Buch lesen: «Die Hofnarren der Republik»

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Die Hofnarren

der Republik

Österreichs Politik in Anekdoten

Von Fritz Rabensteiner

Vorwort

von Ben Weiser

ZackZack wurde am 16. Juni 2019 gegründet und hat sich seither ständig verbessert. Neben Berichten über das politische Tagesgeschehen, Investigativ-Recherchen über Korruption und Geschichten aus dem Alltag der Menschen, spielen Kommentare eine große Rolle. Immer samstags gibt es deshalb unsere Gastkolumnen. Mitten in der Pandemie konnten wir Fritz Rabensteiner als Gastautor gewinnen. In einer Zeit des Existenzkampfes und der pandemischen Tristesse schafft er es mit Humor und scharfer Zunge, eine immer größer werdende Fanbase aufzubauen. Er hilft uns, eines der wichtigsten Gründungsziele anzuvisieren: Den Aufbau einer echten Community.

Viele Zeitungen werden gelesen, einige mehr als wir – obwohl ZackZack ständig wächst und es online bereits mit Falter, Profil und News aufgenommen hat. Aber welchem Medium fühlt man sich wirklich zugehörig? Wir wollen so eines sein. Eine Plattform für alle, die gute Stories lesen und gleichzeitig Teil einer Community sein wollen, die die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde verteidigt. Die nicht nach unten tritt auf die Schwachen, sondern nach oben schaut und die Starken kontrolliert.

Mit Sprache, mit Witz, mit Geschichten, die stimmen. Und den Mächtigen wehtun. Lachen als Medizin, Sprache als Waffe gegen Bewaffnete. Fritz ist ein Gewinn für die ZackZack-Community. Wir freuen uns, dass er dazugehört.

