Harte Reden

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Viel Ackerland ist von Dornenhecken umsäumt. Da sieh hinein, wie lose der Boden, wie tief durchwurzelt die Erde, und wie feucht, dumpf und schwül es da drinnen ist. Fällt da ein Samenkorn, fliegt da ein Sämlein hinein, so findet es jede nötige Öffnung und Tiefe. Es kann nach unten wurzeln, um nach oben zu sprießen. Und es wächst. Aber es wächst nicht allein. Es hat Konkurrenz. Die Dornen wachsen auch. Und die Dornen sind älter als das Pflänzlein. Und stärker, viel stärker. Mit ihrem gewundenen, spitzbewaffneten Arm trachten sie dem fremden Grün in ihrer Mitte nach dem Leben. Umfassen es, rauben ihm Licht und Luft und ersticken es.

Das ist das Schicksal des Samens in der Dornenhecke.

Kann man denn ein Menschenherz mit solch einer stachligen Dornenhecke vergleichen? O, der Herzenskündiger ohnegleichen irrt sich nicht. Das Menschenherz, das der Dornenhecke gleicht, findet man mindestens so häufig wie jene Herzen, die dem Wege und dem Steinigen gleichen. Wie oft stand ich vor seiner stachligen Dichte und Starre! Wie oft schlug mir seine Stickluft ins Gesicht!

Wie sieht denn solch ein armes mörderisches Herz aus?

O, es ist wirklich ein unglückliches Herz, dies überwucherte und überwuchernde, dieses erstickte und erstickende, dieses ermordete und ermordende Herz!

Und alle die tragen es im Leibe, die von der Sorge dieser Welt und vom Betrug des Reichtums hingenommen sind. Da sieh, und nun weißt du, wie groß deren Zahl ist. Oder richtiger: du weißt es nicht; denn die Zahl der von der Sorge dieser Welt geplagten und vom Betrug des Reichtums betrogenen Herzen ist unnennbar groß. Unsere Kultur ist eine Kultur der Angst. Ihr Wesen ist Unsicherheit und Hast. Man redet von sich steigernder Wohlfahrt, und wie wenige fühlen sich wahrhaft wohl. Man rühmt die sich steigernde Sicherheit, und wie wenige fühlen sich wirklich sicher.

Angst ist das innerste Wesen des Weltmenschen. Angst hockt bang und flüchtend oder frech und mordend in den Höhlen seiner Augen. Angst seufzt oder bellt aus seinem Munde. Angst jagt den lustigen Witz über die Schwelle der Lippe. Angst wohnt hinter der gewappneten Starre des scheinbar so ruhigen Gesichtes. Angst lenkt die raffenden oder bergenden Hände. Angst hetzt oder bannt die Füße. Der ganze Mensch ist Angst. Denn in der Welt hat der Mensch Angst, und niemand entflieht ihrem Bannkreis auf menschlichem Wege, niemand erwehrt sich ihrer Schrecken in eigener Kraft. So wird die Angst zur Mutter der Sorge und die Sorge zur Besitzerin deines Herzens. Sorge dieser Welt, der Pfahlwurzel der Angst im verfluchten Tiefgrund deines natürlichen Wesens entsprossen, das ist der wildverzweigte Dorn, den dein Herz dir trägt, der es überwuchert und zur Dornenhecke macht. O, du weißt es, du weißt es! – Angst, heimlich oder sichtlich quälende Angst ist auch die Gebärerin aller lähmenden oder hetzenden Nervosität. Es ist die Angst deiner Seele, die sich fürchtet, weil sie sich allein weiß, die zittert und bebt, weil sie ihren ewigen Pol verloren hat, nach dem sie vibriert wie die Nadel des Kompasses nach dem magnetischen Pol schwankt.

