Hitlers Bühnen

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Hitlers Bühnen
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Alexander Schug / Frank Petrasch

Hitlers Bühnen

Eine visuelle Geschichte der

Selbstinszenierung von Adolf Hitler

Alexander Schug / Frank Petrasch

Hitlers Bühnen

Eine visuelle Geschichte der Selbstinszenierung von Adolf Hitler


Impressum

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN: 978-3-86408-120-0 (Print)

ISBN: 978-3-86408-135-4 (epub)

ISBN: 978-3-86408-136-1 (pdf)

© Copyright: Vergangenheitsverlag, Berlin / 2012

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Inhaltsverzeichnis

Essay: Hitlers Bühnen. Eine visuelle Geschichte der Selbstinszenierung

Geschichte in Bildern

Herantasten an die Pose – Hitler in frühen Fotografien, 1924-1930

Die Professionalisierung der Bildregie – Hitler in Fotografien von 1930-1933

Das gefestigte Bild des Diktators – Hitler in Fotografien von 1933-1945

Hilter als "Gröfaz" – Größter Feldher aller Zeiten, 1939-1945

Bildnachweise

Essay: Hitlers Bühnen. Eine visuelle Geschichte der Selbstinszenierung

Hitler war vielleicht der erste Popstar der Geschichte. Er wurde verehrt, quasi-religiös überhöht, von den meisten Eliten unterschätzt – und am Ende legte er die halbe Welt in Schutt und Asche. Dennoch: Eine solche Person, zu der wir mittlerweile einige Jahrzehnte Distanz aufgebaut haben, strahlt schon lange nicht mehr diese übermenschliche Kraft aus, wie sie Zeitgenossen wahrgenommen haben wollen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wirkt diese Figur zunehmend entrückt. Die Verbrechen der Nationalsozialisten geraten in Vergessenheit, neue Despoten halten die heutige Welt in Atem und vor allem wirken die Bilder der 1920er- bis 1940er-Jahre auf uns heute nicht mehr in der Weise wie früher. Hitler als Diktator, der verantwortlich für einen unsäglichen Krieg und die Vergasung von Millionen von Menschen ist, verblasst, verliert seinen Schrecken. Auf Fotografien wirkt er heute auf uns zuweilen marionettenhaftlächerlich. Wie eine Schießbudenfigur steht er vor dem Fotoapparat stramm, um ernsten Gesichtsausdruck und imposante Haltung bemüht.

Hitlers Aura war offensichtlich zeitbedingt. Dennoch lassen die hier zusammengetragenen Fotografien aus den Jahren 1924 bis 1945 nachvollziehen, was diese Aura ausgemacht haben kann. Die Fotografien sollen den Blick schärfen für die frühen Formen der Selbstinszenierung durch visuelle Medien, von denen Hitler ausgiebig Gebrauch machte und sich damit geradezu zu einer Marke entwickelte, die große Emotionen auslöste. Die Abbildungen von Hitler sind keine Schnappschüsse, schon gar nicht dokumentarisch im Sinne einer offensiven Annäherung. Es sind arrangierte Bilder, ausgewählt für die Medien, bewusst platziert und verbreitet. Auch das hatte viel zu tun mit der Art und Weise, wie man in den 1920er-Jahren begann, Produkte zu vermarkten.

Das Eindringen einer werblichen Logik in die Politik lässt sich auf plastische Art und Weise an den Repräsentationsformen Adolf Hitlers zeigen.(1) Die Demarkationslinien zwischen Hochkultur und Konsumkultur, zwischen Staatsrepräsentation und Warenanpreisung scheinen bei diesem Fallbeispiel zu verschwinden. Der Aufbau der „Marke Hitler“ und die werbliche Inszenierung in den visuellen Medien seiner Zeit zeigt, dass werbliche Kommunikation eine Vorbildfunktion einnahm, die in den 1920er Jahren bereits die politische Kommunikation zu beeinflussen begann. Wenn Hitler in „Mein Kampf“ z. B. anmerkte, dass politische Propaganda wie der Verkauf von Seife funktionieren müsse, sagt das einerseits bereits viel über seine Selbstdarstellung- und wahrnehmung aus - andererseits allerdings auch über die Ausstrahlung von Werbung und werblicher Rhetorik auf die Politik.(2) Die Analyse dieses Verhältnisses lässt aus einer weiteren Perspektive Aussagen über die politische Kultur in Deutschland, das Verhältnis von ökonomischem und politischem Denken und die Expansion ökonomischer Logik zu. Das werbliche Denken griff weit in den politischen Raum aus, was die Definitionsmacht der Wirtschaft und die Logik des Markts als sozial-relevante Kraft hervorhebt.(3) Gewissermaßen das Transportmittel waren die bedacht inszenierte Fotografie und die modernen Massenmedien, die die zeitgenössischen Bilder von Adolf Hitler als „Revolutionär der Geschichte“ tradierten.

