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Frühlings Erwachen

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Zweite Szene

Wohnzimmer.

Frau Bergmann

(den Hut auf, die Mantille um, einen Korb am Arm, mit strahlendem Gesicht durch die Mitteltür eintretend.)

Wendla! – Wendla!

Wendla

(erscheint in Unterröckchen und Korsett in der Seitentür rechts)

Was gibt′s, Mutter?

Frau Bergmann

Du bist schon auf, Kind? – Sieh, das ist schön von dir!

Wendla

Du warst schon ausgegangen?

Frau Bergmann

Zieh dich nun nur flink an! – Du mußt gleich zu Ina hinunter. Du mußt ihr den Korb da bringen!

Wendla

(sich während des folgenden vollends ankleidend)

Du warst bei Ina? – Wie geht es Ina? – Will′s noch immer nicht bessern?

Frau Bergmann

Denke dir, Wendla, diese Nacht war der Storch bei ihr und hat ihr einen kleinen Jungen gebracht.

Wendla

Einen Jungen? – Einen Jungen! – O das ist herrlich! – — Deshalb die langwierige Influenza!

Frau Bergmann

Einen prächtigen Jungen!

Wendla

Den muß ich sehen, Mutter! – So bin ich nun zum dritten Mal Tante geworden – Tante von einem Mädchen und zwei Jungens!

Frau Bergmann

Und was für Jungens! – So geht′s eben, wenn man so dicht beim Kirchendach wohnt! – Morgen sind′s erst zwei Jahr, daß sie in ihrem Mullkleid die Stufen hinanstieg.

Wendla

Warst du dabei, als er ihn brachte?

Frau Bergmann

Er war eben wieder fortgeflogen. – Willst du dir nicht eine Rose vorstecken?

Wendla

Warum kamst du nicht etwas früher hin, Mutter?

Frau Bergmann

Ich glaube aber beinahe, er hat dir auch etwas mitgebracht – eine Brosche oder was.

Wendla

Es ist wirklich schade!

Frau Bergmann

Ich sage dir ja, daß er dir eine Brosche mitgebracht hat!

Wendla

Ich habe Broschen genug …

Frau Bergmann

Dann sei auch zufrieden, Kind. Was willst du denn noch?

Wendla

Ich hätte so furchtbar gerne gewußt, ob er durchs Fenster oder durch den Schornstein geflogen kam.

Frau Bergmann

Da mußt du Ina fragen. Ha, das mußt du Ina fragen, liebes Herz! Ina sagt dir das ganz genau. Ina hat ja eine ganze halbe Stunde mit ihm gesprochen.

Wendla

Ich werde Ina fragen, wenn ich hinunterkomme.

Frau Bergmann

Aber ja nicht vergessen, du süßes Engelsgeschöpf! Es interessiert mich wirklich selbst, zu wissen, ob er durchs Fenster oder durch den Schornstein kam.

Wendla

Oder soll ich nicht lieber den Schornsteinfeger fragen? – Der Schornsteinfeger muß es doch am besten wissen, ob er durch den Schornstein fliegt oder nicht.

Frau Bergmann

Nicht den Schornsteinfeger, Kind; nicht den Schornsteinfeger. Was weiß der Schornsteinfeger vom Storch! – Der schwatzt dir allerhand dummes Zeug vor, an das er selbst nicht glaubt … Wa – was glotzst du so auf die Straße hinunter??

Wendla

Ein Mann, Mutter – dreimal so groß wie ein Ochse! – mit Füßen wie Dampfschiffe …!

Frau Bergmann

(ans Fenster stürzend)

Nicht möglich! – Nicht möglich! —

Wendla (zugleich)

Eine Bettlade hält er unterm Kinn, fiedelt die Wacht am Rhein drauf – — eben biegt er um die Ecke …

Frau Bergmann

Du bist und bleibst doch ein Kindskopf! – Deine alte einfältige Mutter so in Schrecken jagen! – Geh, nimm deinen Hut. Nimmt mich Wunder, wann bei dir einmal der Verstand kommt. – Ich habe die Hoffnung aufgegeben.

