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Minna von Barnhelm

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Minna von Barnhelm
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1. Akt

1. Szene

(Just sitzet in einem Winkel, schlummert und redet im Traume.)

Just

Schurke von einem Wirte! Du, uns?—Frisch, Bruder!—Schlag zu, Bruder!

(Er holt aus und erwacht durch die Bewegung.) Heda! schon wieder?

Ich mache kein Auge zu, so schlage ich mich mit ihm herum. Hätte er nur erst die Hälfte von allen den Schlägen!—Doch sieh, es ist Tag!

Ich muß nur bald meinen armen Herrn aufsuchen. Mit meinem Willen soll er keinen Fuß mehr in das vermaledeite Haus setzen. Wo wird er die Nacht zugebracht haben?

2. Szene

(Der Wirt. Just.)

Wirt Guten Morgen, Herr Just, guten Morgen! Ei, schon so früh auf? Oder soll ich sagen: noch so spät auf?

Just

Sage Er, was Er will.

Wirt

Ich sage nichts als "Guten Morgen"; und das verdient doch wohl, daß

Herr Just "Großen Dank" darauf sagt?

Just

Großen Dank!

Wirt

Man ist verdrießlich, wenn man seine gehörige Ruhe nicht haben kann.

Was gilt's, der Herr Major ist nicht nach Hause gekommen, und Er hat hier auf ihn gelauert?

Just

Was der Mann nicht alles erraten kann!

Wirt

Ich vermute, ich vermute.

Just (kehrt sich um und will gehen). Sein Diener!

Wirt (hält ihn). Nicht doch, Herr Just!

Just

Nun gut; nicht Sein Diener!

Wirt Ei, Herr Just! ich will doch nicht hoffen, Herr Just, Daß Er noch von gestern her böse ist? Wer wird seinen Zorn über Nacht behalten?

Just

Ich; und über alle folgende Nächte.

Wirt

Ist das christlich?

Just Ebenso christlich, als einen ehrlichen Mann, der nicht gleich bezahlen kann, aus dem Hause stoßen, auf die Straße werfen.

Wirt

Pfui, wer könnte so gottlos sein?

Just

Ein christlicher Gastwirt.—Meinen Herrn! so einen Mann! so einen Offizier!

Wirt Den hätte ich aus dem Hause gestoßen? auf die Straße geworfen? Dazu habe ich viel zu viel Achtung für einen Offizier und viel zu viel Mitleid mit einem abgedankten! Ich habe ihm aus Not ein ander Zimmer einräumen müssen.—Denke Er nicht mehr daran, Herr Just. (Er ruft in die Szene.) Holla!—Ich will's auf andere Weise wiedergutmachen. (Ein Junge kömmt.) Bring ein Gläschen; Herr Just will ein Gläschen haben; und was Gutes!

Just Mache Er sich keine Mühe, Herr Wirt. Der Tropfen soll zu Gift werden, den—Doch ich will nicht schwören; ich bin noch nüchtern!

Wirt (zu dem Jungen, der eine Flasche Likör und ein Glas bringt). Gib her; geh!—Nun, Herr Just, was ganz Vortreffliches; stark, lieblich, gesund. (Er füllt und reicht ihm zu.) Das kann einen überwachten Magen wieder in Ordnung bringen!

Just

Bald dürfte ich nicht!—Doch warum soll ich meiner Gesundheit seine Grobheit entgelten lassen?—(Er nimmt und trinkt.)

Wirt

Wohl bekomm's, Herr Just!

Just (indem er das Gläschen wieder zurückgibt). Nicht übel!—Aber, Herr Wirt, Er ist doch ein Grobian!

Wirt Nicht doch, nicht doch!—Geschwind noch eins; auf einem Beine ist nicht gut stehen.

Just (nachdem er getrunken). Das muß ich sagen: gut, sehr gut!—Selbst gemacht, Herr Wirt?—

Wirt

Behüte! veritabler Danziger! echter, doppelter Lachs!

Just

Sieht Er, Herr Wirt; wenn ich heucheln könnte, so würde ich für so was heucheln; aber ich kann nicht; es muß raus:—Er ist doch ein Grobian,

Herr Wirt!

