Lieblingsplätze Oberfranken

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4 Hallo, Pralinenschachtel!
Coburg: Rund um den Marktplatz

Es hat gar nichts Magisches, obwohl es so klingt: Den Coburger Marktplatz erreichen Sie über sieben Gassen. Sofort fällt der Blick auf das Zentrum des Platzes: das Prinz-Albert-Monument, das den Gemahl der Königin Victoria darstellt. Gelassen blickt er auf das Rathaus an der Südseite des Marktes und stört sich weder an den Tauben, die auf seinem Kopf ausruhen, noch an den Rauchschwaden aus den Bratwurstbuden.

Mein Lieblingsspaziergang durch die Pralinenschachtel des Coburger Zentrums beginnt am Ketschentor (einem der drei noch erhaltenen Stadttore). Auf dem Weg zum Marktplatz kommt man an etlichen Fachwerkbauten vorbei, auch am Münzmeisterhaus, einem gotischen Fachwerkhaus mit schönen Laubenbögen.

Zwischen all den bunten Fassaden und Giebeln gibt es keinen Grund, sich zu beeilen. Jedes Haus will bestaunt werden. Die Gebäude Markt 1–18 stehen unter Denkmalschutz. In alten Zeiten führte hier die Handelsstraße von Nürnberg nach Erfurt (Süd-Nord) entlang, außerdem die von Prag nach Frankfurt (Ost-West). Sie kreuzen sich mitten auf dem Markt, der im 15. Jahrhundert angelegt wurde. Besonders gern mag ich das Stadthaus mit seinen bunten, reich dekorierten Erkern und den hoch aufragenden Zwerchhäusern.

Auch die Gassen und Gässchen um den Markt bieten Genuss fürs Auge, etwa die gut 300 Jahre alten Fachwerkfassaden in der Kirchgasse. Von hier schlendern Sie weiter zum Kirchhof. Werfen Sie einen Blick auf und in die Morizkirche, die älteste Kirche Coburgs, die mit ihren zwei unterschiedlichen Türmen ein markantes Bild abgibt. Schon 1310 wurde der Bau begonnen, doch erst mehr als 200 Jahre später abgeschlossen. Luther hat hier mehrfach gepredigt. Im 18. Jahrhundert wurde der Innenraum barockisiert, die einst gotischen Charakteristika sind weitgehend verschwunden. Das Konterfei von St. Mauritius, dem Schutzpatron der Stadt, ist übrigens auch auf den Kanaldeckeln wiederzufinden.

Zurück geht es in wenigen Minuten zum Markt und in die breite Spitalgasse, wo Sie geruhsam in Buchhandlungen stöbern können.

Stärken Sie sich im Miles and More, wo im 17. Jahrhundert die altehrwürdige Herrenstube beheimatet war. Im Sommer auch in der kleinen Hofnische unter freiem Himmel.


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Rathaus am Marktplatz

96450 Coburg

Tourismus Coburg

Herrngasse 4

96450 Coburg

09561 898000

www.coburg-tourist.de

5 Gebt dem Leben Farbe!
Coburg: Café M

Wann immer ich in Coburg bin, mache ich gern einen Abstecher ins Café M. Beim Blick in einen riesengroßen (wirklich riesengroßen) Bottich Milchkaffee (hier stimmen die Größenverhältnisse auch aus Sicht eines Kaffeejunkies) und beim Knuspern einer Schoko-Kaffeebohne verliert sich die Zeit draußen. So, wie Mascha Kaléko schreibt: »Die Zeit steht still. Wir sind es, die vergehen.« In diesem Sinne: sitzen, beobachten, träumen.

Mag ja sein, dass man unversehens in eine Diskussion über Kunst hineingerät. Denn im Café M stellen regelmäßig verschiedene Künstler ihre Werke aus. Themen und Machart wechseln, doch Kunst an sich ist stets präsent, schwingt durch den Raum, gibt ihm Rhythmus und Dynamik. Und streut zugleich eine Prise Humor mit ein. Denn es gibt schon genug Ödnis im Leben. Nehmen wir es also nicht ganz so ernst.