Wendla

Ich auch, Mütterchen, ich auch. – Um meinen Verstand ist es ein traurig Ding. – Hab′ ich nun eine Schwester, die ist seit zwei und einem halben Jahre verheiratet, und ich selber bin zum dritten Male Tante geworden, und habe gar keinen Begriff, wie das alles zugeht … Nicht böse werden, Mütterchen; nicht böse werden! Wen in der Welt soll ich denn fragen als dich! Bitte, liebe Mutter, sag es mir! Sag′s mir, geliebtes Mütterchen! Ich schäme mich vor mir selber. Ich bitte dich, Mutter, sprich! Schilt mich nicht, daß ich so etwas frage. Gib mir Antwort – wie geht es zu? – wie kommt das alles? – Du kannst doch im Ernst nicht verlangen, daß ich bei meinen vierzehn Jahren noch an den Storch glaube.

Frau Bergmann

Aber du großer Gott, Kind, wie bist du sonderbar! – Was du für Einfälle hast! – Das kann ich ja doch wahrhaftig nicht!

Wendla

Warum denn nicht, Mutter! – Warum denn nicht! – Es kann ja doch nichts Häßliches sein, wenn sich alles darüber freut!

Frau Bergmann

O – o Gott behüte mich! – Ich verdiente ja … Geh, zieh dich an, Mädchen; zieh dich an!

Wendla

Ich gehe, … Und wenn dein Kind nun hingeht und fragt den Schornsteinfeger?

Frau Bergmann

Aber das ist ja zum Närrischwerden! – Komm Kind, komm her, ich sag es dir! Ich sage dir Alles … O du grundgütige Allmacht! – nur heute nicht, Wendla! – Morgen, übermorgen, kommende Woche … wann du nur immer willst, liebes Herz …

Wendla

Sag es mir heute, Mutter; sag es mir jetzt! Jetzt gleich! – Nun ich dich so entsetzt gesehen, kann ich erst recht nicht eher wieder ruhig werden.

Frau Bergmann

– Ich kann nicht, Wendla.

Wendla

O, warum kannst du nicht, Mütterchen! – Hier knie ich zu deinen Füßen und lege dir meinen Kopf in den Schoß. Du deckst mir deine Schürze über den Kopf und erzählst und erzählst, als wärst du mutterseelenallein im Zimmer. Ich will nicht zucken; ich will nicht schreien; ich will geduldig ausharren, was immer kommen mag.

Frau Bergmann

– Der Himmel weiß, Wendla, daß ich nicht die Schuld trage! Der Himmel kennt mich! – Komm in Gottes Namen! – Ich will dir erzählen, Mädchen, wie du in diese Welt hineingekommen. – So hör mich an, Wendla …

Wendla

(unter ihrer Schürze)

Ich höre.

Frau Bergmann (ekstatisch)

– Aber es geht ja nicht, Kind! – Ich kann es ja nicht verantworten. – Ich verdiene ja, daß man mich ins Gefängnis setzt – daß man dich von mir nimmt …

Wendla

(unter ihrer Schürze)

Faß dir ein Herz, Mutter!

Frau Bergmann

So höre denn …!

Wendla

(unter ihrer Schürze, zitternd)

O Gott, o Gott!

Frau Bergmann

Um ein Kind zu bekommen – du verstehst mich, Wendla?

Wendla

Rasch, Mutter – ich halt′s nicht mehr aus.

Frau Bergmann

– Um ein Kind zu bekommen – muß man den Mann – mit dem man verheiratet ist … liebenlieben sag′ ich dir – wie man nur einen Mann lieben kann! Man muß ihn so sehr von ganzem Herzen lieben, wie – wie sich′s nicht sagen läßt! Man muß ihn lieben, Wendla, wie du in deinen Jahren noch gar nicht lieben kannst … Jetzt weißt du′s.

Wendla

(sich erhebend)

Großer – Gott – im Himmel!

