Wohin die Flüsse fliessen

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Die Großen Ebenen und das Felsengebirge

Tja, das ist schon ein seltsames Land, Fremder, darauf können Sie wetten. Mit lauter seltsamen Dingen. Die Leute hacken hier Holz mit dem Vorschlaghammer und mähen das Gras mit der Hacke. Jeder Busch trägt Dornen und jedes Insekt einen Stachel. Die Flüsse führen kein Wasser, außer bei Überschwemmungen. Die Flüsse werden immer kleiner, je weiter man talwärts kommt, 's gibt kein Wild, außer Kaninchen, aber die sind so groß wie Schakale. Ein paar Wachteln, aber alle mit Federbüscheln auf dem Kopf und ebenfalls wild wie Schakale. Kein Frost, keinen Tau. Keiner kommt hierher, es sei denn, er musste von irgendwo fort. Keiner bleibt hier, außer er muss.

James F. Rusling

Wo immer man Ungezwungenheit, unkonventionelles Benehmen, einen festen Händedruck, eine offene Tür, eine geschliffene Redeweise und Unbekümmertheit fand, dort war der Westen.

Carey McWilliams

Die Flucht aus der Unterwelt

Immer haben sich die Menschen gefragt, wie die Welt begann, immer haben sie Geschichten darüber erzählt, wie die Welt geschaffen wurde. Die Indianer machen da keine Ausnahme. Sowohl die Stämme der Großen Ebenen wie auch die der Waldgebiete im Norden stellten sich den Himmel als den Ursprung alles Lebens vor. Aber die Stämme in den Wüsten und Steppen des Südwestens dachten an die Unterwelt, wenn sich ihre Gedanken mit der Frage des Anfangs beschäftigten, wahrscheinlich, weil aus der Erde das für sie lebenspendende Wasser hervorsprudelte. Dies ist eine Schöpfungsmythe aus dem Stamm der Hopi, die auf den Tafelbergen im heutigen Bundesstaat Arizona ihre Dörfer und Heiligtümer haben. Der Text enthält einen kuriosen Hinweis auf die von den Spaniern nach Nordamerika eingeführten Pferde.

In der Unterwelt gab es nichts als Wasser. Zwei Frauen – Huruing Wuhti im Osten und Huing Whuti im Westen – wohnten weit voneinander entfernt und die Sonne reiste zwischen ihren Wohnungen hin und her. Da beschlossen die Frauen, Land zu erschaffen. Sie teilten das Wasser, damit die Erde erscheine. Aus Lehm formten sie zuerst Vögel – die gehörten der Sonne, dann Tiere – die gehörten den beiden Frauen. Endlich formten sie auch menschliche Wesen und rieben sie zwischen ihren Handflächen, damit sie Verstand bekämen.

Aber die neuerschaffenen Menschen in dem unterirdischen Paradies waren töricht. Sie verstießen gegen die Gebote der beiden Frauen. Sie taten Böses, und ihr unglücklicher Häuptling teilte sie in zwei Gruppen. Allen Frauen, Mädchen und weiblichen Kindern befahl er, in ihren Dörfern zu bleiben. Alle Männer, Jünglinge und Knaben wies er an, den breiten Fluss zu überschreiten und sich am anderen Ufer Wohnung zu suchen. Vier Jahre blieben die Geschlechter voneinander geschieden. Nach dieser Zeit waren die Frauen nahezu verhungert, weil sie es nicht verstanden, den Boden zu bestellen. Sie gingen in Lumpen, weil die Männer für sie keine Kleider webten. Da hatte der Häuptling ein Einsehen und ließ die Männer zu den Frauen zurückkehren. Doch bald nahmen die Missetaten wieder zu und das Wasser des Meeres stieg und überschwemmte mehr und mehr Land.

Es gab vier Gebirge in der Unterwelt, und im Gebirge im Nordosten wohnte die Spinnenfrau. Der Häuptling ließ Gebetsstöcke herstellen und Gebetsfedern bemalen, und dann sandte er einen jungen Mann in dieses Gebirge. Die Spinnenfrau dankte dem Jüngling für diese Geschenke und fragte ihn, was er sich wünsche. Der junge Mann sprach:

»Um uns ist Wasser, es steigt und steigt und stiehlt uns mehr und mehr von unserem Land. Sag uns einen Ort, an dem das nicht so ist und wo wir wohnen können.

