Römisches Theater

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Livius Andronicus’ Dramen griechischen Stils und darauf aufbauende spätere Stücke bilden, was man das ‚römische literarische Drama‘ oder ‚Roms dramatische Literatur‘ nennt. Diese Bezeichnungen sind eindeutig, wenn damit Dramenaufführungen auf der Basis schriftlich fixierter Texte von nicht-schriftlichen, oft improvisierten Aufführungen unterschieden werden sollen (wobei ‚literarisch‘ nicht eine Abgrenzung vom ‚Bühnendrama‘ impliziert). Über diese Definition hinaus wirft der Begriff ‚literarisches Drama‘ jedoch die Fragen auf, ob es andere Charakteristika gibt, die diese Art von Drama distinktiv und literarisch machen, ob die Anwendung dieser Bezeichnung einen Bruch mit vorausgehenden Traditionen impliziert und warum diese Art von Drama gerade in der Mitte des dritten Jahrhunderts v. Chr. in Rom übernommen wurde.

Für eine Antwort auf die letzte Frage ist zu berücksichtigen, dass das römische ‚literarische‘ Drama zu einem Zeitpunkt mit einer einzigarten Kombination von Faktoren aufkam: eine Bereitschaft der Römer, griechische Kultur zu übernehmen (nach langem und intensivem Kontakt mit Griechen), ein ausreichend hoher Stand der Entwicklung einheimischer Traditionen, sodass versierte Schauspieler zur Verfügung standen, ein intensiver Austausch mit anderen Völkern Italiens, die geopolitische Situation nach dem Ende des Ersten Punischen Kriegs, ein Drang zu römischer Selbstdarstellung gegenüber den griechischen Städten Italiens und der hellenistischen Welt insgesamt, ein Bestreben in Rom, den Stand von Kultur und Theater in den eroberten Gebieten zu erreichen, das besonders von der römischen Nobilität getragen wurde, das Vorhandensein eines Dichters, der sich mit griechischer Literatur und Kultur auskannte, aber in der Lage war, auf Latein zu schreiben und griechische literarische Werke so zu adaptieren, dass sie für ein römisches Publikum verständlich und interessant waren.

In dieser Zeit des beginnenden Hellenismus verlangten kulturelle Veränderungen, dass ambitionierte expandierende Städte, wenn sie eine internationale Stellung behaupten wollten, an der damals dominierenden griechischen Kultur teilnahmen. Mit diesem Bestreben ist wahrscheinlich zu erklären, dass sich in dieser Situation römische Magistrate entschieden, Drama griechischen Stils in Rom auf einer institutionalisierten Basis einzuführen. Dass eine solche Aufführung nicht ein einmaliges Ereignis blieb, muss durch die Politik der Nobilität gefördert und durch den Erfolg des Stücks (oder der Stücke) beim Publikum unterstützt worden sein. Eine Institutionalisierung hin zu öffentlicher Präsentation von Geschichten und für das Publikum interessanter Handlungsabläufe und Themen stimmt überein mit einer Blüte von Kommunikation und Darstellung im späten dritten Jahrhundert v. Chr., wie sie sich an Entwicklungen in anderen literarischen Gattungen und in der Architektur zeigt.

Auch wenn die Tatsache, dass ein qualifizierter Dichter wie Livius Andronicus zur Verfügung stand, vermutlich für die Einführung des griechischen Dramas in Rom förderlich war, war die Übertragung in erster Linie das Resultat einer Entscheidung der Magistrate und nicht ein organischer Prozess, der von Schauspielern und Dichtern getragen wurde, die neue Betätigungsfelder suchten. Daher sind die frühen Phasen des römischen ‚literarischen‘ Dramas nicht eine rein literarische Fortsetzung des damals zeitgenössischen griechischen Dramas; stattdessen führte eine politische Entscheidung zu einer neuen Situation für die Dichter, die dann auf der Basis von mittlerweile als klassisch geltenden Vorbildern Konventionen für das römische Drama entwickelten.

