Der Weg zur Energiewende

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7.1.2 Energiemanagement

Vor dem Hintergrund der deutschen Energiepolitik wurde der sparsame Umgang mit Energie zu einem volkswirtschaftlich wichtigen Eckpfeiler. Hier ordnet sich das Energiemanagement ein. Wie in Kap. 7.1.1, Historische Hintergründe, dargestellt, ist hierfür seit einigen Jahren der Topos Energieeffizienz üblich geworden.

Unter Energieeffizienz wird zunächst neutral das Verhältnis von Ertrag (an Leistung allgemein, speziell an Dienstleistungen, an Waren oder von Energie) zu Energieeinsatz verstanden. Eine Wertung entsteht korrekt erst durch Adjektive wie hoch oder niedrig. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich jedoch durchgesetzt, schon dem Topos Effizienz die positive Bewertung zuzuordnen.

 So gilt umgangssprachlich ein Vorgang als energieeffizient, wenn der Nutzen mit nur minimalem Energieaufwand erreicht wird.

Für das auf Effizienz gerichtete Energiemanagement gilt allgemein die Definition:

 „Energiemanagement ist die Kombination aller Maßnahmen, die bei einer geforderten Leistung einen minimalen Energieeinsatz sicherstellen. Es bezieht sich auf Strukturen, Prozesse, Systeme und bauliche Gegebenheiten sowie auf menschliche Verhaltensweisen und -änderungen.“ (GABLER)1

Energiemanagement gehört, wie im Kap. 7.1.1 dargestellt, historisch zur neuesten Geschichte, entstanden aus den seit den 1970er Jahren verfolgten Ansätzen einer rationellen Energieverwendung.2

Energiemanagement kann in Deutschland formlos, mit Energieaudits nach DIN EN 16247 oder in einem Energiemanagementsystem nach DIN EN ISO 50001 betrieben werden. Die international bereits etablierten Umweltmanagementsysteme nach ISO 14001 und EMAS haben den Weg zum internationalen Standard für Energiemanagementsysteme (EnMS) bereitet.

Die ISO 14001 ist der weltweit akzeptierte und angewendete Standard für Umweltmanagementsysteme. Die Norm wurde 1996 von der Internationalen Organisation für Normung veröffentlicht und zuletzt 2015 novelliert. Sie dient der Erfassung aller Umweltauswirkungen von Unternehmen und Organisationen und der kontinuierlichen Verbesserung ihrer Umweltleistung auf dem jeweiligen Gebiet. Daher umfasst sie auch die Überprüfung des Energieverbrauchs und die Erschließung von Einsparmöglichkeiten.

Für manche potenziellen Anwender waren die Maßnahmen zur Optimierung des Energieverbrauchs innerhalb dieser Umweltmanagementsysteme aber nicht genügend „tiefgehend“ und ausdifferenziert – so kam es zur Entwicklung spezifischer EnMS-Standards, zunächst auf nationaler Basis.

Abb. 7‑6:

Zeitstrahl zur Entwicklung nationaler Energiemanagementnormen; Quelle: UBA, Energiemanagement als Erfolgsfaktor, Dessau-Roßlau, November 2010

Die Abb. 7‑6 zeigt die Entwicklung in der Entstehung nationaler EnMS-Normen. Wie die Abbildung zeigt, waren die USA, Dänemark, Schweden, Irland, Spanien und Südkorea mit nationalen Normen auf dem Markt, bevor im Jahre 2009 die EN 1601 für Europa und damit auch für Deutschland verbindlich wurde. Einen nationalen Vorläufer hat es in Deutschland nicht gegeben. Erst die im Jahr 2010 vom Umweltbundesamt (UBA) veröffentlichte Studie „Energiemanagement als Erfolgsfaktor“, die mit einem Vergleich der aus den Länderanalysen gewonnenen Erkenntnisse schloss, formulierte Empfehlungen für eine effektive Einführung von EnMS in Deutschland.