Die Spinnenfrau erwiderte: »Da weiß ich Rat. Über euch liegt ein solcher Ort. Sag deinem Volk, es soll eilig herkommen.«

Die Spinnenfrau führte die Menschen auf die Spitze ihres Berges und dort pflanzte sie zwei Arten von Fichten. Die Bäume wuchsen gen Himmel, ihre Astspitzen stießen an den Himmel, aber der Himmel war fest und hart, und die Bäume vermochten die Kuppel des Himmelsgewölbes nicht zu durchstoßen. Die Spinnenfrau überlegte, was da zu tun sei.

Nun pflanzte sie ein Schilfgras und eine Sonnenblume. Die Pflanzen wuchsen auf, fanden einen Spalt im Gewölbe des Himmels und durchstießen seine harte, feste Decke. Acht lange Tage kletterte das Volk aus der Unterwelt an den Pflanzen hinauf und als die Menschen endlich Sipapu, das heißt den Spalt, der die Welten scheidet, erreicht hatten, sagte der Spottvogel jedem von ihnen, zu welchem Stamm er in der neuen Welt gehöre. Aber der Spottvogel wurde heiser und jene, die später kamen, hörten keine Stimme mehr. Da stiegen sie traurig wieder zurück in die Unterwelt.

Der Zauberer des Volkes aber sprach: »So soll es von nun an bleiben in alle Ewigkeit. Wenn einer stirbt, soll er dort hinuntergebracht werden.«

Als die ersten Menschen die Erde betraten, war es dort dunkel; die Sonne schien noch nicht, und es gab in der oberen Welt nur ein einziges Wesen. Man nannte es das große Knochengerippe. Es war arm, hatte nur ein winziges Feuer und wenig Mais. Die Menschen aber beschlossen, eine Sonne und einen Mond zu machen wie in der Unterwelt. Und als sie beides geschaffen hatten, warfen sie die Gestirne hinauf an den Himmel. Dann brachen sie auf, um die Stelle zu suchen, an der in Zukunft die Sonne jeden Morgen aufgehen würde. Die weißen Menschen zogen nach Süden, die Indianer der Ebene nach Norden, und die Hopi blieben in der Mitte der oberen Welt. Ehe sie aber aufbrachen, kamen alle überein, dass jene, die zuerst die Gegend um Sonnenaufgang erreichten, den anderen befehlen durften, dort zu bleiben, wo sie gerade waren. Die weißen Menschen waren klug. Sie schufen sich das Pferd und kamen so zuerst in der Gegend des Sonnenaufgangs an, und als sie ihr Ziel erreicht hatten, stürzten viele Sterne zur Erde. Da wussten die Indianer, dass die Weißen Sieger geblieben waren im Wettlauf zum Ort des Sonnenaufgangs. Die Hopi aber und die anderen Stämme des Südwestens, die nicht fortgezogen waren, siedelten auf dem dürren Land, das sie noch heute bewohnen. Dort sind sie der Stelle nahe, an der alle Menschen durch den großen Spalt aus der Unterwelt in diese Welt heraufgestiegen sind.

Die ersten Europäer, die durch den Westen zogen

Juan Ponce de León, der Eroberer von Puerto Rico, war der erste Spanier, der in die Gegend der heutigen Vereinigten Staaten gelangte. Im März 1513 sichtete er einen Sandstrand, hinter dem dichter tropischer Urwald lag. Er nannte dieses Land »Florida«, nach Pascua Florida, dem spanischen Osterfest. Möglicherweise suchte er den Quell der Ewigen Jugend, aber er fand den Tod durch die Hand jener Indianer, die er als Sklaven fortzuschleppen versuchte. Auf seinen zwei Reisen war er sich darüber klargeworden, dass Florida eine Halbinsel sein müsse. Andere spanische Seekapitäne erkundeten den Golf von Mexiko und die Atlantikküste.

Die Nachricht von den Siegen des Cortés in Mexiko und von den Reichtümern, die er und Pizarro bei den Indianern erbeutet hatten, veranlassten andere Conquistadores (Eroberer), die nicht so erfolgreich gewesen waren, sich weiter im Norden nach Gold und Städten umzuschauen.