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club.zackzack.at

Prolog

Dieses Buch wurde für alle jene geschrieben, die in Österreich leben, oder zumindest einen Einblick in Österreichs Politik haben. Für andere könnte es schwierig werden, aber ein Versuch lohnt sich allemal. Die Geschehnisse betreffen die Corona-Jahre 2020 und 2021. Das ist jener Zeitraum, in dem wir in einem Tunnel gelebt haben und angestrengt nach dem Licht am Ende der Röhre gesucht haben. Die Alpenrepublik ist ein Sumpf. Nicht etwa ein terrestrischer Lebensraum mit zeitweise durchnässten, schlammigen Böden, sondern in politischem und gesellschaftlichem Sinne. Der ehemalige Bundespräsident Rudolf Kirchschläger fand dafür den Ausdruck saure Wiesen. Jetzt könnte man einwenden, Korruption, Mauschelei und kleingeistige Politik gäbe es in jedem Land der Welt. Das mag wohl stimmen, aber die Bewohner des Zwergstaates Österreich haben hier eine besondere Fertigkeit entwickelt. Es liegt in ihren Genen. Sie können also nichts dafür. Der ehemalige Vielvölkerstaat der Österreichisch-Ungarischen Monarchie mit seinen unterschiedlichsten Kulturen dürfte ein perfekter Nährboden gewesen sein. Schon damals kamen viele nur über die Runden, wenn sie jemanden kannten, der jemanden kannte und dieser für monetäre Zuwendungen empfänglich war. Man wusste natürlich schon damals, dass ein Schmiermittel die Maschine am Laufen hält. Eine Hand wäscht die andere, und beide werden nass dabei. Dann kam der erste Weltkrieg und Österreich wurde auf seine heutige Größe geschrumpft, um danach durch Hitler ins Deutsche Reich heimgeholt und wieder Teil einer großen Nation zu werden. Das hat viele gefreut. Sehr viele. Und mit dem Perpetuum mobile, also nach oben buckeln und nach unten treten, kamen viele gut über die Runden. Doch mit dem Ende des zweiten Weltkriegs kam für Österreich die nächste Abmagerungskur zu jenem Kleinstaat, der er bis heute geblieben ist. Dieser Jo-Jo-Effekt ist nicht wirklich gesund, lehrte die Bevölkerung aber jene Flexibilität, die es benötigt, um sich über Wasser zu halten. Gerne auch auf Kosten anderer. Steuerbetrug, Bestechung oder der Griff in die Staatskasse gelten hierzulande als Kavaliersdelikt. Wer die Möglichkeit hat, der greift auch zu. Exemplarisch verkürzt auf Schlagwörter und nicht chronologisch, seien hier ein paar Skandale der letzten Jahrzehnte angeführt. Noricum, Lucona, AKH Wien, BAWAG, Intertrading, Hypo Alpe Adria, Telekom, Eurofighter, BUWOG, Ibiza. Da kam viel zusammen. An Steuergeld, strafrechtlicher Relevanz und Jahren hinter Gittern. Aber so schlimm war und wird es nicht bei uns. Wer einen teuren Anwalt und einen guten Friseur hat, der darf auf das Verständnis der Bevölkerung hoffen. Und auf den letztgenannten Skandal, auf der spanischen Ferieninsel Ibiza, werde ich erst gar nicht näher eingehen. Ich gehe davon aus, dass allen hier Lesenden die Details noch ziemlich präsent sein dürften. HC Strache wurde in spanischen Hoheitsgewässern von einem russischen Torpedo versenkt. Darüber wurden bereits alle Witze geschrieben. Offene Fragen, die es dazu gibt, werden derzeit in einem Untersuchungsausschuss beantwortet. Oder auch nicht. Das hängt davon ab, ob in der Frage das Wort ÖVP vorkommt. Falls ja, wird der Fragende vom Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka gemaßregelt und alle gehen in die Mittagspause. Und so bleiben die großen und kleinen Halunken bei uns in guter Erinnerung. Ein Gauner war er schon, der Herr Sowieso. Aber so schön reden hat er können. Und fesch war er auch. Aber es muss nicht immer kriminell sein. Österreichs Regierungen samt Nationalrat dienen meist nicht dazu den Staat zu lenken und ihn in eine bessere Zukunft zu führen, sie dienen in erster Linie zur Erheiterung. Politiker aller Couleur greifen regelmäßig ins Fettnäpfchen und überbieten sich an Peinlichkeit, dass es nur so eine Freude ist. Über 600 Jahre Habsburgermonarchie haben 183 Hofnarren hinterlassen, die jetzt im Parlament sitzen und das Volk belustigen. Dazu kommt noch die Anzahl der jeweiligen Regierungsmitglieder. Wenn wir jetzt noch die neun Landesregierungen samt Abgeordneten hinzuzählen, dann ist der Zirkus komplett. Das Zelt ist voll. Mehr geht nicht. Es läuft bei uns also konträr zum ursprünglichen Zweck der Hofnarren, die für ihre Herren geistreiche Spaßmacher von oft auffälligem Aussehen waren. Jetzt erheitert die Obrigkeit ihre Untertanen. Macht ja nichts. Der Geist ist bei den Hofnarren leider oftmals verschwunden, aber der Spaß und die Auffälligkeit sind geblieben. Mehr kann man für seine Steuern und Abgaben auch nicht erwarten. Dieses Buch entstand in enger Kooperation mit ZackZack.

Die Protagonisten der nachfolgenden Geschichten finden sie auf diesen Websites:

www.oesterreich.gv.at/bundesregierung

www.parlament.gv.at

PS: Etwaige Rücktritte vorbehalten.

Die Insel der Seligen

Österreich liebt seine Herrscher und lässt ihnen, manchmal posthum und in Kooperation mit der Kirche, große Ehre zuteilwerden. Unser letzter Kaiser, Karl I., wurde bereits 2004 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Dies ist nunmehr auch für Österreichs ersten Bundeskanzler nach 1945, Leopold Figl, angedacht.

