Fit und fair im Netz

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Felix Rauh

FIT UND FAIR IM NETZ

Strategien zur Prävention von Sexting und Cyberbullying

ISBN Print: 978-3-0355-0479-8

ISBN E-Book: 978-3-0355-0357-9

Gestaltung: Jeanette Besmer, Bern

1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 hep verlag ag, Bern

www.hep-verlag.com


Zusatzmaterialien und -angebote zu diesem Buch:

http://mehr.hep-verlag.com/fit-und-fair

INHALT

Vorwort

Einleitung

Heißer Sommertag

Eintätowiert

Eine rasante Entwicklung

Im Banne des Displays

Virtuelle Gruppen

Die Mär vom Multitasking

Cyberbullying

Sexting

Mein Bild gehört mir

Von Zahnbürsten und Passwörtern

Viel mehr als nur Flausen im Kopf

Von Eingeborenen und Eingewanderten

Eltern als zentrale Bezugspersonen

Schritt für Schritt zur Medienkompetenz

Ein Handyvertrag schafft Verbindlichkeit

Im Klassenchat

Respekt

Schulsozialarbeit

Die Ausrichtung auf das Gelingende

Der Workshop »Fit und fair im Netz«

Literatur, Quellen und Empfehlungen


Die digitale Welt eröffnet Kindern und Jugendlichen ungeahnte Möglichkeiten im sozialen Umgang. Neben den Chancen, vielfältige Informationen aufzufinden, erweitert das digitale Netz unsere Welt um eine schnelle, bildhafte und worthafte, jedenfalls ortsungebundene Kommunikation und Navigation durch das gesellschaftliche Leben. Es kann Menschen zusammmen führen, helfen Kontakte zu schließen und Freundschaften zu pflegen.

Die scheinbare Unbegrenztheit von Smartphone & Co ermöglicht jedoch auch unerwünschte Grenzüberschreitungen, die mit den Begriffen »Cyberbullying« und »Sexting« beschrieben sind, und die eine Netz-Öffentlichkeit missbrauchen, um Privatsphäre und Intimität bewußt zu verletzen, Betroffenen zu schaden und sie existentiell zu bedrohen.

Die damit verbundenen Herausforderungen für frühkindliche Erziehung und pädagogische Begleitung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch Eltern, Schule und professionellen Praktikern begegnet Felix Rauh mit dem in Beratung, Bildung und Therapie bewährten lösungs- und ressourcenfokussierten Ansatz.

Das Buch gibt konkrete Handlungsempfehlungen für einen konstruktiven Umgang mit Neuen Medien und den damit verbundenen Problematiken wie Cyberbullying und Sexting. Es werden alle Akteurinnen und Akteure zu konstruktiven Lösungen und Selbstwirksamkeit eingeladen.

»Fit und fair im Netz« vermittelt allen, die mit Kindern leben und professionell tätig sind, einfach, kurz und gut wichtiges Wissen und praktische Anregungen zur Nutzung digitaler Medien. Der Ratgeber besticht durch die Plakate und Illustrationen – Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte. Gut, dass es dieses praxisbezogene und ermutigende Buch gibt: einfach dreidimensional und ohne Touchscreen zu begreifen.

Wir freuen uns über dieses Buch und wünschen ihm eine große Verbreitung.

Heinrich Dreesen und Manfred Vogt

Psychologische Kinder- und Familientherapeuten

Norddeutsches Institut für Kurzzeittherapie, NIK, Bremen


Ständig klingelt, summt und blinkt es: Überall sehen wir Menschen, die scheinbar nonstop an ihrem Smartphone kleben. Die digitalen Medien haben den Alltag erobert und unser Kommunikationsverhalten radikal verändert. Sie durchdringen zunehmend alle Lebensbereiche und verwischen traditionelle Grenzen zwischen Persönlichem, Privatem und Öffentlichem. Die Omnipräsenz des Internets ist Segen und Fluch zugleich, sie gehört heute wohl zu den zentralen Herausforderungen bei der Erziehung von Kindern und Jugendlichen.

Mütter und Väter fragen sich, ob, wann, wie lange und wofür Kinder die neuen Medien nutzen sollten. Sie befürchten, dass ihr Kind im Internet mit nicht altersgerechten Inhalten konfrontiert wird, dass der Internetgebrauch zeitlich entgleitet und zu körperlicher Inaktivität verleitet. Erziehende fragen sich besorgt, ob eine Generation heranwächst, die gänzlich vom Internet und dessen digitalen Endgeräten abhängig ist.

