Sampa Girls - Fußballfieber

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Sampa Girls - Fußballfieber
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SAMPA GIRLS

Fußballfieber

Impressum

Copyright: © 2014 Frank Alves

Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-0173-6

1

Es ist Freitag 19:30 Uhr an einem lauwarmen Maiabend im Jahre 2014, als Janaina dos Santos mit ihrem roten VW Polo auf der Rua Melo Freire in Tatuape Richtung Stadtzentrum fährt. Es sind nur wenige Wochen bis zum Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft zwischen Brasilien und Kroatien im Stadion Itaquerão, der zukünftigen Heimspielstätte von Corinthians. Der Verkehr läuft sehr schleppend wie so häufig in São Paulo. Einige andere Verkehrsteilnehmer versuchen durch dauerhaftes Hupen ihrem Unmut freien Lauf zu lassen. Janaina sieht die Situation eher gelassen, sie summt zur Musik von der Rapgruppe Racionais MCs, die gerade im Radio läuft. Ihr Wochenende hat gerade begonnen, und sie freut sich sehr darauf.Janaina ist 28 Jahre alt, 1,77 groß, schlank, Mulattin mit langen glattem Haar und lebt mit ihrer 56-jährigen Mutter in einem Zweizimmer-Apartment in der Cohab II im Distrikt Itaquera in der Ostzone von São Paulo nicht weit entfernt vom Stadion, wo die Weltmeisterschaft eröffnet wird. Ihren Vater hat sie nie kennengelernt. Er hat ihre Mutter schon vor der Geburt verlassen. Sie hat ihn auch nie vermisst. Es war normal für sie, dass kein Vater im Haus war, sondern nur eine Mutter. Ihr Bruder ist sieben Jahre älter als sie, hat eine eigene Familie mit drei Kindern und wohnt in São Miguel Paulista. Als Kind verbrachte Janaina viel Zeit bei ihren Großeltern, die auch in Itaquera wohnten. Leider sind beide schon verstorben. Seit zwei Jahren arbeitet sie bei der Polizei des Landes São Paulo als Ermittlerin in der Mordkommission IV. Sie hat sich dorthin nach einigen Jahren bei der uniformierten Bereitschaftspolizei weiterentwickelt. Am Abend ist sie mit ihrer Freundin Laura Ferreira in einer Bar im westlichen Stadtteil Vila Madalena verabredet. Sie wollen sich dort gegen 21 Uhr treffen, um das Wochenende mit ein paar Drinks einzuleiten. Laura hat zusammen mit Janaina bei der Mordkommission begonnen. Sie kannten sich schon flüchtig aus der Zeit bei der Bereitschaftspolizei. Sie ist 27 Jahre alt, 1,74 groß,schlank, hellhäutig mit langem schwarzen Haar. Sie lebt allein in einem kleinen Apartment in Jabaquara in der Südzone. Ihre Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen als sie erst sieben Jahre alt war. Sie wuchs bei ihrem Onkel in einer Favela im Distrikt Grajau auf. Ihr Onkel hat eine Tochter namens Elvira Maria, die im gleichen Alter wie Laura ist. Vor fünf Jahren zog es den Onkel und die Cousine von Laura zurück nach Bahia, von wo die gesamte Familie Ende der 80er Jahre nach São Paulo kam. Das erhoffte bessere Leben in der Metropole begann für die Familie sehr schleppend. Schon kurz nach der Ankunft verließ die Frau von Lauras Onkel die Familie, und der Onkel wurde zum alleinerziehenden Vater. Dann kam noch der tragische Autounfall ihrer Eltern dazu. Er ereignete sich auf der Via Anchieta als die beiden auf dem Weg zu einem Wochenende zu zweit nach Praia Grande waren. Ein anderes Auto drängte ihren Wagen mit überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn. Laura war bei ihrem Onkel in São Paulo geblieben, somit war ihr Onkel plötzlich alleinerziehender Vater von zwei Mädchen.