Sekretär: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Heiliger Vater, ich habe möglicherweise gesündigt, aber es geschah gewiss ohne Absicht. Gestern Abend beim Zappen bin ich auf einen Sender gekommen, auf dem Frauen darum bitten, angerufen zu werden. Sie schienen in Not zu sein. Als Hirte sah ich mich verpflichtet, diese Schäfchen....“

Papst Franziskus: „Schon gut, mein Sohn. Es war deine Christenpflicht. Aber lerne daraus. Das Böse kommt aus dem Fernseher. Gibt es sonst etwas Neues?“

Sekretär: „Ja, Heiliger Vater, ich habe eben mit der niederösterreichischen Landeshauptfrau Mikl-Leitner telefoniert. Sie will einen österreichischen Bundeskanzler seligsprechen lassen.“

Papst Franziskus: „Ich bin bereits im Bilde, mein Sohn. Bischof Schwarz aus St. Pölten hat mich schon informiert. Aber haben wir nicht erst kürzlich einen österreichischen Politiker seliggesprochen?“

Sekretär: „Ein kleine Anmerkung dazu, Eure Heiligkeit, nur eine kleine. Das war nicht nur ein Politiker, das war der letzte Kaiser von Österreich. Karl I.“

Papst Franziskus: „Warum haben wir den braven Mann seliggesprochen?“

Sekretär: „Er war Habsburger und hat Krampfadern geheilt.“

Papst Franziskus: „Verstehe. Bei einem Wunder kann man nicht nein sagen. Nun gut. Bischof Schwarz hat seinen Wunsch bei mir deponiert. Was wissen wir über den Mann?“

Sekretär: „Moment, Heiliger Vater. Ich hab’s gleich. Alois Schwarz, geboren am 14. Juni 1952 in Hollenthon, Sohn des Landwirts Alois Schwarz und seiner Frau Ernestine….“

Papst Franziskus: „Nicht über den Bischof. Über den Kanzler.“

Sekretär: „Verzeihung, Heiliger Vater, ich bin noch ganz echauffiert. Die Landeshauptfrau war so aufgeregt, ich möchte fast sagen freudig erregt, geradezu enthusiasmiert, dass sie mir die Verdienste und Leistungen des Kanzlers in einem Tempo erzählt hat, dass ich mit dem Schreiben nicht mehr nachgekommen bin. Eure Heiligkeit möge mir verzeihen, aber ich konnte mir nur Stichwörter notieren. Darf ich ihnen diese zu Gehör bringen?“

Papst Franziskus: „Gewiss, mein Sohn, fahre fort.“

Sekretär: „Also, da wären: Österreichische Volkspartei – nicht nur Bundeskanzler, auch Außenminister – genialer Verhandler mit Großmächten wie den USA und Russland – loyal – bescheiden - ein Vermittler zwischen den Parteien und gesellschaftlichen Gruppen – großzügig – Unterstützer der Armen und Schwachen – warmherzig – unbestechlich – Liebling des Volkes.“

Papst Franziskus: „Das hört sich doch sehr gut an. Aber du weißt, mein Sohn, Seligsprechungen dauern ihre Zeit. Wer weiß, ob ich dann noch Papst bin. Nichtsdestotrotz kann es nicht schaden, wenn du schon einmal einen Akt anlegst für diesen Leopold Figl.“

Sekretär: „Verzeihung Heiliger Vater, wer ist Leopold Figl? Ich rede über Sebastian Kurz.

Das Weihnachtsgeschenk

Ort der Handlung ist Wien. Die Einwohner der Bundeshauptstadt hatten am 11. Oktober 2020 gewählt und der SPÖ unter Bürgermeister Michael Ludwig einen Sieg beschert. Dieser hatte bis dahin gemeinsam mit den Grünen regiert. Schon im Vorfeld war darüber spekuliert worden, ob er sich nach der Wahl einen neuen Koalitionspartner suchen würde, was er dann auch tat. Die NEOS wurden seine neue Braut und die Grünen flogen aus der Stadtregierung. Der guten Ordnung halber hatte Ludwig angekündigt, mit allen Parteien Sondierungsgespräche führen zu wollen, wobei natürlich klar war, dass es weder mit der FPÖ noch mit der ÖVP, angeführt von Finanzminister Gernot Blümel, zu einer Ehe kommen würde. Dieser hatte schon im Vorfeld für Erheiterung gesorgt, als er in einem Untersuchungsausschuss behauptete, keinen Laptop zu haben. Er ist also nachgewiesenermaßen weltweit der einzige Finanzminister, der über kein Notebook verfügt. Wozu auch. Die handelnden Personen im nachfolgenden Dramolett sind Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sowie der Mann ohne Laptop, Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP).