Die punktuelle Implantation der griechischen Dramentradition in die Literaturgeschichte Roms markiert einen klar zu benennenden Einschnitt in der Kulturpolitik und Literaturgeschichte Roms. Jedoch bedeutet die zusätzliche dauerhafte Etablierung von Dramenaufführungen im griechischen Stil keine völlige Veränderung oder Abwendung von vorausgehenden italischen Traditionen. Sie wirkten indirekt auf das sich allmählich ausdifferenzierende ‚römische literarische Drama‘ ein, da die römischen Dichter daraus Elemente, die für ein römisches Publikum möglicherweise interessant oder attraktiv waren, in Dramen griechischen Stils übernehmen konnten.

Als um 240 v. Chr. römische dramatische Aufführungen in ein ‚literarisches‘ Stadium eintraten, mögen sich die ersten Dramatiker bewusst gewesen sein, dass sie etwas Neues taten; doch können sie kaum die Dimension ihrer innovativen Leistung und deren Weiterwirken vorhergesehen haben. Diese Bedeutung wurde erst in spätrepublikanischer und frühaugusteischer Zeit allmählich deutlicher wahrgenommen. Die Anerkennung der Werke der frühen Dichter als Literatur beruht daher nicht auf einer Einschätzung im dritten und zweiten Jahrhundert v. Chr., als die Dramentexte verfasst wurden, sondern auf einer historischen Betrachtungsweise, wie sie im zweiten Jahrhundert v. Chr. einsetzte und von spätrepublikanischen und frühaugusteischen Wissenschaftlern systematischer verfolgt wurde. Man begann, die ersten Dramatiker als Teil der eigenen Kultur zu betrachten und chronologische und biographische Fragen in Bezug auf diese Texte zu erforschen. Dadurch erhielten die Dramentexte den Status von ‚Literatur‘.

Autoren der späten Republik und der frühen augusteischen Zeit wie Cicero, Varro und Horaz waren selbstverständlich ebenso vertraut mit der Geschichte der griechischen Literatur, und diese galt ihnen als Paradigma. Einige Autoren, die sich bei ihren Überlegungen zum Theater auf literarische Dramen in griechischem Stil konzentrierten, sahen daher das römische Theater als importiert an und hoben das griechische und/oder etruskische Element hervor. Entsprechend schlossen sie, dass in Rom Literatur eher spät aufgekommen sei, wobei Formen des vorliterarischen Dramas und einheimische Traditionen ignoriert wurden. Oder es wurde angenommen, dass es eine Weile gedauert habe, bis das schriftliche Drama einen akzeptablen Status erreicht hatte.

So gab es neben der verbreiteten Chronologie, wonach das römische Drama mit Livius Andronicus 240 v. Chr. anfing, die Auffassung, dass ‚die Muse‘ in Rom während des Zweiten Punischen Kriegs (218–201 v. Chr.) ‚ankam‘ (Porcius Licinus, ap. Gell. 17,21,45), und eine andere, wonach sich die Römer erst nach dem Zweiten Punischen Krieg der Tragödie zuwandten und in der Lage waren, ausgefeilte Dichtung zu produzieren (Hor. epist. 2,1,156–167 [▶ T 2]).