Narvaéz, einer von ihnen, wurde zum letzten Mal auf einem leckgeschlagenen Fahrzeug im Golf von Mexiko gesehen, aber einer seiner Männer, Cabeza de Vaca, überlebte die lange Wanderung quer durch Texas ins nordöstliche Mexiko. De Soto entdeckte den Mississippi und wurde an seinen Ufern begraben. Andere Spanier erreichten den Grand Canyon und die Mündung des Colorado. Sie segelten die Westküste hinauf, bis über den 42. Breitengrad, aber die Bucht von San Francisco entdeckten sie vorerst nicht. Hier folgen einige aufschlußreiche Auszüge aus den Schriften und Berichten der spanischen Eroberer und Entdecker:

Álvar Nuñez Cabeza de Vaca

Nackt unter Indianern

Ich musste bei den Capoques mehr als ein Jahr bleiben. Wegen der harten Arbeit, die sie mir aufluden, und der rüden Behandlung entschloss ich mich, zu dem Volk der Charruco in den Wäldern des Festlandes zu fliehen. Mein Leben war einfach unerträglich geworden. Zu aller anderen Arbeit musste ich mir aus dem Wasser oder aus dem Boden des Zuckerrohrfeldes Wurzeln ausgraben. Meine Finger waren so wund, dass sie zu bluten anfingen, wenn ich einen Strohhalm berührte. Die gebrochenen Zuckerrohrstengel schnitten in meine Haut, denn ich bewegte mich da ohne Kleider.

Also überlegte ich, wie ich bei den Waldbewohnern unterkommen könne, die mir etwas gnädiger zu sein schienen. Die einzige Möglichkeit war, es mit Handel zu versuchen. Meine hauptsächlichen Tauschwaren bestanden in Seeschnecken, Muscheln, die zum Schneiden benutzt werden, Seebohnen und in der Frucht des Mesquite-Baumes, die einer Bohne ähnlich ist. Die Indianer gebrauchen sie als Medizin und bereiten mit ihr Getränke für ihre Tänze und Feste.

All diese Dinge trug ich landeinwärts. Durch Tauschhandel brachte ich Häute, rote Farbe, mit denen sich die Indianer ihre Gesichter einreiben, hartes Rohr für Pfeile, Feuerstein für Pfeilspitzen, die man mit Sehnen und Harz befestigt, und Quasten aus Rehhaaren, die sie rot färben, zurück zur Küste.

Diese Beschäftigung gefiel mir. Ich konnte reisen, wohin ich wollte. Ich war nicht gezwungen zu arbeiten. Ich war kein Sklave mehr. Wo immer ich hinkam, behandelten mich die Indianer freundlich. Sie gaben mir zu essen, weil sie meine Waren schätzten. Sie freuten sich, wenn ich kam. Ich wurde bekannt. Jene, die mir persönlich noch nicht begegnet waren und nur auf Umwegen von mir gehört hatten, suchten meine Bekanntschaft.

 

Die Strapazen, die ich auf diesen Reisen ausstand, lassen sich gar nicht alle beschreiben. Ich hielt mich in dieser Gegend fast sechs Jahre auf, allein unter Indianern und nackt wie sie ...

Hinweise auf Schätze

Unter den Gegenständen, die die Leute uns gaben, befand sich auch eine große kupferne Rassel, die sie Andres Dorantes schenkten. Sie erzählten, sie hätten sie von ihren Nachbarn bekommen. Woher, wollten wir wissen? Sie sei aus dem Norden mitgebracht worden, dort gebe es viele davon, erwiderten die Eingeborenen, die Kupfer als sehr wertvoll ansehen. Wo immer es auch herkommen mochte, es musste dort eine Schmelze geben, in der man Kupfer in Hohlformen goss.

Sie brachten mir einen Mann, der, wie sie sagten, vor längerer Zeit in die Schulter getroffen worden war und dem noch eine Pfeilspitze im Herzen steckte. Er sagte, er habe große Schmerzen. Ich sah mir die Wunde an und stellte fest, dass der Pfeil den Knorpel durchschlagen hatte. Mit einem Steinmesser öffnete ich den Brustkasten des Mannes und stellte fest, dass die Spitze seitwärts steckte und schwer zu entfernen war. Aber ich schnitt weiter, und schließlich gelang es mir tatsächlich mit dem Messer, die Pfeilspitze zu entfernen. Sie war sehr groß. Mit einem Rehknochen, den ich als Nadel benutzte, bewies ich weiterhin mein chirurgisches Geschick. Ich nähte mit zwei Stichen, während mir das Blut entgegenspritzte, und dämpfte den Blutfluss mit Haaren eines Fells. Die Eingeborenen erbaten sich die Pfeilspitze. Ich gab sie ihnen. Die ganze Bevölkerung lief zusammen, um den Gegenstand anzustarren, und sie schickten ins Hinterland, damit auch die Leute von dort kämen.

