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Die Räuber

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SPIEGELBERG. Hum, hum! Bruder, was ich dir vorhin erzählt habe, bleibt unter uns, er brauchts nicht zu wissen. Verstehst du?

RAZMANN. Recht, recht! ich versteh.

SPIEGELBERG. Du kennst ihn ja! Er hat so seine Grillen. Du verstehst mich.

RAZMANN. Ich versteh, ich versteh.

Schwarz in vollem Lauf.

RAZMANN. Wer da? was gibts da? Passagiers im Wald?

SCHWARZ. Hurtig, hurtig! wo sind die andern? — tausendsackerment! ihr steht da und plaudert! Wißt ihr denn nicht — wißt ihr denn gar nicht? — und Roller —

RAZMANN. Was dann? was dann?

SCHWARZ. Roller ist gehangen, noch vier andere mit —

RAZMANN. Roller? Schwerenot! seit wenn — woher weißt dus?

SCHWARZ. Schon über drei Wochen sitzt er, und wir erfahren nichts, schon drei Rechtstäge sind über ihn gehalten worden, und wir hören nichts, man hat ihn auf der Tortur examiniert, wo der Hauptmann sei? — der wackere Bursche hat nichts bekannt, gestern ist ihm der Prozeß gemacht worden, diesen Morgen ist er dem Teufel Extrapost zugefahren.

RAZMANN. Vermaledeit! weiß es der Hauptmann?

SCHWARZ. Erst gestern erfährt ers. Er schäumt wie ein Eber. Du weißts, er hat immer am meisten gehalten auf Roller, und nun die Tortur erst — Strick und Leiter sind schon an den Turm gebracht worden, es half nichts; er selbst hat sich schon in Kapuzinerskutte zu ihm geschlichen, und die Person mit ihm wechseln wollen, Roller schlugs hartnäckig ab, itzt hat er einen Eid geschworen, daß es uns eiskalt über die Leber lief, er wolle ihm eine Todesfackel anzünden, wie sie noch keinem König geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun und blau brennen soll. Mir ist bang für die Stadt. Er hat schon lang eine Pike auf sie, weil sie so schändlich bigott ist, und du weißt, wenn er sagt: ich wills tun! so ists so viel, als wenns unsereiner getan hat.

RAZMANN. Das ist wahr! ich kenne den Hauptmann. Wenn er dem Teufel sein Wort drauf gegeben hätte in die Hölle zu fahren, er würde nie beten, wenn er mit einem halben Vaterunser selig werden könnte! — Aber ach! der arme Roller! der arme Roller! —

SPIEGELBERG. Memento mori! Aber das regt mich nicht an. Trillert ein Liedchen.

Geh ich vorbei am Rabensteine,

So blinz ich nur das rechte Auge zu

Und denk, du hängst mir wohl alleine,

Wer ist ein Narr, ich oder du?

RAZMANN aufspringend. Horch! ein Schuß. Schießen und Lärmen.

SPIEGELBERG. Noch einer!

RAZMANN. Wieder einer! der Hauptmann!

Hinter der Szene gesungen.

Die Nürnberger henken keinen

Sie hätten ihn denn vor. Da Capo.

SCHWEIZER. ROLLER hinter der Szene. Holla ho! Holla ho!

RAZMANN. Roller! Roller! Holen mich zehn Teufel!

SCHWEIZER. ROLLER hinter der Szene. Razmann! Schwarz! Spiegelberg! Razmann!

RAZMANN. Roller! Schweizer! Blitz, Donner, Hagel und Wetter! Fliegen ihm entgegen.

Räuber Moor zu Pferd, Schweizer, Roller, Grimm, Schufterle, Räubertrupp mit Kot und Staub bedeckt, treten auf.

RÄUBER MOOR vom Pferd springend. Freiheit! Freiheit! — — du bist im Trocknen, Roller! — Führ meinen Rappen ab, Schweizer, und wasch ihn mit Wein. Wirft sich auf die Erde. Das hat gegolten!

RAZMANN zu Roller. Nun bei der Feueresse des Plutos! bist du vom Rad auferstanden?

SCHWARZ. Bist du sein Geist? oder bin ich ein Narr? oder bist dus wirklich?

ROLLER in Atem. Ich bins. Leibhaftig. Ganz. Wo glaubst du, daß ich herkomme?

SCHWARZ. Da frag die Hexe! der Stab war schon über dich gebrochen!