Als der Verkehr zum Stehen kommt, klingelt Janainas Mobiltelefon. Sie schaut auf das Display, sieht die Nummer von Laura auf der Anzeige und nimmt den Anruf an:

„Hi Laura, ich bin schon auf dem Weg. Leider steht der Verkehr im Moment, aber bis neun Uhr bin ich bestimmt in Vila Madalena.“

„Vergiss Vila Madalena“, antwortet Laura. „Charly hat mich gerade angerufen. Wir haben einen neuen Mordfall. Charly ist 58 Jahre alt und Leiter der Mordkommission IV. Sein richtiger ist Carlos Rainoldo Morreira. Den Spitznamen hat er in Anlehnung an die US-Fernsehserie „Drei Engel für Charly“ bekommen, weil die Polizeieinheiten, die er leitete meistens nur aus jungen Frauen bestanden.

„Was hat Charly gesagt? Wo sollen wir hinkommen?“ fragt Janiana verärgert, denn sie hatte sich so sehr auf das Wochenende gefreut.

„Der Mord passierte irgendwo in Jardim Miriam in der Südzone. Ich werde Dir eine SMS mit der genauen Adresse schicken. Du sollst noch Naomi zu Hause abholen. Charly hat sie bereits informiert. Sie wartet auf Dich“.

„Ok, ich mache mich auf den Weg zu Naomi. Wir sehen uns dann in ungefähr eineinhalb Stunden am Tatort.“ Es ist kurz nach 20 Uhr als Janaina bei Naomi zu Hause im japanisch geprägten Stadtteil Liberdade ankommt. Naomi wohnt noch mit ihren Eltern Tama und Yoshio Watanabe zusammen. Sie ist 26 Jahre alt und kam ein Jahr nach Janaina und Laura zur Mordkommission IV. Die Familie ist japanischer Abstammung. Die Urgroßeltern sind von Japan nach São Paulo migriert. Naomis Eltern sprechen noch fließend japanisch, Naomi spricht die Sprache nur sehr gebrochen. Sie hat wenig Interesse an Tradition.

Janaina parkt ihr Auto direkt vor Naomis Hauseingang, steigt aus und klingelt an der Tür. Tama Watanabe empfängt sie freundlich:

„Hallo Janaina, schön Dich zu sehen. Komm' rein ins Wohnzimmer. Was kann ich Dir zu trinken anbieten ?“

„Guten Abend Frau Watanabe, danke, ich habe leider keine Zeit, denn wir haben einen neuen Mordfall und müssen zum Tatort. Wo ist Naomi?“

„Hier bin ich.“ Naomi kommt im Flur zum Vorschein. „Lass' uns gleich losfahren, Janaina. Tchau Mama!“

„Tchau Frau Watanabe!“

„Tchau ihr beiden, passt auf Euch auf!“ Die beiden jungen Frauen verlassen das Haus der Familie Watnabe, steigen in Janainas Auto und fahren auf der Avenida Vinte e Tres de Maio Richtung Südzone. Als sie eine dreiviertel Stunde später in die Avenida Cupece einbiegen, kommt die SMS mit der Adresse des Tatortes auf Janainas Mobiltelefon an. Nach drei Kilometern erreichen sie ihr Ziel. Das Haus, in dem der Mord geschah, befindet sich in einer engen Seitenstraße. Es ist eine kleine Baracke aus rotem Ziegelstein mit einem Wellblechdach. Die Durchfahrt ist durch mehrere Streifenwagen der Polizei versperrt. Es wimmelt von uniformierten Polizisten im Eingangsbereich des Hauses. Janaina parkt ihren kleinen Polo in der nächsten Seitenstraße. Als sie und Naomi aus dem Auto steigen, kommt ihnen auch schon Charly entgegen und ruft von weitem:

„Endlich seit Ihr da, warum hat das so lang gedauert? Laura ist schon in der Nachbarschaft unterwegs und sucht nach Zeugen.“

„Wer ist denn das Opfer und wie geschah der Mord?“ will Janaina wissen.