Die Empfehlungen enthielten wichtige Aussagen:

 Die Untersuchung zeigte zunächst, dass Energiemanagementsysteme (EnMSe) in vielen Ländern bereits als effektive Instrumente zur Förderung von Energieeffizienz eingesetzt wurden. Die Autoren begründeten dies damit, dass solche Systeme einen festen Rahmen bieten, um Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Energieeffizienz kontinuierlich zu steigern. Sie betonten auch, dass EnMSe einen Beitrag zur Verbreitung neuer energiesparender Techniken leisten könnten und empfahlen ihre Anwendung auch für Deutschland.

 Die Studie zeigte allerdings auch, dass ein EnMS als Instrument zur Förderung von Energieeffizienz kein Selbstläufer ist. Vorliegende Erfahrungen in anderen Ländern erbrachten, so die Autoren, nur dort befriedigende Annahme der nationalen Normen, wo staatliche Begleitmaßnahmen griffen. Auch bei staatlicher Unterstützung blieben langfristige Erfolge aus, wenn keine verbindliche Einbindung in das Management bis hin zur Unternehmensführung gegeben war.

 Mit Blick auf Deutschland folgerten die Autoren, dass vorrangig besonders energieintensive Unternehmen anzusprechen und für diese Pakete von Fördermaßnahmen und verpflichtenden Anforderungen (einschließlich des Einsatzes von normierten EnMS) zu schnüren wären.

 Von Wert ist auch die Feststellung, dass „die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in keinem der untersuchten Länder einen Schwerpunkt der Anwendung darstellten.“ Der Einsatz von EnMS beschränkt sich in allen betrachteten Ländern deutlich überwiegend auf (größere) energieintensive Betriebe.“3

 Die Autoren begründeten dies damit, dass bei den KMU die Voraussetzungen oft schlecht sind: „Es existieren keine Managementsysteme, auf denen aufgebaut werden könnte, die personellen Ressourcen sind knapp, die finanziellen Voraussetzungen für Investitionen in Energieeffizienztechniken sind nur bedingt gegeben, das Wissen der Unternehmensleitung über die faktisch erzielbaren Energieeinsparungen ist gering und das Management verfügt auch nur recht beschränkt über die Zeit, sich mit der Thematik intensiver vertraut zu machen.“4

 Abschließend plädierten die Autoren im Zusammenhang mit der Einführung energiesparender Maßnahmen und speziell von EnMS in Deutschland für eine enge Zusammenarbeit zwischen Staat und der Industrie. Positive wie negative Anreizeffekte sahen sie als geeignete Maßnahmen der Mobilisierung.

In diesen seinerzeit veröffentlichten Empfehlungen sind viele Probleme angesprochen, die sich in der späteren Einführung der EnMS-Normen in Deutschland und im Übergang zur Nutzung der ISO 50001 wiederfinden. Dies gilt besonders für die Schwierigkeit der Akzeptanz und Verbreitung von Energiemanagement bei kleineren und mittleren Betrieben (KMU).

Abb. 7‑7:

Beispiele für Energieeinsparungen durch Einführung eines Energiemanagementsystems, Dänemark; Quelle: UBA, Energiemanagement als Erfolgsfaktor, November 2010

Die vorstehende Tabelle der Abb. 7‑7 zeigt an dänischen Beispielen, dass ein EnMS durchaus nennenswerte Beiträge zu Effizienzverbesserung leisten kann, hier insbesondere im Wärmesektor.

7.1.3 Energiemanagement nach ISO

BMWi, BAFA und die KfW taten sich Jahr 2011 zusammen, um eine bundesweite Datenbank für sogenannte Energieeffizienz-Experten aufzubauen. Dies geschah zunächst vor dem Hintergrund, den Wildwuchs von selbsternannten Experten einzudämmen, die sich im Feld der geförderten Energieberatungen tummelten und die staatlichen Prämien abgriffen. Die zertifizierten Fachleute sollten sich vor allem um energieeffiziente Neubau- oder Sanierungsmaßnahmen kümmern. 2013 waren bereits 5000 Wohngebäude-Experten in der Liste aufgeführt. Das Programm wurde dann über den Bau hinaus ausgeweitet.