Neben den vielen Stammgästen findet sich auch immer jemand Neues zum Schwätzen. Das Publikum ist gemischt, Theaterleute, Studenten, Professoren, Schüler, Plaudertaschen und Genießer. Eine Frau mit Laptop, die ihr Büro kurzfristig ins M verlegt hat. Womöglich eine Autorin.

Man betritt das Café von der Judengasse aus. Im Sommer sitzt es sich auch schön draußen mit Blick auf das Stadttor. Auf der ersten Ebene befindet sich die Theke, das bunte Regal mit den vielen Kaffeesorten, die linke Wand tiefgelb, die rechte leuchtend rot. Die großen Tafeln hinter der Theke, auf denen die aktuellen Spezialitäten beworben werden, sind selbst kleine Kunstwerke: Schokofondue soll es geben; der Schriftzug ist klein im Vergleich zu dem mit Kreide gemalten Fonduetopf mit einer brennenden Kerze darunter. Der Appetit lässt nicht lange auf sich warten.

Dann geht es ein paar Stufen hinauf. Hier sitzt es sich ein wenig intimer. Ein guter Platz zum Lesen und Nachdenken. Und im Innenhof, den manche Gäste erst entdecken, wenn sie die Toiletten aufsuchen, lässt sich ein prima Kurzurlaub einlegen. Apropos Toiletten: Auch hier gibt’s viel Farbe. Denn Farbe beißt nicht. Sie versüßt das Leben.

Das Café M ist der ideale Startpunkt für einen Stadtbummel. Schlendern Sie zum Marktplatz, es sind nur wenige Schritte, und von dort in die vielen Gässchen mit ihren kleinen Geschäften.


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Café M

Judengasse 8

96450 Coburg

09561 795133

www.cafem-coburg.de

6 Architektur und Wohnen um 1900
Coburg: Ein Villenspaziergang

Wenn Sie über die Frankenbrücke kommend ins Coburger Zentrum fahren oder gehen, sehen Sie gegenüber am Hang ein paar Giebel aus dem Grün aufragen. Sie gehören zu einer Reihe von Villen, die (über den Daumen gepeilt) in der Zeit von 1850 bis 1910 gebaut wurden und sich von der Alexandrinenstraße über die Obere Anlage, Marienstraße und den Glockenberg erstrecken. Der Weg ist steil, doch die Anstrengung lohnt!

Beginnen Sie Ihren Spaziergang an der südlichen Alexandrinen-straße gegenüber dem Rosengarten. Einige der klassizierenden Villen liegen zurückgesetzt am Hang. In Nummer 13 lebte Johann Strauß für eine Weile, übrigens seit seiner Heirat mit Adele Deutsch 1887 Coburger Bürger. Ein Juwel ist die Villa mit der wunderschönen Glasveranda (Hausnummer 11). Die nördliche Alexandrinenstraße wartet mit dem einzigen Gebäude Coburgs auf, das in floraler Jugendstilornamentik gestaltet wurde. Das Sonnenemblem auf der Fassade gab der Villa ihren Namen: Sonnenhaus. Auf ihren Architekten Carl Otto Leheis gehen mehrere Villen im Umkreis zurück.

Der Weg führt über die Obere Anlage (hier blicken Sie auf die frühere südöstliche Stadtbefestigung) in die Marienstraße. Wieder viel Jugendstil und Fachwerk. Mein Lieblingshaus ist die Nummer 1 mit ihrem Eckturm, den vielen Giebeln und der seitlichen Veranda – ein bisschen Schloss, ein bisschen Villa Kunterbunt. Spazieren Sie den Glockenberg hinauf. Der Name leitet sich ab von der herzoglichen Glockengießerei, die Herzog Johann Casimir Ende des 16. Jahrhunderts einrichtete. Deren Gebäulichkeiten wurden 1879 abgerissen. Heute steht an ihrer Stelle (Hausnummer 7) ein Satteldachbau, in dem das Bayerische Forst- und Domänenamt Coburg seinen Sitz hat. Man erkennt das Haus mit den an der Dachkante angebrachten Polygonaltürmen, den Maßwerkfenstern und dem Balkon auf vier Säulen über dem Eingang sofort als Vertreter der Coburger Neugotik. Besonders pittoresk mit ihrem in hellem Blaugrau gehaltenen Fachwerk ist die Villa Glockenberg 6a (die Fassade steht zur Marienstraße).