Wirt In meinem Leben hat mir das noch niemand gesagt.—Noch eins, Herr Just; aller guten Dinge sind drei!

Just

Meinetwegen! (Er trinkt.) Gut Ding, wahrlich gut Ding!—Aber auch die Wahrheit ist gut Ding.—Herr Wirt, Er ist doch ein Grobian!

Wirt

Wenn ich es wäre, würde ich das wohl so mit anhören?

Just

O ja, denn selten hat ein Grobian Galle.

Wirt

Nicht noch eins, Herr Just? Eine vierfache Schnur hält desto besser.

Just Nein, zu viel ist zu viel! Und was hilft's Ihn, Herr Wirt? Bis auf den letzten Tropfen in der Flasche würde ich bei meiner Rede bleiben. Pfui, Herr Wirt, so guten Danziger zu haben und so schlechte Mores!– Einem Manne wie meinem Herrn, der Jahr und Tag bei Ihm gewohnt, von dem Er schon so manchen schönen Taler gezogen, der in seinem Leben keinen Heller schuldig geblieben ist; weil er ein paar Monate her nicht prompt bezahlt, weil er nicht mehr so viel aufgehen läßt—in der Abwesenheit das Zimmer auszuräumen!

Wirt Da ich aber das Zimmer notwendig brauchte? da ich voraussähe, daß der Herr Major es selbst gutwillig würde geräumt haben, wenn wir nur lange auf seine Zurückkunft hätten warten können? Sollte ich denn so eine fremde Herrschaft wieder von meiner Türe wegfahren lassen? Sollte ich einem andern Wirte so einen Verdienst mutwillig in den Rachen jagen? Und ich glaube nicht einmal, daß sie sonstwo unterkommen wäre. Die Wirtshäuser sind jetzt alle stark besetzt. Sollte eine so junge, schöne, liebenswürdige Dame auf der Straße bleiben? Dazu ist Sein Herr viel zu galant! Und was verliert er denn dabei? Habe ich ihm nicht ein anderes Zimmer dafür eingeräumt?

Just

Hinten an dem Taubenschlage; die Aussicht zwischen des Nachbars Feuermauern—

Wirt Die Aussicht war wohl sehr schön, ehe sie der verzweifelte Nachbar verbaute. Das Zimmer ist doch sonst galant und tapeziert—

Just

Gewesen!

Wirt

Nicht doch, die eine Wand ist es noch. Und Sein Stübchen darneben, Herr Just; was fehlt dem Stübchen? Es hat einen Kamin, der zwar im Winter ein wenig raucht—

Just Aber doch im Sommer recht hübsch läßt.—Herr, ich glaube gar, Er vexiert uns noch obendrein?—

Wirt

Nu, nu, Herr Just, Herr Just—

Just

Mache Er Herr Justen den Kopf nicht warm, oder—

Wirt

Ich macht' ihn warm? der Danziger tut's!—

Just Einen Offizier wie meinen Herrn! Oder meint Er, daß ein abgedankter Offizier nicht auch ein Offizier ist, der Ihm den Hals brechen kann? Warum waret ihr im Kriege so geschmeidig, ihr Herren Wirte? Warum war denn da jeder Offizier ein würdiger Mann und jeder Soldat ein ehrlicher, braver Kerl? Macht euch das bißchen Friede schon so übermütig?

Wirt

Was ereifert Er sich nun, Herr Just?—

Just

Ich will mich ereifern.—

3. Szene

(v. Tellheim. Der Wirt. Just.)

Tellheim (im Hereintreten). Just!

Just (in der Meinung, daß ihn der Wirt nenne). Just?—So bekannt sind wir?—

Tellheim

Just!

Just

Ich dächte, ich wäre wohl Herr Just für Ihn!

Wirt (der den Major gewahr wird). St! st! Herr, Herr, Herr Just—seh Er sich doch um; Sein Herr—

Tellheim

Just, ich glaube, du zankst? Was habe ich dir befohlen?

Wirt Oh, Ihro Gnaden! zanken? da sei Gott vor! Ihr untertänigster Knecht sollte sich unterstehen, mit einem, der die Gnade hat, Ihnen anzugehören, zu zanken?

Just

Wenn ich ihm doch eins auf den Katzenbuckel geben dürfte!—

Wirt

Es ist wahr, Herr Just spricht für seinen Herrn, und ein wenig hitzig.