Ab Januar 2015 finden Unternehmen qualifizierte Fachleute im Rahmen des Förderprogramms „Energieberatung im Mittelstand (BAFA)“. Das BMWi unterstützt mit diesem Förderprogramm kleine und mittlere Unternehmen bei der Identifizierung von Energieeinsparpotenzialen. Branchen- und sektorübergreifend war schließlich auch die DIN EN 16001, die als erste Norm das Thema Energiemanagement behandelte und standardisierte. Die Grundlage für eine effiziente Energiebereitstellung und -nutzung ist das Wissen über die wesentlichen Energieverbraucher im Unternehmen und darüber, wie diese Faktoren beeinflusst werden können. Dafür müssen die betrieblichen Abläufe transparent sein und kontinuierlich erfasst werden. Die DIN EN 16001, veröffentlicht im August 2009, gab auf dieser Basis erstmals eine Struktur für ein betriebliches Energiemanagementsystem vor.

Das Fraunhofer IPA hatte einen Leitfaden zur Umsetzung der Anforderungen der DIN EN 16001 erstellt und zeigte die dazu notwendigen Schritte unter folgenden Überschriften auf:

 „Implementierung einer Energiepolitik,

 Definition von strategischen und operativen Zielen,

 Erklärung der Unternehmensleitung, dass die laufende Verbesserung der Energiebilanz ein durchgreifendes Unternehmensziel für alle Bereiche und Mitarbeiter ist.“

Anschließend an den Basisentwurf können dann Abläufe und Standards geschaffen werden, die die Norm sukzessive im Unternehmen etablieren. Das primäre Ziel der DIN EN 16001 war die Reduzierung der Energiekosten – nicht die Einsparung als solche oder die CO2-Einsparung. Unternehmen, die ein Energiemanagementsystem etablieren, gewinnen jedoch über die Kostenersparnis hinaus noch weitere Vorteile. Der kritische Blick auf die betrieblichen Abläufe führt dazu, dass in Technik wie Organisation Verbesserungsmöglichkeiten bis hin zur Innovation gefunden werden. Dazu kommt, dass Mitarbeiter ein Gefühl dafür gewinnen, was es heißt, effizient mit Energie umzugehen, und sich hierüber austauschen.

Im Prozess der Anerkennung der jetzt internationalen Norm zu diesem Thema, der DIN EN ISO 50001, wurde deutlich, dass Zweigleisigkeit keine Lösung sein konnte: die bestehende DIN EN 16001:2009 musste zurückgezogen werden, was dann zum April 2012 vorgesehen wurde. Die DIN EN ISO 50001 wurde Ende 2011 veröffentlicht (und Ende 2018 erneuert).1 Sie wurde von der International Standards Organization (ISO) entwickelt und deckt alle Phasen der Einführung und Umsetzung eines EnMS ab. Sie bietet Organisationen im typischen Normen-Deutsch einen Rahmen für:

 

 „Die Entwicklung und Durchführung von energetischen Bewertungen zur Feststellung von Verbesserungspotenzialen,

 die Lenkung und Überwachung der mit einem beträchtlichen Energieeinsatz verbundenen betrieblichen Abläufe und Instandhaltungsaktivitäten,

 die Überwachung, Messung und Analyse der Faktoren, die die energiebezogene Leistung bestimmen,

 die Bewertung der Eignung, Angemessenheit und Wirksamkeit,

 die Festlegung von strategischen und operativen Zielen zur Umsetzung der besseren Effizienz,

 die Entwicklung einer unternehmenseigenen Effizienz-Philosophie,

 die kontinuierliche Verbesserung der energiebezogenen Leistung eines Unternehmens.“2

