel wund;

Nicht zum Besten scheints um dich zu stehn.

Was mit Meiner Wunde mag geschehn,

Dir wäre guter Würze Noth.

Was deine Schwester je, Isot,

Von Arzneikunst hat gelesen,

Das wird dir Noth, willst du genesen.

Der gerechte, wahre Gott,

Siehst du, duldet keinen Spott:

Er hat dein Unrecht wohl bedacht

Und Recht an mir zu Recht gebracht.

So mög er mein auch fürder pflegen:

Doch deine Hochfahrt ist erlegen.«

So trat er ihm erst beßer nah,

Er nahm das Schwert und gab es da

In seine beiden Hände:

Er schlug, das war das Ende,

Das Haupt ihm mit der Kuppen ab.

Dann gieng er an die Bucht hinab,

Wo er Morolds Schifflein fand,

Sprang hinein und fuhr zu Land

Ans Gestad und zu dem Heer.

Da vernahm er bei dem Meer

Große Freud und große Klage:

Freud und Klage wie ich sage:

Deren Glück an seinem Siege lag,

Denen war ein selger Tag,

Ein Heil erschienen sonder Ende:

Sie schlugen fröhlich in die Hände,

Lobten Gott aus vollem Mund,

Und thaten freudgen Dank ihm kund

Durch laute Siegeslieder.

Dem fremden Volk hinwieder,

Den leiden Gästen, die gesandt

Waren aus der Iren Land,

Hatte großes Leid getagt.

Von denen ward so viel geklagt

Als die andern sangen;

Wie sie die Hände rangen,

Sie verwanden nicht die Noth.

Die Betrübten auf den Tod,

Die bestürzten Irlandsmannen,

Da sie nun wollten dannen

Zu Schiffe gehn mit Spott und Schmach,

Da gieng Tristan ihnen nach

Und traf sie am Gestade noch:

»Ihr Herren«, sprach er, » eilet doch

Jenes Zinsrecht zu empfangen,

Das ihr auf dem Werder sehet prangen,

Und bringt es euerm Herren heim,

Und meldet ihm, mein Oheim

Von Cornwal und von Engelland

Schick ihm diesen Prisant

Und entbiet ihm dabei:

Wenn es sein Wille künftig sei,

Daß er geruhe noch einmal

Seine Boten her gen Cornewal

Nach solchem Zins zu senden,

Man läßt mit leeren Händen

Sie nicht nach Hause kehren,

Nein, mit gleich vollen Ehren

Senden wir sie von hinnen,

Wie schwer wirs auch gewinnen.«

Derweil er also sprach und stand,

Deckt' er mit dem Schildesrand

Weislich Blut und Wunde,

Daß Keinem ward die Kunde.

Das gerieth ihm noch hernach zum Glück,

Denn jene kehrten so zurück,

Daß sie sich dessen nicht versahn.

Jetzt bestiegen sie den Kahn

Und fuhren nach dem Werder fort,

Und fanden statt des Herren dort

Einen schwer verhaunen Mann:

Denselben brachten sie hindann.

Als sie zu Lande kamen,

Da giengen sie und nahmen

Den jammervollen Prisant,

Der da durch sie ward übersandt:

Ich meine die zerstückten Glieder.

Die legten sie zusammen wieder,

Daß sich keins davon verlor,

Und trugen sie dem Herren vor,

Und sagten ihm genau dabei

Was ihm durch sie entboten sei.

Da verseh ich mich nun wohl

Wes ich mich wohl versehen soll:

Dem König Gurmun Wohlgemuth

War da gar nicht wohl zu Muth.

Auch stand ihm all sein Leid wohl an:

Er verlor an diesem einen Mann

Herz und Muth, Trost und Kraft

Und manches Mannes Ritterschaft.

Das Rad, das sein Glück getragen,

Das Morold hoch emporgeschlagen

In den Nachbarlanden allen,

War in den Staub gefallen.

Seine Schwester auch, die Königin,

Beklagte diesen Ungewinn

Mit Jammer und mit großer Noth;

Und ihre Tochter mit, Isot.

Sie quälten sehr den schönen Leib,

Wie ihr wohl wißet, daß ein Weib

Gar bitterliche Klage führt,

Wenn ein Leid ihr Herz berührt.

Sie sahen diesen todten Mann

Nur um des Jammers Willen an,

Daß ihres Leides Bürde

Noch desto schwerer würde.