Diese Angst deiner Seele, die sich fürchtet, weil sie noch allein ist, übertragen auf das Gebäu deines von Millionen Sünden durchwurmten Leibes: siehe, das ist die Nervosität! Siehe, nun zittert dieses Leibesgebäu wie ein Baum, der bald fallen soll oder hängt träg wie der Zweig ohne Saft und Frucht. O, Bild von Millionen! Sorge dieser Welt, du krankes Kind der kranken Mutter, nun kannst du dich über den Herzensboden des armen Menschen hinwerfen und kannst stieren und heulen! Sorge dieser Welt, du wüstes Dornengewächs, nun kannst du auf bereitem Boden wühlen, wurzeln und wuchern! O, wie dunkel, dumpf und schwül ist es in dem Herzen, das da ist wie eine Dornenhecke! Wie dunstet die Stickluft, wie ragt der spitze Dorn! Du weißt es, du weißt es!

Und die Plage flüchtet zum Betrug. Die Sorge dieser Welt hetzt hinein in den Betrug des Reichtums. Wenn man das und das hätte, dann hörte die Angst auf. Wenn man das und das besäße, dann hätte man keine Sorgen mehr. O Jammer des Betrugs! Die Augen gieren, der Fuß jagt, die Hand greift und umklammert, der Mund rechnet – und dein Herz zuckt; denn nur eine neue Dornenart ist seinem Boden entsprossen und hat angefangen, alles in dir wild und weh zu umstricken, und der neue Dorn sticht mit tausend Spitzen: Betrug des Reichtums! Wahn des Habens und Besitzens! Wie vieler Hörer Herz ist da gezeichnet! Der Reichtum als Erlöser aus der Angst und Sorge! Der irdische Reichtum: als freimachende Sicherheit! Der irdische Reichtum als höchstes Gut! Der irdische Reichtum als sättigendes Glück! O glitzerndes Blendwerk der Hölle! O armer Narr von Mensch! Denn reich will beinahe jedes werden. Reich an Geld! Reich an Ehre! Reich an Wissen! Reich an Geist! Und doch geht eher ein Kamel durch ein Nadelöhr, ehe ein Reicher ins Himmelreich eingeht. Auch dieses Wort Jesu bleibt, wenn Himmel und Erde vergehen.

Denn die da reich werden wollen, fallen noch heute wie damals in Versuchungen und Stricke, in Ungerechtigkeit und Sünde, in denen sie unfähig werden, ihr Herz ihrem Schöpfer zu schenken, und verderben; also geht es allen, die reich sind an Geld, aber nicht reich sind in Gott. Und die die Ehre bei Menschen mehr lieben, als die Ehre bei Gott, auch sie verderben. „Denn wie könnt ihr glauben, wenn ihr Ehre voneinander nehmt?“ lautet die göttliche Warnung. Wer also Ehre bei Menschen sucht, auch der erliegt dem Betrug des Reichtums. Höre es, du Geldliebender! Höre es, du Ehrliebender! Und die da reich werden wollen an allerlei menschlichem Wissen und die Furcht Gottes, die aller Weisheit Anfang ist, verachten, auch sie sind betrogen vom Betrug des Reichtums; denn indes sie sich für weise halten, sind sie gerade wie der Geldreiche Narren vor Gott. Höre es, du Aufgeblähter, der du dich reich dünkst in deinem eitlen, vor Gott ganz nichtssagenden Wissen!

Und die da geistreich sein wollen im eigenen Geiste, um ihre Rolle zu spielen auf dem Markte, Komödianten, Heuchler, Pharisäer und Laodiceär, auch sie sind Betrogene vom Betrug des Reichtums; denn das Himmelreich gehört den geistlich Armen, den Unmündigen und Einfältigen, aber niemals ihnen. O Unmenge der vom Reichtum Betrogenen, vom in seine Milliarden verstrickten Milliardär bis herab zur ärmsten Kuhmagd im Dorfe, die da reich ist in allen Einbildungen der Selbstverliebtheit!