Aber daran tut er recht; ich schätze ihn um so viel höher; ich liebe ihn darum.—

Just

Daß ich ihm nicht die Zähne austreten soll!

Wirt Nur schade, daß er sich umsonst erhitzt. Denn ich bin gewiß versichert, daß Ihro Gnaden keine Ungnade deswegen auf mich geworfen haben, weil—die Not—mich notwendig—

Tellheim Schon zuviel, mein Herr! Ich bin Ihnen schuldig; Sie räumen mir in meiner Abwesenheit das Zimmer aus; Sie müssen bezahlt werden; ich muß wo anders unterzukommen suchen. Sehr natürlich!—

Wirt Wo anders? Sie wollen ausziehen, gnädiger Herr? Ich unglücklicher Mann! ich geschlagner Mann! Nein, nimmermehr! Eher muß die Dame das Quartier wieder räumen. Der Herr Major kann ihr, will ihr sein Zimmer nicht lassen; das Zimmer ist sein; sie muß fort; ich kann ihr nicht helfen.—Ich gehe, gnädiger Herr—

Tellheim

Freund, nicht zwei dumme Streiche für einen! Die Dame muß in dem Besitze des Zimmers bleiben.—

Wirt Und Ihro Gnaden sollten glauben, daß ich aus Mißtrauen, aus Sorge für meine Bezahlung?—Als wenn ich nicht wüßte, daß mich Ihro Gnaden bezahlen können, sobald Sie nur wollen.—Das versiegelte Beutelchen— fünfhundert Taler Louisdor stehet drauf—welches Ihro Gnaden in dem Schreibepulte stehen gehabt—ist in guter Verwahrung.—

Tellheim

Das will ich hoffen; so wie meine übrige Sachen.—Just soll sie in Empfang nehmen, wenn er Ihnen die Rechnung bezahlt hat.—

Wirt Wahrhaftig, ich erschrak recht, als ich das Beutelchen fand.—Ich habe immer Ihro Gnaden für einen ordentlichen und vorsichtigen Mann gehalten, der sich niemals ganz ausgibt.—Aber dennoch—wenn ich bar Geld in dem Schreibepulte vermutet hätte—

Tellheim

Würden Sie höflicher mit mir verfahren sein. Ich verstehe Sie.—Gehen Sie nur, mein Herr; lassen Sie mich; ich habe mit meinem Bedienten zu sprechen.—

Wirt

Aber, gnädiger Herr—

Tellheim Komm, Just, der Herr will nicht erlauben, daß ich dir in seinem Hause sage, was du tun sollst.—

Wirt

Ich gehe ja schon, gnädiger Herr!—Mein ganzes Haus ist zu Ihren Diensten.

4. Szene

(v. Tellheim. Just.)

Just (der mit dem Fuße stampft und dem Wirte nachspuckt). Pfui!

Tellheim

Was gibt's?

Just

Ich ersticke vor Bosheit.

Tellheim

Das wäre soviel als an Vollblütigkeit.

Just Und Sie—Sie erkenne ich nicht mehr, mein Herr. Ich sterbe vor Ihren Augen, wenn Sie nicht der Schutzengel dieses hämischen, unbarmherzigen Rackers sind! Trotz Galgen und Schwert und Rad hätte ich ihn—hätte ich ihn mit diesen Händen erdrosseln, mit diesen Zähnen zerreißen wollen.—

Tellheim

Bestie!

Just

Lieber Bestie als so ein Mensch!

Tellheim

 

Was willst du aber?

Just

Ich will, daß Sie es empfinden sollen, wie sehr man Sie beleidiget.

Tellheim

Und dann?

Just

Daß Sie sich rächten.—Nein, der Kerl ist Ihnen zu gering.—

Tellheim Sondern, daß ich es dir auftrüge, mich zu rächen? Das war von Anfang mein Gedanke. Er hätte mich nicht wieder mit Augen sehen und seine Bezahlung aus deinen Händen empfangen sollen. Ich weiß, daß du eine Handvoll Geld mit einer ziemlich verächtlichen Miene einem hinwerfen kannst.—

Just

So? eine vortreffliche Rache!—

Tellheim

Aber die wir noch verschieben müssen. Ich habe keinen Heller bares Geld mehr; ich weiß auch keines aufzutreiben.