„Das Opfer ist eine 25 bis 30-jährige Frau. Sie wurde scheinbar mehrfach mit einem stumpfen Gegenstand auf dem Kopf geschlagen. Von der Tatwaffe fehlt noch jede Spur. Die Identität des Opfers ist auch noch unbekannt.“

„Ist schon klar, wann die Tatzeit war?“ fragt Naomi.

„Die Kriminaltechniker gehen derzeit davon aus, dass die Tote schon mindestens einen halben Tag dort liegt.“

„Wann und von wem wurde das Opfer gefunden?“ erkundigt sich Janaina.

„So gegen 18 Uhr haben ein paar Kinder die Leiche gefunden als sie Verstecken gespielt haben. Sie sagten, dass sie oft in dem Haus spielten, da es häufig leer stand und man durch ein offenes Fenster einsteigen konnte“, antwortet Charly und dreht sich um, als er einen Ruf von hinten hört. Da kommt Laura aus einem Nachbarhaus. Sie geht direkt auf Janaina und Naomi zu und gibt beiden einen Begrüßungskuss.

„Kein Nachbar hat etwas gehört oder gesehen“, erklärt sie ihren Kollegen. „Das Opfer nennt sich Mia. Den Nachnamen kennen die Nachbarn aber nicht. Sie sagen die Frau lebt sehr zurückgezogen und spricht kaum mit jemanden hier in der Straße, höchstens 'Guten Tag' und 'Guten Abend'.“

„Gibt es ein aktuelles Foto von der Frau?“ fragt Charly Laura. „Im Haus haben wir bisher noch keins gefunden, und das Gesicht wurde von brutalen Schlägen so entstellt, dass es fast unkenntlich ist.“

„Nein, von einem Foto oder etwas ähnlichen hat kein Nachbar etwas gesagt: Ich glaube, wir müssen ein Phantombild erstellen“, antwortet Laura.

„Leider muss ich Euch Euren freien Samstag streichen. Wir treffen uns am morgen früh zu unserer Konferenz in meinem Büro. Lasst uns jetzt erst einmal weiter herumfragen, ob jemand etwas gesehen hat. Janaina geh' Du 'mal runter zur Avenida Cupece, da ist eine Bar. Naomi, hör' Du Dich weiter oben in der Favela um! Und Laura, Du kannst erst mal nach Hause fahren, aber morgen früh, bevor Du ins Büro kommst, besuchst Du den Vermieter vom Opfer, der wohnt irgendwo in Diadema. Die Adresse haben die Streifenpolizisten“, befiehlt Charly. Als Janaina die Bar betritt, geht ein Raunen durch den Raum, in dem sich eine Theke mit acht Barhockern und sechs Tische mit jeweils vier Stühlen befinden. An der Theke sitzen vier Männer und zwei Tische sind mit jeweils drei Männern besetzt. Alle schauen auf den großen Fernsehbildschirm, der an der Wand angebracht ist. Es läuft gerade eine Wiederholung eines Vorbereitungsspiels der brasilianischen Nationalmannschaft für die Fußballweltmeisterschaft. Der Barkeeper steht hinter der Theke und ruft freudig: „Hallo junge Frau, welch' ein schöner Anblick für unsere monotone Männerrunde. Was soll es denn zu trinken sein?“

„Nichts“, antwortet Janaina forsch. „Kriminalpolizei! Hier im Viertel wurde eine Frau ermordet. Ich suche nach Zeugen, die etwas auffälliges beobachtet haben.“

„Schrecklich!“ antwortet Jose, der an einem Tisch sitzt, entsetzt. „Wir haben schon davon gehört. Hier im Viertel geht so etwas 'rum wie ein Lauffeuer. Eigentlich hatten die meisten Leute hier wenig mit dieser Frau zu tun, aber ich sprach zufällig erst vor zwei Wochen mit ihr, als sie an meinem Haus auf dem Weg zur Bushaltestelle vorbeiging. Ich hatte kurz davor eine neue Webcam gekauft und fragte sie, ob ich testweise ein Foto von ihr machen könnte. Sie willigte ein, stand Model und ging danach weiter zur Bushaltestelle hier unten an der Avenida.“

 

„Oh, das klingt ja sehr interessant. Haben Sie die Fotos noch irgendwo gespeichert?“ fragt Janaina erfreut.