Sie alle, alle tragen das Herz im Leibe, das der Dornenhecke gleicht. Sie alle, alle erweisen sich als untauglich für die gottgewollte Kultur ihres Herzens. Bestanden, bewachsen und überwuchert ist ihr Herzensboden vom Irdischen und Eitlen und trägt Gott, Menschen und ihnen selbst nichts als Dornen. Ja, auch ihnen selbst! Denn der spitze Dorn der Angst bleibt ihnen und bohrt sich gegen seinen eigenen Grund. Auch entkommen sie nimmermehr dem stachligen Dornengewirre der Sorgen dieser Welt. Je mehr sie sich mit ihren scheinbar reichen Mitteln herausarbeiten wollen, desto tiefer kommen sie hinein. Verstrickt und in der Verstrickung erstickt, das ist der meisten Ende.

O Menschenkind, gleicht dein Herz der Dornenhecke, dann bist du ein bejammernswertes Geschöpf! Denn du bist unglücklich, was du auch sagen und haben magst. Niemand wird von dem Dornengewächs deines Herzensbodens mehr verwundet als du selbst. Die Angst hetzt, die Sorge quält, der Besitz trügt und versagt. Ach, welch eine Armut, welch ein Elend! Armes angsterfülltes, sorgenbeschwertes, immer wieder betrogenes Herz, kennst du dich? Was hat man dir nicht alles vorgegaukelt! Und was hast du nicht alles schon geglaubt? Geld sollte dir helfen, Menschen sollten dich erretten, wirtschaftliche Reformen würden dich erlösen, wissenschaftliche Ergebnisse dich befreien, soziale Arbeit dich heilen, Künste dich veredeln, ethisch-religiöse Ideale dich erneuern und die ganze reiche Kultur dich kultivieren – und bei alledem bliebst du, betrogenes Herz, doch, was du warst und noch bist: eine Dornenhecke! Sei ehrlich!

Sieh, und nun bist du hier, um diesen Vortrag anzuhören. Denn, wenn du leidlich ehrlich bist, so sehnst du dich aus Verwundung und Armut heraus und begehrst endliche Heilung und wirklichen Besitz. Du hörst Gottes Wort. Ein Gleichnis Jesu redet zu dir. Die Worte gehen dir nach, suchen dich. Sie fallen in dich hinein. Du lässt es geschehen. Ach, du weißt ja, wie nötig du sie hast! Du bist ja kein hartgetretener Weg ohne Öffnung, kein gleichgültiges Herz mehr, sondern bereits ein armes verwundetes Herz. Bist auch nicht das Steinige, ohne Tiefe. O nein, die Angst zerriss längst deinen Boden, die Sorge furchte ihn, der Betrug zerbröckelte ihn. Aber du bist dennoch die Dornenhecke. Nun fallen die Worte in dich hinein. „Etliches fiel unter die Dornen.“ Höre, bei dir wird jetzt „unter die Dornen gesät“!

Die Körner fallen. Öffnung und Tiefe nehmen sie auf. Heilige, himmlische Befruchtung! Der Same ist gut! Der Same ist gut! Und bei dir da tief drinnen ist's schwül und warm, o so dumpf schwül und warm. Feuchte Wärme, sagt man, sei die gewöhnliche Bedingung für gutes Wachstum. Diese Bedingung ist erfüllt. Die aufgenommenen Worte tun dir so wohl. Du hoffst auf ihren Wert. Du erwartest von ihnen irgendeine Lösung und Erlösung. Denn du weißt, sie sind wahr, sie sind mehr als wahr: sie sind Gottes Wort an dich; Gottesgut, das dir zuteilwerden soll, das du heimtragen sollst als wirklichen Besitz. Und du tust es. Anders als sonst legst du dich schlafen, reicher, ruhiger. In der Nacht erwachst du. Ein Glanz ist in dir: das Leuchten der Worte vom Abend. Das Gefilde deines Gemütes liegt so hell unter der inneren Sonne. Klarer Himmel. Fruchtbares Gedeihen. Seliger Friede. Es ist dir, als müsstest du gläubig danken und beten. Da, gerade da, steigt eine Wolke auf. Ein verdunkelnder Zweifel. Ein trübendes Bedenken. Etwas vom alten Grauen, vom bangen Sorgen. – Die Naturforscher berichten, dass über Nacht Inseln im Meere auftauchen und ihre Berge übers Wasser recken. Aber ich glaube kein Berg ist plötzlicher da und türmt sich schneller als ein Sorgenberg.