ROLLER. Das war er freilich, und noch mehr. Ich komme recta vom Galgen her. Laß mich nur erst zu Atem kommen. Der Schweizer wird dir erzählen. Gebt mir ein Glas Branntenwein! — du auch wieder da, Moritz? Ich dachte, dich woanders wiederzusehen — gebt mir doch ein Glas Branntenwein! meine Knochen fallen auseinander — o mein Hauptmann! wo ist mein Hauptmann?

SCHWARZ. Gleich, gleich! — so sag doch, so schwätz doch! wie bist du davonkommen? wie haben wir dich wieder? der Kopf geht mir um. Vom Galgen her, sagst du?

ROLLER stürzt eine Flasche Branntenwein hinunter. Ah, das schmeckt, das brennt ein! — geradeswegs vom Galgen her! sag ich. Ihr steht da, und gafft, und könnts nicht träumen — ich war auch nur drei Schritte von der Sackermentsleiter, auf der ich in den Schoß Abrahams steigen sollte — so nah, so nah — war dir schon mit Haut und Haar auf die Anatomie verhandelt! hättest mein Leben um ‘n Prise Schnupftabak haben können, dem Hauptmann dank ich Luft, Freiheit und Leben.

SCHWEIZER. Es war ein Spaß, der sich hören läßt. Wir hatten den Tag vorher durch unsre Spionen Wind gekriegt, der Roller liege tüchtig im Salz, und wenn der Himmel nicht beizeit noch einfallen wollte, so werde er morgen am Tag — das war als heut — den Weg alles Fleisches gehen müssen — Auf! sagt der Hauptmann, was wiegt ein Freund nicht. — Wir retten ihn, oder retten ihn nicht, so wollen wir ihm wenigstens doch eine Todesfackel anzünden, wie sie noch keinem König geleuchtet hat, die ihnen den Buckel braun und blau brennen soll. Die ganze Bande wird aufgeboten. Wir schicken einen Expressen an ihn, ders ihm in einem Zettelchen beibrachte, das er ihm in die Suppe warf.

ROLLER. Ich verzweifelte an dem Erfolg.

SCHWEIZER. Wir paßten die Zeit ab, bis die Passagen leer waren. Die ganze Stadt zog dem Spektakel nach, Reuter und Fußgänger durcheinander und Wagen, der Lärm und der Galgenpsalm johlten weit. Itzt, sagt der Hauptmann, brennt an, brennt an! Die Kerl flogen wie Pfeile, steckten die Stadt an dreiunddreißig Ecken zumal in Brand, werfen feurige Lunten in die Nähe des Pulverturms, in Kirchen und Scheunen — Mordbleu es war keine Viertelstunde vergangen, der Nordostwind, der auch seinen Zahn auf die Stadt haben muß, kam uns trefflich zustatten, und half die Flamme bis hinauf in die obersten Giebel jagen. Wir indes Gasse auf, Gasse nieder, wie Furien — Feuerjo! Feurjo! durch die ganze Stadt — Geheul, — Geschrei — Gepolter — fangen an die Brandglocken zu brummen, knallt der Pulverturm in die Luft, als wär die Erde mitten entzweigeborsten, und der Himmel zerplatzt und die Hölle zehntausend Klafter tiefer versunken.

ROLLER. Und itzt sah mein Gefolge zurück — da lag die Stadt wie Gomorrha und Sodom, der ganze Horizont war Feuer, Schwefel und Rauch, vierzig Gebürge brüllen den infernalischen Schwank in die Rund herum nach, ein panischer Schreck schmeißt alle zu Boden — itzt nutz ich den Zeitpunkt, und risch, wie der Wind! ich war losgebunden, so nah wars dabei — da meine Begleiter versteinert wie Lots Weib zurückschaun, Reißaus! zerrissen die Haufen! davon! Sechzig Schritte weg werf ich die Kleider ab, stürze mich in den Fluß, schwimm unterm Wasser fort, bis ich glaubte, ihnen aus dem Gesichte zu sein. Mein Hauptmann schon parat mit Pferden und Kleidern — so bin ich entkommen. Moor! Moor! möchtest du bald auch in den Pfeffer geraten, daß ich dir Gleiches mit Gleichem vergelten kann!

RAZMANN. Ein bestialischer Wunsch, für den man dich hängen sollte — aber es war ein Streich zum Zerplatzen.