Das Haupt sie küssten und die Hand,

Die vordem manch fernes Land

Ihrer Herschaft unterwarf,

Wie ich nicht wiederholen darf.

Die seinem Haupte war geschlagen,

Die Wunde fanden sie mit Klagen

Und besahen sie genau;

Da fand die sinnreiche Frau,

Isot, die weise Königin,

Jene Scharte darin.

Ein kleines Zänglein ließ sie bringen:

Damit must es ihr gelingen,

Daß sie das Schärtlein gewann.

Sie und die Tochter sahens an

Mit Jammer und mit Leide:

Dann nahmen sie es beide

Und legten es in einen Schrein.

War dieses Stück auch noch so klein,

Doch schuf es Tristan große Noth.

Nun, Herr Morold ist todt.

Wenn ich nun lang erzählte,

Wie sich ein Jeder quälte

Und ihn beklagte, könnt es frommen?

Wir wären weiter nicht gekommen,

Wer möcht ihr Aller Leid beklagen?

Morold ward zu Grab getragen,

Begraben wie ein andrer Mann.

Gurmun hob zu trauern an

Und ließ gebieten allzuhand

Über alles Irenland,

Daß man Acht hätt an der See,

Was Lebendiges je

Dahin von Cornwal käme,

Daß man dem das Leben nähme,

Es wäre Weib oder Mann.

Dieß Gebot und dieser Bann

Ward so streng vollzogen,

Daß Niemand von den Wogen

Mehr nach Irland ward gebracht

Seis bei Tag oder Nacht

Aus cornewalischem Land,

Mocht er noch so reiches Pfand

Zur Lösung bieten oder geben,

Es gieng ihm eben nur ans Leben,

Bis mancher Mutter Kind damit

Unschuldig großen Schaden litt.

Das war doch Alles ohne Noth,

Denn Morold starb verdienten Tod:

Nur seiner Kraft hatt er getraut,

Auf Gottes Hülfe nicht gebaut,

Und sein Ding zu allen Zeiten,

In allen seinen Streiten

Auf Gewalt und Hochfahrt nur gestellt;

In diesen ward er auch gefällt.

XI. Tantris.

Nun nahm ichs auf, wo ich es ließ.

Als Tristan ans Gestade stieß

Ohne Ross und ohne Sper,

Da drangen tausend Rotten her

Zu Ross und auch zu Fuße:

Mit ihrem Jubelgruße

Empfiengen sie ihn freudenreich.

Der König und sein Königreich

Erlebten nie so lieben Tag

Wie man gern von ihnen glauben mag.

Viel Ehre war den Landen

Ja heut durch ihn erstanden;

Von großem lästerlichem Leid

Hatt Er sie allein befreit.

Die Wunde zwar, die er trug,

Die beklagten sie genug:

Sie gieng wohl ihnen Allen nah;

Doch weil ein Jeder sich versah,

Daß er von dieser Bürde

Gar bald genesen würde,

So schlugen sie es aus dem Sinn

Und führten ihn gerade hin

Zu des Königs Castell.

Sie entwaffneten ihn schnell

Und schufen ihm Gemach und Rast

So gut sie wünschen mocht ein Gast.

Nach Ärzten wurde gesandt,

Den allerbesten, die man fand

In Burg und Städten fern und nah.

Als die beisammen waren da,

Sie wandten allen Fleiß und Sinn

Und ärztliche Kunst auf ihn:

Was halfs, was war damit gethan?

Er war noch um nichts beßer dran.

Was sie von Heilkunst insgemein

Wusten und von Arzenein,

Das konnt ihm keine Hülfe schaffen,

Denn das Gift war so beschaffen,

Sie wustens von der leiden

Wunde nicht zu scheiden

Bis es den ganzen Leib einnahm,

Der eine Farbe bekam,

Bleich und fahl, daß ihn beinah

Nicht mehr erkannte, wer ihn sah.

Auch gieng nun von der Wunde gar

Ein Geruch, der so abscheulich war,

Daß ihm das Leben ward zur Last

Und der eigne Leib verhaßt.

Das war sein gröstes Ungemach,

Denn er beschwerte nach und nach,

Er must es selbst wohl gewahren,

Die Freunde, wenn sie bei ihm waren.

Nun verstand er mehr und mehr

Morolds Rede. Oft vorher

Hatt er wohl auch vernommen

Wie schön und wie vollkommen

Die Schwester Morolds wäre.