Just

Kein bares Geld? Und was ist denn das für ein Beutel mit fünfhundert Taler Louisdor, den der Wirt in Ihrem Schreibpulte gefunden?

Tellheim

Das ist Geld, welches mir aufzuheben gegeben worden.

Just Doch nicht die hundert Pistolen, die Ihnen Ihr alter Wachtmeister vor vier oder fünf Wochen brachte?

Tellheim

Die nämlichen, von Paul Wernern. Warum nicht?

Just

Diese haben Sie noch nicht gebraucht? Mein Herr, mit diesen können Sie machen, was Sie wollen. Auf meine Verantwortung—

Tellheim

Wahrhaftig?

Just

Werner hörte von mir, wie sehr man Sie mit Ihren Forderungen an die Generalkriegskasse aufzieht. Er hörte—

Tellheim Daß ich sicherlich zum Bettler werden würde, wenn ich es nicht schon wäre.—Ich bin dir sehr verbunden, Just.—Und diese Nachricht vermochte Wernern, sein bißchen Armut mit mir zu teilen.—Es ist mir doch lieb, daß ich es erraten habe.—Höre, Just, mache mir zugleich auch deine Rechnung; wir sind geschiedene Leute.—

Just

Wie? was?

Tellheim

Kein Wort mehr; es kömmt jemand.—

5. Szene

(Eine Dame in Trauer. v. Tellheim. Just.)

Dame

Ich bitte um Verzeihung, mein Herr!—

Tellheim

Wen suchen Sie, Madame?—

Dame

Eben den würdigen Mann, mit welchem ich die Ehre habe zu sprechen.

Sie kennen mich nicht mehr? Ich bin die Witwe Ihres ehemaligen Stabsrittmeisters—

Tellheim

Um des Himmels willen, gnädige Frau! welche Veränderung!—

Dame

Ich stehe von dem Krankenbette auf, auf das mich der Schmerz über den Verlust meines Mannes warf. Ich muß Ihnen früh beschwerlich fallen, Herr Major. Ich reise auf das Land, wo mir eine gutherzige, aber eben auch nicht glückliche Freundin eine Zuflucht vors erste angeboten.—

Tellheim (zu Just). Geh, laß uns allein.—

6. Szene

(Die Dame. v. Tellheim.)

Tellheim Reden Sie frei, gnädige Frau! Vor mir dürfen Sie sich Ihres Unglücks nicht schämen. Kann ich Ihnen worin dienen?

Dame

Mein Herr Major—

Tellheim Ich beklage Sie, gnädige Frau! Worin kann ich Ihnen dienen? Sie wissen, Ihr Gemahl war mein Freund; mein Freund, sage ich; ich war immer karg mit diesem Titel.

Dame Wer weiß es besser als ich, wie wert Sie seiner Freundschaft waren, wie wert er der Ihrigen war? Sie würden sein letzter Gedanke, Ihr Name der letzte Ton seiner sterbenden Lippen gewesen sein, hätte nicht die stärkere Natur dieses traurige Vorrecht für seinen unglücklichen Sohn, für seine unglückliche Gattin gefordert—

Tellheim Hören Sie auf, Madame! Weinen wollte ich mit Ihnen gern; aber ich habe heute keine Tränen. Verschonen Sie mich! Sie finden mich in einer Stunde, wo ich leicht zu verleiten wäre, wider die Vorsicht zu murren.—O mein rechtschaffner Marloff! Geschwind, gnädige Frau, was haben Sie zu befehlen? Wenn ich Ihnen zu dienen imstande bin, wenn ich es bin—

Dame Ich darf nicht abreisen, ohne seinen letzten Willen zu vollziehen. Er erinnerte sich kurz vor seinem Ende, daß er als Ihr Schuldner sterbe, und beschwor mich, diese Schuld mit der ersten Barschaft zu tilgen. Ich habe seine Equipage verkauft und komme, seine Handschrift einzulösen.—

Tellheim

Wie, gnädige Frau? darum kommen Sie?

Dame

Darum. Erlauben Sie, daß ich das Geld aufzähle.