 

Da ragt er mitten in der Nacht unter der wachsenden Zweifelswolke am jäh sich trübenden Himmel deines Gemüts und nimmt dir Aussicht und Atem. Wie, du solltest Gott dein Herz geben? Was würden die Leute dazu sagen? Besonders die, von denen du materiell abhängig bist. Sie würden dich ruinieren, bankrott machen. Wie, du solltest Gott deinen Willen, solltest Jesu dein Leben geben? Die Herrschaft auf seine Schultern legen, nicht mehr selbst regieren und kutschieren? Wie, du solltest nicht mehr so frei mitlaufen können im Wettlauf um die Güter dieser Welt, um das so nötige Geld, um die so wohltuende Ehre? Ei, da müsstest du ja das lassen, gerade das! Und nun lässt der Arge den schwarzen Sorgenberg, der inzwischen seine Schuldigkeit getan hat, verschwinden und zeigt dir irgendetwas Glitzerndes, Flimmerndes, Schimmerndes aus dem Reichtum dieser Welt – du weißt selbst am besten, was – und so jäh, wie vorhin der Sorgenberg wuchs, so jäh gleißt dich nun der Betrug deines Schatzes, deines Abgottes an, den du nicht lassen kannst nein, nein, nein, den du nicht lassen darfst, es wäre ja unverantwortlicher Leichtsinn, nein, Blödsinn, ja, Wahnsinn wäre es! Siehe, und du bist entschlossen, ängstlich, sorgenvoll, aber fest entschlossen: es soll doch lieber alles beim alten bleiben. Wie könntest du auch dein Ein- und Auskommen, dein Geld und Geschäft, deine Schätze und deine Bedürfnisse, deine Pläne und deine Ziele so ohne weiteres in die Hand dieses vielleicht doch zweifelhaften Jesus und fernen ungewissen Gottes legen? – Merkst du, was ich sagen will? Ich will sagen: Deine Dornen, o Herz, werden diese Nacht wachsen und werden dem ebenfalls in dieser Nacht wachsenden Pflänzlein, dessen Same soeben in dich fiel, hart und spitz nach dem Leben trachten, werden mit gewundenem Arm es umschließen, ihm den Atem nehmen und es ersticken. –

Ersticktes, gemordetes Gotteswort! Erwürgter Gotteshauch! Gleichsam dem göttlichen Geiste, der im göttlichen Worte pulsiert, an die Kehle gegriffen und – zugedrückt! – Mir bekannte vor Jahren ein fremdländischer Arbeiter, dass er in seiner Jugend mit rohen Gefährten in seinem Heimatlande einen alten Mann ermorden half. „Wir warfen ihn ins Bett und bedeckten ihn mit Kissen“, berichtete er. „Der Alte wehrte sich entsetzlich; aber wir pressten ihm die Kissen immer fester aufs Gesicht, bis es stille darunter wurde. Wir hatten ihn erstickt.“ Und hier, ersticktes Jesuswort, ist das wohl geringerer Mord?

Menschenkind, stehe wieder still und sieh rückwärts! Menschenkind mit der Dornenhecke auf dem Herzensboden, wieviel Gotteswort ward erstickt in dir! Erstickt in dir durch die angstgeborene Sorge dieser Welt und durch den schändlichen Betrug des Reichtums, die beide dornig und stachlig dein Herz überwucherten! Wie viele Jesusworte fielen wohl schon in deine Dichte und Starre, und jedes Mal mussten sie sterben in deiner mörderischen Schwüle! Sag, graut dir nicht vor der Räuberhöhle und Mördergrube deines Herzens? O, wie kann man nur immer noch glauben an diese weite und breite Menschheit, wenn man bedenkt, wieviel einzig kostbares Gotteswort bereits auf dem Boden ihres trotzigen und verzagten Herzens zugrunde gegangen ist! Wie möchte man weinen und lachen über diese sogenannte Kultur, die das einzige Mittel zur Kultivierung unseres Herzens seit Jahrtausenden und noch tagtäglich sich vom Satan auf hartgetretenem Herzensboden entreißen oder auf der Steinwüste ihrer Oberflächlichkeit verwelken und verdorren oder auf dem Dornengrund ihrer Not und Abgötterei ersticken lässt!

