Der Weg zur Energiewende

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7.2.3 Der Emissionshandel in der EU (EU-ETS)



Das EU-ETS wurde 2003 vom Europäischen Parlament und dem EU-Ministerrat beschlossen1 und am 1. Januar 2005 in Kraft gesetzt. Es basierte auf den Empfehlungen eines vorher erstellten Grünbuchs und entstand vor dem Hintergrund der im Rahmen des Kyoto-Protokolls eingegangen Pflichten: „Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten sind übereingekommen, ihre Verpflichtungen zur Verringerung der anthropogenen Treibhausgasemissionen im Rahmen des Kyoto-Protokolls gemäß der Entscheidung 2002/358/EG gemeinsam zu erfüllen. Diese Richtlinie soll dazu beitragen, dass die Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten durch einen effizienten europäischen Markt für Treibhausgasemissionszertifikate effektiver und unter möglichst geringer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Beschäftigungslage erfüllt werden.”2



Das EU-ETS wurde auf Anlagen und deren Betreiber ausgerichtet (Artikel 3), die Ausgabe der Zertifikate erfolgte nach Artikel 10 weitgehend kostenlos: „Für den am 1. Januar 2005 beginnenden Dreijahreszeitraum teilen die Mitgliedstaaten mindestens 95 % der Zertifikate kostenlos zu. Für den am 1. Januar 2008 beginnenden Fünfjahreszeitraum teilen die Mitgliedstaaten mindestens 90 % der Zertifikate kostenlos zu.”



In der Selbstdarstellung der EU zu den Phasen der Entwicklung werden die bis heute überschaubaren Perioden wie folgt beschrieben:





 2005–2007: Die 1. Handelsperiode war durch „learning by doing“ gekennzeichnet, jedoch konnte man schon von einer Etablierung des Systems sprechen. Die Zahl der ausgegebenen Zertifikate war jedoch deutlich zu hoch: ihr Preis fiel gegen Ende der Periode auf 0 €.



 2008–2012: Mit Beginn der 2. Handelsperiode erweiterte sich der Teilnehmerkreis um Island, Norwegen und Liechtenstein. Die Anzahl der Zertifikate wurde um 6,5 % reduziert. Da der Wirtschaftsabschwung die Emissionen reduzierte und die Nachfrage nach Zertifikaten einbrach, ergab sich wieder ein Überhang an nicht verwendeten Zertifikaten und Gutschriften, was erneut den CO2-Preis drückte. In das System wurde am 1. Januar 2012 der internationale Luftverkehr aufgenommen.



 2013–2020: Zur 3. Handelsperiode schloss sich Kroatien an. Mit ihrem Beginn wurde eine größere Reform wirksam. Wichtig wurde jetzt eine EU-weite Emissionsobergrenze, die sich jährlich um 1,74 % verringerte. Als Ausgangswert für die Gesamtmenge an Zertifikaten diente jetzt die durchschnittliche Jahresmenge der in den Jahren 2008 bis 2012 ausgegebenen Zertifikate. Außerdem änderte sich der Zugang: An die Stelle der kostenlosen Zuteilungen der Zertifikate traten Zertifikatversteigerungen.



 2021–2030: 4. Handelsperiode. Hierfür soll ein überarbeitetes EU-ETS zur Verfügung stehen, für das die Europäische Kommission im Juli 2015 einen Gesetzesvorschlag eingebracht hat.3





Die ersten beiden Handelsperioden wurden nach der EU-Richtlinie auf die CO

2

-Emissionen von ausgewählten energieintensiven Industriesektoren ausgerichtet. Konkret handelte es sich um Verbrennungsanlagen, Raffinerien, Kokereien, Eisen- und Stahlproduzenten sowie Anlagen der Zement-, Glas-, Kalk-, Ziegel-, Keramik-, Zellstoff- und Papierindustrie. Auch Stickoxidemissionen aus industriellen Prozessen wurden erfasst. Die ursprüngliche Einbeziehung des gesamten grenzüberschreitenden Luftverkehrs wurde allerdings schon im September 2012 wieder modifiziert und galt vorerst nur für innereuropäische Flüge.