Kurz: „Servus Gernot, Basti spricht.“

Blümel: „Servus Basti, wos gibt’s?“

Kurz: „Du warst doch beim Ludwig.“

Blümel: „Bei wem?“

Kurz: „Beim Bürgermeister.“

Blümel: „Ah ja, genau. Der is ganz schee blad, der hot bestimmt 120 Kilo. Bei dem G‘wicht wird er bald a Bankl reissn.“

Kurz: „Ja Gernot, und was noch?“

Blümel: „Schaumrollen hat er serviert. Oba de san total bled zum Essen. Olles pickt nochher.“

Kurz: „Super Gernot, immer ein Auge fürs Detail. Habt’s über a Koalition verhandelt?“

Blümel: „Des hob i vergessen.“

Kurz: „Na geh, Gernot. Ich hab dir doch alles aufg‘schrieben. Des ist doch ka Wissenschaft. So schwierig kann des doch net sein. Na, bitte Gernot, bitte, hör auf zum Plärren. Beruhig dich. So schlimm ist des jetzt a wieder net. Warat jo eh nix draus worn. Samma wieda guat? Wos wünscht da denn zu Weihnachten?“

Blümel: „An Laptop.

Krippenspiel

In regelmäßigen Abständen trifft sich das Kabinett zum sogenannten Ministerrat. Dabei wird in der Regel das Regierungsprogramm abgearbeitet. Ein sehr wichtiges Treffen also, werden hier schließlich auch Probleme besprochen und nach Möglichkeit gelöst. Doch nicht immer sind alle bei der Sache und geistig fit genug, der Agenda mit der nötigen Aufmerksamkeit zu folgen. Ich hatte das Privileg einem Ministerrat beiwohnen zu dürfen. Auf einem Campingstuhl sitzend habe ich mir Notizen gemacht. Die Namen der handelnden Personen sollten ihnen mittlerweile geläufig sein. Hier die Abschrift dieser denkwürdigen Sitzung.

Kurz: „Können wir anfangen, sind alle da?“

Raab: „Die Christine fehlt noch. Ah na, da is sie ja schon. Und wieder so fesch angezogen.“

Aschbacher: „Sorry für meinen delay, ich komm grad vom kick-off meeting und bin total busy.“

Kurz: „Passt schon. Gernot, bitte die aktuellen Budgetzahlen. Und vergiss net wieder sechs Nullen.”

Blümel: “Wie is denn das Passwort für mein Laptop?”

Gewessler: “Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu Strandbikini.”

Blümel: „Echt?

Schramböck: „Habts schon auf meiner neuen Website eingekauft? Kaufhaus Österreich. Das läuft unheimlich guat. Da kriagn wir sicher an Innovationspreis dafür.“

Zadić: „Sowieso. I bin ohne Umweg direkt auf Amazon verlinkt worden. Hat super funktioniert.“

Anschober: „Die nächsten zwei Wochen werden entscheidend sein. Wie man auf dem Taferl...“

Kogler: „I kaun ma die Hahnenkamm-Rennen ohne Zuschauer net vorstellen. Koa Race Night, koa Weißwurstparty, koa g‘scheite Siegerehrung, nix. Vielleicht könnt ma an Seuchenteppich in ganz Kitzbühel auslegen. Wos manst, Rudi? Und daunn glei danoch no Schladming. Wieder kane Leit. Und de fohrn durt in da Nocht. Des schaut ja no g‘schissener aus.