Stilechtes Übernachten in Villen­nähe ist in der Hotelpension Bärenturm angesagt. Der Turm ist Teil der alten Stadtbefestigung und beherbergte einst zwei Bären.


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Villenspaziergang

Startpunkt: Rosengarten an der Alexandrinenstraße

96450 Coburg


Hotelpension Bärenturm

Untere Anlage 2

96450 Coburg

09561 318401

www.baerenturm-hotelpension.de

7 Very British
Coburg: Schloss Callenberg

Ein traumhaftes Stück Natur ist der Callenberger Forst nordwestlich von Coburg mit seinen uralten Bäumen. Das auf einem Bergkegel thronende Schloss sehen Sie schon von der Straße aus, die Coburg mit dem Stadtteil Beiersdorf verbindet. Vom Parkplatz führt der Fußweg in wenigen Minuten die letzten Meter hinauf zum Schloss. Die erste Mauer, die Sie passieren, beeindruckt durch die Baumstämme, die ihr zu entwachsen scheinen – oder greifen die Mauersteine nach den Wurzeln?

Erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt, hat Schloss Callenberg erst seit etwa 200 Jahren sein heutiges Aussehen: Im englisch-neugotischen Stil signalisiert es die Affinität des Herzogshauses Sachsen-Coburg und Gotha zu England. Schloss und Grund gehören auch heute noch der Herzogsfamilie. Callenberg war nie ein Repräsentationsbau, sondern ein privater Lebensraum. Wenn Sie eine Führung mitmachen, erfahren Sie mehr über die Historie der Coburger und ihre Verzweigung in den europäischen Monarchien. Zum Beispiel, dass der letzte regierende Herzog von Coburg, Carl Eduard, der hier auf Callenberg lebte, der Großvater des heutigen schwedischen Königs Carl XVI. Gustaf ist.

Eine Besichtigung lohnt schon allein, um die herrliche Anlage zu entdecken. Ein traumschöner Ort zu jeder Jahreszeit ist der Rosengarten. Außerdem ist das Deutsche Schützenmuseum im Schloss untergebracht. Es finden Konzerte, Gottesdienste und wechselnde Kunstausstellungen statt.

 

Genießen Sie im Anschluss an die Schlosstour den Blick auf die Veste Coburg und über die Senningshöhe bis nach Thüringen.

Haben Sie den Ökonomiehof beim Aufstieg links liegen sehen? Das Ensemble entstand unter Herzog Ernst I. als Verwaltungs- und Herbergszentrum des Kammergutes Callenberg. Direkt unterhalb lädt eine große Wiese zum Picknicken ein. Am Parkplatz wartet ein 20 Meter hoher Riesenmammutbaum auf Sie: Diese Bäume stammen eigentlich aus Kalifornien, sie werden, so heißt es, 3.000 Jahre alt. Einen zweiten finden Sie übrigens auf der Veste Coburg.

Etwas weiter westlich baute Ernst II. eine Musterfarm nach englischem Vorbild, in der heute Teile der Rudolf-Steiner-Schule untergebracht sind. Werfen Sie einen Blick darauf!


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Schloss Callenberg

Callenberg 1

96450 Coburg

09561 55150

www.schloss-callenberg.de


Fachwerkhäuser im Coburger Zentrum

8 Ein königliches Zuhause
Rödental: Schloss Rosenau

Das ultimative Schloss-Feeling bekommen Sie in der Rosenau – und nur dort. So möchte man leben, meint man, kaum hat man das Auto am Parkplatz abgestellt und das Handy im Handschuhfach vergessen. Der Landschaftspark mit seinen weiten Durchblicken auf das Schloss nimmt den Besucher sofort gefangen und versetzt ihn in milde Zufriedenheit. So traumverloren kann das Leben sein!

Königin Victoria von England, deren Mann, der Coburger Prinz Albert, auf Schloss Rosenau geboren worden war, schrieb voller Nos­talgie: »Wäre ich nicht das, was ich bin, hätte ich hier mein wirkliches Zuhause.« Kein Wunder! Auf der Rosenau lässt nicht nur blaues Blut die Seele baumeln.