In das EU-ETS sind heute etwa 11.000 Kraftwerke und Fertigungsanlagen in den Mitgliedsstaaten der EU und dazu noch in den Nicht-EU-Ländern Island, Liechtenstein und Norwegen einbezogen. Es gilt auch für den Luftverkehr in bzw. mit diesen Ländern. Das System umfasst zurzeit ca. 45 % der gesamten Treibhausgasemissionen der EU. EU-ETS ist damit das weltweit größte System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten und gilt als Muster für vergleichbare Systeme in anderen Weltregionen.



An der klimapolitischen Bewertung des EU-ETS scheiden sich die Geister. Es gilt zwar grundsätzlich als vorbildliches Instrument, jedoch haben die großen Überhänge an Zertifikaten lange nicht dazu geführt, die Emissionen mit einem angemessenen Preis auszustatten. Damit fehlten zunächst die Anreize für die Wirtschaft, in CO

2

-arme bzw. CO

2-

freie Alternativen zu investieren.



Das hat sich im Verlauf der letzten Jahre geändert, s. Abb. 7‑10. Nach einem offenbar auf die Corona-Welle zurückzuführenden Einbruch der Zertifikatspreise im März 2020 auf 15 €/t CO

2

 wurde im Dezember 2020 mit 30 €/t CO

2

 ein neues Allzeithoch erreicht.



Abb. 7‑10:



Veränderung der CO

2

-Preise im ETS, Dez. 2016 bis Dez. 2020; Quelle: EEX/FAZ



Zum Anstieg trägt ein finanztechnischer Effekt bei: Die Zertifikate werden frei gehandelt und dienen auch als Spekulationsobjekte. Das ist zwar nicht im Sinn des Systems, lässt sich aber kaum vermeiden. Bereits im Jahr 2019 wurde beobachtet, dass die Zertifikatsumsätze das Produktionsvolumen deutlich überschritten und gewissermaßen auf Vorrat gekauft wurden.4 Auch zum jüngsten Anstieg hat offenbar der Blick in die Zukunft beigetragen: die neuen Klimaziele der EU für das Jahr 2030 lassen eine vorzeitige Verknappung der Zertifikate erwarten. Mit Blick hierauf kann es zum Jahresende 2020 zu kurzfristigen Korrekturen kommen.



Eine Ausweitung des EU-ETS über Anlagen und deren Betreiber hinaus ist denkbar. Trotz all der offenen Fragen hat auch die EU-Kommission die deutsche Idee eines Emissionshandels für Wärme und Verkehr für sich entdeckt. Im Rahmen der Zielverschärfung für 2030 ist die Kommission gezwungen, ihre eigenen Instrumente zu überprüfen und anzupassen. Eine Anhebung des Ziels um mehr als 25 % bedarf zudem neuer Instrumente. Der neu eingeführte deutsche Emissionshandel bietet aus Sicht der EU-Kommission eine mögliche Ergänzung zum bereits bestehenden EU-Emissionshandel.





7.2.4 Das nationale Emissionshandelssystem (nEHS)



Emissionen von Sektoren, die nicht durch den EU-Emissionshandel erfasst sind (z.B. Verkehr, Haushalte), sind bislang in nationaler Zuständigkeit verblieben. Es ist Angelegenheit der Einzelstaaten, hierfür eigene politische Maßnahmen zu ergreifen und Regelwerke zu verabschieden.



Ein Beispiel findet sich im 2019 verabschiedeten Klimapaket der deutschen Bundesregierung, zu dem auch das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) vom 12. Dezember 2019 gehört. Es sieht ein nationales Emissionshandelssystem vor, das sich auf national zulässige Jahresemissionsmengen stützt, die jetzt auch für die Sektoren Gebäude, Verkehr und Landwirtschaft und einen Zehnjahreszeitraum festgeschrieben werden, s. Abb. 7‑11.



Abb. 7‑11:



Anlage 2 – Zulässige Jahresemissionsmengen (zu §4 des Bundes-Klimaschutzgesetzes und zur Änderung weiterer Vorschriften); Quelle: BGBl. I S.2513



Grundgedanke war auch hier die Bepreisung von CO

2

, die jetzt nicht beim Hersteller, sondern beim Versorger ansetzt, also bei den Lieferanten von Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas. Sie sollten nach einem Bund-Länder-Kompromiss vom Dezember 2019 in der ersten Stufe Verschmutzungsrechte pro Tonne erwartbarere CO

2

-Emission erwerben, für die zunächst ein Festpreis von 25 € pro Tonne festgesetzt wird.1



Der Preis soll schrittweise bis 2025 auf 55 € steigen. Erst danach soll der Preis der Verschmutzungsrechte sich innerhalb eines Korridors zwischen 55 € und 65 € über den freien Handel bilden und so durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden.