Tanner: „Und wegen dem Schas miassn meine Leit stundenlang schneeschaufeln.“

Schallenberg: „Also ich wäre gern nach Kitzbühel g‘fahrn. Vielleicht überleg ich’s mir noch.“

Nehammer: „Wirklich? Pfau, des warat super. Kannst mi mitnehmen?“

Schallenberg: „Nur, wennst nimmer pfau sagst. Du spuckst immer so beim Reden.“

Brunner: „Der Sobotka lässt fragen, ob die Loretto Gemeinschaft im Parlament ein Krippenspiel inszenieren soll. Er tät selbst mitspielen.“

Mayer: „Könnt funktionieren. Des schafft er sicher. Ochs und Esel haben wenig Text.“

Kurz: „Karoline, gibt’s bei dir was Neues?“

Edtstadler: „Ihr geht’s mir so auf den... Am liebsten würd‘ ich euch alle...“

Anschober: „Uijegerl, die Richterin Gnadenlos drückt heut wieder ein Putschi.“

Kurz: „Simma fertig? Wenn noch was is, dann bitte jetzt. Ich muss nämlich gleich in die Pressekonferenz und dem Hansi Bürger den Weihnachtssegen erteilen. Der freut sich schon so drauf.“

Faßmann „Also was die Schulen anbelangt….”

Kurz: „Elli, du wolltest noch was Wichtiges fragen?“

Köstinger: „Sog amoi Alma, im wievielten Monat bist du eigentlich?

Ein Herz für Kinder

Ich setze voraus, dass die Flüchtlingskatastrophe auf der griechischen Insel Lesbos allgemein bekannt ist. Falls nicht, nachstehend ein Bericht des Nachrichtenportals ZackZack. Berichte über Kinder, die im Schlamm leben müssen und von Ratten gebissen werden, haben eine große Solidaritätswelle in Österreich ausgelöst. Sowohl prominente Personen aus Medien, Politik und Kultur als auch einfache Bürger, so etwa beim Lichtermeer für Moria, drückten bereits ihr Mitgefühl aus und fordern die Regierung zum Handeln auf. Jetzt hat sich mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, auch die Kirche zu Wort gemeldet. Man gebe zu, dass das Thema von der Kirche „bald einmal abgehakt wurde“. Angesichts der dramatischen Bilder aus dem Moria-Ersatzlager Kara Tepe, könne man nun aber nicht weiter zuschauen: „Eine humane Katastrophe bahnt sich dort kurz vor Weihnachten an“, so Lackner. Noch schärfere Worte fand zuvor Volkshilfe-Präsident Sacher, der die Regierung zum Handeln aufforderte. Die Umstände auf den Inseln bezeichnete er als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. An Bundeskanzler Kurz appellierte er, „seine Haltung zu ändern, Menschlichkeit zu zeigen und den verzweifelten Menschen in Griechenland zu helfen.“ Die Zustände in den Lagern seien „unerträglich“. „Welche hässlichen Bilder über die menschenunwürdigen Zustände in den Lagern müssen uns denn noch erreichen, wie viele Meldungen von vergewaltigten Dreijährigen braucht es denn noch, bis die österreichische Bundesregierung endlich handelt?“, fragte er in einer Aussendung. Zuletzt waren aber auch innerhalb der eigenen Partei Stimmen laut geworden, dass man die Kinder aus Lesbos nicht im Dreck verkommen lassen dürfe. So bildete sich derzeit vor allem in Tiroler ÖVP-Kreisen erheblicher Widerstand gegen die Linie der Bundespartei. Die VP-Landesrätin Beate Palfrader etwa erinnerte an die „christlich soziale Verpflichtung“, hier jetzt sofort zu helfen. Unterstützung erfuhr sie dabei von mehreren ÖVP-Bürgermeistern, auch die Tiroler Grünen forderten einen „Akt der Menschlichkeit“. Österreich beteiligte sich wie 14 weitere EU-Staaten aber weiterhin nicht an der Aktion. Während auch immer mehr Grüne auf Bundesebene für eine Aufnahme Geflüchteter plädierten, lehnte das die ÖVP weiter strikt ab. Man wolle weiter auf Hilfe vor Ort setzen.