„Eigentlich sollten sich die Fotos noch auf meinem Computer befinden. Wir können sofort zu mir nach Hause gehen und nachschauen. Ich kann dann die Dateien auf eine Speicherkarte kopieren und diese der Polizei zur Verfügung stellen“ , antwortet Jose und steht von seinem Stuhl auf.

„Da hast Du ja scheinbar etwas sinnvolles für die Allgemeinheit getan, Jose“, bemerkt ein Kollege an Joses Tisch. „So kennt man Dich gar nicht.“ Janaina und Jose verlassen die Bar und gehen zum Haus von Jose, das sich wenige Meter von der Bar entfernt befindet. Jose startet seinen Computer und findet auch sofort die gesuchten Fotos. Er kopiert sie auf eine Speicherkarte und überreicht sie Janiana.

„Recht herzlichen Dank, Sie haben uns sehr geholfen“, verabschiedet sich Janaia von Jose und verlässt dessen Haus.

Naomi steigt eine enge Treppengasse auf, als sie von einer weiblichen Stimme angesprochen wird: „Hallo, sind Sie von der Polizei?“ DieTür geht auf und zwei junge dunkelhäutige Frauen betreten die Treppengasse. Es sind die Schwestern Julia und Gabriela Ferreira, die 21 bzw. 23 Jahre alt sind.

„Ja, ich bin von der Polizei“, antwortet Naomi. „Hier in der nähe ist eine junge Frau ermordet wurden. Ich suche nach Zeugen, die in den letzten Stunden hier in der Umgebung etwas auffälliges beobachtet haben.“

„Es gibt hier im Stadtteil einen Mann, der Pedro heißt. Er ist etwas älter als wir. Früher hat er hier nebenan gewohnt bis ihn die Hauseigentümerin 'rausgeworfen hat, weil er übermäßig viel Alkohol und Kokain konsumiert hat“, äußert sich Julia. „Jetzt lebt er offensichtlich auf der Straße. Er hält sich den ganzen Tag im Bereich der Bushaltestelle an der Avenida Cupece auf. Dort belästigt er junge Frauen, die vorbeigehen und auf einen Bus warten. Seltsamerweise war er heute nicht da, sonst war er immer da.“

„Das Hört sich schon spannend an“, unterbricht Naomi. „Gibt es von diesem Pedro Fotos oder eine genaue Beschreibung ?“

„Jeder hier kennt ihn“, erklärt Gabriella gestikulierend. „Alle Frauen hassen ihn und viele haben sogar Angst vor ihm. Wir haben das auch schon den örtlichen Streifenpolizisten gemeldet, aber die sagen nur: 'Das ist nur der Pedro, der ist ungefährlich. Ihr kennt den doch alle schon seit Ewigkeiten'.“

„Ich werde diesen Typen auf jeden Fall zur Fahndung ausschreiben. Mal sehen, ob er ein Alibi für den Zeitraum des Mordes hat“, ergänzt Naomi.

Nach zweieinhalb Stunden Ermittlungsarbeit im Viertel schließen sich Janaina und Naomi über ihre Mobiltelefone kurz und verabreden sich, dass sie sich jetzt am Auto treffen, um nach Hause zu fahren. Beide haben Ermittlungsansätze, die sie am nächsten Morgen in der Konferenz in Charlys Büro zum besten geben können.