Frau Bergmann

Jetzt weißt du, welche Prüfungen dir bevorstehen!

Wendla

– Und das ist alles?

Frau Bergmann

So wahr mir Gott helfe! – — Nimm nun den Korb da und geh zu Ina hinunter. Du bekommst dort Schokolade und Kuchen dazu. – Komm, laß dich noch einmal betrachten – die Schnürstiefel, die seidenen Handschuhe, die Matrosentaille, die Rosen im Haar ...... dein Röckchen wird dir aber wahrhaftig nachgerade zu kurz, Wendla!

Wendla

Hast du für Mittag schon Fleisch gebracht, Mütterchen?

Frau Bergmann

Der liebe Gott behüte dich und segne dich! – Ich werde dir gelegentlich eine Handbreit Volants unten ansetzen.

Dritte Szene

Hänschen Rilow (ein Licht in der Hand, verriegelt die Tür hinter sich und öffnet den Deckel).

Hast du zu Nacht gebetet, Desdemona?

(Er zieht eine Reproduktion der Venus von Palma Vecchio aus dem Busen.)

– Du siehst mir nicht nach Vaterunser aus, Holde – kontemplativ des Kommenden gewärtig, wie in dem süßen Augenblick aufkeimender Glückseligkeit, als ich dich bei Jonathan Schlesinger im Schaufenster liegen sah – ebenso berückend noch diese geschmeidigen Glieder, diese sanfte Wölbung der Hüften, diese jugendlich straffen Brüste – o, wie berauscht von Glück muß der große Meister gewesen sein, als das vierzehnjährige Original vor seinen Blicken hingestreckt auf dem Diwan lag!

Wirst du mich auch bisweilen im Traum besuchen? – Mit ausgebreiteten Armen empfang′ ich dich und will dich küssen, daß dir der Atem ausgeht. Du ziehst bei mir ein wie die angestammte Herrin in ihr verödetes Schloß. Tor und Türen öffnen sich von unsichtbarer Hand, während der Springquell unten im Parke fröhlich zu plätschern beginnt …

Die Sache will′s! – Die Sache will′s! – Daß ich nicht aus frivoler Regung morde, sagt dir das fürchterliche Pochen in meiner Brust. Die Kehle schnürt sich mir zu im Gedanken an meine einsamen Nächte. Ich schwöre dir bei meiner Seele, Kind, daß nicht Überdruß mich beherrscht. Wer wollte sich rühmen, deiner überdrüssig geworden zu sein!

 

Aber du saugst mir das Mark aus den Knochen, du krümmst mir den Rücken, du raubst meinen jungen Augen den letzten Glanz. – Du bist mir zu anspruchsvoll in deiner unmenschlichen Bescheidenheit, zu aufreibend mit deinen unbeweglichen Gliedmaßen! – Du oder ich! – und ich habe den Sieg davongetragen.

Wenn ich sie herzählen wollte – all die Entschlafenen, mit denen ich hier den nämlichen Kampf gekämpft! —: Psyche von Thumann – noch ein Vermächtnis der spindeldürren Mademoiselle Angelique, dieser Klapperschlange im Paradies meiner Kinderjahre; Io von Corregio; Galathea von Lossow; dann ein Amor von Bouguereau; Ada von J. van Beers – diese Ada, die ich Papa aus einem Geheimfach seines Sekretärs entführen mußte, um sie meinem Harem einzuverleiben; eine zitternde, zuckende Leda von Makart, die ich zufällig unter den Kollegienheften meines Bruders fand – sieben, du blühende Todeskandidatin, sind dir vorangeeilt auf diesem Pfad in den Tartarus! Laß dir das zum Troste gereichen und suche nicht durch diese flehentlichen Blicke noch meine Qualen ins Ungeheure zu steigern.

Du stirbst nicht um deiner, du stirbst um meiner Sünden willen! – Aus Notwehr gegen mich begehe ich blutenden Herzens den siebenten Gattenmord. Es liegt etwas Tragisches in der Rolle des Blaubart. Ich glaube, seine gemordeten Frauen insgesamt litten nicht so viel wie er beim Erwürgen jeder einzelnen.

