Tristan und Isolde

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XIII. Der Drachenkampf.

Zu Frieden ist Tristan gekommen;

Doch hat noch Niemand vernommen,

Wie er die Braut gedenkt zu holen:

Das bleibt euch länger nicht verhohlen

Eh euch die Geduld gebricht.

Diese Märe sagt und spricht

Von einem Serpande,

Der damals haust' im Lande.

Diese leide Teufelsschlange

Hatte Land und Leute lange

Mit so schädlichem Schaden

So schädlich überladen,

Daß der König einen Eid

Bei königlicher Sicherheit

Geschworen hatte, wer das Leben

Ihm nahm, sein Kind woll er ihm geben

Wär er von ritterlichem Stand.

Als dieß Verheißen ward bekannt,

Verloren Tausende den Leib

Um das wonnigliche Weib,

Die hin zum Kampfe kamen

Und da ihr Ende nahmen;

Der Märe war ganz Irland voll.

Auch unser Tristan wust es wohl:

Das gab ihm Muth und trieb ihn an,

Daß er diese Fahrt begann:

Darauf stand seine Zuversicht;

Andre Hoffnung hatt er nicht.

So wäre Zeit denn, daß ers wagte.

Des andern Morgens, als es tagte,

Waffnet' er sich also wohl,

Als ein Mann in Nöthen soll.

Ein starkes Ross bestieg er leicht;

Darauf ward ihm ein Sper gereicht,

Der groß war und feste,

Der stärkste und der beste,

Den man in dem Kiele fand.

Dann ritt er seines Wegs durchs Land

Über Feld und Gefilde

Und nahm in der Wilde

Manchen Weg durch Berg und Thal.

Als heißer ward der Sonnenstral,

Trieb er das Ross mit Sporen an

Und ritt ins Thal Enfer ginant,

Das heißt zu deutsch im Höllenspalt:

Da war des Drachen Aufenthalt.

Dem nahend sah er schnell hindann

Vier gewaffnete Mann

Über Stock und über Stein,

Über Hals und Kopf wohl obendrein,

Fliehend galoppieren.

Der Eine von den Vieren,

Der Truchsäß wars der Königin

Der deuchte sich in seinem Sinn

Der jungen Königin Amis,

Obwohl sie selbst ihn so nicht hieß;

Und wenn die Mannheit Einen trieb,

Der verheißnen Braut zu Lieb

Den grimmen Drachen zu bestehn,

So ließ sich auch der Truchsäß sehn,

Nur daß man von ihm sage,

Daß er sich auch hinwage,

Wo man auf Abenteuer reite.

Das war das Lange und das Breite,

Denn er ersah den Drachen kaum,

So floh er mit verhängtem Zaum.

Tristan ward gar wohl gewahr

An der fliehenden Schar,

Der Drache wär nicht weit von dort.

Da ritt er seines Weges fort

Und ritt nicht lange bis er da

Seiner Augen Ungemach ersah,

Den scheuslichen Drachen;

Der warf aus seinem Rachen

Rauch und Flammen, glühen Wind,

Recht so wie des Teufels Kind,

Und fuhr gerad auf ihn daher.

Tristan senkte seinen Sper,

Das Ross er mit den Sporen nahm,

Indem er hergeschoßen kam

Und mit dem Spere nach ihm stach,

Daß der ihm durch den Rachen brach

Und bis aufs Herz hernieder schoß,

Dieweil er selber mit dem Ross

So heftig auf den Drachen stieß,

Daß er das Ross todt liegen ließ

Und Er lebendig kaum entrann.

Der Drache fiel es wieder an

Mit Schnauben und mit Feuer,

Daß es das Ungeheuer

Bis an den Sattel hin verzehrte.

Der Sper jedoch, der ihn versehrte,

Ängstigte den Drachen so,

Daß er von dem Rosse floh

Und in ein Steingeklüfte glitt.

Tristan, sein Kampfgeselle, ritt

Ihm hurtig nach auf seiner Spur,

Indes voraus sein Opfer fuhr

Und so im Unmuth brüllte,

Daß es den Wald erfüllte

Mit grauenvoller Stimme

Und Büsche viel im Grimme

Verbrannt' und aus der Erde schlug.

Das trieb er lange genug,

Bis der Schmerz ihn überwand,

Daß er unter einer Felsenwand

Sich in der Nähe drückte.

Tristan das Schwert erzückte

Und wähnt', er wär zum Tod verletzt:

Nein, er ward furchtbarer jetzt,

Denn er zuvor gewesen.