Sag, was fehlt dir denn, du dornenüberwuchertes Herz? Öffnung und Tiefe hattest du schließlich; aber siehe, Licht und Luft fehlten deinem Herzensboden! Christus ist das Licht der Welt, und wollte auch dein Licht werden, ach wie oft! Aber das Dickicht deiner elenden Sorgen und das böse Gehege deiner betrogenen, abgöttischen Leidenschaften ließen den hellen göttlichen Strahl nicht zum Grunde deines Wesens dringen. Du liebtest das schwüle Duster deiner Sorgenatmosphäre und das wirre Dornengehege des Reichtums dieser Welt mehr als das freimachende Himmelslicht; denn deine Werke waren noch böse. Und Luft fehlte dir. Der Odem aus der ewigen Stille, der Hauch des Heiligen Geistes, konnte nicht frisch und fruchtbar in deines Herzens Grund wehen; so musste der göttliche Same, der dir zufiel, in der Stickluft deines adamitischen Welt- und Sündenwesens verderben und sterben. Welch ein Verlust!

Soll es so weitergehen? Du hast es nicht mit eines Menschen Wort zu tun, sondern mit dem ewigen Gott und deinem Mittler und Erretter Jesus Christ. Geh, lies dies Gleichnis Jesu mitsamt seiner Erklärung noch einmal, und nimm wahr, wie es in seiner wortkargen Schlichtheit zu drei Vierteln einer Traueranzeige gleicht, die der Urheber, Erretter und Herr des Lebens über den fruchtberaubten Acker dieser Welt, über das verwüstete Saatfeld der Erde hin veröffentlicht. Wie oft schon hast du die wehen Worte dieser Traueranzeige, diesen herben Bericht von der Menschen roher Unkultur, dieses licht- und liebevolle Gleichnis Jesu gehört und gelesen, dass du hättest dein Herz erkennen und fahren lassen können; aber selbst das Wort von deinem Herzen erstarb noch aus dem Boden deines Herzens!

Soll es jetzt wieder so sein?

Wer Ohren hat, zu hören, der höre!

So höre auch noch das letzte!

„Etliches fiel auf ein gutes Land und trug Frucht, etliches hundertfältig, etliches sechzigfältig, etliches dreißigfältig … Das aber in das gute Land gesät ist, das ist, wenn jemand das Wort hört und versteht es und dann auch Frucht bringt …“

Ein viertes Herzensland zeigt uns der Herzenskündiger ohnegleichen, und nennt es „gutes Land“. Ich denke, das ist bereits urbar gemachtes, gepflügtes, umgegrabenes und gedüngtes Land. Da ist allenthalben die nötige Öffnung des Bodens; denn die Pflugschar hat gearbeitet oder Grabscheit und Hacke. Auch die Tiefe ist da, der Felsengrund ist zerborsten, die Steine sind zermürbt; die Wetter sind über das Land hingegangen und haben dem scharfen Eisen geholfen. Nun erweist sich das zerbröckelte Gestein als der beste Dünger. Und wo Dornen standen, da sind sie ausgerottet mitsamt der Wurzel, so gut es nur ging; ihre Asche nährt den licht und luftig gewordenen Boden. Dahinein kann nun das gute Saatkorn fallen, und jede Scholle wird zum gebärenden Mutterschoß. Im Dunklen erstirbt das Korn und keimt doch aus seinem zerfallenen Leibe fruchtbar zum Licht empor. Und es verdorrt nicht; denn es hat haltende, saugende Wurzeln nach unten. Und es erstickt nicht, denn es hat Raum, Licht und Luft nach oben. Kultivierter, fruchtbarer Boden, gutes Land! Nicht überall gleich gut, gleich fruchtbar, sogar sehr verschieden im Ertrag, aber doch „gutes Land“.