Im Kern handelt es sich um einen mittelalterlichen Rittersitz, doch Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg-Saalfeld ließ ihn neugotisch umgestalten. Das Schloss kann besichtigt werden – überwältigend ist der Marmorsaal, wo einst die Hofbälle stattfanden. Anschließend erfrischt ein Spaziergang durch den weitläufigen Park, dessen Planer übrigens nicht bekannt ist. Erhalten sind noch eine Grotte mit Wasserfall, Wirtschaftsgebäude, Teehaus und Orangerie. Außerdem die Turniersäule (folgen Sie den Wegweisern zur Sonnenuhr); sie erinnert an die Ritterturniere, die Ernst I. in diesem Schlosspark abhielt. Umrunden Sie einmal den Schwanenteich, lassen Sie sich auf einer der historischen Steinbänke nieder. Hier stellt sich heitere Gelassenheit von selbst ein, ganz ohne Wellnessprogramm. Besonders beschaulich ist es am Schalenbrunnen direkt vor dem Schloss; oft hört man hier Aussprüche wie: »Toll, so ein Wochenendschloss!« Von der Terrasse führen Treppen zur Itz hinunter (der Zugang ist an der Längsseite des Schlosses, ein bisschen versteckt). Wenn Ihre Fantasie noch mehr Anregungen braucht (was ich eigentlich nicht für realistisch halte) – statten Sie doch dem Europäischen Museum für modernes Glas gleich beim Parkplatz einen Besuch ab!

Brauchen Sie jetzt etwas Bodenständiges? Ein süffiges Bier? Probieren Sie den Fuhrmannstrunk im Braugasthof Grosch mitten in Rödental.


8

Schloss Rosenau

Rosenau 1

96472 Rödental

09563 308410

www.schloesser-coburg.de

Braugasthof Grosch

Oeslauer Straße 115

96472 Rödental

09563 7500

www.der-grosch.de

Die Coburger – die besseren Bayern?
Das Haus Sachsen-Coburg

Okay, ein bisschen provokativ ist das schon gemeint. Denn die (Alt-)Bayern würden die Coburger kaum als Bayern bezeichnen; wenn schon nicht als Preußen (was wahrscheinlich ist), dann als Franken. Doch so richtige Franken sind sie auch nicht, wie der Coburger Dialekt verrät – sind sie nun Bayern oder nicht?

Womöglich sind sie die überzeugteren Bayern. Denn die Bürger des ehemaligen Herzogtums Sachsen-Coburg (seit 1826 Sachsen-Coburg und Gotha) entschieden sich 1919 in einer Volksabstimmung für den Anschluss Coburgs an Bayern – und nicht an Thüringen, was historisch gesehen naheliegend gewesen wäre. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Konsequenz dieser Entscheidung sichtbar: Bayern fiel in die amerikanische Besatzungszone und spätere Bundesrepublik, Thüringen dagegen in die sowjetische Zone und spätere DDR. Bis 1990 war Coburg an drei Seiten durch eine undurchdringliche Grenze von seinem angestammten Hinterland abgeschnitten.

Zuvor war Coburg ein ernestinisches Herzogtum gewesen. Das kleine Fürstenhaus mischte sich im 19. Jahrhundert durch seine clevere Heiratspolitik unter die großen Monarchien Europas: Königin Victoria von England etwa heiratete den Coburger Prinzen Albert. Dieser studierte britisches Staatsrecht und wurde zum Berater seiner Frau. Offiziell zum Prinzgemahl ernannt, ist der Coburger Albert der Erfinder der Weltausstellung. Auf ihn gehen Pläne für erste Arbeiterwohnungen in England zurück. Weitere verwandtschaftliche Bande bestehen mit Belgien, Portugal, Rumänien, Bulgarien und Schweden.

Zum Ende des Ersten Weltkriegs dankte Herzog Carl Eduard ab. Doch das Herzogliche sieht man der Stadt auf Schritt und Tritt an. Ab und zu kommen königliche Gäste aus anderen Teilen Europas. Dann gehört ein Spaziergang über den Marktplatz und ein Bratwurstsnack zum Besuchsprogramm.

