Das verlorene Leben

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Das verlorene Leben
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Gabi Sommer

Das verlorene Leben

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Inhaltsverzeichnis

Titel

DAS VERLORENE LEBEN

Widmung

Impressum neobooks

DAS VERLORENE LEBEN

Carpe diem = nutze den Tag

(Es könnte Dein Letzter sein)

Sie war 13 Jahre alt, als der Fliegeralarm begann.

Ein jugendliches Schulkind noch, klein und zart gebaut.

Wir schreiben das Jahr 1940.

Seit drei Jahren war sie Mitglied bei den „JM“ (Jung Mädchen) und sollte bald in den „BDM“ (Bund Deutscher

Mädchen) aufgenommen werden.

Als sie ein jüngeres Schulmädchen war, war sie organisiert in der „Kükengruppe“.

Organisiert sein wollte sie gerne.

Sie wollte immer so sein, wie ihr großer Bruder.

Dem eiferte sie nach.

Er war ihr Vorbild.

Er ging auf die Oberschule.

Ein „HJ“ (Hitler Junge) war er.

Es gab auch vor diesen verheerenden Bombennächten zu Ostern 1942 immer mal wieder Fliegeralarm.

Dabei bestand kein Kellerzwang.

Die Menschen mussten noch nicht mit ihrem Hab und Gut in die Keller eilen.

Sie beendete die Schule im Jahre 1941, mit 14 Jahren.

Gerne wäre sie weiterhin zum Unterricht gegangen.

Sie war eine gute Schülerin, das Lernen machte ihr Spaß.

Ihre Lehrerin kam mehrfach zu Hausbesuchen zu ihnen und sprach mit ihren Eltern, um sie irgendwie zu

ermuntern, das Schulgeld aufzubringen.

Aber, sie waren vier Kinder zu Hause.

Der Bruder war auf der Mittelschule – er hatte eine Freistelle, der Staat bezahlte seine Mittelschulausbildung.

Nur ein Kind pro Familie bekam diese Freistelle.

Für das andere - oder die anderen Kinder - hätte die Familie das Schulgeld selbst aufbringen müssen.

Das konnten ihre Eltern nicht.

Alle Mädchen, die nach der 8.Klasse abgingen, weil die Eltern für eine weitere Schulausbildung kein Geld hatten

und die dann eine Lehre antreten wollten um einen Beruf zu ergreifen, mussten vorher ein „Pflichtjahr“ absolvieren.

Das wollte sie.

Also kam sie für ein Jahr auf`s Land, zu Bauern, nach Admannshagen.

Dort bekam sie unter dem Dach eine kleine Stube zugewiesen.

„Dor boben is diene Stuv“, sagte der Bauer bei der Begrüßung.

Man sprach Plattdeutsch.

In diesem einen Jahr radelte sie so oft nach Hause, wie es ihr möglich war.

Bei Wind und Wetter war sie unterwegs, um für ein paar Stunden am Wochenende bei ihrer Familie sein zu können.

Das Heimweh war so groß.

Nie zuvor war sie von ihren Lieben getrennt gewesen.

Die Familie lebte in Rostock, in der Altstadt, im Hinterhaus.

Die Familie, das waren die Mutter, die sie vergötterte, der Vater, orthopädischer Schumacher, der dem Alkohol gerne

zusprach - quartalsweise nur, aber dann ordentlich.

Auch zwei ältere Schwestern und der „große“ Bruder lebten mit in der gemeinsamen Wohnung.

Eine der Schwestern war zwei Jahre älter als sie, die andere sogar sechs Jahre.

Sie war die Jüngste in der Riege.

Die älteste der Schwestern war krank.

Sie hatte die „englische Krankheit“.

„Knochenerweichung“ sagten alle.

Sie besuchte die Schule vier Jahre lang und dann kam sie auch geistig nicht mehr mit.

Diese Schwester war behindert und ein Pflegefall.

Sie versuchte also jedes Wochenende nach Hause zu kommen, um ihrer Mutter nahe und behilflich zu sein und auch,

um ihren Bruder zu sehen.

Sonntags dann wollte sie partout nicht zurück auf`s Land- das Heimweh wurde im Laufe der Zeit einfach nicht

weniger.