In der Konsequenz wurde am 19. Dezember 2019 das Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen (Brennstoffemissionshandelsgesetz – BEHG) verkündet, wodurch für Deutschland ein Emissionshandel für die Sektoren Wärme und Verkehr ab dem Jahr 2021 eingeführt wird. In der im Oktober 2020 verabschiedeten 1. Novelle des BEHG wurden der o.g. Startpreis für die Tonne CO

2

 und auch die Steigerungsrate bestätigt sowie der Zeitpunkt des Starts auf den 1. Januar 2021 festgelegt.



Der wesentliche Steuerungsmechanismus besteht darin, dass das Umweltbundesamt als zuständige Behörde die Gesamtzahl der jährlich ausgegebenen Zertifikate im Hinblick auf das verfolgte Emissionsziel nach Abb. 7‑11 festsetzt (cap) und damit sukzessive reduziert. Einzelheiten regelt das erwähnte Brennstoffemissionshandelsgesetz, das auch Sanktionen vorsieht.



Die Teilnehmer an diesem dann beschränkt freien Handel sind die Unternehmen, die Kraft- und Heizstoffe in den Markt bringen. Das trifft Verbraucher jedoch unmittelbar, da die Unternehmen im Regelfall den CO

2

-Aufschlag weitergeben werden: Heizen und Tanken etwa werden teurer, Benzin bzw. Diesel z.B. um rd. 10 bzw.11 ct pro Liter.



Dass die Mehrbelastungen der Verkehrsteilnehmer und Hausbesitzer durch eine Reihe von Fördermaßnahmen wie Erhöhung der Pendlerpauschale, die Förderung energetischer Sanierung oder die Reduzierung der EEG-Zulage zumindest teilweise aufgefangen werden sollen, wird politisch als sozial notwendige Kompensation gesehen, verwässert jedoch den Grundgedanken, dass Klimaschutz kostet und von den Verursachern getragen werden müsste – unter Inkaufnahme dann notwendiger privater Einschränkungen. Die zahlreich vorgesehenen Förderungen werden jetzt den Bundeshaushalt belasten und Einschränkungen an anderer Stelle zur Folge haben, z.B. bei den öffentlichen Investitionen, oder zu Steuererhöhungen führen, die wiederum alle treffen.

 



Mit dem nEHS betritt Deutschland neues Land. Jedoch besteht die Erwartung, dass sich dieses Instrument in eine erwartete europäische Lösung einfügen wird. Die EU-Kommissionspräsidentin VON DER LEYEN hat sich bereits für einen Ausbau des europäischen Emissionshandels EU-ETS auf die Bereiche Schifffahrt, Luftfahrt, Verkehr und Gebäude ausgesprochen, s. auch Kap. 7.2.3, Der Emissionshandel in der EU.







7.3 Staatliche Eingriffe: Grenzwerte und Verbote



Klimaschutz steht im größeren Zusammengang des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit, und hat auch hier eine seiner historischen Wurzeln.



Der Begriff „Umwelt“ hat seine eigene Vergangenheit. In den Geisteswissenschaften geht er auf den dänischen Dichter J. I. BAGGESEN (1764–1826) zurück. In den Naturwissenschaften auf J. VON UEXKÜLL, der 1924 in Hamburg ein „Institut für Umweltforschung“ gründete. Über die schon 1911 einsetzenden und sich in den 1920er Jahren verstärkenden Bemühungen zu einem Naturschutz wurde bereits in Kap. 2 berichtet. 1920 wurde mit der „Lüneburger Heide“ der erste deutsche Naturschutz-Park gegründet, 1935 das Reichsnaturschutzgesetz erlassen.



Dass der zweite Weltkrieg eine solche auf Erhaltung gerichtete Weltsicht unterbrach, liegt auf der Hand. Erst in den 1960er Jahren erhielt sie in den USA wie in Deutschland wieder neues Gewicht. Im Bundestagswahlkampf 1961sah W. BRANDT wieder „blauen Himmel über der Ruhr“. Unter seiner Kanzlerschaft wurde 1969 im Bundesministerium des Innern die „Abteilung Umweltschutz“ geschaffen, die sich mit Wasserwirtschaft, Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung und Lärmschutz befassen sollte, wie bereits in Kap. 2. Die Anfänge: Ressourcen, berichtet.