ROLLER. Es war Hülfe in der Not, ihr könnts nicht schätzen. Ihr hättet sollen — den Strick um den Hals — mit lebendigem Leib zu Grabe marschieren wie ich, und die sackermentalischen Anstalten und Schinderszeremonien, und mit jedem Schritt, den der scheue Fuß vorwärts wankte, näher und fürchterlich näher die verfluchte Maschine, wo ich einlogiert werden sollte, im Glanz der schröcklichen Morgensonne steigend, und die laurenden Schindersknechte und die gräßliche Musik — noch raunt sie in meinen Ohren — und das Gekrächz hungriger Raben, die an meinem halbfaulen Antezessor zu dreißigen hingen, und das alles, alles — und obendrein noch der Vorschmack der Seligkeit, die mir blühete! — Bruder, Bruder! und auf einmal die Losung zur Freiheit — Es war ein Knall, als ob dem Himmelfaß ein Reif gesprungen wäre — hört, Kanaillen! ich sag euch, wenn man aus dem glühenden Ofen ins Eiswasser springt, kann man den Abfall nicht so stark fühlen als ich, da ich am andern Ufer war.

SPIEGELBERG lacht. Armer Schlucker! Nun ists ja verschwitzt. Trinkt ihm zu. Zur glücklichen Wiedergeburt!

ROLLER wirft sein Glas weg. Nein, bei allen Schätzen des Mammons! ich möchte das nicht zum zweiten Mal erleben. Sterben ist etwas mehr als Harlekinssprung, und Todesangst ist ärger als Sterben.

SPIEGELBERG. Und der hüpfende Pulverturn — merkst dus itzt, Razmann? — drum stank auch die Luft so nach Schwefel, stundenweit, als würde die ganze Garderobe des Molochs unter dem Firmament ausgelüftet — es war ein Meisterstreich, Hauptmann! ich beneide dich drum.

SCHWEIZER. Macht sich die Stadt eine Freude daraus, meinen Kameraden wie ein verhetztes Schwein abtun zu sehen, was, zum Henker! sollen wir uns ein Gewissen daraus machen, unserem Kameraden zulieb die Stadt draufgehen zu lassen? Und nebenher hatten unsere Kerls noch das gefundene Fressen, über den alten Kaiser zu plündern. — Sagt einmal! was habt ihr weggekapert?

EINER VON DER BANDE. Ich hab mich während des Durcheinanders in die Stephanskirche geschlichen und die Borten vom Altartuch abgetrennt, der liebe Gott da, sagt ich, ist ein reicher Mann und kann ja Goldfäden aus einem Batzenstrick machen.

SCHWEIZER. Du hast wohlgetan — was soll auch der Plunder in einer Kirche? Sie tragens dem Schöpfer zu, der über den Trödelkram lachet, und seine Geschöpfe dörfen verhungern. — Und du, Spangeler — wo hast du dein Netz ausgeworfen?

EIN ZWEITER. Ich und Bügel haben einen Kaufladen geplündert und bringen Zeug für unser funfzig mit.

EIN DRITTER. Zwei goldne Sackuhren hab ich weggebixt, und ein Dutzend silberne Löffel darzu.

 

SCHWEIZER. Gut, gut. Und wir haben ihnen eins angerichtet, dran sie vierzehn Tage werden zu löschen haben. Wenn sie dem Feuer wehren wollen, so müssen sie die Stadt durch Wasser ruinieren — Weißt du nicht, Schufterle, wieviel es Tote gesetzt hat?

SCHUFTERLE. Dreiundachtzig sagt man. Der Turm allein hat ihrer sechzig zu Staub zerschmettert.

RÄUBER MOOR sehr ernst. Roller, du bist teuer bezahlt.

SCHUFTERLE. Pah, pah! was heißt aber das? — ja, wenns Männer gewesen wären — aber da warens Wickelkinder, die ihre Laken vergolden, eingeschnurrte Mütterchen, die ihnen die Mücken wehrten, ausgedörrte Ofenhocker, die keine Türe mehr finden konnten — Patienten, die nach dem Dokter winselten, der in seinem gravitätischen Trab der Hatz nachgezogen war — Was leichte Beine hatte, war ausgeflogen der Komödie nach, und nur der Bodensatz der Stadt blieb zurück, die Häuser zu hüten.