T 2 Horaz, epist. 2,1,156–167


Graecia capta ferum victorem cepit et artis Das eroberte Griechenland eroberte den ungeschlachten Sieger und
intulit agresti Latio. sic horridus ille brachte die Künste in das ländliche Latium. So verlor sich jenes ungepflegte
defluxit numerus Saturnius et grave virus saturnische Versmaß, und Reinlichkeit
munditiae pepulere; sed in longum tamen aevum vertrieb den üblen Geruch; aber dennoch blieben für eine lange Zeit
[160] manserunt hodieque manent vestigia ruris. [160] und bestehen heute noch Spuren des Bäurischen.
serus enim Graecis admovit acumina chartis Denn spät wandte er [der Römer] seinen scharfsinnigen Verstand griechischen Schriften zu,
et post Punica bella quietus quaerere coepit und [erst] in der Ruhe nach den Punischen Kriegen begann er zu fragen,
quid Sophocles et Thespis et Aeschylus utile ferrent. was Nützliches Sophokles, Thespis und Aischylos brächten.
temptavit quoque rem, si digne vertere posset, Er versuchte sich auch daran, ob er den Stoff angemessen übertragen könne,
[165] et placuit sibi, natura sublimis et acer; [165] und es gefiel ihm, der von Natur aus erhaben und leidenschaftlich ist;
nam spirat tragicum satis et feliciter audet, denn er atmet ausreichend tragischen Geist und geht mit glücklicher Hand ein Wagnis ein,
sed turpem putat inscite metuitque lituram. aber in seiner Unwissenheit hält er verbesserndes Überarbeiten für schändlich und scheut es.

Solche Aussagen scheinen den Anfang der Literatur in Rom auf Naevius oder sogar Ennius (geb. 239 v. Chr.) zu datieren. Sie sind jedoch nicht notwendigerweise ein Widerspruch zu der früheren Datierung: Solche Bemerkungen mögen eher darauf hinweisen, dass die Werke der Archegeten nicht als eigentliche Literatur und daher Ennius (der selbstbewusst seine Stellung propagierte) als der eigentliche Gründer der römischen Literatur angesehen wurde. Horaz beispielsweise lässt die römische Literatur in der Zeit von Livius Andronicus beginnen und scheint sich daher der verbreiteten Auffassung anzuschließen; gleichzeitig nennt er Livius Andronicus scriptor (‚Schreiber‘, ‚Verfasser‘) im Gegensatz zu poetae (‚Dichter‘), die ihm später in der republikanischen Zeit folgten (Hor. epist. 2,1,61–62). Dass er Livius Andronicus’ Dichtung nicht als ausreichend kultiviert betrachtet, kann die andere Perspektive in einem anderen Kontext erklären. Auch Cicero scheint nicht viel von Livius Andronicus’ Werken gehalten zu haben (Cic. Brut. 71).

 

In Verbindung mit einem schlechten Erhaltungszustand der Stücke vieler republikanischer Dramatiker (wofür diese frühen Beurteilungen ein Grund sein können) haben solche Werturteile die Auffassung über die frühe römische dramatische Literatur bis in die moderne Zeit beeinflusst. Auch wenn die antiken Äußerungen eine Fülle von Informationen über die Anfänge des römischen Dramas überliefern, sind die Darstellungen häufig bestimmt durch die Einschätzungen der jeweiligen Verfasser. Beispielsweise stellten die antiken Autoren Kanons der besten Dichter zusammen und etablierten ein evolutionäres Modell, nach dem die Archegeten hinsichtlich ihrer literarischen Raffinesse im Vergleich zu ihren Nachfolgern beurteilt werden anstatt in Bezug auf die Relevanz ihrer innovativen Leistungen. Dennoch empfand man offenbar, dass diese Männer für Roms Literatur wichtig und ihre Werke relevant waren. Diese Ansicht konnte sich dann zu der Überzeugung entwickeln, dass ‚Fehler‘ in den Werken früherer Dichter eher ihrer Zeit als den Dichtern selbst geschuldet seien (Quint. inst. 10,1,97).

3. Theaterwesen
3.1. Spiele und Aufführungsgelegenheiten

Im republikanischen Rom waren Aufführungen von Dramen (ludi scaenici) ein integraler Bestandteil römischer Feste. Daher sind sowohl die literarische Ausgestaltung der dramatischen Dichtung als auch die Gelegenheiten der öffentlichen Präsentation von Dramen nicht unabhängig von der allgemeinen Entwicklung der römischen Festkultur.