Die Norm basiert formal auf dem Muster der DIN EN ISO 9001 (Qualitätsmanagementsysteme), der DIN EN ISO 14001 (Umweltmanagementsystem) sowie auf anderen Managementsystemen, die weltweit genutzt werden und konzentriert sich entsprechend auf Organisation und Abläufe. Die Inhalte der DIN EN ISO 50001 sind weitgehend identisch mit denen der nationalen DIN EN 16001. Jedoch unterscheiden sie sich in folgenden, z. T. formalen Punkten:3

 unterschiedliche Gliederungsakzente,

 andere Begriffe,

 Konkretisierung einiger Anforderungen,

 statt „Ermittlung und Überprüfung von Energieaspekten“ jetzt: „Energetische Bewertung“,

 Definition einer „Energetischen Ausgangsbasis“ (neu gegenüber DIN EN 16001),

 die früheren Indikatoren für die energetische Leistung werden durch „Energieleistungskennzahlen“ ersetzt.

 Statt Energieprogramm heißt es nun „Energieaktionsplan“.

 Die Verantwortung für das EnMS wechselt von einer Einzelperson zum sog. Energiemanagementteam.

 Keine Vorschriften zur Veröffentlichung,

 die Kapitel Benennung, Anwendungsbereich und Grenzen des Energiemanagementsystems entfallen.

 Für energierelevante Beschaffungen müssen Entscheidungskriterien definiert und etabliert werden.

Die ISO 50001 fordert im Rahmen der Planung des Energiemanagementsystems, dass das Unternehmen eine sog. „energetische Bewertung“ durchführt und aufrechterhält.4

Das heißt, dass das Unternehmen

 den Energieeinsatz mit Messungen und mithilfe anderer Daten ermittelt,

 auf dieser Basis die Bereiche des hauptsächlichen Energieverbrauchs definiert und

 Wege zur Verbesserung der Energieeffizienz findet und umsetzt, ggf. auch durch Änderung der Prozesse und Abläufe.

Die Zertifizierung nach ISO 50001 ist in Deutschland Voraussetzung für die Anerkennung als stromkostenintensives Unternehmen und für damit einhergehende steuerliche Erleichterungen. Gleichwertig damit ist in Deutschland die Durchführung eines Energieaudits nach DIN EN 16247-1 – eine weniger aufwendige Möglichkeit für kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Europäischen Kommission, die Anforderungen des Strom- und des Energiesteuergesetzes für den Spitzenausgleich und die Bedingungen des EEG für eine Anerkennung als stromkostenintensives Unternehmen zu erfüllen.

Der technischen Umsetzung dient in Deutschland die VDI-Richtlinie VDI 4602, Blatt 1 und 2, die seit Januar 2016 als Entwurf vorliegt. Die Richtlinie definiert den Begriff des Energiemanagements und hat ein gewollt breites Anwendungsspektrum. Sie lässt sich für öffentliche Einrichtungen, gewerbliche und industrielle Objekte oder auch Energieversorgungsunternehmen einsetzen.

Mit der bloß formalen Zertifizierung eines Energiemanagementsystems oder eines Energieaudits nach DIN EN ISO 50001 bzw. DIN EN 16247 ist es allerdings nicht getan, was die Richtlinie auch deutlich zum Ausdruck bringt:

 Es gilt, die formulierten Anforderungen des Energiemanagements umzusetzen und in die praktische Anwendung zu bringen.