Tellheim

Nicht doch, Madame! Marloff mir schuldig? das kann schwerlich sein.

Lassen Sie doch sehen. (Er ziehet sein Taschenbuch heraus und sucht.)

Ich finde nichts.

Dame Sie werden seine Handschrift verlegt haben, und die Handschrift tut nichts zur Sache.—Erlauben Sie—

Tellheim Nein, Madame! so etwas pflege ich nicht zu verlegen. Wenn ich sie nicht habe, so ist es ein Beweis, daß ich nie eine gehabt habe, oder daß sie getilgt und von mir schon zurückgegeben worden.

Dame

Herr Major!—

Tellheim Ganz gewiß, gnädige Frau. Nein, Marloff ist mir nichts schuldig gebleiben. Ich wüßte mich auch nicht zu erinnern, daß er mir jemals etwas schuldig gewesen wäre. Nicht anders, Madame; er hat mich vielmehr als seinen Schuldner hinterlassen. Ich habe nie etwas tun können, mich mit einem Manne abzufinden, der sechs Jahre Glück und Unglück, Ehre und Gefahr mit mir geteilet. Ich werde es nicht vergessen, daß ein Sohn von ihm da ist. Er wird mein Sohn sein, sobald ich sein Vater sein kann. Die Verwirrung, in der ich mich jetzt selbst befinde—

Dame

Edelmütiger Mann! Aber denken Sie auch von mir nicht zu klein!

Nehmen Sie das Geld, Herr Major; so bin ich wenigstens beruhiget.—

Tellheim Was brauchen Sie zu Ihrer Beruhigung weiter als meine Versicherung, daß mir dieses Geld nicht gehöret? Oder wollen Sie, daß ich die unerzogene Waise meines Freundes bestehlen soll? Bestehlen, Madame; das würde es in dem eigentlichsten Verstande sein. Ihm gehört es, für ihn legen Sie es an!—

Dame Ich verstehe Sie; verzeihen Sie nur, wenn ich noch nicht recht weiß, wie man Wohltaten annehmen muß. Woher wissen es denn aber auch Sie, daß eine Mutter mehr für ihren Sohn tut, als sie für ihr eigen Leben tun würde? Ich gehe—

Tellheim Gehen Sie, Madame, gehen Sie! Reisen Sie glücklich! Ich bitte Sie nicht, mir Nachricht von Ihnen zu geben. Sie möchte mir zu einer Zeit kommen, wo ich sie nicht nutzen könnte. Aber noch eines, gnädige Frau; bald hätte ich das Wichtigste vergessen. Marloff hat noch an der Kasse unsers ehemaligen Regiments zu fordern. Seine Forderungen sind so richtig wie die meinigen. Werden meine bezahlt, so müssen auch die seinigen bezahlt werden. Ich hafte dafür.—

Dame

Oh! Mein Herr—Aber ich schweige lieber.—Künftige Wohltaten so vorbereiten, heißt sie in den Augen des Himmels schon erwiesen haben.

Empfangen Sie seine Belohnung und meine Tränen! (Geht ab.)

7. Szene

(v. Tellheim.)

Tellheim

Armes, braves Weib! Ich muß nicht vergessen, den Bettel zu vernichten.

(Er nimmt aus seinem Taschenbuche Briefschaften, die er zerreißt.)

Wer steht mir dafür, daß eigner Mangel mich nicht einmal verleiten könnte, Gebrauch davon zu machen?

8. Szene

(Just. v. Tellheim.)

Tellheim

Bist du da?

Just (indem er sich die Augen wischt). Ja!

Tellheim

Du hast geweint?

Just Ich habe in der Küche meine Rechnung geschrieben, und die Küche ist voll Rauch. Hier ist sie, mein Herr!

Tellheim

Gib her.

Just

Haben Sie Barmherzigkeit mit mir, mein Herr. Ich Weiß wohl, daß die Menschen mit Ihnen keine haben, aber—

Tellheim

Was willst du?

Just

Ich hätte mir ehr den Tod als meinen Abschied vermutet.