2

Es ist acht Uhr morgens am nächsten Tag als Laura in ihren schwarzen Corsa steigt und Richtung Diadema fährt. Sie hat den Vermieter vom Mordopfer des Vortages Henrique Gomez vorher telefonisch über ihr Erscheinen informiert. Nach 20 Minuten kommt sie vor Gomez` geschlossenem Apartmenthochhaus an, in dem er in seiner Eigentumswohnung lebt. Sie wird bereits von ihm am Eingangstor erwartet.

„Guten Morgen, Frau … !“ wird sie von Gomez begrüßt.

„Frau Marques, Laura Marques, Kommissarin der Mordkommission IV der Polizei von São Paulo. Ich komme bezüglich des Mordfalls in ihrem vermieteten Haus in Jardim Miriam.“

„Ja, ich weiß. Die Nachbarschaft hat mich gestern schon informiert. Kommen Sie erst mal 'rein. Mein Apartment ist im vierten Stock. Dort können wir eine Tasse Kaffee zusammen trinken.“

„Nein danke, ich habe nicht so lange Zeit und will Ihnen nur kurz ein paar Fragen bezüglich des Mordes stellen“, entgegnet Laura.

„Schade, dann muss ich meinen Kaffee wohl allein trinken. Wissen Sie schon, wer der Mörder ist?“ will Gomez wissen.

„Nein, wir wissen bisher nur sehr wenig. Wir kennen bisher nur den Vornamen des Opfers, Mia. Sie als Vermieter müssten doch mehr über ihre Identität wissen?“

„Mehr als den Vornamen Mia kenne ich auch nicht. Ich habe nie nach einem Ausweis oder Pass von ihr verlangt. Ich weiß weder wie alt sie war, noch weiß ich, woher sie kam, bevor sie mein Haus mietete.“

„Kennen Sie die Bankverbindung des Opfers, mit der die monatliche Miete für das Haus in Jardim Miriam überwiesen wird?“

„Nein, auch da kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Die Miete wurde immer mit Bargeld beglichen. Ich habe sie an jedem ersten im Monat besucht, und sie hat mir das Geld in Cash ausgehändigt. Es gab nie Verzug. Sie konnte immer zahlen. Ein Traummieter für jeden Vermieter“, erklärt Gomez.

„Wie war das Verhältnis zu den Nachbarn? Gab es dort irgendwelche Probleme, die Ihnen bekannt sind?“

„Ich glaube, sie hatte wenig Kontakt zu den Leuten in Jardim Miriam. Sie hat mir nur erzählt, dass sie Pedro bedroht hat. Pedro hatte ein anderes Haus von mir in Jardim Miriam gemietet. Ich musste ihm den Mietvertrag kündigen, weil er seine Miete nicht zahlte und in meinem Haus mit Drogen gehandelt hat. Pedro hatte Mia verdächtigt, dass sie ihn bei mir verpfiffen hätte, was absolut an den Haaren herbeigezogen ist. Mia hat mit mir nie über Nachbarn oder ähnliches gesprochen. Eigentlich hat sie so gut wie gar nicht mit mir gesprochen. Sie hatte das Geld für die Miete immer genau abgezählt bereit und hat es mir in der Haustür überreicht. Ich war nie mit ihr im Haus“, berichtet Gomez.

„Das klingt interessant“, merkt Laura freudig an. „Sagen Sie mir alles, was Sie über diesen Pedro wissen. Wie hat er Mia bedroht? Ist er schon vorher anderweitig aufgefallen? Wo wohnt er derzeit?“

„Sein Name ist Pedro Garcia. Er wohnt schon seit Ewigkeiten in Jardim Miriam. Seit ein paar Jahren hat er mit Drogen zu tun. Das hat ihn aus der Bahn geworfen. Derzeit hat er keine Wohnung, so viel ich weiß. Er ist obdachlos und lebt wohl irgendwie auf der Straße. Ich glaube, er hat Mia nur verbal bedroht. Ich kenne die Geschichte auch nur von ihr. Sie erzählte es mir nur kurz, als ich das letzte Mal die Miete abholte. Es schien mir nicht, dass sie besonders ängstlich bezüglich dieser Bedrohung war.“

„Was hat eigentlich Mia beruflich gemacht? Wo kam das Geld her, was sie Ihnen jeden Monat bezahlt hat?“ fragt Laura.