Die Richtlinie dient diesem Zweck, indem sie den Bezug zwischen Zertifizierungsziel und praktischer Umsetzung dar- und herstellt. Die Richtlinie VDI 4602 Blatt 2 „Energiemanagement – Beispiele“ geht auf Anwendungsfälle zum Energiemanagement ein. Erfasst werden Aufgabenstellungen für die Wirtschaftsbereiche Energieversorgung, Industrie, Kommunen und Gebäudebewirtschaftung.5

Als Zeitaufwand für eine Zertifizierung kann etwa ein Jahr eingeplant werden, abhängig von der gewählten Agentur. Da die Agenturen privatwirtschaftlich organisiert sind, erheben sie Gebühren, die im Angebot mitgeteilt werden. Das Unternehmen muss sich zur Kostenübernahme verpflichten, bevor die nächsten Schritte eingeleitet werden.

Die Wahl der Agentur ist nicht unkritisch zu sehen. Alle Agenturen, die ein Zertifikat mit Prüflogo vergeben dürfen, sind von der nationalen Aufsichtsbehörde zugelassen, die als „DakkS“ firmiert, und haben dort ein umfangreiches Akkreditierungsverfahren durchlaufen. Jedoch gibt es bekannte Agenturen wie TÜV Süd, TÜV Rheinland, DQS als Tochter der deutschen Gesellschaft für Qualität, Lloyds Register, DNV GL6 etc. und weniger bekannte. Das wirkt sich auf die Außenwirkung des Zertifikates aus – ein No-Name-Logo zählt nicht viel beim Kunden, auch wenn es die formalen Bedingungen (z.B. zur Anerkennung als stromkostenintensives Unternehmen) erfüllt.

Die Kosten hängen i. A. von der Größe des Unternehmens ab, konkret von der Zahl der Mitarbeiter; sie unterscheiden sich außerdem von Agentur zu Agentur, wenn auch nicht stark. Um für kleine Unternehmen einen Richtwert zu geben: eine Erstzertifizierung erhält man für ca. 12.000 € plus MwSt. bei fünf Mitarbeitern in der mit dem System befassten Abteilung.7

Die Zertifizierung wird für eine Dauer von drei Jahren erteilt. Dann muss die sog. Re-Zertifizierung beantragt werden. Auch während der jeweiligen Laufzeit bleibt das System unter Kontrolle der Agentur. Zu diesem Zweck werden jährliche sog. Überwachungsaudits angesetzt, die vor Ort stattfinden. Auch sie sind wieder mit Kosten (und Zeit) verbunden.

Energiemanagementsysteme sind inzwischen in der deutschen Industrie durchaus verbreitet. Eine vom Verfasser m Jahre 2019 durchgeführte Umfrage in einem (sehr speziellen) Industriesektor ergab allerdings,

 dass der wesentliche Antrieb zur Einführung der Norm die Möglichkeit war, mithilfe des Zertifikats den Strombezugspreis zu senken.8

Das Beispiel zeigt, welche Umwege eine staatliche Fördermaßnahme nehmen kann.

7.2 Zertifikatehandel

Der Emissions- oder Zertifikatehandel geht von der Prämisse aus, dass man die der Atmosphäre zugeführten Mengen an CO2 (und/oder anderen Schadstoffen) kontrollieren kann, wenn hierfür vom jeweiligen Verursacher eine Berechtigung verlangt wird. Im gegebenen Fall handelt es sich dabei um Emissionsrechte, die für einen Staat oder einen konkreten Emittenten und eine bestimmte Zeitperiode gelten und die in der Periode auch handelbar sind. Die Tonne CO2 bzw. eines anderen Schadstoffes bekommt auf diese Weise einen Preis, sodass ein marktwirtschaftliches Instrument der Klimavorsorge entsteht.

Die Idee des Emissionszertifikatehandels geht ursprünglich auf das Jahr 1992 und den damaligen Senator und späteren US-Vizepräsidenten A. GORE zurück, der diesen Vorschlag im Rahmen einer Buchveröffentlichung machte.1

Das System überzeugt im Grundsatz, hat jedoch auch seine Schwächen. Sie hängen u. a. mit dem Startpreis der Zertifikate zusammen.