Festspiele in Rom lassen sich einteilen in regelmäßige Spiele, die meist zu Ehren einer Gottheit veranstaltet wurden und alljährlich zu bestimmten Zeiten im Jahresablauf stattfanden, und gelegentliche Veranstaltungen, mit denen besondere Ereignisse gefeiert wurden. Ludi sollemnes wurden regelmäßig von den dafür zuständigen Beamten veranstaltet, während als munera bezeichnete Festspiele vornehmlich von Mitgliedern reicher Familien gesponserte Veranstaltungen waren, die beispielsweise zur Erfüllung von Gelübden nach militärischen Siegen (ludi magni/votivi), zur Weihung von Tempeln (ludi ob dedicationem aedis) oder bei Begräbnissen zu Ehren von Toten (ludi funebres) gegeben wurden.

Alle Festspiele, seien sie öffentlich oder privat initiiert, konnten aus verschiedenen Elementen bestehen: Spielen im Circus (ludi circenses), wie Wagenrennen, Boxen, Wettrennen und Tierjagden (z.B. Cic. leg. 2,38; Liv. 33,25,1; 40,52,3; 42,10,5), sowie Bühnenspielen (ludi scaenici). Wegen des religiösen Kontexts begann die gesamte Veranstaltung mit einer Prozession der organisierenden Beamten, Priester, Wettkämpfer, Schauspieler, Tänzer, Musiker und von religiösen Instrumenten und Statuen von Göttern zum Platz des Fests (pompa circensis) sowie mit Opfern durch Priester und Beamte (Dion. Hal. ant. 7,72; Tert. spect. 7,2).

Nach römischer Tradition gab es in Rom offizielle Feste mit festgelegten Riten seit der Königszeit, ein von den Etruskern übernommener Brauch (Liv. 1,35,7–9; Cic. rep. 2,36; Dion. Hal. ant. 3,68,1).

Aus der frühen republikanischen Zeit kennt man lediglich ein regelmäßiges Fest: Ludi maximi oder (später) Romani zu Ehren von Iuppiter Optimus Maximus (Cic. rep. 2,36; Liv. 1,35,9; 8,40,2; 10,47,3). Seit der Weihung des Tempels des Jupiter (oder eher: der Kapitolinischen Trias) auf dem Kapitol am 13. September 509 v. Chr. (Liv. 2,8,6; 7,3,8; Pol. 3,22,1) scheinen Ludi maximi/Romani jedes Jahr am Tag der Weihung veranstaltet worden zu sein. Die Spiele fanden im Circus Maximus am Fuß des Palatin statt. Sie bestanden ursprünglich aus Opfern (sacrificia), einer rituellen Prozession aller Beteiligten (pompa circensis) sowie Spielen im Circus (ludi circenses).

364 v. Chr., in der Amtszeit des kurulischen Aedils M. Popilius Laenas, sollen szenische Aufführungen (ludi scaenici) dem Fest hinzugefügt worden sein, das sich dadurch wahrscheinlich von vier auf fünf Tage ausdehnte: Nach römischer Tradition veranlasste eine Pest die Veranstalter, diese neue Art der Aufführung (Tanz mit Musikbegleitung) aus Etrurien einzuführen (bes. Liv. 7,2,1–4 [▶ T 1]). Die antiken Quellen verbinden diese Entwicklung nicht mit den Ludi Romani; aber diese waren damals die einzigen regelmäßigen Spiele. Die Einführung von Bühnenspielen änderte den Charakter des Fests und bereitete den Weg für weitere Entwicklungen: Von 240 v. Chr. an, als Beamte den Dichter Livius Andronicus mit dem Verfassen eines (oder mehrerer) Dramen beauftragten, gehörten zu römischen ludi scaenici Aufführungen von Dramen (Cic. Brut. 72; Tusc. 1,3; Cato 50; Liv. 7,2,8; Val. Max. 2,4,4; Gell. 17,21,42; Cassiod. chron., p. 128 MGH AA 11,2 [zu 239 v. Chr.]). Die Anzahl der Tage für ludi scaenici wurde 214 v. Chr. auf vier erweitert (Liv. 24,43,7); das brachte die Ludi Romani wahrscheinlich auf eine Gesamtlänge von acht Tagen, wobei ludi scaenici und ludi circenses gleichen Anteil am Fest hatten. In der späten Republik dauerten die Spiele vom 5. bis zum 19. September (ludi scaenici: 5.–12. September).