MOOR. O der armen Gewürme! Kranke, sagst du, Greise und Kinder? —

SCHUFTERLE. Ja zum Teufel! und Kindbetterinnen darzu, und hochschwangere Weiber, die befürchteten, unterm lichten Galgen zu abortieren, junge Frauen, die besorgten, sich an den Schindersstückchen zu versehen und ihrem Kind in Mutterleib den Galgen auf den Buckel zu brennen — Arme Poeten, die keinen Schuh anzuziehen hatten, weil sie ihr einziges Paar in die Mache gegeben, und was das Hundsgesindel mehr ist, es lohnt sich der Mühe nicht, daß man davon redt. Wie ich von ungefähr so an einer Baracke vorbeigehe, hör ich drinnen ein Gezeter, ich guck hinein, und wie ichs beim Licht besehe, was wars? Ein Kind wars, noch frisch und gesund, das lag auf dem Boden unterm Tisch, und der Tisch wollte eben angehen, — Armes Tierchen, sagt ich, du verfrierst ja hier, und warfs in die Flamme —

MOOR. Wirklich, Schufterle? — Und diese Flamme brenne in deinem Busen, bis die Ewigkeit grau wird! — Fort Ungeheuer! Laß dich nimmer unter meiner Bande sehen! Murrt ihr! — Überlegt ihr? — Wer überlegt, wann ich befehle? — Fort mit ihm, sag ich, — es sind noch mehr unter euch, die meinem Grimm reif sind. Ich kenne dich, Spiegelberg. Aber ich will nächstens unter euch treten, und fürchterlich Musterung halten. Sie gehn zitternd ab.

Moor allein, heftig auf und ab gehend.

Höre sie nicht, Rächer im Himmel! — Was kann ich dafür? Was kannst du dafür, wenn deine Pestilenz, deine Teurung, deine Wasserfluten, den Gerechten mit dem Bösewicht auffressen? Wer kann der Flamme befehlen, daß sie nicht auch durch die gesegneten Saaten wüte, wenn sie das Genist der Hornissel zerstören soll? — O pfui über den Kindermord! den Weibermord! — den Krankenmord! Wie beugt mich diese Tat! Sie hat meine schönsten Werke vergiftet — da steht der Knabe, schamrot und ausgehöhnt vor dem Auge des Himmels, der sich anmaßte, mit Jupiters Keile zu spielen, und Pygmäen niederwarf, da er Titanen zerschmettern sollte — geh, geh! du bist der Mann nicht, das Rachschwert der obern Tribunale zu regieren, du erlagst bei dem ersten Griff — hier entsag ich dem frechen Plan, gehe, mich in irgendeine Kluft der Erde zu verkriechen, wo der Tag vor meiner Schande zurücktritt. Er will fliehen.

RÄUBER eilig. Sieh dich vor, Hauptmann! Es spukt! Ganze Haufen böhmischer Reuter schwadronieren im Holz herum — der höllische Blaustrumpf muß ihnen verträtscht haben —

NEUE RÄUBER. Hauptmann! Hauptmann! Sie haben uns die Spur abgelauert — rings ziehen ihrer etliche tausend einen Kordon um den mittlern Wald.

NEUE RÄUBER. Weh, weh, weh! Wir sind gefangen, gerädert, wir sind gevierteilt! Viele tausend Husaren, Dragoner und Jäger sprengen um die Anhöhe, und halten die Luftlöcher besetzt. Moor geht ab.

Schweizer. Grimm. Roller. Schwarz. Schufterle. Spiegelberg. Razmann. Räubertrupp.

SCHWEIZER. Haben wir sie aus den Federn geschüttelt? Freu dich doch, Roller! Das hab ich mir lange gewünscht, mich mit so Kommißbrotrittern herumzuhauen — wo ist der Hauptmann? Ist die ganze Bande beisammen? Wir haben doch Pulver genug?

RAZMANN. Pulver die schwere Meng. Aber unser sind achtzig in allem, und so immer kaum einer gegen ihrer zwanzig.

SCHWEIZER. Desto besser! und laß es fünfzig gegen meinen großen Nagel sein — Haben sie so lang gewartet, bis wir ihnen die Streu unterm Arsch angezündt haben — Brüder, Brüder! so hats keine Not. Sie setzen ihr Leben an zehen Kreuzer, fechten wir nicht für Hals und Freiheit? — Wir wollen über sie her wie die Sündflut und auf ihre Köpfe herabfeuren wie Wetterleuchten — Wo zum Teufel! ist dann der Hauptmann?

SPIEGELBERG. Er verläßt uns in dieser Not. Können wir denn nicht mehr entwischen?

SCHWEIZER. Entwischen?

SPIEGELBERG. Oh! warum bin ich nicht geblieben in Jerusalem.

SCHWEIZER. So wollt ich doch, daß du im Kloak ersticktest, Dreckseele du! Bei nackten Nonnen hast du ein großes Maul, aber wenn du zwei Fäuste siehst, — Memme, zeige dich itzt, oder man soll dich in eine Sauhaut nähen, und durch Hunde verhetzen lassen.