7.2.1 Funktionsweise

Ein einzelnes Emissionsrecht berechtigt zum Ausstoß von 1t CO2 bzw. CO2-Äquivalent innerhalb der zeitlich festgelegten Verpflichtungsperiode. Das Instrument wird wirksam durch Kontrolle: Am Ende der Verpflichtungsperiode ist nachzuweisen, dass die tatsächlichen Emissionen durch Emissionsberechtigungen gedeckt sind. Bei Überschreitungen sind Strafzahlungen zu leisten. Dazu kommt es im Regelfall jedoch nicht, da die Emittenten die Möglichkeit des Zukaufs an Emissionsrechten haben, wie sie auch umgekehrt nichtgenutzte Rechte verkaufen oder als Gutschriften in die nächste Periode mitnehmen können. Es entsteht somit ein regelrechtes Handelssystem, eben der Zertifikatehandel, der nach dem einfachen Prinzip der Abb. 7‑8 funktioniert.

Das System muss jeweils am Beginn einer Verpflichtungsperiode „gestartet” werden. Dazu muss durch eine berechtigte Stelle (Staat oder eine andere öffentliche Körperschaft) die Gesamtmenge an Emissionen für eine Periode festgelegt und in Form von Berechtigungen anteilig auf die Emittenten übertragen werden. Die Zahl der Zertifikate wird dabei aus den historischen Emissionen ermittelt und mit der klimapolitisch gewollten Reduktionsverpflichtung versehen. Die Startzertifikate werden entweder (zum Schutz der Wettbewerbsfähigkeit) gratis zugeteilt oder sie werden versteigert.

Abb. 7‑8:

Zum Prinzip des Zertifikatehandels; Quelle: Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt

Praktische Anwendung hat der Emissionshandel in verschiedenen Formen gefunden. Historisch entstand zunächst nach 1997 ein Handel zwischen Staaten, wie im Rahmen des Kyoto-Protokolls vereinbart. Der zwischenstaatliche Emissionshandel begann allerdings erst am 1. Januar 2008. Das im Modell dem Kyoto-Muster folgende Europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) wurde auf Basis der am 13. Oktober 2003 verabschiedeten Richtlinie dagegen schon am 1. Januar 2005 gestartet. Im EU-Emissionshandelssystem sind die Marktteilnehmer allerdings nicht mehr die Staaten, sondern die Unternehmen bzw. die Betreiber emissionsintensiver Industrieanlagen, die über nationale Allokationspläne Emissionsberechtigungen zugewiesen bekommen.

7.2.2 Der internationale Emissionshandel (nach Kyoto-Protokoll)

Der Emissionshandel ist Teil der sogenannten Flexiblen Mechanismen des Kyoto-Protokolls, die im Schema der Abb. 7‑9 dargestellt sind. Der hier interessierende Emissionshandel ist in Artikel 17 des Kyoto-Protokolls geregelt. Handelsteilnehmer sind die in der Protokollanlage B genannten Industriestaaten.

Modalitäten, Regeln und Richtlinien wurden über mehrere Jahre verhandelt und schließlich 2001 in Marrakesch (COP 7) als Marrakesh Accords verabschiedet. Der Handel selbst begann am 1. Januar 2008. Für dieses Startjahr wurden den am Kyoto-Protokoll beteiligten Staaten sogenannte „assigned amount units“ (AAUs) zugeteilt, die nach den jeweiligen Emissionen im Bezugsjahr 1990 bemessen waren. Die Zahl der jährlich neu verfügbaren AAU sollte sich mit jedem Folgejahr nach den festgelegten Reduktionszielen verringen, die für jeden Teilnehmer individuell ausgehandelt und durchaus unterschiedlich waren (Deutschland z.B. -21 %, Frankreich 0 %, Russland 0 %, Portugal +27 %). Zum Ende der ersten Kyoto-Periode (Ende 2012) sollten die Staaten jeweils eine Gesamtzahl von AAUs entsprechend ihrer aufsummierten Perioden-Emission einreichen. Nicht ausgeglichene Zertifikatsbilanzen sollten entweder zu Strafzahlungen (in Form des Zukaufs weiterer Zertifikate) oder zu Gutschriften für die Folgeperiode führen.