Zwischen dem Vorabend des Zweiten Punischen Kriegs und der erfolgreichen Beendigung dieses Kriegs und der Kriege gegen östliche Königtümer (ca. 220–170 v. Chr.) wurden fünf weitere regelmäßige Feste eingeführt, mit denen Götter geehrt werden sollten, nach späteren Berichten jeweils als Reaktion auf bedeutende politische Ereignisse.

Zu Beginn des Zweiten Punischen Kriegs wurde ein weiteres Fest für Jupiter institutionalisiert: Ludi plebeii, Iuppiter Optimus Maximus geweiht, wurden (vermutlich) seit 220 v. Chr. gefeiert (Liv. 23,30,17, zu 216 v. Chr.) und von den plebeischen Aedilen organisiert. Sie fanden im Circus Flaminius auf dem Campus Martius statt (Val. Max. 1,7,4), der ungefähr 220 v. Chr. erbaut wurde (Liv. per. 20), und zwar um die Zeit der Iden des November (feriae Iovis am 13. November); in der frühen Kaiserzeit erstreckten sie sich vom 4. bis zum 17. November (ludi scaenici: 4.–12. November). Zu diesen Spielen gehörten neben Wettbewerben im Circus auch Dramenaufführungen.

Um dieselbe Zeit entwickelte sich das traditionelle Fest der Cerialia, gefeiert am 19. April (Ov. fast. 4,393–620), zu Ludi Ceriales. Sie sind belegt für 202/201 v. Chr. (Liv. 30,39,8), wurden aber wahrscheinlich kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Punischen Kriegs ungefähr 220/219 v. Chr. eingeführt, um die Schutzgottheit der plebs zu besänftigen in Antizipation potenzieller Engpässe in der Nahrungsversorgung während des Kriegs (Liv. 30,39,8; Ps.-Cypr. spect. 4,4). Dieser spezifische Zusammenhang mag erklären, warum neben Jupiter nun andere Götter durch ludi geehrt wurden; außer Ceres war das neue Fest Liber und Libera geweiht, die sich alle einen Tempel teilten. Die Spiele fanden bei diesem Tempel in der Nähe des Circus Maximus statt und wurden von den plebeischen Aedilen organisiert. Von Anfang an waren diese ludi auf szenische Spiele fokussiert; in der Kaiserzeit dauerten sie vom 12. bis zum 19. April (ludi scaenici: 12.–18. April), mit Veranstaltungen im Circus am letzten Tag.

In der Mitte des Zweiten Punischen Kriegs, 212 v. Chr., wurden Ludi Apollinares zu Ehren des Gottes Apollo zum ersten Mal veranstaltet (Liv. 25,12,2–15; Macr. Sat. 1,17,27–30). 208 v. Chr. wurden sie (wohl wegen einer Pest) zu jährlich abgehaltenen Spielen (ludi annui), die am 13. Juli stattfanden (Liv. 27,23,6–7); in der Kaiserzeit dauerten sie vom 6. bis zum 13. Juli (ludi scaenici: 6.–12. Juli). Sie wurden organisiert vom praetor urbanus und fanden in der Nähe des Tempels des Apollo und/oder im Circus Maximus statt (Liv. 25,12,14; 30,38,10–12). Sie waren vom griechischen Format adaptiert und beinhalteten von Anfang an Bühnenspiele (Fest., pp. 436/438 L.).