Doch hofft' er zu genesen

Und griff den Drachen wieder an;

Der Drache wiederum den Mann,

Und bracht ihn in so große Noth,

Er wähnte schon, er wäre todt.

Er ließ zu keiner Wehr ihn kommen:

Er hatt ihm ganz und gar benommen

So die Streiche wie die Wehr.

Er war ihm an sich selbst ein Heer:

Er führte mit sich in den Kampf

Ja den Rauch und den Dampf

Nebst andrer Hülf und Steuer

An Streichen und an Feuer,

An Zähnen und an Griffen;

Die waren wohlgeschliffen

Und schnitten wohl noch beßer

Als das allerschärfste Meßer.

Mit diesen trieb er quer und krumm

In großer Noth ihn um und um.

Er wich von Baum zu Busche

Nur daß er sich vertusche

Und hüte seines Lebens;

Denn Kampf war hier vergebens.

Und doch hatt er ihn so sehr

Versucht mit Kehr und Wiederkehr,

Daß ihm der Schild vor der Hand

Schier zu Kohlen war verbrannt;

Denn mit Feuer griff der Feind ihn an,

Daß er kaum vor ihm entrann.

Doch währt' es nicht mehr lange,

Die mordliche Schlange

Muste wider Willen dran,

Daß sie zu taumeln begann

Denn so schmerzte sie der Spieß,

Daß sie sich wieder niederließ

Und wand sich angst und bange.

Tristan verzog nicht lange,

Im Fluge ritt er daher

Und stach das Schwert zu dem Sper

Ihm ins Herz bis an die Hand.

Da stieß der leide Serpant

Einen Schrei so donnerstimmig,

So greulich und so grimmig

Aus seinem schnöden Schlunde,

Als gieng' die Welt zu Grunde;

Daß von dem mordlichen Schall

Das Thal erdröhnt' im Widerhall

Und Tristan selber sehr erschrak.

Als nun das Scheusal vor ihm lag

Und er sah, es wäre todt,

Den Schlund erbrach er mit Noth

Und großer Müh dem Drachen,

Und schnitt ihm aus dem Rachen

Die Zunge mit dem Schwerte

So tief er sie begehrte.

In seinen Busen er sie stieß,

Den Schlund sich wieder schließen ließ.

Da eilt' er nach der Wildniss hin

Und hatte dieß dabei im Sinn:

Sich verbergen wollt er dort,

Tagüber ruhn am stillen Ort,

Und kehrt' ihm seines Leibes Macht,

So wollt er beim Beginn der Nacht

Zu seinen Landgesellen wieder.

Allein die Hitze zog ihn nieder,

Die ihn von des Kampfes Hast

Und von des Drachen Glut erfaßt:

Die macht' ihn so zu Schanden,

Daß ihm die Kräfte schwanden

Und er kaum noch mochte leben.

Nun sah er eine Lache schweben,

Schmal und auch nur mäßig lang,

In die aus einem Felsen sprang

Ein kühles klares Brünnelein.

Er fiel in voller Wehr hinein

Und senkte sich bis auf den Grund,

Daß nur außen blieb der Mund.

Den Tag da lag er und die Nacht;

Ihm benahm des Leibes Macht

Die leide Zunge, die er trug:

Denn ihr Dunst, der an ihn schlug,

Der macht ihn ganz allein so gar

Der Kräfte und der Farbe bar,

Daß er nicht aus der Lache kam

Bis ihn hervor die Köngin nahm.

Der Truchsäß, der, wie schon gesagt,

Isot der seligen Magd

Freund und Ritter gerne wär,

Dem begannen die Gedanken sehr

Sich zu blähn und anzufüllen

Von des Drachen Brüllen,

Als das so laut und grausenvoll

Über Wald und Feld erscholl.

Er las es all in seinen Sinn

Was sich begeben bis dahin

Und dachte: »Er ist wahrlich todt,

Oder doch in so großer Noth,

Daß Ich es mag vollbringen,

Ihn völlig zu bezwingen.«

Von jenen Dreien er sich stahl,

Ritt eine Hald im Schritt zu Thal,

Und eilte sich dahin zu kommen,

Von wo er jenen Schrei vernommen:

Und als er sah das Ross da todt,

Da war ihm eine Ruhe Noth.

Er hielt sich bei ihm lange

Kleinmüthig auf und bange,

Denn schon die kurze Strecke

Füllt' ihn mit Angst und Schrecke.