Kogler: „Wir miassn ein paar Kinder aus Griechenland holen. Dringend.“

Schallenberg: „Ich hab auch Kinder. Es ist wirklich ein Elend, das bricht mir das Herz. Wenn ich diese Bilder sehe, könnte ich weinen. Es ist eine Schande, einfach nur furchtbar.“

Kogler: „Eben. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit. Wir miassn was tun. Jetzt.“

Kurz: „Wir tun ja was.“

Kogler: „Was denn?“

Schallenberg: „Wir organisieren eine Kindertagesbetreuung in Kara Tepe. Schließlich sind wir eine christlich-soziale Bewegung. Da schau, unsere Parteistatuten. NÄCHSTENLIEBE. Großgeschrieben. Viele Länder finden unser karitatives Engagement mittlerweile übertrieben.“

Kogler: „Die Kinder brauchen kane Matchbox-Autos, sondern a menschenwürdige Unterkunft. Heizung, fließendes Wasser, oba net von den Wänden, Toiletten, Hygiene und medizinische Versorgung.“

Kurz: „Dass du immer so übertreiben musst. Der Nehammer hat persönlich Zelte nach Griechenland gebracht. 1a Qualität. Da gibt es schöne Fotos davon.“

Kogler: „Die Fotos kannst dir einrexen. Und die Griechen tun nix. Die Milliarden von der EU san irgendwo versickert. Sehts ihr net, wie elendiglich die dort hausen? Die Zelte san a schlechter Witz. Im Winter geht des schon gor net. Des kann ma do net zulassen. Seids doch a bissl menschlich. 50 Kinder.“

Schallenberg: „Es sind schreckliche Bilder, aber nein.“

Kogler: „25?“

Kurz: „Nein.“

Kogler: „Warum net?“

Kurz: „Pull-Faktor. Das muss ich dir doch nicht extra erklären. Wenn wir Flüchtlinge aufnehmen, dann kommen sofort neue nach. Und die flüchten doch nicht vor einem Krieg. Das sind durchwegs Wirtschaftsflüchtlinge. Es ist nicht unsere Schuld, dass in Afghanistan kein Mindestlohn bezahlt wird.“

Schallenberg: „Der Orbán sagt das auch. Der lässt euch übrigens schön grüßen.“

Kogler: „Des is doch a Holler. 10 Kinder?“

Kurz: „Nein. Oder hast du dafür eine parlamentarische Mehrheit?“

Kogler: „Na, aber die Bevölkerung warat sicher dafür.“

Schallenberg: „Ganz bestimmt nicht.“

Kogler: „Sagt wer?“

Kurz: „Ich weiß, was das Volk will. Und es sagt nein.“

Kogler: „Ich bitte dich, ein Kind. Ein einziges Kind. Als menschliche Geste. Als Zeichen des guten Willens.“

Kurz: „Auch kein halbes Kind. Wir kennen doch die Mentalität dieser Leute. Erst zünden sie ihr Lager an und dann jammern sie. Nichts ist gut genug. Und mit der Reinlichkeit ist es bei denen bekanntlich auch nicht weit her. Die haben sich in Afghanistan sicher nicht jeden Tag gewaschen und jetzt verlangen sie westlichen Komfort. Das ist schließlich kein Urlaubsresort. In Kara Tepe gibt es übrigens eine Toilette. Für 140 Personen. Das ist großzügig bemessen. Und wo verrichten die Leute ihre Notdurft? Wo? Direkt hinterm Zelt.“

Kogler: „Und die Kinder…“

Schallenberg: „Die scheißen auch hinters Zelt. Wie der Herr, so’s Gescherr.