Überhaupt – die Coburger Bratwurst! Die hellblauen Rauchschwaden über den Buden weisen den Hungrigen den Weg. Diese Bratwurst ist anders als die anderen: Sie ist gröber, länger, im Teig sind rohe Eier (Sondergenehmigung!), und gebraten wird sie auf einem Rost über offenem Feuer aus Kiefernzapfen. Diese Zubereitung verleiht den 31 Zentimeter langen Würsten ihren typischen Geschmack. Außerdem wird die Semmel nicht in horizontaler, sondern in vertikaler Richtung aufgeschnitten.

Augenblick: 31 Zentimeter?

Wenn Sie gerade in Ihre Bratwurst beißen – werfen Sie einen Blick auf den Giebel des Rathauses. Dort oben balanciert der Coburger Stadtheilige, St. Moriz, besser bekannt als »Bratwurstmännla«. Der Marschallstab in seiner Hand gibt das rechte Bratwurstmaß vor. Über Jahrzehnte hinweg konnte seine Länge nicht exakt festgestellt werden. Man schätzte sie auf 35 bis 40 Zentimeter. Als 1982 die Coburger Feuerwehr eine neue Drehleiter vorführte, wurde nachgemessen: 31 Zentimeter!

Eine andere sehr beliebte Spezialität der Stadt sind die in alle Welt exportierten Coburger Schmätzchen. Sie sind klein, rund und schmecken nach Honig und ein klein bisschen nach Weihnachten. Die Hofbäckerei Feyler in der Rosengasse bäckt die Lebkuchentaler nach Originalrezept. Die Goldschmätzchen erhalten nach dem Backen einen Guss aus Schokolade und werden gekrönt mit einem Tupfer echten Blattgoldes.

Coburg war seit der Reformation über viele Jahrhunderte hinweg eine so gut wie ausschließlich protestantische Stadt. Hier nahm Martin Luther 1530, unter Reichsacht stehend, Zuflucht. Er blieb fünf Monate auf der Veste Coburg. Einige Szenen in Eric Tills Film Luther mit Joseph Fiennes in der Hauptrolle wurden auch dort gedreht. Einen fiktiven Mordfall, der sich während Luthers Aufenthalt auf der Veste Coburg zutrug, schildert Dohlenhatz, Gmeiner, Meßkirch 2017.

Einen wunderbaren literarischen Einblick in die späten herzöglichen Jahre Coburgs gibt Uwe Timms 2002 erschienener Roman Der Mann auf dem Hochrad. In dieser so ironisch wie feinfühlig erzählten Geschichte um Franz Schröter, der Hochrad fahren lernt und die kleine Stadt mit dieser Pioniertat völlig durcheinanderbringt, spiegeln sich der Fortschrittsglaube der damaligen Zeit, aber auch die provinzielle Kleinkariertheit des späten 19. Jahrhunderts.

9 Schafe sind nicht nur zum Zählen da!
Ahorn: Alte Schäferei

Zunächst weist nur ein unscheinbares Schild an der B 303 von Coburg nach Schweinfurt auf das Gerätemuseum hin. Wer es nicht unbedingt gezielt anfährt, ist auch schon vorbeigerauscht. Die Fachwerk-Scheunen verschwimmen beinahe mit dem tiefgrünen Wald im Hintergrund, und wenn das Gras hoch steht, sieht man allenfalls die Dachziegel. Wer jedoch abbiegt, der hat einen unglaublich erholsamen Lieblingsplatz entdeckt.

Die weitläufige Anlage, ab 1713 errichtet, beeindruckt einfach. Macht es die Nähe zu Wald und Wiese, dass das Museum so gar nicht wie ein Museum wirkt, so untouristisch und authentisch, zum Atemschöpfen eben? Der Alten Schäferei ist nichts Überkandideltes eigen. Hier gibt es viel Holz, viel Stein und viel Grün.

Das Ensemble am Fuß des Hühnerberges war die ehemalige Gutsschäferei des Ahorner Schlosses. Im seinerzeitigen Herzogtum Coburg gab es mehr als zwei Dutzend solcher Schäfereien. Ein weißes Plastikschaf streckt zur Begrüßung neugierig die Schnauze aus dem Museum. Die Gerätesammlung ist außerordentlich umfangreich, man veranstaltet Sonderausstellungen und Aktionen, die Volkskunde erlebbar machen wollen. Die Spinngruppe etwa tradiert alte Arbeitstechniken des Spinnens und Webens.