Die Indianer feierten die Operation mit den üblichen Tänzen und Zeremonien.

Am nächsten Tag zog ich die Fäden. Dem Patienten ging es gut. Mein Schnitt erschien nur wie eine Linie in seiner Handfläche. Er sagte, er spüre keine Schmerzen.

Nun hatte diese Heilung so zu unserem Ruhm in der Gegend beigetragen, dass wir von den Leuten alles hätten haben können. Wir zeigten ihnen die Kupferrassel, die wir vor kurzem bekommen hatten, und sie erzählten, dass ganze Schichten dieses Materials an jenem Platz vergraben lägen, von dem auch dieser Gegenstand herkomme, und dass das Material sehr geschätzt sei. Die Leute, die es verarbeiteten, wohnten angeblich in festen Häusern.

Wir stellten uns vor, dass das Land, von dem sie sprachen, am südlichen Meer liegen müsse, wo es viel reichere Mineralvorkommen zu geben schien als im Norden ...

Die Leute gaben uns unzählige Rehfelle und Baumwolldecken, die letzteren von weit besserer Qualität als jene aus Neu-Spanien; Perlen, Ketten, hergestellt aus Korallen der südlichen See, schöne Schildkrötenpanzer aus dem Norden. Tatsächlich schenkten sie uns fast alles, was sie besaßen, einschließlich eines ganz besonderen Geschenks, nämlich fünf diamantenen Pfeilspitzen, wie sie sie bei ihren Zeremonien verwenden.

Ich fragte sie, wo diese herkämen. Sie erwiderten, aus einem hohen Gebirge im Norden, wo es Städte mit vielen Menschen gebe und große Häuser, und dass sie die Pfeilspitzen gegen Federbüschel und Papageienfedern eingetauscht hätten.

Rettung mit Schwierigkeiten

Wir dankten Gott, unserem Herrn. Wir hatten schon fast die Hoffnung aufgegeben, noch auf Christenmenschen zu stoßen, und konnten kaum unsere Erregung verbergen. Doch wir hatten zunächst die Befürchtung, dass diese Männer, von denen uns erzählt worden war, Entdecker sein könnten, die nur einen kurzen Besuch gemacht hatten. Aber wir liefen rascher und unterwegs hörten wir mehr und mehr von den Christen. Wir sagten den Eingeborenen, wir seien hinter diesen Männern her, um sie davon abzuhalten, zu töten, Sklaven zu rauben und den Indianern alles fortzunehmen. Darüber wurden unsere Freunde sehr froh. Wir durcheilten ein riesiges Gebiet, das wir völlig menschenleer fanden. Die Einwohner waren aus Furcht vor den Christenmenschen in die Gebirge geflohen.

Mit schwerem Herzen sahen wir hin über das bewässerte, fruchtbare und schöne Land, das nun verlassen war, verbrannt, die Leute dünn und schwach, zerstreut oder eingeschüchtert in Verstecken lebend.

Da sie nicht hatten säen können, mussten sie von Wurzeln und Rinde leben. Wir teilten ihren Hunger während des ganzen Weges. Jene, die uns aufnahmen, konnten uns kaum etwas geben. Sie sahen aus, als würden sie am liebsten sterben. Sie brachten uns Decken, die sie vor den anderen Christenmenschen versteckt hatten, und erzählten uns, wie diese die Ortschaften dem Erdboden gleichgemacht und die Hälfte aller Männer, Frauen und Kinder davongetrieben hätten. Wer entkommen war, irrte als Flüchtling umher. Die Überlebenden waren zu verschreckt, um irgendwo länger zu bleiben, unfähig oder nicht mehr willens, die

Äcker zu bestellen, wollten sie lieber sterben als noch einmal so Fürchterliches erleben.

Während sie sich über unsere Gesellschaft zu freuen schienen, erfuhren wir, dass die Indianer, die näher zur Grenze hin lebten, sich vielleicht an uns rächen würden. Als wir aber dorthin kamen, empfingen diese uns mit derselben Achtung und Zuvorkommenheit wie die anderen auch, ja sie waren sogar noch freundlicher, was uns erstaunte. Es ist klar, wenn man diese Menschen für das Christentum gewinnen und sie dazu bringen will, unsere kaiserliche Majestät anzuerkennen, so kann dies gewiss nur durch Freundlichkeit geschehen ...