Berichtet wurde auch, dass bei der Namensgebung der Begriff „environment protection“ Pate stand, wie er in den USA schon gebräuchlich war. Dort wurde im Dezember 1970 in der Präsidentschaft R. NIXONS die Environmental Protection Agency (EPA) als Bundesbehörde errichtet. Im Jahr darauf entstand ein erstes Programm der deutschen Bundesregierung zum Umweltschutz, wozu auch ein Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm gehörte.



Wichtigstes Gesetz aus dieser Periode ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz aus dem Jahr 1974, das sich in Teilen auch eines Vorbildes, des US-amerikanischen Clean Air Act von 1970, bediente. Es war (und ist) ein Genehmigungsrecht für Industrie- und Gewerbeanlagen, dessen nähere Ausführung den Gewerbeüberwachungsbehörden, wie z. B. den staatlichen Umweltämtern, Gewerbeaufsichtsämtern oder Bezirksregierungen obliegt. Einzelheiten regelten dann die Bundes-Immissionsschutzverordnungen (BImSchV) und nachgeordnete, gleichwohl sehr wichtige Verwaltungsvorschriften wie die TA Luft und die TA Lärm.



Nach einer Stagnationsphase unter Kanzler SCHMIDT begann die neue Bundesregierung unter H. KOHL 1983 mit einer massiven Luftreinhaltepolitik. Mit der Großfeuerungsanlagenverordnung (1983) und mit Abgasregelungen für Fahrzeuge wurden durchaus weitreichende Maßnahmen ergriffen. Mit ursächlich hierfür war das die Öffentlichkeit bewegende Waldsterben – und der Wahlerfolg der Partei Die Grünen. 1994 wurde unter Umweltminister K. TÖPFER das neue Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eingeführt.



Umwelt- und Klimaschutz laufen häufig auf eine staatliche Vorgabe von Grenz- oder Referenzwerten hinaus, in einigen Fällen auch auf den Erlass von Verboten. Es gab und gibt sie vor allem im





 im Bereich des Verkehrs,



 im Gebäudebereich,



 im Industriesektor,



 im Bereich der Energiewirtschaft.







7.3.1 Eingriffe im Bereich des Straßenverkehrs



Abgasregelungen für Kraftfahrzeuge haben als heute intensiv wahrgenommener Bereich des Umweltschutzes eine weit zurückreichende Geschichte. Schon in der ersten, am 3. Februar 1901 erlassenen Regelung für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen war festgelegt worden, dass Kraftfahrzeuge so gebaut, eingerichtet und ausgerüstet sein müssen, dass „jede vermeidbare Belästigung von Personen und Gefährdung von Fuhrwerken durch Geräusch, Rauch, Dampf und üblen Geruch ausgeschlossen ist.“1



Im Jahre 1965 forderte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung zu einer administrativen Festlegung der Emissionsgrenzwerte durch Verwaltungsvorschriften auf und verlangte konkret Richtlinien über zulässige Grenzwerte für luftverunreinigende Stoffe, insbesondere für Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe. Dem kam die Bundesregierung nach, indem sie im Jahre 1968 eine Grenzwertregelung unmittelbar in der StVZO verankerte.



Die Grenzwerte waren damit für Deutschland erstmals substantiiert; sie finden sich in zwei Änderungen zur StVZO (§47 Abs. 1 Satz 2). Bis dahin hatte sich Emissionsregulierung für Kfz auf allgemein gehaltene Vorgaben beschränkt, z.B. die Bauvorschrift des §30 StVZO, nach der Fahrzeuge so gebaut und ausgerüstet sein mussten (und bis heute müssen), dass „ihr verkehrsüblicher Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt.“ §47 Abs. 1 Satz 1 StVZO gab seit 1960 neu vor, dass Kraftfahrzeuge so beschaffen sein müssen, dass „die Verunreinigung der Luft durch Abgase das nach dem jeweiligen Stand der Technik unvermeidbare Maß nicht übersteigt.“



Das Inkrafttreten der Emissionsgrenzwerte führte nicht dazu, dass bereits zugelassene Fahrzeuge ihre Zulassung verloren. Denn für die Grenzwerte galt (und gilt bis heute), dass sie sich nur auf erstmalig in den Verkehr gebrachte Fahrzeuge bezogen bzw. beziehen.