RAZMANN. Der Hauptmann, der Hauptmann!

Moor, langsam, vor sich.

MOOR. Ich habe sie vollends ganz einschließen lassen, itzt müssen sie fechten wie Verzweifelte. Laut. Kinder! nun gilts! Wir sind verloren, oder wir müssen fechten wie angeschossene Eber.

SCHWEIZER. Ha! ich will ihnen mit meinen Fangern den Bauch schlitzen, daß ihnen die Kutteln schuhlang herausplatzen! — Führ uns an, Hauptmann! Wir folgen dir in den Rachen des Todes.

MOOR. Ladet alle Gewehre! Es fehlt doch an Pulver nicht?

SCHWEIZER springt auf. Pulver genug, die Erde gegen den Mond zu sprengen!

RAZMANN. Jeder hat fünf Paar Pistolen geladen, jeder noch drei Kugelbüchsen darzu.

MOOR. Gut, gut! Und nun muß ein Teil auf die Bäume klettern, oder sich ins Dickicht verstecken, und Feuer auf sie geben im Hinterhalt —

SCHWEIZER. Da gehörst du hin, Spiegelberg!

MOOR. Wir andern, wie Furien, fallen ihnen in die Flanken!

SCHWEIZER. Darunter bin ich, ich!

MOOR. Zugleich muß jeder sein Pfeifchen hören lassen, im Wald herumjagen, daß unsere Anzahl schröcklicher werde: auch müssen alle Hunde los, und in ihre Glieder gehetzt werden, daß sie sich trennen, zerstreuen und euch in den Schuß rennen. Wir drei, Roller, Schweizer und ich, fechten im Gedränge.

SCHWEIZER. Meisterlich, vortrefflich! — Wir wollen sie zusammenwettern, daß sie nicht wissen, wo sie die Ohrfeigen herkriegen. Ich habe wohl ehe eine Kirsche vom Maul weggeschossen, laß sie nur anlaufen. Schufterle zupft Schweizern, dieser nimmt den Hauptmann beiseit und spricht leise mit ihm.

MOOR. Schweig!

SCHWEIZER. Ich bitte dich —

MOOR. Weg! Er dank es seiner Schande, sie hat ihn gerettet. Er soll nicht sterben, wenn ich und mein Schweizer sterben, und mein Roller. Laß ihn die Kleider ausziehen, so will ich sagen, er sei ein Reisender, und ich hab ihn bestohlen — Sei ruhig, Schweizer, ich schwöre darauf, er wird doch noch gehangen werden.

Pater tritt auf.

PATER vor sich, stutzt. Ist das das Drachennest? — Mit eurer Erlaubnis, meine Herren! Ich bin ein Diener der Kirche, und draußen stehen siebenzehnhundert, die jedes Haar auf meinen Schläfen bewachen.

SCHWEIZER. Bravo! bravo! Das war wohl gesprochen, sich den Magen warm zu halten.

MOOR. Schweig, Kamerad! — Sagen Sie kurz, Herr Pater! Was haben Sie hier zu tun?

PATER. Mich sendet die hohe Obrigkeit, die über Leben und Tod spricht — ihr Diebe — ihr Mordbrenner — — ihr Schelmen — giftige Otterbrut, die im Finstern schleicht, und im Verborgenen sticht — Aussatz der Menschheit — Höllenbrut — köstliches Mahl für Raben und Ungeziefer — Kolonie für Galgen und Rad —

SCHWEIZER. Hund! hör auf zu schimpfen, oder — Er drückt ihm den Kolben vors Gesicht.

MOOR. Pfui doch, Schweizer! du verdirbst ihm ja das Konzept — er hat seine Predigt so brav auswendig gelernt — nur weiter, mein Herr! — »für Galgen und Rad?«

PATER. Und du, feiner Hauptmann! Herzog der Beutelschneider! Gaunerkönig! Großmogol aller Schelmen unter der Sonne! — Ganz ähnlich jenem ersten abscheulichen Rädelsführer, der tausend Legionen schuldloser Engel in rebellisches Feuer fachte, und mit sich hinab in den tiefen Pfuhl der Verdammnis zog — das Zetergeschrei verlassener Mütter heult deinen Fersen nach, Blut saufst du wie Wasser, Menschen wägen auf deinem mörderischen Dolch keine Luftblase auf. —

MOOR. Sehr wahr, sehr wahr! Nur weiter!

