Das Nibelungenlied

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Fünftes Abenteuer

Wie Sigfrid Kriemhild zum ersten Male sah

 270 Man sah sie nun alltäglich reiten an den Rhein,die bei den Festlichkeiten gerne wollten sein,die den Königen zuliebe kamen in das Land.Man gab da ihrer vielen beides, Ross und Gewand.

 271 Da war auch das Gestühle für alle wohl bereit,die höchsten und die besten, wie man uns gab Bescheid:zweiunddreißig Fürsten da zum Festgelag.Da schmückte sich voll Eifers gar manche Jungfrau für den Tag.

 272 Da war auch gar geschäftig Giselher, das Kind:die Fremden und ihre Magen, gar gütig gesinnt,empfingen er und Gernot und beider Mannen da.Sie begrüßten die Degen, wie es in Ehren stets geschah.

 273 Die goldfarbnen Sättel brachten sie ins Land,die gezierten Schilde und herrlich Gewanddem König zuliebe für die Festlichkeit.Mancher wunde Kranke war zur Freude da bereit.

 274 Die in den Betten lagen und litten an Wunden und Not,die mussten es vergessen, wie bitter sei der Tod;die Siechen und die Kranken gab man auf zu beklagen.Sie freuten sich der Kunde von der Festlichkeiten Tagen,

 275 wie sie leben wollten da beim Festesmahl.Wonnen ohne Maßen, der Freuden Überzahlhatten all die Leute, so viel man ihrer fand.Da hob sich große Freude über Gunthers ganzes Land.

 276 An einem Pfingstmorgen sah man sie gehn hinan,wonniglich gekleidet, so manchen kühnen Mann,fünftausend oder mehr noch da zur Festlichkeit.Hohen Ruhm erwarben die Burgunden allezeit.

 277 Der König hatt im Sinne – er hatt es wohl erkannt –,wie von ganzem Herzen der Held von Niederlandseine Schwester liebte, die man nie ihn sehen ließ,deren große Schönheit vor allen Jungfraun jeder pries.

 278 Er sprach: »Nun rate jeder, Mage mein und Mann,wie das Fest so rühmlich gestaltet werden kann,dass man uns nicht schelte je nach dieser Zeit.Jeder sei zu rühmen uns für unser Werk bereit.«

 279 Aus Metz da sagte der Degen Ortwein:»Soll voller Ehren die Festlichkeit sein,so lasst bei dieser Feier die schönen Frauen sehn,denen so viele Ehren in Burgundenland geschehn.

 280 Was wäre Mannes Wonne, was freut er sich zu schaun,wärens nicht schöne Maiden und herrliche Fraun?Lasset Eure Schwester zu Euerm Feste gehn!«Der Rat war zur Freude so manchem Degen geschehn.

 281 »Das will ich gern befolgen.« Der König sprach also.Alle, die es erfuhren, waren von Herzen froh.Man sagte es auch Frau Uten und ihrer Tochter schön,dass sie mit ihren Jungfraun hin zum Feste sollte gehn.

 282 Da ward aus den Truhen gesucht manch gut Gewand,so viel man in den Hüllen an glänzender Kleidung fand.An Borten und Ringen war da viel bereit.Minniglich sich schmückte da manche herrliche Maid.

 283 Gar mancher junge Recke richtete drauf den Mut,dass er anzuschauen schiene den Frauen gut,weil dafür er nähme keines Königs Land.Sie sahen die mit Freuden, die ihnen vordem nie bekannt.

 284 Da wies der reiche König seine Schwester an,dass ihr folgen sollten wohl hundert Mann,ihr und seiner Mutter, das Schwert in der Hand.Dies war das Hofgefolge aus der Burgunden Land.

 285 Ute, die reiche, die sah man mit ihr kommen;sie hatte schöne Frauen sich zum Geleit genommen.Hundert oder mehr noch, geziert mit reichem Kleid.Nun ging auch mit Kriemhild gar manche wohlgeschmückte Maid.

 286 Aus einer Kemenate man alle kommen sah;ein eifriges Schauen der Recken gab es da,die die Hoffnung hatten, es könnte das geschehn,dass sie Kriemhilde voller Freude könnten sehn.

 287 Nun kam die Minnigliche, wie das Morgenrotscheint aus trüben Wolken. Da schied von jeder Not,wer sie trug im Herzen, so lange es auch geschehn:er sah die Minnigliche nun gar herrlich vor ihm stehn.