 

Es flog von ihr die Märe

Weithin durch alle Gauen.

Stäts hieß es von den Frauen:

Die weise Isot, die schöne Isot,

Die leuchtet wie das Morgenroth.

Hieran gedachte Tristan

Allzeit, der kummervolle Mann,

Und wuste wohl, sollt er genesen,

So möcht er andres nichts erlesen

Als ihre kunstbegabte Hand,

Die diese Kunst allein verstand,

Die sinnreiche Königin.

Doch wollt ihm noch nicht in den Sinn,

Wie die sein sollte pflegen.

Doch begann er zu erwägen,

Da der Tod ihm doch nicht fehle,

Daß er dann besser wähle,

Den Leib zu wagen auf den Tod

Als diese tödtliche Noth.

Da setzt' er sich es in den Sinn,

Er wolle wahrlich dahin,

Es ergeh ihm wie Gott wolle:

Er genese, wenn er solle.

Da berief er seinen Oheim

Und vertraut' ihm Alles insgeheim,

Wie der Freund dem Freunde thut,

Was er trug in seinem Muth,

Und was nach Morolds Märe

Er zu thun gesonnen wäre.

Dem gefiel es übel und auch wohl,

Da man in den Nöthen soll

Dem Schaden steuern wie man kann:

Von zweien Übeln wähle man

Was das kleinste Übel ist,

Das heißt wohl eine nütze List.

Die Zwei da kamen ganz allein

Aller Dinge wegen überein,

Wie es dann auch gehalten ward,

Wie er vollbrächte seine Fahrt;

Wie mans verschweigen sollte,

Daß er nach Irland wollte

Und ausstreun nah und ferne,

Er wäre gen Salerne

Der Heilung halb gefahren.

Als sie nun einig waren

Ward auch nach Curvenal gesandt

Der kam, sie sagten ihm zuhand

Ihren Willen allzumal.

Des freute sich da Curvenal;

Er sprach, er wolle mit ihm sein,

Mit ihm ersterben und gedeihn.

Als der Abend kam heran,

Zu ihrer Fahrt bestellte man

Eine Barke und ein Schifflein,

Und brachte Vorrath hinein

An Nahrung und an Speise,

Und an Bedarf zur Reise.

Da ward mit vielen Klagen

Tristan hineingetragen

So heimlich und so leise,

Daß von des Armen Reise

Niemand wust in aller Welt

Als Die man auch dahin bestellt.

Seinem Oheim befahl

Er da getreulich manchesmal

Sein Gesind und all sein Ding,

Daß seines Gutes nicht ein Ring

Von dem andern käme

Bis man von ihm vernähme

Unzweifelhafte Märe

Wie es ergangen wäre.

Seine Harfe ließ er kommen;

Die wurde mitgenommen

Und seiner Habe sonst nichts mehr.

Hiemit so stießen sie ins Meer

Und fuhren bald von dannen

Allein mit acht Mannen.

Die hatten ihm ihr Leben

Zur Bürgschaft gegeben

Und versichert mit Eiden,

Aus dem Willen der Beiden

Mit keinem Fuß zu treten.

Als sich die Segel blähten,

Marke sah Tristanden nach.

Seine Freud und sein Gemach

Waren beide wohl gering.

Zu Herzen und zu Beine gieng

Ihm dieses bittre Scheiden,

Obwohl es ihnen Beiden

Noch zu gutem Ende kam.

Als nun des Landes Volk vernahm,

Tristan sei gen Salerne

Gefahren, in der Ferne

Von seinem Übel zu genesen, –

Wär er ihr Aller Kind gewesen,

So hätte sie sein Leid nicht mehr

Betrüben mögen als nunmehr.

Sie wusten auch, sein böses Heil

Ward ihm in ihrem Dienst zu Theil:

So mehr bedauerten sie ihn.

Nun, Tristan fuhr noch rastlos hin,

Ja schier über seine Macht

So den Tag als die Nacht

Den geraden Weg gen Irland,

Wohin ihn seines Steurers Hand

Gar wohl geleiten konnte.

Als nun das Schiff begonnte

Dem Ziele sich zu nahen,

Daß sie das Land ersahen,

Den Steurer bat da Tristan,

Daß er auf die Hauptstadt an

Lenke, gegen Develin,

Wo die weise Königin

Isot, wie er wohl wuste,

Ihre Wohnung haben muste.