„Das kann ich Ihnen nicht sagen“, antwortet Gomez achselzuckend. „Für mich war nur entscheidend, dass das Geld immer da war. Woher es kam, war Mias Privatsache, die nur sie und niemand sonst etwas anging.“

„Danke, das war es auch erst einmal“, beendet Laura die Befragung. „Wenn Ihnen noch etwas einfällt rufen Sie mich an. Hier ist meine Telefonnummer.“ Sie überreicht Gomez ihre Visitenkarte und geht zu ihrem Auto. In einer dreiviertel Stunde soll schon die außerordentliche Konferenz in Charlys Büro beginnen. Normalerweise findet diese Konferenz nur von Montag bis Freitag statt, aber aufgrund des aktuellen Falls findet sie diese Woche auch am Samstag statt. Laura ruft mit ihrem Mobiltelefon im Präsidium an, informiert Charly, dass sie gerade erst in Diadema losfährt und sich eventuell etwas verspätet.

Es ist kurz nach 10 Uhr als Laura im Präsidium ankommt. Janaina, Naomi und Charly sitzen schon am Konferenztisch in dessen Büro und trinken Kaffee. Laura tritt ein, entschuldigt sich für ihre Verspätung, setzt sich zu ihnen an den Tisch und schenkt sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein. Dann ergreift Charly das Wort:

„Guten Morgen zusammen! Bevor wir zu unserem aktuellen Fall kommen, habe ich noch eine erfreuliche Nachricht für Euch. Der Polizeipräsident hat mir gestern Nachmittag lobend mitgeteilt, dass unsere Einheit eine hervorragende Arbeit in den letzten Wochen und Monaten geleistet hat, weil wir überdurchschnittlich viele Fälle aufgeklärt haben beziehungsweise sehr viele Straftäter verhaftet haben, und somit unsere Stadt São Paulo für seine Bürgerinnen und Bürger sicherer gemacht haben. Als spezielle Belohnung und Anerkennung für diese außergewöhnliche Leistung bekommt jede von Euch eine Eintrittskarte für das Eröffnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft im neuen Stadion.“ Die drei Frauen springen auf, umarmen sich vor Freude und jede gibt Charly einen Kuss auf die Backe. Sie sind alle drei große Fußballfans besonders vom Club SC Corinthians Paulista und waren schon oft gemeinsam bei Heimspielen im Stadion Pacaembu. Charly mag am liebsten SE Palmeiras, den größten Lokalrivalen von Corinthians. Er ist einmal gemeinsam mit seinen drei Mitarbeiterinnen bei einem Derby zwischen Corinthians und Palmeiras im Stadion Morumbi gewesen. Während des Spiels ist es zum Streit über eine fragwürdige Schiedsrichterentscheidung zwischen den Frauen und ihrem Chef gekommen, und alle sind so emotional aufgewühlt gewesen, dass sie auch im Dienst zwei Wochen lang nicht miteinander geredet haben. Seitdem ist Charly nicht mehr zu einem Fußballspiel gegangen.