In der turbulenten Phase der Pubertät werden Dynamiken und Konflikte durch den Brandbeschleuniger Internet schnell unkontrollierbar und gravierend. Cyberbullying und Sexting gehören zu den Schattenseiten von Social Media und verursachen einerseits viel persönliches Leid, anderseits können sie das Klassen- und Lernklima negativ beeinflussen. Betroffen davon, reagieren Jugendliche, Eltern und Lehrpersonen oft ohnmächtig, überfordert oder mit Schuldzuweisungen. Während sich Lehrpersonen Eltern wünschen, welche die Mediennutzung ihrer Kinder eng begleiten, argumentieren Eltern, dass es sich bei Onlinekonflikten um die virtuelle Dimension von Turbulenzen und Dynamiken handelt, deren Ursprung sie in der Schule verorten. Doch niemand der Involvierten kann die Herausforderungen im Alleingang meistern; eine Kooperation von Eltern, Jugendlichen und Schule ist gewinnbringend für alle.

Wie können Eltern und Lehrpersonen Jugendliche unterstützen, verantwortungsvoll in ein medial aktives Leben hineinzuwachsen? Wie können Jugendliche in den Prozess miteinbezogen werden und lernen, sich digital zu vernetzen, ohne zu verletzen?

Dieses Buch enthält siebzehn in sich geschlossene Kapitel, die auch in geänderter Reihenfolge gelesen werden können. Es liefert Inputs für einen reflektierten Umgang mit neuen Medien und insbesondere mit Social Media. Der Band soll …

–zum Nachdenken darüber anregen, wie die digitale Kommunikation unser Verhalten und Zusammenleben beeinflusst;

–zu inspirierten, generationenübergreifenden Diskussionen ermutigen;

–alle Involvierten zur konstruktiven Zusammenarbeit einladen,

–das Bewusstsein schärfen, wie Erwachsene gute Vorbilder sein können;

–konkrete, alltags- und praxisorientierte Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.

Das in diesem Buch vorgestellte und online zugängliche Manual soll Lehrpersonen und Schulsozialarbeitende inspirieren und motivieren, den Workshop »Fit und fair im Netz« – oder eine eigene, modifizierte Variante davon – in ihren Klassen durchzuführen oder an ihrer Schule zu implementieren.

Die Unterrichtseinheiten basieren auf den beiden Kurzgeschichten »Heißer Sommertag« und »Eintätowiert«, die auf den nächsten Seiten abgedruckt sind. Je ein Plakat (diesem Buch beigelegt) zeigt ihre Handlung in Bildern, die Spielraum lassen für eine eigene Geschichte rund um die Themen Sexting und Cyberbullying.


Was für ein heißer Sommer. Auch heute wird das Thermometer wieder über die 30-Grad-Marke klettern. Elif packt das Badezeug in den Rucksack, sie will nach der Schule mit Kim, Meret und Anna ins Strandbad. Die vier sind eine Clique und kleben in diesen Tagen vor den langen Sommerferien förmlich zusammen. Sie sind unzertrennlich: Alle für eine, eine für alle. »Eine für alle« findet Elif allerdings nicht so toll, wenn es um die Hausaufgaben geht. Kaum trifft sie sich vor Schulbeginn mit ihren Freundinnen, verlangen sie von Elif die Hausaufgaben zum Abschreiben. Elif zeigt sie selbstverständlich her, fühlt sich aber ausgenutzt, insbesondere von Kim, die wirklich nie etwas selbst erledigt. So hat sie es vor ein paar Tagen einer Freundin erzählt. Nun stellt sich heraus, dass diese sich verplappert hat; Kim weiß, dass sich Elif über sie beschwert hat. Kim ist wütend, empört sich über Elifs fehlende Loyalität und verlangt eine Wiedergutmachung.