Hilfe vor Ort

Weil die türkis-grüne Bundesregierung im Herbst 2020 keine Kinder aus den Lagern auf den griechischen Inseln holen wollte, kündigte Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) in den Tagen vor Weihnachten an, die Vorort-Hilfe zu erhöhen. Auf ausdrücklichen Wunsch von Bundeskanzler Sebastian Kurz, sollte in Kara Tepe II in Zusammenarbeit mit SOS-Kinderdorf eine Tagesbetreuungsstätte für 500 Kinder errichtet werden – die Kosten würde die Bundesregierung tragen. Laut „Standard“ deshalb, weil der Kanzler „gute PR“ brauche. Das Ganze habe rasch zu geschehen, hieß es damals. Vor Weihnachten 2020. Am Weihnachtstag dann die Nachricht Schallenbergs: die griechische Regierung habe grünes Licht gegeben. Der Betreuungsstätte stehe nichts im Wege. Schallenberg gab sich sichtlich erfreut: “Wirksame Hilfe vor Ort ist ein ganz zentrales Anliegen dieser Bundesregierung”. Allerdings: Das türkis-grüne Weihnachtsgeschenk blieb bislang aus, drei Monate später war von dem „zentralen Anliegen dieser Bundesregierung“ nichts im Lager angekommen. Eine österreichische Betreuungsstätte suchte man vergebens. Bilder aus dem Lager, die der “Zeit im Bild” zugespielt wurden, zeigten ein verheerendes Bild. Journalisten und NGOs war das Filmen von der Lagerleitung untersagt worden. Der Grund dafür war auch der SOS Kinderdorf-Geschäftsführerin Elisabeth Hauser nicht klar, gegenüber der “ZIB” sagte sie, es gebe bislang keine Begründung. In den Lagern ist der Zustand weiter katastrophal. 2.000 Kinder leben derzeit in Kara Tepe II. Einen Container, wie ihn die Bundesregierung als Betreuungsstätte wollte, sei laut Hauser unvorstellbar. Denn der Container würde aufgrund der feuchten und menschenunwürdigen Zustände schlichtweg versinken. Zwar habe man zwischenzeitlich 30 Kindern in ein anderes Lager gebracht – dort habe es zumindest Essen, Schule und ein funktionierendes WC gegeben. Damit war aber bald Schluss, denn aufgrund der Covid-Situation durfte niemand mehr das Lager verlassen. 7.000 Menschen leben insgesamt in Kara Tepe II. Hausers Vorschlag deswegen: Man könne stattdessen jederzeit 50 Kinder in Österreich unterbringen. Nach einiger Zeit auch bis zu 100, bekräftigte sie ein schon früher geäußertes Angebot in Richtung Bundesregierung, was die ÖVP aber bisher ablehnte. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) erteilte dem Angebot auch diesmal wenig überraschend eine Absage. “Wir haben eine klare Linie, dass wir vor Ort helfen”, so Schallenberg am Rande des EU-Außenministerrates in Brüssel. Damit würden auch “sehr viel mehr Menschen erreicht” werden. Gleichzeitig räumte er ein, dass die Situation auf Lesbos “unerträglich” sei und “in Wirklichkeit überhaupt keine Lager dieser Art auf europäischem Boden existieren sollten”. Dass das Projekt noch lange nicht seinen Soll-Status erreicht hat, sei vor allem der Pandemie geschuldet. “Auch wir sind unzufrieden mit der Situation vor Ort”, so Schallenberg. Mit SOS-Kinderdorf arbeite man aber “sehr gut” zusammen. NEOS-Asylsprecherin Stephanie Krisper sah den Außenminister in der Pflicht: “Es braucht eine nachhaltige Lösung für diese menschenunwürdigen Zustände auf europäischem Boden. Als ersten Schritt muss sich Außenminister Schallenberg unbedingt für eine Erneuerung des EU-Türkei-Deals einsetzen. Denn nur so können wir die Situation weg von Chaos in Richtung Kontrolle bringen, in der auch das Recht auf Asyl und die Menschenrechte gewahrt werden.” Auch die Inszenierung der Bundesregierung auf Kosten der Menschen in den Lagern störte die NEOS-Abgeordnete: “Gleichzeitig muss die Bundesregierung aber auch endlich aufhören auf Kosten vulnerabler Kinder Eigenwerbung zu betreiben und anfangen, wirklich zu helfen - durch die Aufnahme von Kindern und Familien aus größter Not von den Insellagern und das Einmahnen humaner Zustände.“