Abb. 7‑9:

Die Mechanismen des Kyoto-Protokolls, links der Emissionshandel; Quelle: UBA, Deutsche Emissionshandelsstelle

Die Strafbewehrung war sicherlich notwendig, führte jedoch zu unliebsamen Begleiterscheinungen: Kanada hatte sich im Kyoto-Protokoll dazu verpflichtet, bis 2012 seinen Ausstoß von CO2 um 6 % im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Allerdings wurde 2011 sichtbar, dass das Land dieses Ziel grob verfehlen würde: Im Jahr 2010 lag der Wert für die Treibhausgas-Emissionen Kanadas um mehr als 35 % über den Daten von 1990. Kanada verließ umgehend das Kyoto-Protokoll, um eine erwartbare Strafzahlung von mehr als 10 Mrd. Euro zu vermeiden.

 

Die erste Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls startete zudem mi einem Konstruktionsfehler, der mit der Wahl des Bezugsjahres zusammenhängt. In diesem Jahr existierten noch die Sowjetunion und der Warschauer Pakt mit ihren sehr hohen Emissionen, die in der Folgezeit nach der Auflösung des „Ostblocks” massiv einbrachen. Dadurch kam es zu einem Überangebot an Zertifikaten, das sich durch die gesamte Periode hinzog mit dem Ergebnis, das am Ende ein Gesamtüberschuss aller Länder aus der ersten Kyoto-Periode in Höhe von 13.127 Mio. t CO2-Äquivalent verblieb.

Die Handelsabsprachen zwischen den Staaten sind nicht öffentlich, jedoch stehen Schätzungen zur Verfügung: der durchschnittliche Preis lag von 2008–2011 zwischen 4 und 15 Euro pro Tonne und fiel dann im Jahr 2912 auf 2‒3 Euro pro Tonne. Das Gesamthandelsvolumen in der ersten Kyoto-Periode dürfte etwa 400 Mio. AAU betragen haben.

Dem Kyoto-Protokoll von 1997 folgten im Jahr 2012 die Beschlüsse von Doha für eine zweite Verpflichtungsperiode mit neuen Klimazielen für die Industrieländer bis 2020. Das Ergebnis zäher Verhandlungen war allerdings ein Kompromiss: Das Kyoto-Protokoll von 1997 wurde fortgeschrieben. Das bedeutete einen Reduktionsverpflichtung von 18 % für die Gesamtheit der verbliebenen 38 Staaten bis 2020, wiederum bezogen auf das Basisjahr 1990. Kanada war nun nicht mehr dabei, auch Russland, Japan und Neuseeland verweigerten die weitere Mitwirkung. Abgesehen von den nur mäßigen Reduktionszielen (z.B. EU -20%) verblieb als weiteres Problem der Umgang mit den Überschusszertifikaten der ersten Runde. Der wenig zufriedenstellende Kompromiss war hier, dass die osteuropäischen Staaten ihre überschüssigen Emissionsrechte in die zweite Periode übertragen und unter bestimmten Bedingungen auch verkaufen durften, sogar über 2020 hinaus.

Das Kyoto-Protokoll ist auf Treibhausgasemissionen insgesamt ausgerichtet und damit nicht auf CO2 beschränkt, wenngleich CO2 auch den bei Weitem größten Beitrag zu den Emissionen liefert. Das Kyoto-Protokoll umfasst neben CO2 auch Methan (CH4), Lachgas (N2O) und die fluorierten Treibhausgase (F-Gase). In Deutschland entfielen im Jahr 2016 88,2 % auf Kohlendioxid, 6,0 % auf Methan, 4,2 % auf Lachgas und rund 1,7 % auf die F-Gase.