Als ihm gelang die Furcht zu stillen,

Ritt er, nicht ganz mit freiem Willen,

Erschrocken und in großer Noth

Dahin, wo sich der Anblick bot,

Daß das Gras und das Laub

Versengt war als des Feuers Raub.

Nicht lang mehr dauert' es da,

So stieß er, eh er sichs versah,

Auf den Drachen, da er lag,

Und er, der Truchsäß, erschrak

Davon so entsetzlich:

Er hätte schier plötzlich

Einen Schuß zur Erde genommen,

Weil er an den Ort gekommen

Und ihm so nah geritten war.

Doch jetzt bestand er die Gefahr

Und warf so schnell herum das Ross,

Daß es mit ihm zu Boden schoß,

Auf Einen Haufen Ross und Mann.

 

Als er sich erhob alsdann,

Ich meine von der Erden,

Mocht ihm die Kraft nicht werden

Vor Schrecken, der ihn plagte,

Daß er nur so viel wagte,

Daß er zu Pferde säße.

Der leide Truchsäße

Ließ das Ross stehn und entwich.

Doch merkt' er Niemand hinter sich:

Da stand er still und schlich herwieder,

Griff nach dem Sper zur Erde nieder;

Das Rösslein zog er bei dem Zaum

Zu einem windgefällten Baum,

Von dem er bald zu Rosse saß

Und seines Schadens vergaß.

Schon sprengt' er dort von fern heran

Und sah den Drachen wieder an

Und blickt' ihm dreist ins Angesicht,

Ob er lebte oder nicht.

Als er ihn verendet sah,

»Heil, so Gott will!« sprach er da,

»Aventür ist hier gefunden:

Ich kam zu guter Stunden

Und mir zum Heile hieher.«

Hiermit so neigt' er den Sper

Und den Zügel verhängend,

Sein gutes Ross ersprengend

Begann er zu punieren,

Punierend zu croijieren:

»Chevalier, Demoisele,

Ma blonde Isot, ma bele!«

Er stach auf ihn mit solcher Kraft,

Daß der starke Eschenschaft

Flugs ihm durch die Finger glitt.

Daß er jedoch nicht weiter stritt,

Das geschah allein aus dieser List:

»Wenn er am Leben«, dacht er, »ist,

Der diesen Drachen hat erschlagen,

So kann mirs keine Früchte tragen

Was ich hier will beginnen.«

Da wandt er sich von hinnen

Und ritt suchend her und hin

In der Absicht, wenn er ihn

Finden möcht an einer Statt

So verwundet oder matt,

Daß er ohne Gefährde

Des Feinds erledigt werde,

So wollt er ihn erschlagen haben,

Den Erschlagenen begraben.

Als er ihn aber nirgend fand,

»Laß fahren«, dacht er zuhand,

»Erstarb er oder lebt er noch,

Den ersten Anspruch hab ich doch:

Wer wiese mich von dannen?

Ich habe Freund und Mannen

Und bin so werth und so genehm,

Wer auch mir in die Quere kam,

Er hätte doch das Spiel verloren.«

Er ritt und gab dem Pferd die Sporen

Zu seinem Widersacher wieder

Und sprang vor ihm zur Erde nieder.

Er fieng da wieder an den Streit,

Wo er ihn ließ vor kurzer Zeit:

Mit dem Schwerte, das er trug,

So lange pickt' er und schlug

Bald hier, bald da den Widerpart,

Bis der hier und da verschunden ward.

Er versucht' es an dem Kragen:

Den hätt er gern ihm abgeschlagen;

Doch fand er ihn so hart und dick,

Ihn verdroß der Müh im Augenblick.

Da zerbrach er seinen Sper in Eil

Und steckte das vordre Theil

Dem Drachen zu der Gurgel ein:

So schien es ein Tiost zu sein.

Den Spaniol bestieg er drauf,

Frohgemuth in vollem Lauf

Gen Weisefort zu reiten.

Da hieß er sich bereiten

Einen viergeschirrten Doppelwagen,

Der das Haupt sollte tragen,

Und lief und sagte Märe,

Wie ihm gelungen wäre

Und was er Ängste hab erlitten

Und welchen kühnen Kampf gestritten.

»Ja all die Welt, wie groß sie wär,

Sie biete nur die Ohren her,

Und komm und seh das Wunder an,

Was Alles der beherzte Mann

Und der unerschrockne Muth

Um liebes Weibes Willen thut.