Aber mein Gewissen wird ruhiger werden, mein Leib wird sich kräftigen, wenn du Teufelin nicht mehr in den rotseidenen Polstern meines Schmuckkästchens residierst. Statt deiner lasse ich dann die Lurlei von Bodenhausen oder die Verlassene von Linger oder die Loni von Defregger in das üppige Lustgemach einziehen – so werde ich mich um so rascher erholt haben! Noch ein Vierteljährchen vielleicht, und dein entschleiertes Josaphat, süße Seele, hätte an meinem armen Hirn zu zehren begonnen wie die Sonne am Butterkloß. Es war hohe Zeit, die Trennung von Tisch und Bett zu erwirken.

Brrr, ich fühle einen Heliogabalus in mir! Moritura me salutat! – Mädchen, Mädchen, warum preßt du deine Kniee zusammen? – warum auch jetzt noch? – — angesichts der unerforschlichen Ewigkeit?? – Eine Zuckung, und ich gebe dich frei! – Eine weibliche Regung, ein Zeichen von Lüsternheit, von Sympathie, Mädchen! – ich will dich in Gold rahmen lassen, dich über meinem Bett aufhängen! – Ahnst du denn nicht, daß nur deine Keuschheit meine Ausschweifungen gebiert? – Wehe, wehe über die Unmenschlichen!

… Man merkt eben immer, daß sie eine musterhafte Erziehung genossen hat. – Mir geht es ja ebenso.

Hast du zu Nacht gebetet, Desdemona?

Das Herz krampft sich mir zusammen – — Unsinn! – Auch die heilige Agnes starb um ihrer Zurückhaltung willen und war nicht halb so nackt wie du! – Einen Kuß noch auf deinen blühenden Leib, – deine kindlich schwellende Brust – deine süßgerundeten – deine grausamen Kniee …

Die Sache will′s, die Sache will′s, mein Herz!

Laßt sie mich euch nicht nennen, keusche Sterne!

Die Sache will′s! —

(Das Bild fällt in die Tiefe; er schließt den Deckel)

Vierte Szene

Ein HeubodenMelchior liegt auf dem Rücken im frischen Heu. Wendla kommt die Leiter herauf.

Wendla

Hier hast du dich verkrochen? – Alles sucht dich. Der Wagen ist wieder hinaus. Du mußt helfen. Es ist ein Gewitter im Anzug.

Melchior

Weg von mir! – Weg von mir!

Wendla

Was ist dir denn? – Was verbirgst du dein Gesicht?

Melchior

Fort, fort! – Ich werfe dich in die Tenne hinunter.

Wendla

Nun geh′ ich erst recht nicht. – (Kniet neben ihm nieder) Warum kommst du nicht mit auf die Matte hinaus, Melchior? – Hier ist es schwül und düster. Werden wir auch naß bis auf die Haut, was macht uns das!

Melchior

Das Heu duftet so herrlich. – Der Himmel draußen muß schwarz wie ein Bahrtuch sein. – Ich sehe nur noch den leuchtenden Mohn an deiner Brust – und dein Herz hör′ ich schlagen —

Wendla

– — Nicht küssen, Melchior! – Nicht küssen!

Melchior

– dein Herz – hör′ ich schlagen —

Wendla

– Man liebt sich – wenn man küßt – — – — Nicht, nicht! – —

Melchior

O glaub mir, es gibt keine Liebe! – Alles Eigennutz, alles Egoismus! – Ich liebe dich so wenig, wie du mich liebst. —

Wendla

– — Nicht! – — – — – — – Nicht, Melchior! – —

Melchior

– — – Wendla!

Wendla

O Melchior! – — – — – — – — nicht – — nicht – —

Fünfte Szene

Frau Gabor

(sitzt, schreibt):

Lieber Herr Stiefel!