Des Endes wandt er da den Kiel,

Und kam so nahe bald dem Ziel,

Daß er sie deutlich vor sich sah.

»Seht, Herr!« sprach er zu Tristan da,

»Ich seh die Stadt: was rathet ihr?«

Da sprach Tristan: »So sollen wir

Hier ankern und verbleiben,

Den Abend hier vertreiben

Und auch ein Theil der Nacht hier sein.«

Da warfen sie den Anker ein

Und ruhten sich den Abend dort.

In der Nacht jedoch hieß er sie fort

Fahren, auf die Hauptstadt an.

Als auch das nun war gethan

Und sie so nahe kamen,

Daß sie den Standort nahmen

Kaum von der Stadt halbmeilenweit,

Da begehrte Tristan ein Kleid,

Das allerärmlichste Gewand,

Das sich in der Barke fand.

Das eilte Tristan umzuthun

Und ließ sich aus der Barke nun

In das Schifflein bringen ganz allein

Und ließ sich auch die Harfe drein

Und so viel Speise geben,

Daß er davon zu leben

Drei Tage hätte oder mehr.

Nun war nach seinem Begehr

Dieß geschehen allzumal.

Da berief er seinen Curvenal

Und die Schiffer all mit ihm,

Und sprach: »Freund Curvenal, nun nimm

Das Schiff und all das Volk in Hut;

Mir zu Lieb verpfleg es gut

Immerdar wie sich gebührt,

Und wenn euch Gott nach Hause führt

Sei ihnen solcher Lohn bereit,

Daß sie unsre Heimlichkeit

Getreulich mit uns tragen

Und Niemand hiervon sagen.

Kehrt nun ohne Säumen heim.

Grüße meinen Oheim

Und thu ihm kund, daß ich noch lebe:

Ich fänd auch wohl, so Gott es gebe,

Noch ferner Leben und Gedeihn:

Er soll' um mich nicht traurig sein.

Sag ihm auch, daß ich fürwahr

Heimkäme noch in diesem Jahr,

So ich Genesung fände:

Wenn mir das Heil erstände,

Das macht' ich ihm alsbald bekannt.

Dem Hofe sag und all dem Land,

Ich hätt auf unsrer Fahrt den Tod

Gefunden über dieser Noth.

Mein Gesind, das ich noch habe dort,

Laß nicht aus meinem Dienste fort:

Sieh, daß sie meiner warten

Bis sie die Zeit erharrten,

Von der ich früher sagte.

Doch wenn es Gott behagte,

Daß dieses Jahr verliefe

Und mein Heil noch immer schliefe,

So dürft ihr mein euch wohl begeben:

Befehlt den Geist dem ewgen Leben

Und sucht das eigne Wohl zu wahren.

Mit meinen Leuten magst du fahren

Heim gen Parmenîe wieder;

Da laß dich dann bei Rual nieder.

Meinem lieben Vater sag von mir,

Er solle deiner Treue dir

Durch seine Treue lohnen,

Dich bei ihm laßen wohnen

Und ehren, wie er ehren kann.

Sag auch dem getreuen Mann,

Einer Bitte noch zuletzt

Mög er mich gewähren jetzt:

Die bisher in meinem Dienst sich mühten,

Denen möcht er Müh und Zeit vergüten,

Einem Jeden wie es billig sei.

»Nun lieben Leute«, fügt' er bei,

»Hiemit will ich euch Gott ergeben;

Fahrt eures Wegs und laßt mich schweben.

Ich muß auf diesen Pfaden

Erharren Gottes Gnaden;

So habt auch ihr Zeit, daß ihr fahrt

Und Leib und Leben bewahrt:

Sieh, es nahet schier dem Tage.«

So zogen sie mit mancher Klage

Und mit großem Jammer hin;

Mit vielen Thränen ließ man ihn

Schweben auf der wilden See.

Ihnen that kein Scheiden je so weh.

Ein jeglicher getreue Mann,

Der je getreuen Freund gewann

Und weiß, wie man den meinen soll

In Treuen, der betrübt sich wohl

Über Curvenals Beschwerde.

Wie schwer ihm aber werde

Und wie betrübt sein Herz und Sinn,

So fuhr er doch des Weges hin.

Tristan verblieb alleine dort

Auf dem Meere schwebend fort und fort

In Jammer und in Sorgen

Bis an den lichten Morgen,

Wo endlich Die von Develin

Das steuerlose Schifflein ziehn

Sahn, ein Spiel der Wellen.