Daß ich der Noth, in der ich war,

Entronnen bin und der Gefahr,

Das wundert und das wundert mich,

Und weiß dabei auch sicherlich,

Wär ich wie Andre sanft gewesen,

Ich wäre nimmermehr genesen.

Wie er auch hieß, der arme Gauch,

Ein Abenteurer, der auch

Aus auf Abenteuer ritt,

Der war, bevor ich mit ihm stritt,

Zu seinem Unglück hingekommen

Und hat sein Ende da genommen.

Gott hatte sein vergeßen.

Alle beide sind gefreßen,

Ross und Mann ist Alles mort.

Das Ross liegt noch zur Hälfte dort,

Versengt und zerbißen.

Was braucht ihr mehr zu wißen?

Mehr Noth erlitt ich hieran,

Als je um Frauen litt ein Mann.«

Mit seinen Freunden allzumal

Besucht' er dann des Drachen Thal,

Daß sie das Wunder schauten.

Auch bat er die Vertrauten,

Daß sie ihm Zeugniss böten

Von den bestandnen Nöthen.

Das Haupt dann führt' er dannen.

Blutsfreund' und Mannen

Lud er und besandt er;

Zu dem König rannt er

Und mahnt' ihn an sein Königswort.

Hierüber ward nach Weisefort

Ein Tag beraumt dem ganzen Land.

Zugleich ward auch das Land besandt,

Die Landbarone mein ich.

Da rüsteten sie Alle sich

Zu dem Tage, der da war benannt.

Nun ward den Frauen auch bekannt

Am Hofe diese Neuigkeit.

Die Marter und das bittre Leid,

Die sie da hatten auszustehn,

Ward noch an Frauen nie gesehn.

Die süße, schöne Magd Isot

War recht in ihrem Herzen todt;

Noch sah sie nie so leiden Tag.

Ihre Mutter Isot zu ihr sprach:

»Nein, schöne Tochter, laß die Schmerzen,

Nimm dieß dir nicht so sehr zu Herzen;

Denn mag es nun die Wahrheit sein

Oder eitel Trug und Schein,

Wir wollen schon dazwischen fahren;

Auch wird uns Gott davor bewahren.

Nicht weine, Tochter meine:

Die klaren Augen deine

Sollen nimmer werden roth

Um also nichtige Noth.«

»Ach, Mutter«, sprach die Schöne,

»Schände nicht und höhne

So deinen Adel, Frau, und dich.

Eh ich gehorchte, sicherlich

Mein Herz träf eines Meßers Klinge.

Eh sein Will an mir ergienge

Nähm ich mir Leben und Leib.

Nie soll er an Isot ein Weib,

Noch eine Fraue je gewinnen,

Er brächte mich denn todt von hinnen.«

»Nein, schöne Tochter, fürcht es nicht.

Was Er hievon, was Jemand spricht,

Das ist allzumal verloren:

Und hätt es all die Welt geschworen,

So wird der Truchsäß nie dein Mann.«

Als es zu nachten begann

Und um der Tochter Ungemach

Bei den geheimen Künsten nach

Die weise Königin frug

(Sie wuste deren genug),

Da sagt' ihr bald ein Gesicht,

Ergangen sei es also nicht,

Wie Schall und Ruf besagte.

Darauf, so bald es tagte,

Rief sie schon Isolden zu:

»Ach, süße Tochter, wachest du?«

»Ja«, sprach sie, »liebe Mutter mein.«

»Kind, so laß die Ängste sein,

Ich will dir liebe Märe sagen.

Er hat den Drachen nicht erschlagen:

Was auch den Fremdling zu uns trug,

Es war ein Gast, der ihn erschlug.

Wohlauf, wir wollen selber gehn

Und schauen wie die Sachen stehn.

Steh nun auf, Brangäne, leis

Und befiehl dem Knappen Paraneis,

Uns die Pferde zu bereiten.

Wir Viere müßen reiten,

Ich und Isolde, du und Er.

Die Pferde soll er uns hieher,

So schnell ers möge zwingen,

Ans geheime Pförtchen bringen,

Wo des Baumgartens Ende

An Feld rührt und Gelände.«

Nun, dieß geschah nach ihrem Sinn.

Sie saßen auf und ritten hin,

Wo nach der Leute Sagen

Der Drache war erschlagen.