Nachdem ich 24 Stunden über alles, was Sie mir schreiben, nachgedacht und wieder nachgedacht, ergreife ich schweren Herzens die Feder. Den Betrag zur Überfahrt nach Amerika kann ich Ihnen – ich gebe Ihnen meine heiligste Versicherung – nicht verschaffen. Erstens habe ich so viel nicht zu meiner Verfügung, und zweitens, wenn ich es hätte, wäre es die denkbar größte Sünde, Ihnen die Mittel zur Ausführung einer so folgenschweren Unbedachtsamkeit an die Hand zu geben. Bitter Unrecht würden Sie mir tun, Herr Stiefel, in dieser meiner Weigerung ein Zeichen mangelnder Liebe zu erblicken. Es wäre umgekehrt die gröbste Verletzung meiner Pflicht als Ihre mütterliche Freundin, wollte ich mich durch Ihre momentane Fassungslosigkeit dazu bestimmen lassen, nun auch meinerseits den Kopf zu verlieren und meinen ersten nächstliegenden Impulsen blindlings nachzugeben. Ich bin gern bereit – falls Sie es wünschen – an Ihre Eltern zu schreiben. Ich werde Ihre Eltern davon zu überzeugen suchen, daß Sie im Laufe dieses Quartals getan haben, was Sie tun konnten, daß Sie Ihre Kräfte erschöpft, derart, daß eine rigorose Beurteilung Ihres Geschickes nicht nur ungerechtfertigt wäre, sondern in erster Linie im höchsten Grade nachteilig auf Ihren geistigen und körperlichen Gesundheitszustand wirken könnte.

Daß Sie mir andeutungsweise drohen, im Fall Ihnen die Flucht nicht ermöglicht wird, sich das Leben nehmen zu wollen, hat mich, offen gesagt, Herr Stiefel, etwas befremdet. Sei ein Unglück noch so unverschuldet, man sollte sich nie und nimmer zur Wahl unlauterer Mittel hinreißen lassen. Die Art und Weise, wie Sie mich, die ich Ihnen stets nur Gutes erwiesen, für einen eventuellen entsetzlichen Frevel Ihrerseits verantwortlich machen wollen, hat etwas, das in den Augen eines schlechtdenkenden Menschen gar zu leicht zum Erpressungsversuch werden könnte. Ich muß gestehen, daß ich mir dieses Vorgehens von Ihnen, der Sie doch sonst so gut wissen, was man sich selber schuldet, zu allerletzt gewärtig gewesen wäre. Indessen hege ich die feste Überzeugung, daß Sie noch zu sehr unter dem Eindruck des ersten Schreckens standen, um sich Ihrer Handlungsweise vollkommen bewußt werden zu können.

Und so hoffe ich denn auch zuversichtlich, daß diese meine Worte Sie bereits in gefaßterer Gemütsstimmung antreffen. Nehmen Sie die Sache, wie sie liegt. Es ist meiner Ansicht nach durchaus unzulässig, einen jungen Mann nach seinen Schulzeugnissen zu beurteilen. Wir haben zu viele Beispiele, daß sehr schlechte Schüler vorzügliche Menschen geworden und umgekehrt ausgezeichnete Schüler sich im Leben nicht sonderlich bewährt haben. Auf jeden Fall gebe ich Ihnen die Versicherung, daß Ihr Mißgeschick, soweit das von mir abhängt, in Ihrem Verkehr mit Melchior nichts ändern soll. Es wird mir stets zur Freude gereichen, meinen Sohn mit einem jungen Manne umgehn zu sehen, der sich, mag ihn nun die Welt beurteilen wie sie will, auch meine vollste Sympathie zu gewinnen vermochte.

Und somit Kopf hoch, Herr Stiefel! – Solche Krisen dieser oder jener Art treten an jeden von uns heran und wollen eben überstanden sein. Wollte da ein jeder gleich zu Dolch und Gift greifen, es möchte recht bald keine Menschen mehr auf der Welt geben. Lassen Sie bald wieder etwas von sich hören und seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrer Ihnen unverändert zugetanen

mütterlichen Freundin
Fanny G.