Meret gefällt Kims Forderung, sie wittert Action und tuschelt während des Unterrichts mit Kim über eine passende Vergeltungsaktion. Nach der Schule halten die beiden Elif hinter dem Wartehäuschen der Bushaltestelle fest. Kim spuckt auf den Boden und befiehlt Elif, den Klecks als Entschuldigung aufzulecken. Alle lachen, auch Elif. Doch als sie locker über den Scherz hinweggehen will, wird die Sache plötzlich ernst. Meret hält Elif fest, Kim zerrt sie zu Boden. Das findet Anna, die bis jetzt recht teilnahmslos danebengestanden hat, nun doch etwas krass. Meret zeigt auf Kims rot lackierte Zehen und fordert von Elif ultimativ, Kims Füße zu küssen, sonst werde sie aus der Clique ausgeschlossen. Elif tut angewidert, was von ihr verlangt wird. Kim hält die Szene spontan mit der Handykamera fest, währenddessen Anna gelangweilt auf den Busfahrplan schaut und etwas von Tropenhitze und endlich baden nölt. Während der Busfahrt sehen sich Kim und Meret das Filmchen wieder und wieder an, lachen angeekelt und verpassen es fast, aus dem Bus auszusteigen. Sie klopfen der bekümmert schweigenden Elif auf die Schulter, es sei ja nur Spaß und eh alles wieder gut. Meret sagt, wenn Elif sich weiterhin schön die Hausaufgaben abschreiben lasse, dann werde bestimmt auch niemand Kims Filmchen sehen. Die vier schlendern an der Bibliothek vorbei zum Strandbad. Anna sucht der Clique einen schattigen Liegeplatz und streckt sich auf ihrem Badetuch aus, die Ohren zugestöpselt, die Augen geschlossen. Sie wäre lieber irgendwo anders, denn was hier abgeht, missfällt ihr, sie fühlt sich gar nicht wohl.

 

Nach einer kurzen Abkühlung im Wasser kehrt etwas Entspannung ein. Die vier Mädchen quatschen und zeigen sich gegenseitig ihre liebsten Musikvideos. Die Smartphones zirkulieren, und in einer unbeobachteten Sekunde löscht Elif das peinliche Filmchen. Sie atmet erleichtert auf. Kim entdeckt allerdings schnell, dass der Film von ihrem Handy entfernt worden ist. Rasend vor Wut, zerrt sie Elif an den Haaren. Elif reißt sich los, packt in aller Eile ihren Krempel zusammen und flüchtet in die Umkleide. Sie fühlt sich unendlich allein und kann ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Elif zieht sich um, stopft das nasse Badezeug in die Tasche und quetscht sich im letzten Moment in den vollen Bus. Sie hat nicht bemerkt, dass Meret und Kim ihr zur Garderobe gefolgt sind und Meret sie heimlich beim Umziehen fotografiert hat.

Anna, die sich gleich nach dem Haargezerre aus dem Staub gemacht hat, zieht sich zu Hause mit einem Buch in ihr Zimmer zurück. Sie versucht, den schlimmen Nachmittag zu vergessen – vergeblich. Ihr Handy surrt, und das Bild der nackten Elif leuchtet auf dem Display auf. Gleichzeitig verbreitet sich das Foto über sämtliche virtuellen Kanäle. Kurz darauf erscheinen die ersten fiesen Kommentare: Igitt!! Voll peinlich!!!!! Die zieht sich wohl für jeden aus?!


Jon und Mirko kennen sich bereits seit dem Kindergarten und haben vieles zusammen erlebt: Sie bauten riesige Legoburgen und entwarfen Pläne für das kühnste Raumschiff. Sie pirschten als Blutsbrüder Winnetou und Old Shatterhand über Felder, demolierten bei einer unerlaubten Spritzfahrt Nachbars Mofa und standen gemeinsam dafür gerade.

Seit dem Übertritt in die Sekundarschule hat sich vieles verändert. Die beiden Jungs wurden in verschiedene Klassen eingeteilt, und Jon muss feststellen, dass Mirko zunehmend mehr Zeit mit seinem neuen Klassenkollegen Max verbringt. Nicht, dass Mirko seinen Freund aus Kindertagen nicht mehr dabeihaben möchte. Er darf mit zum Skaten, zu dritt üben sie Tricks, auch andere Dinge machen sie gemeinsam. Jon ist dabei, aber eigentlich möchte er Mirko wieder ganz für sich allein haben – so wie früher. Er ist sauer auf Max, der ihm seinen besten Freund weggenommen hat.

Frustriert und gelangweilt sitzt Jon zu Hause vor dem Computer. Er gründet aus seiner üblen Laune hinaus eine Chatgruppe namens Wannabe (englisch für Möchtegern) und lädt alle Kumpel dazu ein, die nie um einen Spruch verlegen sind. Mirko bekommt keine Einladung, Max schon gar nicht. Über ihn postet Jon nun Gemeinheiten und fiese Lügen. Er stellt Max als arroganten Angeber und Verlierer dar: Max bluffe, kein Skater der Schule könne sich mit ihm messen. Er solle erst mal einen sauberen Kickflip springen, ohne sich die Nase aufzuschürfen. Max trage miefige alte Schuhe und peinliche Kleider, sein Board sei potthässlich, postet Jon weiter. Sein Plan geht auf, schnell finden sich im Chat Leute, die seine fiesen Kommentare liken, die mitlästern und noch einen draufsetzen.