Sie sandten zwei Gesellen,

Daß sie das Schifflein fiengen.

Die Ausgesandten giengen

Und eilten ihm zu nahen,

Obwohl sie Niemand sahen,

Doch hörten sie von drüben her

Süß, nach Wunsch und Begehr,

Eine süße Harfe klingen

Und zu der Harfe singen

Einen Mann so süß und hold

Als ob er sie begrüßen wollt:

Ein freundlich Abenteuer!

Sie saßen still am Steuer,

Dieweil er ihnen harft und sang.

Die Lust zwar währte schwerlich lang,

Die erst sein Sang und Klang verhieß,

Denn was er sie da hören ließ

Mit Händen oder Munde,

Das gieng ihm nicht vom Grunde:

Denn sein Herz war nicht das dritte.

Es ist bei diesem Spiel nicht Sitte,

Daß es Einer lange thu,

Es steh ihm denn das Herz dazu.

Und spielt auch Einer noch so viel,

So heißt es doch kein rechtes Spiel,

Das man so außen hin nur thut

Ohne Herz und ohne Muth.

Die Jugend wars wohl dieses Mal,

Die Tristanden befahl,

Mit Mund und mit Händen

Die Töne zu verschwenden;

Dem Märtrer könnts in seiner Pein,

Sonst nur Pein und Marter sein.

Sobald er ab mit Spielen ließ,

Der andre Kahn ihm näher stieß:

Sie legten an sein Schifflein bei,

Neugierig spähend, wer es sei.

Betroffen nahmen sie es wahr,

Wie fahl und bleich der Sänger war

Und wie armselig sein Kleid.

Sie trugen Leid mit seinem Leid,

Da er doch mit Mund und Hand

Die Kunst der Töne verstand,

Und grüßten ihn, als einen Mann,

Der guten Gruß verdienen kann,

Mit Mund und mit Händen,

Und baten den Elenden,

Daß er ihnen Märe

Sagte, Wer er wäre.

»Das sag ich euch«, sprach Tristan:

»Ich war ein höfscher Spielmann,

Und konnte wohl zu meiner Zeit

Kunst genug und Höfischkeit:

Sprechen und Schweigen,

Leiern und Geigen,

Harfen und Rotten,

Scherzen und Spotten,

Das Alles konnt ich also wohl

Als solchen Volkes Einer soll.

Damit gewann ich so genug,

Daß ich über die Schnüre schlug

Und mehr gewinnen wollte

Als ich besitzen sollte.

Ich wollt ein Kaufmann sein: der Rath

Ists, der mich verrathen hat.

Einen Kaufmann hatt ich mir gesellt,

Reich genug an Gut und Geld:

Wir Zwei beluden einen Kiel

Mit Allem, was uns wohlgefiel,

Und fuhren von Hispanien

Meerüber gen Britanien.

Uns begegnet' aber auf dem Meer

In einem Schiff ein Räuberheer:

Das nahm uns Alles, groß und klein,

Und erschlug den Kaufgefährten mein,

Und Alles was lebendig war.

Nur mich verschonten sie, obzwar

An dieser Wunde fährlich krank:

Das sag ich dieser Harfe Dank,

Denn die gab ihnen Bericht

(Ich selber auch verhehlt' es nicht),

Ich sei ein Spielmann eigentlich.

Mit großer Noth erbettelt' ich

Von ihnen dieses Schifflein

Und so viel Speise darein,

Daß ich bis heute mochte leben.

So must ich auf dem Meere schweben

Mit Marter und mit großer Plage

Wohl vierzig Nächt und vierzig Tage,

Wohin die Winde mich schlugen

Und die wilden Wellen trugen,

Jetzo her und jetzo hin,

Und kann nicht wißen, wo ich bin,

Noch weniger, wohin ich soll.

Nun thut, ihr Herr, an mir so wohl,

Gott im Himmel wird es lohnen,

Und helft mir hin, wo Leute wohnen.«

»Geselle«, sprachen da die Boten,

» Deiner süßen Stimm und deiner Noten

Sollst du bei uns genießen,

Auf dem Meer nicht länger fließen

Ohne Trost und ohne Rath.

Was dich auch hergewiesen hat,

Gott oder Waßer oder Wind,

Wir bringen dich, wo Leute sind.«