PATER. Was? Sehr wahr, sehr wahr? ist das auch eine Antwort?

MOOR. Wie, mein Herr? darauf haben Sie sich wohl nicht gefaßt gemacht? Weiter, nur weiter! Was wollten Sie weiter sagen?

PATER im Eifer. Entsetzlicher Mensch! hebe dich weg von mir! Picht nicht das Blut des ermordeten Reichsgrafen an deinen verfluchten Fingern? Hast du nicht das Heiligtum des Herrn mit diebischen Händen durchbrochen, und mit einem Schelmengriff die geweihten Gefäße des Nachtmahls entwandt? Wie? hast du nicht Feuerbrände in unsere gottesfürchtige Stadt geworfen? und den Pulverturm über die Häupter guter Christen herabgestürzt? Mit zusammengeschlagenen Händen. Greuliche, greuliche Frevel, die bis zum Himmel hinaufstinken, das Jüngste Gereicht waffnen, daß es reißend daherbricht! Reif zur Vergeltung, zeitig zur letzten Posaune!

MOOR. Meisterlich geraten bis hieher! aber zur Sache! Was läßt mir der hochlöbliche Magistrat durch Sie kundmachen?

PATER. Was du nie wert bist zu empfangen — Schau um dich, Mordbrenner! Was nur dein Auge absehen kann, bist du eingeschlossen von unsern Reutern — hier ist kein Raum zum Entrinnen mehr — so gewiß Kirschen auf diesen Eichen wachsen, und diese Tannen Pfirsiche tragen, so gewiß werdet ihr unversehrt diesen Eichen und diesen Tannen den Rücken kehren.

MOOR. Hörst dus wohl, Schweizer? — Aber nur weiter!

PATER. Höre dann, wie gütig, wie langmütig das Gericht mit dir Böswicht verfährt. Wirst du itzt gleich zum Kreuz kriechen, und um Gnade und Schonung flehen, siehe, so wird dir die Strenge selbst Erbarmen, die Gerechtigkeit eine liebende Mutter sein — sie drückt das Auge bei der Hälfte deiner Verbrechen zu, und läßt es — denk doch! — und läßt es bei dem Rade bewenden.

SCHWEIZER. Hast dus gehört, Hauptmann? Soll ich hingehn, und diesem abgerichteten Schäferhund die Gurgel zusammenschnüren, daß ihm der rote Saft aus allen Schweißlöchern sprudelt? —

ROLLER. Hauptmann! — Sturm, Wetter und Hölle! — Hauptmann! — wie er die Unterlippe zwischen die Zähne klemmt! — soll ich diesen Kerl das Oberst zu unterst unters Firmament wie einen Kegel aufsetzen?

SCHWEIZER. Mir, mir! Laß mich kniend vor dir niederfallen! Mir laß die Wollust, ihn zu Brei zusammenzureiben! Pater schreit.

MOOR. Weg von ihm! Wag es keiner, ihn anzurühren! — Zum Pater, indem er seinen Degen zieht. Sehen Sie, Herr Pater! hier stehn neunundsiebenzig, deren Hauptmann ich bin, und weiß keiner, auf Wink und Kommando zu fliegen oder nach Kanonenmusik zu tanzen, und draußen stehn siebenzehnhundert, unter Musketen ergraut — aber hören Sie nun! so redet Moor, der Mordbrenner Hauptmann: Wahr ists, ich habe den Reichsgrafen erschlagen, die Dominikuskirche angezündet und geplündert, hab Feuerbrände in eure bigotte Stadt geworfen, und den Pulverturm über die Häupter guter Christen herabgestürzt — aber das ist noch nicht alles. Ich habe noch mehr getan. Er streckt seine rechte Hand aus. Bemerken Sie die vier kostbare Ringe, die ich an jedem Finger trage — gehen Sie hin, und richten Sie Punkt für Punkt den Herren des Gerichts über Leben und Tod aus, was Sie sehen und hören werden — diesen Rubin zog ich einem Minister vom Finger, den ich auf der Jagd zu den Füßen seines Fürsten niederwarf. Er hatte sich aus dem Pöbelstaub zu seinem ersten Günstling emporgeschmeichelt, der Fall seines Nachbars war seiner Hoheit Schemel — Tränen der Waisen huben ihn auf. Diesen Demant zog ich einem Finanzrat ab, der Ehrenstellen und Ämter an die Meistbietenden verkaufte und den traurenden Patrioten von seiner Türe stieß. — Diesen Achat trag ich einem Pfaffen Ihres Gelichters zur Ehre, den ich mit eigener Hand erwürgte, als er auf offener Kanzel geweint hatte, daß die Inquisition so in Zerfall käme — ich könnte Ihnen noch mehr Geschichten von meinen Ringen erzählen, wenn mich nicht schon die paar Worte gereuten, die ich mit Ihnen verschwendet habe —

PATER. O Pharao! Pharao!