Max merkt bald, dass etwas läuft. Er wird auf dem Pausenhof immer öfter blöd angegrinst, bekommt giftige Sprüche zu hören, und dies auch von Schülern, die er kaum kennt. Es liegt etwas in der Luft, die Spannung ist regelrecht greifbar. Dies spürt auch Mirko. Er rät Max, die Sprüche zu ignorieren. Doch als Max nach der Turnstunde seine Kleider im Mülleimer der Mädchenumkleide wiederfindet, lässt er sich nicht mehr beruhigen. Die sich täglich wiederholenden Beleidigungen, das Dissen, die Gemeinheiten belasten ihn sehr und rauben ihm nachts den Schlaf. Im Traum läuft Max stolpernd und unter brüllendem Gelächter durch einen unendlich langen Gang, gelangt schließlich zu den Toiletten und sieht im Spiegel, dass auf seiner Stirn in fetter Schrift »Depp!« eintätowiert ist. Schweißgebadet wacht er aus diesem Albtraum auf.

Kai aus Max’ Klasse gehört dem Wannabe-Gruppenchat an, weil ihn Jon hinzugefügt hat. Zu Beginn postete er einen unüberlegten Spruch, danach schenkte er dem Chat wenig Aufmerksamkeit. Doch was jetzt gegen Max läuft, geht Kai definitiv zu weit. Der Chatverlauf zeigt, wie die Gemeinheiten und Angriffe zu einer regelrechten Lawine angewachsen sind. Kai ärgert sich, dass er nicht sofort aus der Gruppe ausgetreten ist, schließlich hat ihm Max nie etwas getan. Kai merkt, dass er – ohne es wirklich zu wollen – zu dieser fiesen Angelegenheit beigetragen hat ...


WIR ENTWICKELN VIEL SCHNELLER NEUE DINGE, ALS WIR MIT IHNEN UMGEHEN KÖNNEN – ALS BENUTZER, VOR ALLEM ABER ALS MENSCHEN UND ALS GESELLSCHAFT.

David Bauer, Autor

Als Napoleons Ägyptenfeldzug 1798 entschieden war, dauerte es Wochen, bis Paris Kenntnis davon hatte, ob eine Niederlage zu verkraften oder ein Sieg zu feiern war. Bis ins 19. Jahrhundert verbreiteten sich Nachrichten nur so schnell, wie ein Mensch sie transportieren oder ein Pferd galoppieren konnte. Die Geschwindigkeit verdoppelte sich um 1830 mit dem Aufkommen der Eisenbahn und revolutionierte sich mit der Erfindung der Telegrafie. Der Morseapparat befreite die Kommunikation aus ihrer materiellen Übermittlungsträgheit und ermöglichte Kommunikation im immensen Tempo des elektrischen Stroms.

Kommunikations- und Unterhaltungstechnologien verändern und perfektionieren sich – oder sie werden überholt oder verdrängt. Man erinnere sich an ...

–die Musikkassette: Dank ihr konnten die Charts direkt mitgeschnitten und konnte ein eigenes Mixtape erstellt werden. Ein persönlicher Mix taugte (manchmal) als charmante Liebeserklärung und hatte die Kraft, Beziehungen zu kitten. Die Musikkassette leierte, riss und etablierte den Bleistift als Reparaturwerkzeug.

–das Faxgerät: Es surrte, ratterte und spuckte schließlich ein Stück Thermopapier mit halbwegs leserlichem Text aus. Noch in den Neunzigern ermöglichten diese Geräte während größerer Reisen eine günstige, zeitungebundene und schnelle schriftliche Kommunikation mit daheim gebliebenen Angehörigen.

–das analoge Internet: Der zirpend-quietschende Pfeifton beim Einloggen war für den Rest der Familie gleichzeitig das akustische Signal, dass das Telefonieren vorübergehend unmöglich war. Was im Internet überhaupt auffindbar war, präsentierte sich optisch wenig ansprechend. Während sich die grobpixligen kleinen Bilder langsam aufbauten, summierte sich der teure Minutentarif schnell zu unerfreulich hohen Monatsabrechnungen.

–die ersten Handykameras: Sie waren Sensation und Enttäuschung zugleich. Zwar war die Kombination der mobilen Telefonie mit der Fotografie ein weiteres kleines technisches Wunder, doch die Qualität der Bilder bereitete anfänglich noch wenig Freude.