Zur Einführung des Kults der Magna Mater (Cybele) in Rom gab es Festivitäten in Zusammenhang mit dem aufgrund eines Spruchs der Sibyllinischen Bücher veranlassten Einzug ihres Kultbilds in Rom 204 v. Chr. (Liv. 29,10,4; 29,14,14), genannt Megalesia nach der griechischen Bezeichnung der Göttin als Μεγάλη Μήτηρ (Cic. har. resp. 24). Seit 194 v. Chr. hatte das Fest Bühnenaufführungen (Liv. 34,54,3). Jährliche Spiele (Ludi Megalenses) wurden 191 v. Chr. anlässlich der Weihung des Tempels der Magna Mater auf dem Palatin eingerichtet (Liv. 34,54; 36,36,3–4). Die Spiele wurden von den kurulischen Aedilen organisiert und fanden ‚auf dem Palatin … vor dem Tempel direkt im Angesicht der Magna Mater‘ statt (Cic. har. resp. 24: in Palatio … ante templum in ipso Matris Magnae conspectu; vgl. auch Arnob. 7,33,3; Aug. civ. 2,4). In der Kaiserzeit dauerten sie vom 4. bis zum 10. April (ludi scaenici: 4.–9. April).

Das letzte jährlich stattfindende Fest, das in der mittleren Republik eingeführt wurde, waren die Ludi Florales 238 v. Chr. Vermutlich als Reaktion auf Engpässe bei der Nahrungsversorgung widmeten die Brüder und plebeischen Aedilen L. und M. Publicii Malleoli der Göttin Flora einen Tempel (auf dem Aventin nahe beim Circus Maximus) und veranstalteten Spiele (Floralia). Wahrscheinlich aufgrund einer Pest im Jahr 174 v. Chr. wurden jährliche Ludi Florales, organisiert von den plebeischen Aedilen, gelobt und erstmals 173 v. Chr. veranstaltet (Ov. fast. 5,295–330; Liv. 41,21,5–9). Diese ersten Spiele nahmen zwei Tage in Anspruch, vermutlich den 28. und 29. April (Liv. 41,21,11); in augusteischer Zeit erstreckte sich das Fest vom 28. April bis zum 3. Mai (ludi scaenici: 28. April – 2. Mai).

In der späteren Republik kamen zwei weitere öffentliche Festspiele hinzu: Ludi Victoriae (Sullanae) und Ludi Victoriae Caesaris. Sullas Spiele sollten seinen Sieg über die Samniten am 1. November 82 v. Chr. in der Nähe der Porta Collina feiern und die Erinnerung daran bewahren (Vell. 2,27,6; Ps.-Asc. zu Cic. Verr. 1,10,31 [p. 217 Stangl]). Dieses Fest fand ab 81 v. Chr. regelmäßig statt und dauerte in der Kaiserzeit vom 26. Oktober bis zum 1. November (mit Spielen im Circus am letzten Tag). Dabei gab es Aufführungen nicht nur von Tragödien und Komödien, sondern auch von Atellanen und Mimen. Mit diesem Fest wurden sowohl die militärischen Leistungen der Römer als auch Sullas führende Rolle im militärischen wie im politischen Bereich geehrt. Zum ersten Mal diente damit ein regelmäßig wiederkehrendes Fest auch der Feier eines Individuums und war nicht einer der Hauptgottheiten gewidmet. Die Spiele hießen vermutlich ursprünglich Ludi Victoriae, und das Epitheton Sullanae wurde später zur Unterscheidung von Caesars Spielen hinzugefügt.