Die Regelung war auf Kraftfahrzeuge mit Ottomotor asgelegt und nannte nur Grenzwerte für Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoffe. Pro 100g verbrauchten Kraftstoff durften jeweils nicht mehr als 25g Kohlenmonoxid und 1,5 g Kohlenwasserstoffe ausgestoßen werden, um eine Allgemeine Betriebserlaubnis für einen neuen Fahrzeugtyp zu erhalten. Das Prüfverfahren basierte auf einem Fahrzyklus, der sich an einer durchschnittlichen Fahrt in einer deutschen Großstadt orientierte.



Die Grenzwerte entsprachen in etwa den Anforderungen an deutsche Kraftfahrzeuge beim Export in die Vereinigten Staaten und bezogen wohl auch hieraus ihre Begründung. In Kalifornien waren (mit Blick auf den Sommersmog in Los Angeles) bereits über die „California Air Resources Board“ (CARB) schon 1967 die ersten Grenzwerte weltweit festgelegt worden. Mit der Grenzwertfestsetzung von 1968 war die Bundesrepublik Deutschland das zweite Lande der Welt, in dem der Gesetzgeber eine Begrenzung der Abgasemissionen von Kraftfahrzeugen vorgab.



Die nationalen Grenzwertregelungen der Bundesrepublik und Frankreichs (ab 1969) interpretierte die Europäische Gemeinschaft als ein Unterlaufen des Gemeinsamen Marktes. Noch bevor die nationale Regelung am 1. Oktober 1970 in Kraft trat, verabschiedete sie daher am 20. März 1970 die Richtlinie 70/220/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Luftverunreinigung durch Fahrzeugabgase, worin sie eigene Grenzwerte für CO und Kohlenwasserstoffe festlegte.2 Seitdem sind die Abgasgrenzwerte in den EU-Mitgliedstaaten Europarecht. Grundlage hierfür war zunächst die erwähnte Richtlinie 70/220/EWG, die mehrfache Änderungen und Verschärfungen durchlief. In der Bundesrepublik wurden die Vorgaben zunächst durch eine Anpassung des §47 StVZO in deutsches Recht übernommen, bis im Jahr 2017 die Grenzwerte im Wege einer EU-Verordnung festgelegt wurden, die unmittelbar gilt.



Die ersten europäischen Grenzwerte von 1971 beschränkten sich auf CO- und Kohlenwasserstoffemissionen bei Fahrzeugen mit Fremdzündungsmotor mit einem Gewicht von maximal 3,5 t, also auf benzinbetriebene Pkw und leichte Nutzfahrzeuge:








            ˂ 750 kg





            ˂ 100g CO





            ˂ 8g Kohlenwasserstoffe





            pro Testzyklus









            < 2.150 kg





            ˂ 220g CO





            ˂ 12,8 g Kohlenwasserstoffe





            pro Testzyklus








Getestet wurden die Fahrzeuge auf dem Rollenprüfstand in einem Fahrzyklus, der einer Stadtfahrt entsprach.



Erste Maßnahmen zur Limitierung von Dieselabgasen wurden 1972 durch die Richtlinie 72/306/EWG veranlasst. Sie bezogen sich auf Rußgrenzwerte, festgestellt durch die Trübung der Abgase. Im Jahre 1974 wurden die für benzinbetriebene Fahrzeuge festgesetzten Kohlenmonoxid- und Kohlenwasserstoffgrenzwerte erstmals verschärft, durch eine Absenkung von 20 bzw. 15 %. Diese und auch die späteren Änderungen waren Konsequenzen aus dem Aktionsprogramm der EU für den Umweltschutz vom 22. November 1973.



1977 wurden durch Änderungsrichtlinie 77/102/EWG36 erstmals Grenzwerte für Stickoxide vorgegeben, wieder nur für benzinbetriebene Fahrzeuge:








            ˂ 750 kg





            ˂ 10g NO2





            pro Testdurchlauf









            < 2150 kg





            ˂ 16g NO2





            pro Testdurchlauf








Ab 1978 wurden die Stickoxidgrenzwerte um 15 %, die für CO um 20 % und die für Kohlenwasserstoff um 12 % herabgesetzt. Ab 1983 wurden Dieselfahrzeuge mit einem Gewicht bis zu 3,5 t in das bis dahin auf benzinbetriebene Fahrzeuge beschränkte Grenzwertregime der Richtlinie 70/220 EWG einbezogen. Zugleich wurde ein Summengrenzwert eingeführt.