Als sie nun dort das Ross ersahn

Und das Reitzeug daran

Genauer sich betrachteten,

Die klugen Vier erachteten,

Sie hätten Reitzeug alsoschön

In Irland nimmer noch gesehn,

Und kamen also überein,

Wer er sonst auch möge sein,

»So hat der den Wurm erschlagen,

Den dieses Ross hat hergetragen.«

Sie ritten weiter durch den Wald

Und stießen auf den Drachen bald.

Nun war des Teufels Genoß

So ungeheuer und so groß,

Daß die lichte Frauenschar

Todtenbleich zu schauen war,

Als sie das Ungethüm ersah.

Zur Tochter sprach die Mutter da:

»Ach, wie sicher ich des bin,

Der Truchsäße, daß er ihn

Sich nicht getraute zu bestehn!

Laß dir die Sorgen all vergehn,

Und wiße, Tochter Isot,

Er sei am Leben oder todt,

So ahnet mir fürwahr, er sei

Verborgen hier ganz nahebei;

Das weißagt mir der Muth.

Mithin, bedünkt es dich gut,

Müßen wir uns ans Suchen geben,

Ob Gott das Heil uns läßt erleben,

Daß wir ihn irgend finden

Und mit ihm überwinden

Die grundlose Herzensnoth,

Die uns ängstigt wie der Tod.«

So ward alsbald beschloßen:

Die vier Fahrtgenoßen

Ritten von einander fort;

Die suchte hier, die andre dort.

Nun ergieng es wie es sollte

Und das Verhängniss wollte,

Die junge Königin Isot,

Daß die ihr Leben, ihren Tod,

Ihre Wonn und ihre Pein

Zuerst erblickte von den Drein.

Von seinem Helme gieng ein Glast,

Der verrieth ihr den Gast.

Als sie den Helm hatt erschaut,

Der Mutter rief sie überlaut:

»Frau, eile dich und reit fürbaß;

Dahinten glänzt, ich weiß nicht was.

Es ist recht wie ein Helm beschaffen;

Gewiss, ich sah ihn in den Waffen.«

»In Treuen«, sprach die Mutter froh,

»Es dünkt mich, Tochter, ebenso.

Gott erhört unser Flehn:

Nach Dem wir suchen und spähn,

Den haben wir gefunden dort.«

Die Zweie riefen sofort

Die beiden Andern auch herbei

Und ritten schauen Wer es sei.

Als so bei ihrem Nahen

Die Vier ihn liegen sahen,

Sie wähnten all, er wäre todt.

»Er ist todt«, sprach jegliche Isot.

»Unsre Hoffnung ist dahin.

Der Truchsäße hat ihn

Meuchlings ermordet und erschlagen

Und hat ihn in dieß Moor getragen.«

Da stiegen von den Rossen

Die vier Fahrtgenoßen

Und zogen ihn heraus ans Land.

Sie entstrickten ihm des Helmes Band,

Die Kuppe hoben sie hindann;

Isot, die weise, sah ihn an

Und sah wohl, daß er lebte

Und doch sein Leben schwebte

Wie an einem dünnen Haar.

Sie sprach: »Er lebt, er lebt fürwahr.

Helft nur, und entwaffnet ihn;

Wenn ich dann so glücklich bin,

Daß er nicht Todeswunden hat,

So wird wohl noch für Alles Rath.«

Als die drei Schönen insgemein,

Dieser lichte Verein,

Den Armen, Elenden

Mit schneeweißen Händen

Der Waffen entbanden

Und da die Zunge fanden,

»Sieh«, sprach die Königin Isot,

»Was ist das hier so dunkelroth?

Brangäne, Herzensnichte, sprich!«

»Eine Zunge, dünket mich.«

»Du hast ganz Recht, Brangäne;

Und ist es wie ich wähne,

So war es die des Drachen:

Unser Heil will erwachen.

Herzenstochter, Schön Isot,

Ich weiß es sicher wie den Tod,

Auf die rechte Spur sind wir gekommen:

Ihm hat die Zunge benommen

Die Kraft zumal und den Sinn.«

Vollends entwaffneten sie ihn,

Und als sie weder Wunden

Noch Hieb' an ihm gefunden,

Wie wohl den Frauen all geschah!

Theriak nahm die Weise da,

Der alle Heilkunst war ein Spiel,

Und flößt' ihm ein davon so viel,

Daß er zu schwitzen begann.

»Er will genesen«, hub sie an:

»Beginnt der Dunst erst auszuziehn,

Der von der Zunge fiel auf ihn,

So wird er sprechen und uns sehn.«

Das war auch alsobald geschehn.