Ruhig und verträumt lässt sich ein Spaziergang durch das En­semble an. Schafstall, Doppelscheune, Schäferwohnhaus, Brunnenhaus und Backofen – hier präsentiert sich als selbstverständlich, was dem Besucher aus dem 21. Jahrhundert fast schon altertümlich vorkommt, aber viel von ausgefeilter Handarbeit und verlässlicher Erzeugung heimischer Produkte erzählt.

Schlendern Sie am kleinen Kräutergarten vorbei in den Biergarten der Schäferstuben. Wie wäre es mit einem kalten Radler und Brot mit weißem Käse (Quark, angemacht mit Schnittlauch, serviert mit ein wenig Gurke, Zwiebel und Tomate)? Oder lacht das Schmalzbrot Sie an? Bei schlechtem Wetter sind Sie in der urigen Wirtsstube gut aufgehoben; am besten gleich neben dem Kachelofen.

Das Ahorner Schloss liegt in Sichtweite! Ein Spaziergang bietet sich an; vielleicht haben Sie Glück und können einen Blick in die Schlosskirche werfen.


9

Alte Schäferei – Gerätemuseum des Coburger Landes

Alte Schäferei 2

96482 Ahorn

09561 1304

www.geraetemuseum-ahorn.de

Schäferstuben

Alte Schäferei 2

96482 Ahorn

09561 28939

www.gasthaus-schaefer-stuben.de

10 Heilung aus den Tiefen der Erde
Bad Rodach: »ThermeNatur«

Dass sie auf einer heißen Quelle sitzen, ahnten die Rodacher bereits, bevor 1972 die Bohrung nach der Heilquelle begann. War im Winter der ganze Ort mit seinen umgebenden Hügeln tief verschneit, blieb die weiße Pracht auf dem Schleichersberg einfach nicht liegen. Der Verdacht lag nahe, dass auch Rodach wie das nahe Bad Colberg auf einem heißen Wassertopf sitzt. Auf dem Grundstück der früheren Waldarbeiterin Ida Schleicher, die der Stadt Rodach zwei Hektar Land überließ und im Gegenzug eine Leibrente sowie ein Wohnhaus im Ort erhielt, befindet sich heute die ThermeNatur. Seit 1988 sind sogar zwei Thermalquellen erschlossen, eine aus 652 Metern, die andere aus mehr als 1.000 Metern Tiefe. Das warme Wasser hilft bei Gelenkerkrankungen und Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule, lindert Beschwerden bei Weichteilrheumatismus und Hauterkrankungen und ist auch angezeigt nach Operationen am Bewegungsapparat.

Aktivität im warmen Wasser ist natürlich nicht nur Kranken vorbehalten, sondern entspannt alle Gäste, die dem Druck des Alltags für ein paar Stunden entkommen wollen. Spaß macht das Schwimmen in den Bewegungsbecken, von denen eines in der Therme, das andere außen liegt. Auch an kalten Wintertagen kann man durch eine Schleuse in den Außenbereich schwimmen, ohne das Wasser zu verlassen. Einmal schwerelos schweben? Das geht im angenehmen 35 Grad warmen Strömungskanal beinahe so gut wie im Weltall.

 

Wer mit einer Schwitzkur etwas Gutes für seine Gesundheit tun möchte, durchstreift am besten die Saunalandschaft Erdfeuer mit ihren fünf Saunen; eine ganz besondere Atmosphäre strahlt die runde, in die Erde eingelassene Erdhügelsauna mit dem verglasten Kamin in der Mitte aus. In der Vita-Bar im Saunabereich erfrischen Säfte und kleine Snacks nach einem anstrengenden Badetag. Für den größeren Hunger steht das Thermen-Restaurant bereit mit seinem herrlichen Panoramablick auf die Langen Berge.

Bei Vollmond auf dem Rücken treibend in den Himmel blinzeln und dabei eine Luna-Bowle schlürfen. Wer mag, leiht eine Luftmatratze für den komfortablen Blick in den Himmel aus.


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ThermeNatur Bad Rodach

Thermalbadstraße 18

96476 Bad Rodach

09564 92320

www.therme-natur.de

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