Am Tag darauf holten wir vier von ihnen (den Christen) ein, die zu Pferde waren. Sie waren völlig verblüfft, als sie mich sahen, ohne Kleider und in Gesellschaft von Indianern. Sie starrten mich lange Zeit an und dachten vorerst gar nicht daran, mich zu begrüßen, näher zu kommen oder Fragen zu stellen.

»Bringt mich zu eurem Kapitän«, sagte ich schließlich, und wir liefen zusammen eine halbe Meile zu einem Platz (nahe Ocoroni), wo wir ihren Kapitän, Diego de Alcarez, trafen. Als wir miteinander sprachen, gestand er mir ein, dass er überhaupt nicht wisse, wo er sei. Er habe keinen einzigen Indianer mehr einfangen können. Er wisse nicht, wohin die Indianer sich verkrochen hätten. Seine Männer seien hungrig und erschöpft.

Danach hatten wir eine heftige Auseinandersetzung mit ihm, denn er wollte die Indianer unseres Zuges als Sklaven nehmen. Wir wurden so zornig, dass wir uns fortmachten und uns nicht darum scherten, dass dabei viele Bogen türkischer Machart, Beutel und die fünf diamantenen Pfeilspitzen verlorengingen. Und sich dann auch noch vorzustellen, dass wir diesen Glaubensgenossen einen Vorrat an Kuhhäuten und anderen Dingen gegeben hatten, die unsere Träger so weit hatten schleppen müssen!

Alcarez hatte seinen Dolmetscher angewiesen, den Indianern klarzumachen, dass wir Angehörige einer vor langer Zeit untergegangenen Rasse seien, seine Gruppe aber die Herren des Landes, denen man gehorchen und dienen müsse, während man sich um uns nicht zu kümmern brauche.

Die Indianer achteten nicht darauf. Sie berieten sich und erwiderten dann, die Christenmenschen seien Lügner. Wir waren von Sonnenaufgang gekommen, die anderen von Sonnenuntergang. Wir hatten Kranke geheilt, sie Gesunde getötet. Wir seien nackt und barfuß gewesen, sie bekleidet, zu Pferde und mit Lanzen bewaffnet. Wir hätten nichts versteckt, sondern das geteilt, was man uns gegeben habe, während die anderen raubten und niemandem etwas schenkten.

Nur mit größter Überredungskunst gelang es mir, sie zu veranlassen in ihre Dörfer heimzukehren. Ich redete ihnen zu und sagte ihnen, sie sollten ihre Ortschaften wieder aufbauen und keine Furcht haben.

Obwohl man der Landschaft die Vernachlässigung schon anzumerken beginnt, ist dies ohne Zweifel eine der fruchtbarsten Gegenden in ganz Indien. Hier wachsen drei Ernten im Jahr. Die Bäume tragen viel Früchte. Schöne Flüsse und üppige Quellen gibt es überall. Es gibt auch gold- und silberhaltiges Erz. Die Menschen sind gutwillig und bereit, jenen Christen, die sich als ihre Freunde erweisen, zu helfen. In diesem Land mangelt es, kurz gesagt, an nichts. Man kann wahrlich sagen: Es ist gesegnet.

Fray Marcos de Niza

Die sieben Städte von Cibola

Bei der Expedition des Mönchs Marcos de Niza, die nach Norden zog, um nach Gold zu suchen, befand sich auch ein schwarzer Negersklave der Spanier aus Marokko. Esteban hatte die lange Wanderung de Vacas von Louisiana nach Mexiko mitgemacht. Von daher kannte er sich bei den Indianern gut aus. Das war auch der Grund, weshalb der spanische Vizekönig dem Mönch den schwarzen Sklaven mitgegeben hatte.

Aber Esteban entfernte sich vom Haupttrupp. Unter den Indianern trat er als Zauberer und Wundertäter auf. Er versammelte bald ein Gefolge von über hundert Männern und Frauen um sich. Erst in Cibola (Zuñi) endete sein Zug, als er nämlich von dem Kaziken oder Hohepriester der Ortschaft Unterwerfung forderte. Die Zuñi fielen auf den angeblichen Zauberer nicht herein. Sie setzten ihn gefangen. Seine Anhänger stoben davon. Nach sorgfältigem Verhör wurde er totgeschlagen und seine Leiche vor der Stadt den wilden Tieren zum Fraß vorgeworfen.