„So Kolleginnen“, versucht Charly die Frauen zu beruhigen. „Kommt wieder 'runter ! Ich hoffe, dass Ihr beim Spiel unserer brasilianischen Selecao gegen Kroatien auch so euphorisch seit und die Mannschaft anfeuert. Lasst uns jetzt über unseren aktuellen Fall reden. Die Kriminaltechnik hat uns den Bericht vorgelegt. Der Tod trat zwischen zwei und vier Uhr morgens ein. Das Opfer wurde mit fünf Schlägen auf den Kopf ermordet. Die Tatwaffe war ein stumpfer Gegenstand, möglicherweise ein Baseballschläger oder etwas ähnliches. Es gibt keinerlei Anzeichen für eine Vergewaltigung oder eine sexuell motivierte Straftat. Leider sind am Tatort keine Fingerabdrücke oder sonstige Spuren entdeckt wurden. Das deutet darauf hin, dass der Mord geplant war, und der Täter Handschuhe getragen hat. Ihr habt ja gestern Abend und heute morgen schon verschiedene Leute befragt. Lasst uns jetzt 'mal zusammentragen, was Ihr an Erkenntnissen gewonnen habt. Janaina fang Du bitte an und erzähle uns, was Du herausbekommen hast!“

„Ich war in der Bar an der Avenida Cupece“, beginnt Janaina zu berichten. „Dort habe ich einen Mann kennengelernt, der aktuelle Fotos vom Opfer geschossen hat, die er mir auf einer Speicherkarte überreicht hat. Dadurch haben wir die Möglichkeit eine öffentliche Fahndung einzuleiten, um einiges über das Leben von dieser Mia zu erfahren.“

„Danke Janaina, gib' die Speicherkarte an unsere IT-Abteilung weiter.“ Dann wendet sich Charly zu Naomi: „Mach' Du bitte weiter!“

„Ja, ich habe schon einen möglichen Verdächtigen“, startet Naomi ihre Rede. „Er heißt Pedro und soll Frauen im Stadtteil belästigt haben. Wie mir zwei junge Frauen erzählt haben, ist er auf Drogen, deshalb wurde er aus seinem Miethaus 'rausgeworfen wurden. Derzeit ist er obdachlos. Wir sollten diesen Pedro dringend zur Fahndung ausschreiben!“

„Wie heißt der Typ?“ unterbricht Laura. „Pedro? Der Vermieter von Mia Henrique Gomez hat mir erzählt, dass Mia von einem Pedro Garcia bedroht wurde. Er hatte ebenfalls ein Haus von Gomez gemietet und Mia beschuldigt, dass sie an seinem Rausschmiss schuld sei. Ich glaube auch, dass dieser Kerl dringend zur Fahndung ausgeschrieben werden sollte.“

„Was wissen wir bis jetzt alles über diesen Pedro?“ fragt Charly. „Hat er irgendwelche Vorstrafen?“

„Nein“, antwortet Naomi. „Ich habe schon im System nachgeschaut. Es gibt keine Vorstrafen, aber es gibt einige Beschwerden bei der Polizeidirektion in Jardim Miriam bezüglich der Belästigungen. Ich habe schon mit den Kollegen vor Ort telefoniert, sie sagten, dass sie versucht haben, den Konflikt zwischen Pedro und den Frauen, die sich beschwert haben, zu deeskalieren und das sei ihnen auch gelungen.“

„Ok, dann rufe ich die Kollegen nochmal an und teile ihnen mit, dass dieser Pedro zur Fahndung ausgeschrieben ist. Ob wir mit dieser Fahndung an die Öffentlichkeit gehen, entscheidet der Staatsanwalt. Ihr fahrt nach Jardim Miriam und hört Euch um, ob dort jemand Hinweise geben kann, ob dieser Pedro irgendwelche Verwandte oder Bekannte hat, bei denen er untergekommen sein könnte, oder wo wir ihn sonst ausfindig machen können“, befiehlt Charly und steht von seinem Stuhl auf. Das ist das Zeichen, dass die Besprechung jetzt beendet ist. Naomi und Laura stehen ebenfalls auf und verlassen Charlys Büro. Janaina fährt mit ihrem Auto zum Ex-Haus von Pedro und danach will sie nochmal Jose besuchen, um ihn nach Bildern von Pedro zu fragen. Laura und Naomi nehmen Lauras Auto, um sich in der Bar und an der Bushaltestelle an der Avenida Cupece umzuhören.