Das Pflichtjahr dort auf dem Lande war anstrengend für dies junge, zierliche Ding, denn sie wog knapp 43 kg und

war nur 1,50 m klein.

Zu ihren Aufgaben zählten das Ausfegen und Aufwischen des Bauernhauses, auch Gartenarbeit, wie z.B.

Harken, Unkraut zupfen, Gemüse jäten - selbst Hühner und Kälber fütterte sie.

Sie musste mit all` den anderen Arbeitern des Bauernhofes hinaus auf`s Feld, um Rüben zu verziehen,

Kartoffeln aufzusammeln und sie half auch bei der Heuernte.

Ein netter Oberknecht hatte ein freundschaftlich- väterliches Auge auf die Kleine „geworfen“ und half ihr, wenn

eine Arbeit zu schwer für sie war.

Er hob sie z.B. auf den Heuwagen und so durfte sie nach getaner Arbeit oben sitzend zurück zum Bauernhaus fahren.

Sie nahm in dem einen Jahr, trotz schwerer, ungewohnter Arbeit, rund 10 kg zu.

Während dieser Zeit, schloß ihre Mutter den Lehrvertrag bei Kempkens & Co. in Rostock für sie ab.

Sie begann ihre kaufmännische Ausbildung am 1. April 1942.

So gerne wollte sie, wie viele andere Mädchen ihrer Kaufmanns-Klasse, einen Freund haben.

Niemand der Jungs allerdings guckte die „Kleine“ an.

Sie erzählte dies traurig ihrem großen Bruder.

Der kam am nächsten Tag und sagte zu ihr:

„Du der Franz, aus der Kurzen Straße ist jetzt Dein Freund.“

So konnte sie ihren Klassen Kameradinnen berichten, dass sie auch einen Freund hatte.

Ihr Bruder hatte dies mit seinem Kumpel so abgemacht.

Am 2. April 1942 wurde sie 15 Jahre alt.

Die Mutter hatte für sie und ihre zwei Jahre ältere Schwester im Vorderhaus ein Zimmer gemietet.

Sie sollte ihr eigenes `Reich` haben nun als Berufstätige.Ihre Schwester arbeitete als Hausdame in Rostock bei einer

Familie, bei der sie auch schon gelernt hatte und die sie dann in Festanstellung übernahm nach ihrer Ausbildung.

Sie kam meistens abends nach der Arbeit nach Hause – das fand unsere Erzählerin nicht so gut, denn gerne wollte

sie das neue Zimmer auch mal ganz für sich alleine haben.

Der Vater war zu dieser Zeit `trocken`.

Er war seit einiger Zeit in der „Guttempler Loge“ organisiert.

`Logenbruder` war die Bezeichnung für Seinesgleichen.

Ein eisernes Gesetz war es dort, keinen Alkohol zu trinken.

So konnte er sich sehr gut um seine Familie kümmern, nun, als man munkelte, es würde größere Luftangriffe

auf Rostock geben.

Immer mal wieder wurde die Stadt jetzt schon attackiert.

Seine beiden jüngeren Töchter, die er vor der Bombardierung in Sicherheit wissen wollte, und einigen Hausrat

brachte er am Wochenende mit einem Ziehwagen, während der bombenfreien Stunden, nach Klein Kussewitz.

Dort hatte die Familie gute Freunde.

Die Mutter wollte wenigstens Bettzeug, also Zudecken, Kopfkissen etc. `retten`, sollte das Haus der Familie den

Flammen zum Opfer fallen.

Auch brachte der Vater von den Bekannten dann gleich Lebensmittel mit, die in der Stadt rar geworden waren.

Die Älteste konnte nicht mehr reisen, dazu war sie zu krank.

Sie musste vom Vater vom Hinterhaus ins Vorderhaus in den Luftschutzbunker getragen werden während der

schlimmen, verheerenden Bombennächte vom 23.-27.4.1942.

Am Donnerstag, in der Nacht vom 23. zum 24.April, bricht das erste Bombardement über Rostock herein.

Es folgen die Angriffe in der Nacht vom 24. auf den 25.4.,

vom 25. auf den 26.4. und

der Angriff vom 26.4 auf den 27.4.1942.

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