Der einsame Wolf

Menschenrechte, Umweltstandards und gute Führung sollten eigentlich eine Selbstverständlichkeit in Lieferketten sein. Das EU-Parlament stimmte mit großer Mehrheit dafür. Dagegen: Sechs der sieben ÖVP-Abgeordneten. Einziger Befürworter von der ÖVP war wieder einmal Othmar Karas. Zackzack berichtete dazu: Lieferkettengesetz – oftmals wissen europäische Unternehmen nicht, ob ihre Produkte in anderen Ländern unter menschrechtseinhaltenden Bedingungen hergestellt werden. Wenn sie beispielsweise ein T-Shirt in Österreich eines großen Unter-nehmens kaufen, kann es sein, dass das Unternehmen gar nicht weiß – oder es nicht zugibt -, ob für dieses Kinderarbeit eingesetzt wurde, die Menschenrechte bei der Produktion eingehalten wurden, oder Umweltstandards befolgt wurden. Die Unter-nehmen können bis jetzt nicht wirklich in die Pflicht genommen werden. Das sollte sich mit dem Lieferkettengesetz ändern. Das EU-Parlament forderte dazu auf europäischer Ebene ein Einfuhrverbot für Produkte, die etwa mit Zwangsarbeit oder Kinderarbeit in Verbindung stehen. In Deutschland hatte man sich auf ein solches bereits geeinigt, in Frankreich existiert es bereits seit 2017. Das EU-Parlament wollte nun nachziehen und forderte in einem angenommenen Bericht ein entsprechendes Gesetz umzusetzen. Besonders treffen sollte dies die großen Unternehmen, Börsennotierte und “kleine und mittlere Unternehmen mit hohem Risiko”. Der Bericht wurde mit breiter Mehrheit angenommen, die EU-Kommission musste sich nun mit einem Gesetzesvorschlag befassen. Bei der Abstimmung im Europaparlament war das Abstimmungsverhalten der 19 österreichischen EU-Abgeordneten auffallend. Von den 19 Abgeordneten stimmten nur sechs dagegen: Alle von der ÖVP. Einziger ÖVPler der für die Einhaltung der Menschenrechte, gegen Kinderarbeit und für bessere Umweltstandards stimmte war wieder einmal der Vizepräsident des EU-Parlaments Othmar Karas. Die „Bürger*innen-Initiative für ein Liefergesetz“ war zwar erfreut über das Abstimmungsergebnis, kritisierte in einer Aussendung aber die ÖVP: “Es ist aber ein Armutszeugnis für die Delegation der Volkspartei, dass sie sich hier nicht gegen Kinderarbeit und moderne Sklaverei ausspricht. Umso wichtiger ist es, dass die österreichische Bundesregierung klarmacht, dass sie sich bedingungslos zu Menschenrechten & Umweltstandards bekennt, selbst wenn es den Profit multinationaler Konzerne etwas begrenzt.” Die gegen das Lieferkettengesetz stimmende ÖVP-Abgeordnete Angelika Winzig verteidigte das „Nein“ und nahm Unternehmen in Schutz: “Nicht zuletzt ist es die Aufgabe von Staaten, für die Kontrolle und die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltvorgaben zu sorgen. Hier hat auch die Europäische Union eine besondere Rolle und sollte bei Partnerländern stärker für die Einhaltung der Regeln werben. Die europäischen und vor allem österreichischen Unternehmen verhalten sich vielfach ohnehin bereits vorbildlich.“ Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass Karas entgegen der türkisen Abgeordneten stimmte. Kürzlich stimmten die ÖVP-Abgeordneten Bernhuber, Mandl, Sagartz, Schmiedtbauer, Thaler und Winzig für einen Verbleib der rechtsnationalen Viktor Orban-Partei Fidesz in der Fraktion der Europäischen Volkspartei. Karas stimmte für einen Ausschluss. Orban kam dem angenommen Ausschluss aber zuvor und trat aus der Fraktion aus. Er liebäugelte nun mit den deutlich rechteren Fraktionen des EU-Parlaments, auch eine eigene europäische Partei als „Bindeglied“ zwischen der ultrarechten ID-Fraktion und der Volkspartei stand im Raum. Die ehemalige EU-Abgeordnete und nunmehrige Verfassungsministerin Karoline Edtstadler stellte sich nach dem Austritt Orbans demonstrativ auf die Seit des “Diktators” (Zitat: Jean-Claude Juncker): „Ich bin ein Freund der integrativen Politik“, so Edtstadler. „Ich halte einen Ausschluss nicht für den zielführendsten Weg.“

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0+
Umfang:
245 S. 9 Illustrationen
ISBN:
9783753192017
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Bookwire
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