Die Analyse der propagandistischen Inszenierung Hitlers, der NSDAP und des Nationalsozialismus als „revolutionäre“ Bewegung hat sowohl in der Geschichtswissenschaft als auch in anderen Disziplinen eine lange Tradition.(4) Es besteht Konsens darüber, dass einer von mehreren Erfolgsfaktoren des Nationalsozialismus die spektakelhafte Selbstdarstellung war, die diese Bewegung von den traditionell kommunizierenden Parteien in der Weimarer Republik unterschied, obwohl vor allem die KPD mit Ernst Thälmann ebenso auf moderne Mittel der Selbstdarstellung zurückgriff und damit teilweise sogar zum erklärten Vorbild Hitlers wurde.(5) Öffentlichkeit und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit spielten für die NSDAP insgesamt jedoch eine andere Rolle als in anderen Parteien, die ideologisch bereits in der Gesellschaft verankert waren und weder neu in den politischen Markt eingeführt werden noch im gleichen Maße wie die NSDAP eine Nachfrage und Beziehungen zum Markt schaffen mussten.(6)

In der Forschungsliteratur werden die Vorbilder der NS-Propaganda fast ausschließlich in der britischen Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs oder der Kommunikationsarbeit der „sozialistisch-marxistischen Organisationen“ gesehen, wie es bereits Hitler in „Mein Kampf“ dargestellt hat.(7) Auch fehlt in der Literatur selten der Hinweis auf die Rezeption der Massenpsychologie, wie sie seit den 1890er-Jahren von Gustave Le Bon entwickelt worden war.(8) Als Beispiel der erfolgreichen Integration dieser Ansätze wird oft auf die provokativen, sorgfältig choreografierten Umzüge der SA in den Großstädten oder auf andere Großveranstaltungen, Aufmärsche, Maifeiern und Parteitage der NSDAP verwiesen, bei denen es immer um eine öffentlichkeitswirksame Inszenierung und die Demonstration numerischer Stärke ging, die ein Spezifikum „faschistischer Öffentlichkeit“ war.(9)

Hitlers Anziehungskraft und die Wirkung seines Auftretens bei solchen Großveranstaltungen wird bis heute mit seinem angeblich außergewöhnlichen Charisma erklärt. Zuletzt ist dieser Ansatz, unkritisch verwendet, von Wehler präsentiert worden.(10) Kershaw hat jedoch gezeigt, dass der Kult um die Person Hitlers, ein Kernelement der NS-Herrschaft, zum einen ein Produkt gezielter Kommunikationsarbeit „von oben“ war, zum anderen „von unten“ betrachtet aber auch mit den Rezeptionsbedingungen und der Stimmung in der Bevölkerung zu tun hatte – ein Umstand, der Hitler als außergewöhnliche Person relativiert.(11) Das Bild Hitlers als charismatischer Führer bedarf deshalb einer Überarbeitung.(12)

Hitler war ein Markentechniker, der mit Intuition und einigem Expertenwissen den Aufbau seines Images vorantrieb. Aus diesem Grund erscheint Hitlers Ausstrahlung als inszeniertes Charisma mit einem ausgeprägt werblichen Charakter. Werbung war neben den Axiomen der Massenpsychologie und den Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg ein Einflussfaktor, der den NS-Auftritt prägte. Die hier vertretene These lautet also, dass das Image Hitlers und der NSDAP durch die Ästhetik und die Methoden der zeitgenössischen Werbung beeinflusst worden sind, auch wenn fraglich bleibt, wie strategisch und bewusst kundenorientiert der von der Werbung inspirierte Auftritt Hitlers war.(13) Die hier zusammengetragenen Fotografien laden deshalb immer auch zur Überprüfung und eigenen Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung ein.

 

Hitler war kein bloßer „Verführer“ oder ausschließlich mit kriegerischer Gewalt an die Macht gelangter Diktator, sondern – und dafür steht der Aspekt der Werblichkeit – er reagierte auf einen und kommunizierte – oftmals über seine Bilder – mit einem politischen Markt, dessen „Konsumenten“ die NS-Bewegung gewinnen wollte. Insofern deckt der negativ konnotierte Begriff der Propaganda nicht ab, was hier zum Ausdruck gebracht werden soll. Propaganda steht für eine autoritäre und aggressive Kommunikation, die ausschließlich vom Kommunikator bestimmt ist und der Verbreitung politischer Ideen dient. Werbung hingegen ist letztlich ein Angebot. Sie überlässt einen Teil der angestrebten Interaktion dem Rezipienten, der sich von Bildern einfangen lässt und am Ende einen Kaufakt vollziehen soll. Zwar war die Souveränität des Konsumenten nach der zeitgenössischen Werbelehre ebenfalls eingeschränkt; vergleicht man aber gängige Definitionen von Propaganda und Werbung, meint die Verwendung des Terminus „Werbung“ mit Bezug auf die Kommunikationsarbeit der Nationalsozialisten eine Verschiebung zugunsten einer größeren Eigenständigkeit der Rezipienten.(14)

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