Er lag nicht lang bis es geschah,

Daß er beides auf und um sich sah.

Als er der wonnigen Schar

Ob und um ihn ward gewahr,

 

Er gedacht in seinem Muthe:

»Ach, Herre Gott, der gute,

Du hast in Treuen mein gedacht:

Drei Lichter stehn um mich zur Wacht,

Die schönsten, die die Erde hat,

Vieler Herzen Trost und Rath

Und manches Auges Wonne:

Isot, die lichte Sonne,

Und ihre Mutter Isot,

Das fröhliche Morgenroth;

Die stolze Brangäne,

Der Vollmond gegen jene.«

Hiemit erstarkt' er und sprach,

Doch schwach mit schwacher Stimme: »Ach,

Wer seid ihr und wo bin ich?«

»Ach, Ritter, magst du sprechen? sprich:

Wir helfen dir zu deiner Noth«,

Sprach die sinnige Isot.

»Ja, süße Herrin, selig Weib;

Doch weiß ich nicht, wie mir der Leib

Und alle Kraft in kurzer Frist

Benommen und geschwunden ist.«

Die junge Isot sah ihn an:

»Tantris ists, der Spielmann«,

Sprach sie, »wenn ich je ihn sah.«

Die beiden andern sprachen da:

»Das dünkt mich auch, bei meiner Treu.«

Die weise Köngin sprach aufs Neu:

»Bist du es, Tantris?« – »Herrin, ja.«

»So sage«, sprach die Weise da,

»Von wannen kommst du her und wie,

Und was ist dein Gewerbe hie?«

»Seligste der Frauen,

Ihr mögt wohl selber schauen,

Meine Kräfte reichen leider nicht,

Daß ich ausführlichen Bericht

Euch nach der Ordnung möge sagen.

Laßt mich führen oder tragen

Gott zu Lieb an eine Stätte,

Wo mich Jemand pfleg und bette

Nur diesen Tag und diese Nacht.

Komm ich zu meines Leibes Macht,

So thu ich Alles gern und sage

Was euch geliebe und behage.«

Da nahmen Tristanden

Die Viere zu Handen,

Und hoben ihn zu Ross alsbald.

Sie ritten mit ihm aus dem Wald,

Und brachten ihn so heimlich ein

Durch ihr Geheimthürlein,

Daß von ihrer ganzen Fahrt

Niemand nichts nur inne ward.

Da fand er Hülf und auch Gemach:

Die Zunge, die ich oft besprach,

Sein Eisenwerk und all sein Ding,

Nicht Faden mangelt' ihm noch Ring.

Sie hatten Alles mit hindann

Geführt, die Rüstung wie den Mann.

Als nun der andre Tag erschien,

Ins Gebet nahm ihn die Königin.

»Nun Tantris«, sprach sie, »sage mir,

Bei den Gnaden, die ich dir

Jetzt und das erstemal erwies,

Daß ich dich zwier genesen ließ,

Und bin dir willig und geneigt

Wie du dich Deinem Weib gezeigt:

Wann kamst du her gen Irland?

Wie erschlugst du den Serpant?«

»Herrin, ich wills euch sagen:

Ich kam in diesen Tagen,

Erst drei Tage sind es heute,

Ich und andre Kaufleute,

In diesen Hafen mit dem Kiel,

Als am Gestad uns überfiel

Ich weiß nicht welches Räuberheer:

Die hätten uns, wenn ich nicht wär

Mit meinem Gut zuvorgekommen,

Das Leben zu dem Gut genommen.

Nun ist es so mit uns bewandt,

Daß wir manches fremde Land

Heimsuchen müßen und beschaun,

Und nicht wißen Wem vertraun,

Da Jeder gern Gewalt uns thut.

Drum dacht ich, wär mir nichts so gut,

Als wenn es mir gelänge,

Durch eine That der Menge

Beliebt zu werden und bekannt,

Da Kundschaft nur in fremdem Land

Den Kaufmann reich machen kann.

Dieß war es, Frau worauf ich sann,

Denn lange war von dem Serpant

Mir die Märe wohlbekannt

Und darum nur erschlug ich ihn:

Ich hoffe, daß ich fürderhin

Bei diesem Landgesinde

Frieden und Gnade finde.«

»Fried und Gnade«, sprach Isot,

»Sein mit dir bis an den Tod,

Und Ehr auch und Gelingen.

Du bist zu guten Dingen

Uns und dir selbst hieher gekommen.