Mit dem nachfolgenden Mönch Marcos hatte Esteban eine Absprache getroffen. Gab es gute Nachricht, so würde er an Marcos einen Boten mit einem kleinen Kreuz schicken, bei besserer Nachricht würde das Kreuz etwas größer sein. Der indianische Bote, der bei Marcos erschien, schleppte schließlich ein Kreuz, das übermannsgroß war. Natürlich fühlte sich der Spanier durch diese Botschaft ermuntert und hoffte auf große Schätze. Was er mit seiner Expedition weiter erlebte, schildert er selbst in einem Bericht für den Vizekönig nach Rückkehr von seiner Reise so:

Es scheint mir wichtig, hier wiederzugeben, was dieser indianische Bote, den mir Esteban geschickt hat, über dieses Land erzählt. Er sagt und bleibt dabei, dass in dieser ersten Provinz sieben sehr große Städte liegen, alle unter einem Herrscher, mit großen Häusern aus Stein und Mörtel. Die kleineren Häuser sind ein Stockwerk hoch, mit Terrassen darüber, andere haben zwei oder drei Stockwerke. Das Haus des Herrschers soll gar vier Stockwerke hoch sein. Diese Häuser sind alle in ordentlicher Art miteinander verbunden. Er sagt auch, dass die Eingänge zu den besten Häusern viele Verzierungen aus Schildpatt haben, welches dort im Überfluss vorkommt, und dass die Leute in diesen Städten wohlgekleidet sind. Er erzählte mir viele andere Einzelheiten, sowohl über die sieben Städte wie auch über die weiter entfernt liegenden Provinzen, von denen er sogar behauptete, diese seien noch bedeutender als diese sieben Städte. Um herauszufinden, wie er denn zu diesem Wissen komme, haben wir ihn genau verhört, aber er wusste auf alle Fragen eine Antwort.

Begleitet von ihm und von meinen Indianern und den Dolmetschern setzte ich meine Reise fort, bis wir Cibola vor uns sahen. Es liegt in einer Ebene am Fuße eines runden Hügels.

Die Stadt hat ein hübsches Aussehen. Mit den Häusern verhält es sich so, wie es mir von den Indianern beschrieben worden ist: sie sind alle aus Stein mit Terrassen und flachen Dächern. Jedenfalls stellt es sich mir von einem Hügel aus so dar. Die Ortschaft ist weit größer als die Stadt Mexico. Manchmal war ich versucht, in den Ort hinabzusteigen. Ich wusste, dass ich dabei mein Leben aufs Spiel setzen würde, und ich hatte Gott mein Leben angeboten an dem Tag, an dem ich zu dieser Reise aufgebrochen war. Am Ende aber, da ich mir die Gefahren vorstellte, fürchtete ich, dass, sofern ich umkommen würde, die Nachricht über dieses Land mit mir untergehen werde, und das wäre doch schade, denn es ist bestimmt das größte und beste von allen Ländern, die wir bisher entdeckt haben.

Als ich dem Häuptling, der mit mir war, zu verstehen gab, wie sehr ich von Cibola beeindruckt sei, sagte er mir, dies sei die kleinste der sieben Städte und Totonteac sei viel größer und schöner als die sieben. Es habe dort so viele Häuser und so viele Menschen, dass gar kein Ende abzusehen sei.

Auf meinem Rückweg überlegte ich, ob ich nicht in jenes Tal eindringen solle, bei dem die Sierras enden.

Ohne Gefahr für mein Leben wäre das nicht möglich gewesen, und deshalb sagte ich mir, es sei besser, wenn die Spanier erst herkämen, sich hier niederließen und das Land mit den sieben Städten beherrschten. Danach werde man das Tal ohne Schwierigkeiten auskundschaften können. Ich sah vom Eingang des Tales her sieben ziemlich große Ortschaften in einiger Entfernung und ein Stück grünes Land mit gutem Boden. Rauch stieg dort auf. Man sagte mir, es gebe dort Gold, und die Eingeborenen verarbeiteten es zu Gefäßen und zu Ohrringen. Sie formten daraus aber auch dünne Blätter, mit denen sie sich den Schweiß fortwischten. Bei dem voranstehenden Bericht, muss man zwischen den Zeilen lesen. Marcos de Niza konnte unmöglich geradeheraus zugeben, dass seine Expedition ein Fehlschlag gewesen war. Also war er bestrebt, die Legende von den sieben Städten, Goldfunden und großen Schätzen weiter zu nähren. Als sich aber 1540 Coronado auf die Suche machte, kam der Schwindel heraus, jedenfalls was Cibola anging.