MOOR. Hört ihrs wohl? Habt ihr den Seufzer bemerkt? Steht er nicht da, als wollte er Feuer vom Himmel auf die Rotte Korah herunterbeten, richtet mit einem Achselzucken, verdammt mit einem christlichen Ach! — Kann der Mensch denn so blind sein? Er, der die hundert Augen des Argus hat, Flecken an seinem Bruder zu spähen, kann er so gar blind gegen sich selbst sein? — Da donnern sie Sanftmut und Duldung aus ihren Wolken, und bringen dem Gott der Liebe Menschenopfer wie einem feuerarmigen Moloch — predigen Liebe des Nächsten, und fluchen den achtzigjährigen Blinden von ihren Türen hinweg; — stürmen wider den Geiz und haben Peru um goldner Spangen willen entvölkert und die Heiden wie Zugvieh vor ihre Wagen gespannt — Sie zerbrechen sich die Köpfe, wie es doch möglich gewesen wäre, daß die Natur hätte können einen Ischariot schaffen, und nicht der Schlimmste unter ihnen würde den dreieinigen Gott um zehen Silberlinge verraten. — O über euch Pharisäer, euch Falschmünzer der Wahrheit, euch Affen der Gottheit! Ihr scheut euch nicht, vor Kreuz und Altären zu knien, zerfleischt eure Rücken mit Riemen, und foltert euer Fleisch mit Fasten; ihr wähnt, mit diesen erbärmlichen Gaukeleien demjenigen einen blauen Dunst vorzumachen, den ihr Toren doch den Allwissenden nennt, nicht anders, als wie man der Großen am bittersten spottet, wenn man ihnen schmeichelt, daß sie die Schmeichler hassen; ihr pocht auf Ehrlichkeit und exemplarischen Wandel, und der Gott, der euer Herz durchschaut, würde wider den Schöpfer ergrimmen, wenn er nicht eben der wäre, der das Ungeheuer am Nilus erschaffen hat. — Schafft ihn aus meinen Augen!

 

PATER. Daß ein Bösewicht noch so stolz sein kann!

MOOR. Nicht genug — itzt will ich stolz reden. Geh hin und sage dem hochlöblichen Gericht, das über Leben und Tod würfelt — Ich bin kein Dieb, der sich mit Schlaf und Mitternacht verschwört, und auf der Leiter groß und herrisch tut — was ich getan habe, werd ich ohne Zweifel einmal im Schuldbuch des Himmels lesen, aber mit seinen erbärmlichen Verwesern will ich kein Wort mehr verlieren. Sag ihnen, mein Handwerk ist Wiedervergeltung — Rache ist mein Gewerbe. Er kehrt ihm den Rücken zu.

PATER. Du willst also nicht Schonung und Gnade? — Gut, mit dir bin ich fertig. Wendet sich zu der Bande. So höret dann ihr, was die Gerechtigkeit euch durch mich zu wissen tut! — Werdet ihr itzt gleich diesen verurteilten Missetäter gebunden überliefern, seht, so soll euch die Strafe eurer Greuel bis auf das letzte Andenken erlassen sein — die heilige Kirche wird euch verlorne Schafe mit erneuerter Liebe in ihren Mutterschoß aufnehmen, und jedem unter euch soll der Weg zu einem Ehrenamt offenstehn. Mit triumphierendem Lächeln. Nun, nun? Wie schmeckt das, E. Majestät? — Frisch also! Bindet ihn, und seid frei!

MOOR. Hört ihrs auch? Hört ihr? Was stutzt ihr? Was steht ihr verlegen da? Sie bietet euch Freiheit, und ihr seid wirklich schon ihre Gefangene. — Sie schenkt euch das Leben, und das ist keine Prahlerei, denn ihr seid wahrhaftig gerichtet — Sie verheißt euch Ehren und Ämter, und was kann euer Los anders sein, wenn ihr auch obsiegtet, als Schmach und Fluch und Verfolgung. — Sie kündigt euch Versöhnung vom Himmel an, und ihr seid wirklich verdammt. Es ist kein Haar an keinem unter euch, das nicht in die Hölle fährt. Überlegt ihr noch? Wankt ihr noch? Ist es so schwer, zwischen Himmel und Hölle zu wählen? Helfen Sie doch, Herr Pater!