Der Begriff »Neue Medien« beschreibt die jeweils neue mediale Errungenschaft einer Zeitepoche. In den 1960er-Jahren wurden ihm beispielsweise Fernsehgeräte zugeordnet. Seit Mitte der 1990er-Jahre zählen – unter dem Sammelbegriff »Information and Communication Technology« (ICT) – digitale, interaktive Medien und mobile Geräte wie Smartphones und Tablets dazu. Sogenannte soziale Medien (oder mit dem englischen Begriff: Social Media) wie Facebook, WhatsApp, Instagram und Twitter bieten die Möglichkeit, sich via Internet mit Freunden, Familienangehörigen, Bekannten und Unbekannten zu vernetzen und auszutauschen. Allen diesen Diensten ist gemeinsam, dass Text-, Bild- oder Tonaufnahmen via Internet in digitaler Form übermittelt werden und dass auf Daten in digitaler Form zugegriffen wird. Der Begriff »Web 2.0« bezeichnet die Möglichkeit, mithilfe von ICT-Geräten Inhalte aus dem Internet nicht nur zu empfangen und zu konsumieren, sondern soziale Netzwerke, Blogs, Foren, Videoportale usw. mit eigenen Beiträgen oder Produktionen – sogenanntem »User Generated Content« – aktiv mitzugestalten. Beiträge und Inhalte werden nach dem Many-to-many-Prinzip (viele Nutzer kommunizieren mit vielen anderen Nutzern) sofort öffentlich und verfügbar. Eine redaktionelle Prüfung der Inhalte, wie man sie beispielsweise von traditionellen Printmedien kennt, findet nur rudimentär oder meist gar nicht statt.

Mit der Digitalisierung und der damit einhergehenden Kommunikation über Social Media und mobile Geräte befinden wir uns in einem riesigen Wandel. Er wird die Gesellschaft in ähnlichem Maße prägen, wie es der Buchdruck und die Industrialisierung taten. Die rasante Entwicklung der neuen Medien fordert und überfordert durch ihre Komplexität, doch sie ist unumkehrbar: »Wir hatten hundert Jahre Zeit, uns an das Kino zu gewöhnen. Achtzig Jahre, um mit dem Radio klarzukommen. Fernsehen gibt es [...] als Massenmedium seit gut vierzig Jahren. Der ganze große Rest ist erst in den vergangenen zehn Jahren in das Leben der meisten Menschen getreten.«[1]

Die digitalen Medien bieten neue Chancen, beispielsweise den einfachen Zugang zu einer großen Menge von Informationen. Noch nie stand uns so einfach so viel Wissen zur Verfügung. Wir haben die Möglichkeit, in Echtzeit mit Freunden aus aller Welt in Kontakt zu sein und an ihrem Leben teilzuhaben. Das Knüpfen und Pflegen von Kontakten ist unkompliziert und kostengünstig. Wer früher ein Nischeninteresse oder ein Hobby fern des Mainstreams pflegte, hatte es oft schwer, mit Ähnlichgesinnten in Kontakt zu treten oder Informationen zu finden. Heute ist dies, in einer Art digitaler Nachbarschaft, mit ein paar Klicks möglich. Die neuen Vernetzungsmöglichkeiten lassen sich hervorragend dazu nutzen, Lern- und Interessengruppen zu bilden.

Die Krux ist, dass die positiven Seiten und Chancen der neuen Medien gleichzeitig an Nachteile, Risiken und Gefahren gekoppelt sind. Einige dieser positiven und negativen Aspekte sind:

–Informationsfülle gegen Informationsüberfluss;

–Effizienzsteigerung gegen Zeitverschwendung;

–Einblick in das Leben anderer gegen Verlust der eigenen Privatsphäre;

–bereichernde gegen gefährliche Inhalte;

–erweiterte Lernmöglichkeiten gegen Copy-Paste-Aufgabenerledigung;

–praktische gegen überflüssige Funktionen;

–aufbauende gegen erniedrigende Kontakte;

–usw.

Zu den Schattenseiten gehören:

–Im Internet gefundene Informationen können falsch oder ungeeignet sein.

–Es kann unklar sein, wer sich hinter einem Kontakt verbirgt.

–Inhalte können eigene oder fremde Persönlichkeitsrechte verletzen.

–Inhalte können unwahr oder beleidigend sein.

–Unwahres, Beleidigendes oder Unangenehmes kann sich rasant und unkontrolliert verbreiten.

–Eine einseitige, übermäßige und nicht altersgerechte Nutzung kann schädlich wirken.

–Eine unkontrollierte Nutzung birgt Suchtpotenzial.

–usw.

Die neuen Medien eröffnen viele Chancen und Möglichkeiten, schaffen gleichzeitig aber neue Herausforderungen. Es besteht die Gefahr, zunehmend Risiken ausgesetzt zu sein, anstatt sich die positiven Aspekte der neuen digitalen Welt zunutze machen zu können.

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