Was nun dein Herz zum Ziel genommen,

Das ist gethan, ich schaff es dir

Von meinem Herren und von mir.«

»Dank, Herrin! So ergeb ich mich

Meinen Kiel denn und mich

Gänzlich an eure Treue.

Seht, daß mich nicht gereue,

Daß ich Gut zumal und Leben

An eure Treue hab ergeben.«

»Tantris, das soll es nicht fürwahr;

Sei nur außer Sorgen gar

Um dein Gut und dein Leben.

Sieh, meine Treue will ich geben

Und meine Ehr in deine Hand,

Daß dir nie in Irland

Leid geschieht Zeit meines Lebens.

Eins bät ich gerne nicht vergebens:

Daß uns guten Rath dein Mund

Thät in einer Sache kund,

An der mir Heil und Ehre hängt.«

Und sagt' ihm Alles kurz gedrängt,

Wie sich der Truchsäße

Dieser That vermäße,

Und gern nun vor der Menge

Isotens Hand erzwänge,

Bereit die Lügenmären

Im Kampfe zu bewähren,

So ihm der Gegner käme,

Der seinen Handschuh nähme.

»Selge Herrin«, sprach Tristan,

»Laßt euch keine Sorge nahn.

Ihr habt mir zweimal Leib und Leben

Nun mit Gott zurückgegeben:

So sollen sie für euer Recht

Gerne kämpfen dieß Gefecht,

Und euch zu allen Nöthen frommen,

So lang sie mir zu Statten kommen.«

»Gott lohn es, lieber Tantris!

Des bin ich gern an dir gewiss,

Und will dir offen eingestehn,

Wenn dieser Greuel sollt ergehn,

So wären wir, Ich und Isot,

Mit lebendgem Leibe todt.«

»Nein, Herrin, thut die Rede hin!

Da ich in euerm Frieden bin,

Und auf eure Ehre habe

Gestellt das Leben wie die Habe,

Und ihr allein vertrauen soll,

So gehabt euch, traute Herrin, wohl.

Helft ihr nur zum Leben wieder,

All eure Sorgen leg ich nieder.

Und sagt mir, Frau, ist euch bekannt,

Ob die Zunge, die man bei mir fand,

Im Wald blieb? Ich vermisse sie.«

»In Treuen, nein, die hab ich hie

Und Alles was dir sonst noch Noth.

Ich und mein schönes Kind, Isot,

Wir brachten Alles dir hindann.«

»Das wird uns frommen«, sprach Tristan.

»Wohlan denn, selge Königin,

Legt alle eure Sorgen hin

Und helft mir zu des Leibes Macht;

Das Übrige wird leicht vollbracht.«

Da pflegten ihn die Beiden

Ohn alles Unterscheiden,

Die beiden Königinnen;

Und was sie nur ersinnen

Konnten, das zu Frommen

Seinem Leibe mochte kommen,

Des flißen sie sich jederzeit.

Inzwischen hatte großes Leid

Im Kiel die Kielgenoßenschaft,

Die meist in ihrer Sorgen Haft

Schon ihr Spiel verloren gaben.

Sie meinten schon verspielt zu haben,

Da sie in den zweien Tagen

Nichts hatten von ihm hören sagen,

Wohl aber des Gerüchtes Schall

Vernommen von des Drachen Fall.

Geredes ward auch viel getrieben,

Ein Ritter wäre todt geblieben;

Sein halbes Ross noch läge dort.

Die Gefährten dachten da sofort:

»Wer wär das anders als Tristan?

Fürwahr, kein Zweifel ist daran,

Hätt ihm der Tod es nicht benommen,

Er war wohl längst zurückgekommen.«

Da sannen sie ein Mittel aus

Und sandten Curvenal hinaus,

Das Ross zu schaun in jenem Thal.

Das geschah, dahin ritt Curvenal.

Er fand es und erkannt es bald.

Da ritt er weiter durch den Wald;

Den Drachen fand er auch zuhand,

Und als er da nichts weiter fand

Von allen seinen Dingen,

Von Gewand und Harnischringen,

Große Sorge fiel ihn an.

Ach, dacht er, lieber Herr, Tristan,

Bist du am Leben oder todt?

»Weh«, rief er aus, »o weh Isot,

O weh, daß deines Lobes Schall

Je drang zum Lande Cornewal!