Caesar feierte einmalige Ludi Veneris Genetricis 46 v. Chr., als er einen Tempel für die Göttin Venus, die mythische Stammmutter der Familie der Julier, weihte (Serv. zu Verg. Aen. 1,720; App. civ. 2,102,424; 3,28,107; Cass. Dio 43,22,2–23,5); dabei rivalisierte er vermutlich mit den Spielen zur Eröffnung von Pompeius’ Theatertempel (▶ Kap. 3.3). Außerdem führte Caesar Ludi Victoriae Caesaris 45 v. Chr. ein, wobei er sich in diesem Fall mit Sulla maß; sie fanden vom 20. bis 30. Juli statt und gingen so unmittelbar der Feier des Jahrestags der Weihung des Victoria-Tempels am 1. August voraus.

Zusätzlich zu den regelmäßigen öffentlichen Spielen gab es Festspiele im Zusammenhang mit individuellen Gelegenheiten. Seit der mittleren Republik wurden diese zunehmend nicht nur als Anliegen der gesamten Gemeinschaft veranstaltet, sondern einzelne Generäle und Adlige konnten auch aus bestimmten Anlässen, etwa wenn sie im kriegerischen Einsatz für den Fall eines Siegs ein entsprechendes Gelübde getan hatten, Spiele organisieren. Da diese Spiele jedermann offenstanden, wurden sie oft vom Senat subventioniert, fanden in der Regel in Verbindung mit militärischen Siegen oder der Weihung von Tempeln statt und behielten so ein offizielles und öffentliches Element. Nichtsdestoweniger sind im Zusammenhang mit ludi votivi Streitigkeiten zwischen dem Senat und den Einzelpersonen, die sie gelobt hatten, bekannt, entweder in Bezug auf die Frage, ob diese Männer dazu berechtigt seien, Spiele zu feiern, oder, häufiger, über finanzielle Fragen (z.B. Liv. 36,36,1–2; 39,5,7–10). Offenbar wollte man verhindern, dass die Ausrichtung von Spielen zu stark für die persönliche Selbstdarstellung genutzt wurde. Dazu passen verschiedene Versuche des Senats, den Aufwand bei diesen Spielen und die dafür eingesetzten Summen einzuschränken.

 

Zwar fing die Tradition, Dramen mit einer geschlossenen Handlung auf der Bühne aufzuführen, an den Ludi Romani bescheiden an, jedoch gab es am Ende der Republik einen ausgedehnten Festkalender mit zahlreichen Gelegenheiten für Dramenaufführungen. Zur Zeit des Kaisers Augustus waren ungefähr 43 Tage für dramatische Aufführungen vorgesehen. Im Verlauf der Kaiserzeit nahm zwar der prozentuale Anteil der ludi scaenici an den Spielen insgesamt ab; die absolute Zahl der Tage mit Dramenaufführungen wuchs jedoch bis auf ungefähr 100 Tage zu Beginn der Spätantike an. Außerdem war in der Kaiserzeit die Beziehung zwischen Theateraufführungen und speziellen Festen offenbar weniger eng: Beispielsweise fanden Aufführungen von Dramen oder jedenfalls von Auszügen aus bekannten Stücken nicht nur im Theater, sondern auch in privatem Rahmen statt, und Kaiser Caligula war bekannt dafür, dass er Bühnenaufführungen jeder Art und zu jeder Zeit organisierte (Suet. Cal. 18,1–2).

Auch wenn von der Genese her Aufführungen von Dramen ein Bestandteil von Spielen mit religiösem Hintergrund waren, hatte das offenbar keine unmittelbaren Konsequenzen für die Thematik der Handlung oder die dramatischen Gattungen der aufgeführten Stücke. Im Prinzip konnten alle Typen von Dramen an allen öffentlichen Spielen auf die Bühne gebracht werden. Lediglich für die Ludi Florales ist belegt, dass Aufführungen von (teilweise derben und lasziven) Mimen ein besonderes Charakteristikum waren; Mimen wurden auch an den Ludi Victoriae (Sullanae) gezeigt. Praetexten, die als Theaterstücke unter anderem siegreiche Kriegszüge aus der jüngsten Zeit vor Augen stellten, wurden wahrscheinlich an Spielen aufgeführt, die mit deren Feier in Zusammenhang standen, etwa in Verbindung mit der Weihung eines während der Kampagne gelobten Tempels oder beim Begräbnis eines siegreichen Feldherrn.