Tellheim Ich kann dich nicht länger brauchen; ich muß mich ohne Bedienten behelfen lernen. (Schlägt die Rechnung auf und lieset.) "Was der Herr Major mir schuldig: Drei und einen halben Monat Lohn, den Monat 6 Taler, macht 21 Taler. Seit dem Ersten dieses an Kleinigkeiten ausgelegt 1 Taler 7 Gr. 9 Pf. Summa Summarum 22 Taler 7 Gr. 9 Pf."– Gut, und es ist billig, daß ich diesen laufenden Monat ganz bezahle.

Just

Die andere Seite, Herr Major—

Tellheim Noch mehr? (Lieset.) Was dem Herrn Major ich schuldig: An den Feldscher für mich bezahlt 25 Taler. Für Wartung und Pflege während meiner Kur für mich bezahlt 39 Taler. Meinem abgebrannten und geplünderten Vater auf meine Bitte vorgeschossen, ohne die zwei Beutepferde zu rechnen, die er ihm geschenkt, 50 Taler. Summa Summarum 114 Taler. Davon abgezogen vorstehende 22 Taler 7 Gr. 9 Pf., bleibe dem Herrn Major schuldig 91 Taler 16 Gr. 3 Pf."—Kerl, du bist toll!—

Just Ich glaube es gern, daß ich Ihnen weit mehr koste. Aber es wäre verlorne Tinte, es dazuzuschreiben. Ich kann Ihnen das nicht bezahlen, und wenn Sie mir vollends die Liverei nehmen, die ich auch noch nicht verdient habe—so wollte ich lieber, Sie hätten mich in dem Lazarette krepieren lassen.

Tellheim Wofür siehst du mich an? Du bist mir nichts schuldig, und ich will dich einem von meinen Bekannten empfehlen, bei dem du es besser haben sollst als bei mir.

Just

Ich bin Ihnen nichts schuldig, und doch wollen Sie mich verstoßen?

Tellheim

Weil ich dir nichts schuldig werden will.

Just Darum? nur darum?—So gewiß ich Ihnen schuldig bin, so gewiß Sie mir nichts schuldig werden können, so gewiß sollen Sie mich nun nicht verstoßen.—Machen Sie, was Sie wollen, Herr Major; ich bleibe bei Ihnen; ich muß bei Ihnen bleiben.—

Tellheim Und deine Hartnäckigkeit, dein Trotz, dein wildes, ungestümes Wesen gegen alle, von denen du meinest, daß sie dir nichts zu sagen haben, deine tückische Schadenfreude, deine Rachsucht—

Just Machen Sie mich so schlimm, wie Sie wollen; ich will darum doch nicht schlechter von mir denken als von meinem Hunde. Vorigen Winter ging ich in der Dämmerung an dem Kanale und hörte etwas winseln. Ich stieg herab und griff nach der Stimme und glaubte, ein Kind zu retten, und zog einen Pudel aus dem Wasser. Auch gut, dachte ich. Der Pudel kam mir nach, aber ich bin kein Liebhaber von Pudeln. Ich jagte ihn fort, umsonst; ich prügelte ihn von mir, umsonst. Ich ließ ihn des Nachts nicht in meine Kammer; er blieb vor der Türe auf der Schwelle. Wo er mir zu nahe kam, stieß ich ihn mit dem Fuße; er schrie, sahe mich an und wedelte mit dem Schwanze. Noch hat er keinen Bissen Brot aus meiner Hand bekommen, und doch bin ich der einzige, dem er hört, und der ihn anrühren darf. Er springt vor mir her und macht mir seine Künste unbefohlen vor. Es ist ein häßlicher Pudel, aber ein gar zu guter Hund. Wenn er es länger treibt, so höre ich endlich auf, den Pudeln gram zu sein.

Tellheim (beiseite). So wie ich ihm! Nein, es gibt keine völligen Unmenschen! —Just, wir bleiben beisammen.

Just Ganz gewiß!—Sie wollten sich ohne Bedienten behelfen? Sie vergessen Ihrer Blessuren und daß Sie nur eines Armes mächtig sind. Sie können sich ja nicht allein ankleiden. Ich bin Ihnen unentbehrlich; und bin— ohne mich selbst zu rühmen, Herr Major—und bin ein Bedienter, der— wenn das Schlimmste zum Schlimmen kömmt—für seinen Herrn betteln und stehlen kann.

Tellheim

Just, wir bleiben nicht beisammen.

Just

Schon gut!