1987 wurde das Grenzwertregime vom Ansatz her geändert: Die Grenzwerte bezogen sich jetzt auf den Hubraum und zum Teil auf die Antriebsart (Diesel- oder Benziner). Es differenzierte stark, auch hinsichtlich der verbindlichen Termine. Hinzu kam die Forderung an die Auslegung der Motoren auch für den Betrieb mit unverbleitem Benzin.3 Parallel hierzu gab es jetzt erstmals eine Regelung für Lastkraftwagen.4



Kurz danach wurde im Jahr 1988 der erste Partikelgrenzwert definiert und zahlenmäßig vorgegeben.5 Er wurde hubraumunabhängig auf 1,1 g/Testzyklus festgesetzt (Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Dieselantrieb).



1989 wurden die Grenzwerte für hubraumschwache Pkw und leichte Nutzfahrzeuge erneut gesenkt, auf jetzt 22g Kohlenmonoxid/Testzyklus und 5 g/Testzyklus für HC + NO

X

, gültig für alle Neufahrzeuge ab 1. Januar 1994.



Die nächste Umgestaltung erfuhr das Grenzwertregime 1991. Die Werte wurden jetzt auf den Fahrkilometer bezogen und die Unterscheidung nach Hubraumklassen wurde aufgegeben. Zugleich wurde der Testzyklus konsequent um einen außerstädtischen Teil ergänzt.6



Die neue Richtlinie war zugleich mit der sog. Euro-1-Norm die Geburtsstunde der Schadstoffklassen und auch des sog. NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus), der bis ins Jahr 2017 der allein maßgebende Grenzwertkontrolltest blieb. Die ab 1. Januar 1992 verbindlichen Werte der Euro-1-Norm waren jetzt 2,72 g Kohlenmonoxid/km, 0,97 g HC+NO

X

/km und 0,14 g Partikelmenge/km (für Dieselfahrzeuge).7



In den bis heute folgenden Jahren wurden die Schadstoffklassen mehrfach erweitert oder besser verengt. Für Lkw wurden parallel zu den Pkw die Schadstoffklassen Euro I bis Euro VI erlassen und jeweils mit aktualisiert. Die heute mit Euro 6 geltenden Grenzwerte für Pkw sowie deren Entwicklung von Euro 1 bis Euro 6 zeigt Abb. 7‑12.8



Dass die zunächst nationale, dann EU-bestimmte Umweltschutzgesetzgebung für den Verkehrssektor Wirkungen gezeigt hat, steht außer Frage. Abb. 7‑13 demonstriert dies insbesondere vor dem Hintergrund der um über 20 % gestiegenen Fahrleistungen.



Auch das alte Prüfverfahren, der im Jahre 1991 eingeführte sog. Neue Europäische Fahrzyklus (NEFZ) ist ab 1. September 2017 abgelöst worden – einerseits durch einen neuen Rollenprüfstandtest (WLTP), andererseits durch Schadstoff-Emissionsmessungen auf der Straße, sog. Real Driving Emissions Tests (RDE). RDEs werden allerdings zunächst nur zur Kontrolle der Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte durchgeführt und ergänzen damit den WLTP.



Abb. 7‑12:

 



Die Entwicklung der EURO-Normen der Klassen 1-6 für PKW; Quelle Wikimedia Commons. Emission Standards-Otto, Autor Hastdutoene



Alle bisher für den Straßenverkehr eingeführten Grenzwerte bezogen sich zwar auf Luftschadstoffe, klammerten jedoch das CO

2

 aus. Und dies durchaus zu Recht: CO

2

 ist für Mensch und Tier völlig ungiftig, wird von den Pflanzen sogar als notwendiger Bestandteil der Photosynthese gebraucht. Es ist jedoch eines der wichtigsten Treibhausgase, was erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts die notwendige Aufmerksamkeit fand, s. Kap. 4, Wahrnehmung und Beginn einer Klimapolitik, und Kap. 5, Klimadiskussion: Treibhausgase.



Entsprechend spät, erst ab dem Jahr 1995, wurden im Verkehrsbereich CO

2

-Limitierungen diskutiert. In diesem Jahr veröffentlichte die Europäische Kommission ihre Ziele zur Minderung der CO

2

-Emissionen von Personenkraftwagen, was letztlich auf eine Senkung des durchschnittlichen Kraftstoffverbrauchs hinauslief. Die EU wollte danach eine durchschnittliche Kohlendioxid-Emission von 120 g/km für Pkw ab Jahr 2005, spätestens 2010 einführen.