Daß deine Schön und süße Huld

Ward an solchem Schaden Schuld

Des besten Manns von Rittersart,

Dem Schildesamt verliehen ward,

Weil ihm dein Reiz zu wohl gefiel.«

So kehrt' er wieder zu dem Kiel

Weinend und klagend

Und seine Märe sagend,

Wie er sie hatt erfahren.

Diese Mären waren

Da Vielen ein Missfallen,

Jedoch nicht ihnen Allen.

Diese schweren Mären

Mochten Alle nicht beschweren,

Da sie Vielen da gefielen;

Doch sah man auch an Vielen

Großes Leid darum, und zwar

War dieses noch die gröste Schar.

So war ihr Willen und ihr Muth

Verschieden, übel oder gut,

Daß der so entzweite Kiel

In Haufen unter sich verfiel,

Die anders sprachen, anders dachten.

Die zwanzig Barone machten

Sich kein großes Leid um ihn,

Ob er auch verloren schien.

Sie dachten so hinwegzukommen;

Kein länger Harren möge frommen,

War ihre Meinung insgemein.

Die Zwanzig mein ich allein,

Die all gesonnen waren

In der Nacht hinwegzufahren;

Die Andern riethen jedoch,

Zu bleiben und erst beßer noch

Zu forschen nach der Märe,

Wie es ihm ergangen wäre.

So sah man da gezweiten Sinn:

Diese führen gerne hin;

Des Bleibens wären jene froh.

Zuletzt verglichen sie sich so:

Da noch sein Tod nicht sicher war

Oder kund und offenbar,

So wollten sie noch bleiben,

Ihr Forschen ferner treiben

Und ihr Fragen noch zwei Tage.

Das war der Herrn Barone Klage.

Nun war der Tag auch angebrochen,

Der gen Weisfort war gesprochen,

Den Gurmun hatt entboten,

Über den Truchsäß und Isoten,

Sein Kind, Beschluß zu faßen.

Gurmuns Untersaßen,

Seine Freund und Mannen all,

Die er um Rath in diesem Fall

Entboten hatte und besandt,

Die waren Alle da zur Hand.

Zu Rathe zog er Mann für Mann

Und gieng so dringlich Jeden an,

Daß man wohl an Allem sah,

Nichts Geringres gält es da,

Als die Ehre zu behüten.

Auch ließ er in den Rath entbieten

Sein liebes Weib, die Königin:

Der trug er billig Lieb im Sinn,

Denn er hatt an Ihr allein

Zwei Seligkeiten im Verein,

Die allerhöchsten, die der Mann

An liebem Weibe finden kann:

Schönheit und Weisheit: die besaß

Sie alle beid in solchem Maß,

Er war mit vollem Recht ihr hold.

Die selge Königin Isold,

War auch, die schöne weise, da.

Als sie ihr Freund, der König, sah,

Er zog beiseit sie und begann:

»Was räthst du«, sprach er, »sag mir an?

Mich ängstets wie der bleiche Tod.«

»Seid guter Dinge«, sprach Isot,

»Unsre Ehre bleibt hier ungemindert,

Das hab ich Alles schon verhindert.«

»Wie, Herzensfrau, sage mir,

So freu ich mich doch auch mit dir.«

»Unser Truchsäß, wie er spricht,

Seht, der schlug den Drachen nicht,

Und der ihn schlug, den weiß ich wohl,

Und bewähr es, wenn ich soll.

So legt all eure Sorgen nieder

Und geht zu euerm Rathe wieder:

Sagt ihnen Allen und sprecht,

Wenn sich des Truchsäßen Recht

Bewährt und seine Würdigkeit,

So löst ihr willig euern Eid,

Der dem Lande sei geschehn.

Heißt sie Alle mit euch gehn

Und setzt euch hin, zu richten;

Fürchtet euch mit Nichten.

Laßt den Truchsäßen klagen

Und sagen was er hat zu sagen.

Ist es dann zu sprechen Zeit,

So bin ich mit Isold nicht weit,

Und gebietet ihrs, so spreche ich

Für euch, Isolden und für mich.

Laßt es jetzt hiebei beruhn:

Ich will zu meiner Tochter nun;

Bald bin ich wieder mit ihr dort.«

Nach ihrer Tochter gieng sie fort.

In den Pallas gieng der König wieder,

Zum Gerichte saß er nieder

Und mit ihm viel Barone,

Des Landes Compagnone.

Da war viel schöne Ritterschaft,

Von Rittern große Heereskraft,

Die für des Königs Ehr und Namen

Nicht so sehr zu Hofe kamen,

Als weil sie gerne wollten sehn