PATER vor sich. Ist der Kerl unsinnig? — Sorgt ihr etwa, daß dies eine Falle sei, euch lebendig zu fangen? — Leset selbst, hier ist der Generalpardon unterschrieben. Er gibt Schweizern ein Papier. Könnt ihr noch zweifeln?

MOOR. Seht doch, seht doch! Was könnt ihr mehr verlangen? — Unterschrieben mit eigener Hand — es ist Gnade über alle Grenzen — oder fürchtet ihr wohl, sie werden ihr Wort brechen, weil ihr einmal gehört habt, daß man Verrätern nicht Wort hält? — O seid außer Furcht! Schon die Politik könnte sie zwingen, Wort zu halten, wenn sie es auch dem Satan gegeben hätten. — Wer würde ihnen in Zukunft noch Glauben beimessen? Wie würden sie je einen zweiten Gebrauch davon machen können? — Ich wollte drauf schwören, sie meinens aufrichtig. Sie wissen, daß ich es bin, der euch empört und erbittert hat, euch halten sie für unschuldig. Eure Verbrechen legen sie für Jugendfehler, für Übereilungen aus. Mich allein wollen sie haben, ich allein verdiene zu büßen. Ist es nicht so, Herr Pater?

PATER. Wie heißt der Teufel, der aus ihm spricht? — Ja freilich, freilich ist es so — der Kerl macht mich wirbeln.

MOOR. Wie, noch keine Antwort? denkt ihr wohl gar, mit den Waffen noch durchzureißen? Schaut doch um euch, schaut doch um euch! Das werdet ihr doch nicht denken, das wäre itzt kindische Zuversicht. — Oder schmeichelt ihr euch wohl gar, als Helden zu fallen, weil ihr saht, daß ich mich aufs Getümmel freute? — Oh glaubt das nicht! — Ihr seid nicht Moor! — Ihr seid heillose Diebe! Elende Werkzeuge meiner größeren Plane, wie der Strick verächtlich in der Hand des Henkers! — Diebe können nicht fallen, wie Helden fallen. Das Leben ist den Dieben Gewinn, dann kommt was Schröckliches nach — Diebe haben das Recht, vor dem Tode zu zittern. — Höret, wie ihre Hörner tönen! Sehet, wie drohend ihre Säbel daherblinken! wie? noch unschlüssig? seid ihr toll? seid ihr wahnwitzig? — Es ist unverzeihlich! Ich dank euch mein Leben nicht, ich schäme mich eures Opfers!

PATER äußerst erstaunt. Ich werde unsinnig, ich laufe davon! Hat man je von so was gehört?

MOOR. Oder fürchtet ihr wohl, ich werde mich selbst erstechen, und durch einen Selbstmord den Vertrag zernichten, der nur an dem Lebendigen haftet? Nein, Kinder! das ist eine unnütze Furcht. Hier werf ich meinen Dolch weg, und meine Pistolen und dies Fläschchen mit Gift, das mir noch wohlkommen sollte — ich bin so elend, daß ich auch die Herrschaft über mein Leben verloren habe. — Was, noch unschlüssig? Oder glaubt ihr vielleicht, ich werde mich zur Wehr setzen, wenn ihr mich binden wollt? Seht! hier bind ich meine rechte Hand an diesen Eichenast, ich bin ganz wehrlos, ein Kind kann mich umwerfen — Wer ist der erste, der seinen Hauptmann in der Not verläßt?

ROLLER in wilder Bewegung. Und wann die Hölle uns neunfach umzingelte! Schwenkt seinen Degen. Wer kein Hund ist, rette den Hauptmann!

SCHWEIZER zerreißt den Pardon und wirft die Stücke dem Pater ins Gesicht. In unsern Kugeln Pardon! Fort, Kanaille! sag dem Senat, der dich gesandt hat, du träfst unter Moors Bande keinen einzigen Verräter an. — Rettet, rettet den Hauptmann!

ALLE lärmen. Rettet, rettet, rettet den Hauptmann!

MOOR sich losreißend, freudig. Itzt sind wir frei — Kameraden! Ich fühle eine Armee in meiner Faust — Tod oder Freiheit! Wenigstens sollen sie keinen lebendig haben!

Man bläst zum Angriff. Lärm und Getümmel. Sie gehen ab mit gezogenem Degen.