Abb. 7‑13:



Entwicklung der Fahrleistungen und Emissionen des Straßenverkehrs (einschl. LKW); Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung, urspr. UBA



Zu einer entsprechenden gesetzlichen Regelung kam es jedoch zunächst nicht. Vielmehr fanden die Verbände der Automobilwirtschaft 1998 zu einer freiwilligen Vereinbarung, nach der die durchschnittlichen CO

2

-Emissionen bis 2008/2009 auf 140g CO

2

/km zu senken waren. Die Kommission überprüfte die Einhaltung dieser Zielvereinbarung. Im Zuge dieser Überwachung stellte sich allerdings heraus, dass eine Erreichung des Zielwertes unwahrscheinlich wurde, nachdem für 2007 die durchschnittliche CO

2

-Emission je PKW rund 20 g/km über dem beschlossenen Zielwert für das Folgejahr lag. Als Konsequenz aus dieser realen Situation beschlossen EU-Kommission und EU- Parlament gesetzliche Maßnahmen.



Dies geschah durch eine Verordnung des EU- Parlaments und des Rates „zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen“ 9 Darin wurde eine durchschnittliche CO

2

-Emission der neu verkauften Pkw von 120 g/km festgelegt. Das CO

2

-Management bezog sich damit nicht mehr auf das einzelne Fahrzeug, sondern auf die Gesamtmenge aller in der EU in Verkehr gebrachten Fahrzeuge. Ein Wert von 130 g/km sollte durch Verbesserungen an den Motoren erreicht werden. Eine Reduktion um weitere 10 g/km sollten andere technische Maßnahmen am Fahrwerk und der Ausstattung (z.B. Klimaanlage) sowie veränderte Kraftstoffe und besseres, ggf. erzwungenes Fahrverhalten erbringen.



Besonders misslich für die Hersteller war, dass die Verordnung für das Jahr 2020 einen nochmals verringerten Zielwert von 95 g/km vorgab.



Abb. 7‑14:



Höhere Kraftfahrzeuggewichte erlauben höhere CO

2

-Emission; Quelle: Verordnung (EG) Nr.443/2009 vom 23. April 2009 … Amtsblatt der Europäischen Union. 5. Juni 2009, L140



Im Rahmen der neuen Verordnungen werden – ausgehend von den EU-weiten Flottenzielen – die Zielvorgaben für die spezifischen Emissionen der einzelnen Hersteller anhand einer Grenzwertkurve festgelegt. Diese lineare Kurve, die in Abb. 7‑14 dargestellt ist, gibt das Verhältnis zwischen den CO

2

-Emissionen und der Masse des Fahrzeugs in fahrbereitem Zustand an. Personenkraftwagen mit einer Masse von 1.372 kg – dem Durchschnittsgewicht der Neuwagen in der EU – müssen 130 g/km (bzw. 95 g/km) erreichen, Fahrzeuge mit höherem Gewicht dürfen entsprechend höheren CO

2

-Ausstoß haben.10 Dies war nötig, um Hersteller unterschiedlicher, kleiner wie großer Modelle wettbewerbsgerecht zu behandeln. Um den Übergang überhaupt zu gewährleisten, wurden hinsichtlich der zu berücksichtigenden Flotte aufsteigende Anteile und für die Personenkraftwagen mit spezifischen CO

2

-Emissionen von weniger als 50 g/km absteigende Mengenfaktoren vorgegeben.



Das Drehen an der CO

2

-Schraube war damit noch nicht beendet. Am 17. Dezember 2018 haben EU-Parlament und Rat eine nochmalige Absenkung der Grenzwerte beschlossen, diesmal für den größeren Zeitrahmen 2021 bis 2030. Am Ende der Dekade sollte eine Reduzierung um weitere 37,5 % für Pkw und 31 % für leichte Nutzfahrzeuge erreicht sein. Um eine mitlaufende Kontrolle des Fortschritts sicherzustellen, wurde für das Jahr 2025 mit -15 % für beide Fahrzeugklassen ein Zwischenschritt vorgegeben. Ob das realistisch ist, soll 2023 noch einmal überprüft werden, unter anderem mit