 

Pedro de Castañeda

Coronado in Cibola

Am nächsten Tag erreichten wir besiedeltes Land, und wir sahen die erste Ortschaft. Das war Cibola, und derart waren die Flüche, die man gegen den Mönch Marcos ausstieß, dass ich zu Gott betete, damit er ihn beschützen möge. Es handelt sich um ein kleines, unansehnliches Dorf, wie man es überall finden kann. Es gibt Landgüter in Neu-Spanien, die aus der Entfernung stattlicher aussehen. Es ist eine Ortschaft von etwa 200 Kriegern, die Häuser sind drei, manchmal vier Stockwerke hoch, aber die Gebäude sind klein und haben nur ein paar Räume ohne Innenhof. Ein Meter in der Tiefe misst jedes Zimmer. Die Leute aus dem ganzen Bezirk hatten sich dort versammelt. Es gibt in der Tat sieben Ortschaften in der Provinz, und einige sind größer und stärker als Cíbola.

Diese Leute warteten auf die Armee, die in Abteilungen vor dem Dorf Aufstellung genommen hatte.

Ais sie sich weigerten, Frieden zu halten gemäß den Bedingungen, die ihnen die Dolmetscher genannt hatten, und sich erdreisteten, eine feindselige Haltung einzunehmen, wurde Santiago (Kriegsruf der Spanier, nach dem heiligen Jakob) befohlen, und sie wurden in die Flucht geschlagen. Die Spanier griffen das Dorf an. Bei der Einnahme gab es gewisse Schwierigkeiten, weil der enge und winklige Zugang gut verteidigt wurde.

Während des Angriffs wurde der General (Coronado) mit einem großen Stein niedergeschlagen und wäre wohl gar noch getötet worden, hätten nicht Don Garcia Lopez de Cardenas und Hernando de Lavarado sich über ihn geworfen und ihn fortgezerrt, wobei sie selbst von nicht wenigen Steinen getroffen wurden. Aber dem Eifer der Spanier hielten die Eingeborenen schließlich doch nicht stand. Nach etwa einer Stunde drang man in die Ortschaft ein und besetzte sie. Man entdeckte Lebensmittelvorräte dort, und die hatte man am nötigsten. Danach war die ganze Provinz befriedet.

Weiter nach Norden

Aber auch Coronado war nur allzu gern bereit, Gerüchten von Goldfunden und großen reichen Städten im Norden Glauben zu schenken.

Die besten Geschichten von Gran Quiviria, wie die Indianer dieses Goldland bezeichneten, erfuhr Coronado von einem Sklaven der Pecos-Indianer, der weit draußen in den Ebenen nach Osten von den Komantschen gefangengenommen worden und in die Dörfer der Pecos verkauft worden war. Der Sklave behauptete, er sei in Gran Quiviria geboren. Er behauptete auch, dass der Herr dieses Landes seinen Mittagsschlaf unter einem großen Baum abhalte, an dessen Zweigen eine große Zahl kleiner goldener Glöckchen hingen, deren Geläut ihn einschläfere. Die ganz gewöhnlichen Teller seien dort aus Gold gemacht und die Krüge und Schalen auch.

Coronado hörte dem »Türken«, wie die Spanier den Sklaven getauft hatten, voller Begeisterung zu.

Einige der Pecos-Indianer meinten, der »Türke« übertreibe, aber die Spanier glaubten ihm jedes Wort, weil sie sich wünschten, dass alles wahr sein möge. Die Indianer gaben Coronado Proviant, stellten ihm Führer und Dolmetscher, und den »Türken« schenkten sie ihm noch als Dreingabe.