Gepriesen sei Gott, auch solche Menschenherzen gibt es! Sie sind nicht ohne weiteres so gewesen, o nein! Gott hat sie sich mit unvergleichlicher Geduld und Langmut so zubereitet. Es sind die Herzen, die sich schließlich doch von ihrem Schöpfer überwinden ließen. Das zweischneidige Schwert des Wortes Gottes konnte sie endlich doch treffen und durchbohren. Öffnung war geschaffen. Der Hammer der göttlichen Wahrheit zerschlug den felsenharten Urgrund der alten Ichherrlichkeit. Die Pflugschar der Buße fuhr hinterher. Tiefe war geschafft. Ins zerschlagene Herz hinein fielen die Samenkörner des lebendigmachenden Gotteswortes. Tränen wurden zum Dünger. Der Glaube an die Kraft des sühnenden Blutes von Golgatha reinigte das für seinen Erlöser offene Herz. Das Gnadenlicht des heiligen und gütigen Gottes beleuchtete die bisherige unfruchtbare Wüste und Leere und schenkte zugleich Kraft und Wärme dem keimenden, neuen Leben. Der Hauch des Heiligen Geistes umwehte den von ihm zugetragenen Keim und erfüllte den urbaren Boden bis zum Grunde, dass er anfing zu duften im Süßgeruch der Erkenntnis Christi und Gottes. Licht und Luft waren da. Und die Liebe Gottes konnte nun ausgegossen werden in dieses gottgeweihte Herz, wie der Regen die Saat tränkt am jungen Frühlingstage. Nun beginnt dies also kultivierte Herz seine Frucht, die Frucht des Geistes von oben her, zu bringen in Geduld. Es wird zum ersten Male ergiebig für Gott, seinen Schöpfer, in dessen Hand es übergegangen ist. Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit reifen in dem erneuerten Herzen zur fröhlichen Ernte für den himmlischen Herrn der Ernte, in dem einen Herzen hundertfältig, in dem andern sechzigfältig, in jenem dreißigfältig.

Siehe, das ist die von Gott in Christus bewirkte Kultur der Herzen, und eine andere gibt es nicht.

Du musst sie erleben, oder dein Leben bleibt, trotz aller deiner sogenannten Kulturleistungen unfruchtbar für Gott, und damit unfruchtbar für dich selbst und auch unfruchtbar für die Menschen.

Wie wirst du jetzt hinweggehen? Wird göttliche Kulturarbeit an dir geschehen sein? Wird dein Herz Öffnung, Tiefe, Licht und Lust empfangen haben? Wird der Boden deines Herzens „gutes Land“ geworden sein? Wirst du das gehörte Wort heimtragen und bewahren in einem guten und feinen Herzen? Wirst du es weiter bewegen in diesem Herzen?

Oder bleibt es bei der Härte? Bleibt es bei der Oberflächlichkeit? Bleibt es bei den Dornen?

O, welche Fragen von welcher Tragweite!

Aber was du auch zu tun gedenkst: Gott hat das Seine getan. Er wollte dir durch das Gleichnis aus dem Munde seines Sohnes sein eigenes und dein eigenes Herz offenbaren.

Darum gehe jetzt hin. Aber Jesu Gleichnis und Jesu Wahrheit und Jesu Frage werden mit dir gehen. Sie lauten:

Vierfach ist das Ackerfeld,

Mensch, wie ist dein Herz bestellt?

*

Wie schön ist nicht ein Herz,

Das, ausgeleert von allem,

Nichts in sich heget mehr

Als Gottes Wohlgefallen.

Das, durch viel Kreuz und Leid

Geschmolzen und gefegt,

Die höchste Majestät

Im stillen Grunde trägt!

Tersteegen

1 Der gegenwärtige Krieg hat bereits die Antwort gebracht. Siehe des Verfassers „Kriegsvorträge“ und „Brennende Gegenwartsfragen“.