Was den Spielplan angeht, ist unbekannt, wie viele Dramen an jedem einzelnen Fest aufgeführt wurden bzw. an einem der für ludi scaenici reservierten Tage, wie hoch die jeweiligen Anteile der verschiedenen dramatischen Gattungen waren oder ob es Regelungen für deren Verteilung gab. Die Tatsache, dass 44 v. Chr. eine geplante Aufführung von Accius’ Praetexta Brutus kurzfristig durch die seiner Tragödie Tereus ersetzt wurde (Cic. Att. 16,2,3; 16,5,1; Phil. 1,36), spricht dafür (sofern man verallgemeinern darf), dass Tragödien und Praetexten an derselben Stelle im Programm stehen konnten. Wenn Accius gesagt haben soll (Cic. Brut. 229), dass er und Pacuvius jeweils ein Stück ‚unter denselben Aedilen‘ (isdem aedilibus) aufgeführt hätten, ist unklar, ob diese Aussage impliziert, dass Tragödien verschiedener Dramatiker an demselben Fest gezeigt wurden, oder sich auf verschiedene von den Aedilen in demselben Jahr organisierte Feste bezieht.

Für einige Dramen ist der Aufführungskontext bekannt: An den Ludi plebeii von 200 v. Chr. ließen die plebeischen Aedilen Cn. Baebius Tamphilus und L. Terentius Massiliota Plautus’ Stichus aufführen (Did. zu Plaut. Stich.; Liv. 31,50,3). Ennius soll 169 v. Chr. gestorben sein, nachdem seine Tragödie Thyestes an den Ludi Apollinares dieses Jahres, ausgerichtet vom praetor urbanus C. Sulpicius Gallus, aufgeführt worden war (Cic. Brut. 78). Eine weitere Aufführung einer Tragödie an den Ludi Apollinares bezeugt Cicero für 59 v. Chr. (Cic. Att. 2,19,3). Offenkundig gab es auch Aufführungen von Praetexten an den Ludi Apollinares, wie eine Bemerkung Varros zeigt (Varro, ling. 6,18). Aus Ciceros Berichten ergibt sich, dass 44 v. Chr. für dieses Fest Accius’ Praetexta Brutus vorgesehen war, dann aber seine Tragödie Tereus gegeben wurde (Cic. Att. 16,2,3; 16,5,1; Phil. 1,36). Plautus’ Pseudolus wurde an den Ludi Megalenses von 191 v. Chr. aufgeführt (Did. zu Plaut. Pseud.). Ebenfalls ursprünglich an den Ludi Megalenses wurden vier Komödien von Terenz (An.; Haut.; Eun.; Hec. I) auf die Bühne gebracht (Did. zu Ter. An.; Haut.; Eun.; Hec.; Don. zu Ter. An., praef. 1,6; zu Eun., praef. 1,6; zu Hec., praef. 1,6); sein Phormio wurde an den Ludi Romani gezeigt (Did. zu Ter. Phorm.). Zwei weitere Komödien von Terenz (Ad.; Hec. II) kamen an den Begräbnisspielen für L. Aemilius Paulus 160 v. Chr. zur Aufführung (Did. zu Ter. Ad.; Hec.; Don. zu Ter. Ad., praef. 1,6; Liv. 31,50,4; 41,28,11; Suet. Iul. 84). Eine Aufführung der Tragödie Thyestes von L. Varius Rufus gehörte zu den Feierlichkeiten 29 v. Chr. nach dem Sieg bei Actium (Did. in Cod. Paris. 7530 et Casin. 1086 [p. 309 Klotz]).