Der Plan der Indianer war es, dass der Sklave die Spanier in die Gegend der dürren Ebenen führen sollte, die man später den Llano Estacado nannte und die im nördlichen Teil des heutigen Texas liegen. Dort würden die Weißen alle samt ihren Pferden an Hunger und Durst sterben. Der »Türke« aber hatte seine eigenen Pläne. Von dem Augenblick an, da er Coronado zum ersten mal gesehen hatte, stach ihm dessen vergoldete Rüstung in die Augen. Wenn Coronado nun in der wasserlosen Ebene umkäme, würde ihm die Rüstung gehören. Er malte sich aus, wie wundervoll es sein werde, in dieses kleine Haus aus Eisen zu schlüpfen. Kein Pfeil und keine Lanze würden ihm dann etwas anhaben können.

Als die spanische Streitmacht von den Pecos-Indianern aufbrach, ritt der »Türke« neben Coronado. Wenn dieser müde wurde und nicht so schnell weiter wollte, ließ sich der »Türke« besonders prächtige Einzelheiten einfallen. Sein Erfindungsgeist kannte keine Grenzen. Er erklärte Coronado, dass in Gran Quiviria an Gold ein solcher Überfluss herrsche, dass selbst die Ärmsten von goldenen Tellern äßen. Er erzählte, jeder der weiter nichts als Goldschmuck trage, werde verächtlich angesehen. Der einzige Gegenstand aus Gold, den der König in seinem Palast dulde, sei ein goldener Spucknapf.

So wuchs Coronados Neugierde von Tag zu Tag auf der langen Reise, während der »Türke« hin und wieder einen Seitenblick auf Coronados Rüstung warf und fand, es gäbe nichts Prächtigeres auf Erden.

Aber die Hoffnungen und Pläne des »Türken« wurden Zuñichte. Statt zu verhungern, stießen die Spanier in den Ebenen auf große Büffelherden. Es war ein regenreicher Sommer gewesen, und die Tiere waren deswegen weit nach Süden gekommen.

Coronado marschierte nach Norden, bis er den heutigen Arkansas-River erreicht hatte. Er überquerte den Fluss und folgte seinem Lauf ein ganzes Stück nach Osten. Unterwegs befragte er immer wieder Indianer.

Endlich nach fünf Monaten einer anstrengenden Reise, tauchte Gran Quiviria vor den Spaniern auf. Gran Quiviria, wo alle Häuser aus Stein waren und wo es soviel Gold geben sollte, dass die vornehmen Leute über Gold nur verächtlich die Nase rümpften.

Was Coronado tatsächlich fand, war ein kleiner schmutziger Ort an einem sumpfigen Fluss. Die Häuser waren mit Bündeln des blauen Präriegrases gedeckt. Die Bewohner entpuppten sich als halbnackte Indianer, die Mais züchteten, von dem sie sich ausschließlich ernährten, wenn es kein Büffelfleisch gab. Coronado zog seine Abteilung zusammen. Er und seine Männer hatten 1500 Meilen im Sattel zurückgelegt. Mindestens während der Hälfte des Weges hatten sie von halbgarem Büffelfleisch gelebt, und nun stellte sich heraus, dass dieses Gran Quiviria dem schäbigsten Dorf in Neu-Mexico glich.

Coronado war ein Mann, der es gewohnt war, behutsam vorzugehen. Er ließ den Indianerkönig holen und ihn durch andere Dolmetscher als den »Türken« fragen, ob er irgendeinen größeren Schatz besitze. Der König antwortete, ihm gehöre der größte Schatz im ganzen Land. Coronado horchte auf. Vielleicht hatte der »Türke« doch die Wahrheit gesagt. Seine Stimmung verbesserte sich erheblich. Nach einer schier endlos dauernden Zeremonie, bei der die Friedenspfeife geraucht wurde, gab der König endlich einen Befehl an einen seiner Diener. Dieser schritt zu der einen Ecke des Raumes und holte von der Decke herab einen Kasten aus einem Stück Schwarzpappelholz. Er war dort oben mit Stricken befestigt. Der König löste umständlich die Verschnürung, schob den Deckel zurück. Coronado und seine Unterführer beugten sich neugierig vor, um einen Blick in den Kasten zu werden. Der König griff in den Kasten. Der erste Gegenstand, den er hochhielt, war eine schwarze Haarlocke an einem Stück vertrockneter Haut. Dies, so verkündete er, betrachte er als seinen größten Schatz. Es war die Skalplocke und der Skalp seines größten Feindes, des Häuptlings der Leyas.

»Und dies hier«, fuhr der König fort, »ist auch ein Schatz, der mir sehr wert und teuer ist.« Und bei diesen Worten hielt er eine Krähenklaue hoch.