 288 Von ihrem Kleide strahlte so mancher Edelstein;ihre rosige Farbe gab minniglichen Schein.Was jemand wünschen mochte, er musste doch gestehn,dass er auf dieser Erde etwas Schöneres nie gesehn.

 289 Wie der lichte Vollmond vor den Sternen steht,dessen Schein so lauter durch die Wolken geht,dem stand sie nun gleichend vor mancher Fraue gut;da ward wohl gehoben den schmucken Helden der Mut.

 290 Die reichen Kammerherren, die sah man vor ihr gehn.Die hochgemuten Degen ließen das nicht geschehn,sie drängten, da sie sahen die minnigliche Maid.Sigfrid, dem edeln, schuf es beides, Freude und Leid.

 291 Er dacht in seinem Mute: Wie stellt ich das wohl dar,dass ich dich minnen sollte, wie meine Hoffnung war?Sollt ich dich aber missen, so wär ich lieber tot.Er fühlt um ihretwillen heimlich Freude sowie Not.

 292 So minniglich stand Sigfrid, von Kriemhild getrennt,als wäre er entworfen auf ein Pergamentdurch guter Meister Künste; man musste zugestehn,man hätte noch nirgends so schmucken Helden je gesehn.

 293 Die mit Kriemhild gingen, die hießen allerwegenweichen die Männer; dem folgten viele Degen.Stolz im Herzen tragend, erfreute sie Seele und Leib.In Züchten sah man gehen so manches herrliche Weib.

 294 Da sprach von Burgunden der Herr Gernot:»Der Euch seine Dienste so liebevoll bot,Gunther, lieber Bruder, lohn ihm seine Treuvor allen diesen Degen! Den Rat ich nimmermehr bereu.

 295 Heiße nun Sigfrid, König Sigmunds Sohn,zu Kriemhilden gehen! Das wäre der rechte Lohn.Die Recken niemals grüßte, ihn begrüßen soll,damit den schmucken Degen als Freund wir gewinnen wohl.«

 296 Hin gingen Gunthers Mannen, wo man den Recken fand.Sie sagten es dem König aus dem Niederland:»Erlaubt hat Euch der Herrscher, Ihr sollt zu Hofe gehn.Seine Schwester Euch begrüße; das ist zu Ehren Euch geschehn.«

 297 Durch diese Botschaft wurde der Degen hoch erfreut.Er fühlte im Gemüte Freude ohne Leid,dass der Wonniglichen Anblick er gewann.In minniglicher Tugend begrüßte Sigfrid sie sodann.

 298 Als sie den Hochgemuten vor sich stehen sah,erblühte ihre Farbe. Die schöne Maid sprach da:»Willkommen seid, Herr Sigfrid, edler Ritter gut!«Da ward ihm von dem Gruße gar erhoben sein Mut.

 299 Er neigte sich in Züchten; sie fasst ihn an der Hand.Wie minniglich zu schauen, der Recke bei ihr stand!Mit liebevollen Blicken sahn sie einander an,der Herr und die Fraue; doch ward es heimlich nur getan.

 300 Ob ihr zärtlich wurde gedrückt die weiße Handin herzlieber Minne, das ist mir unbekannt.Doch kann ich auch nicht glauben, dass es unterblieb.Sie ließ es klar erkennen, dass er ihr war von Herzen lieb.

 301 Zu des Sommers Zeiten und in des Maien Tagenkonnt er in seinem Herzen nimmermehr wohl tragenan minniglichen Freuden, als er da gewann,da die ihm ging so nahe, die zu erwerben Sigfrid sann.

 302 Da dachte mancher Recke: Wäre mir so geschehn,dass ich Hand in Hand mit ihr ginge, wie ichs bei ihm gesehn,oder bei ihr läge, das nähme ich freudig hin.Es diente noch kein Recke besser einer Königin.

 303 Von welcher Könige Landen ein Gast auch war gekommen,die haben einmütig die beiden wahrgenommen;ihr ward erlaubt zu küssen den stattlichen Mann.Ihm ward in seinem Leben noch nie so Liebes angetan.

 304 Von Dänemark der König sprach da zur Stund:»Wegen des hohen Grußes liegt mancher Degen wund –des muss ich wohl gedenken – von Sigfrids starker Hand.Gott gebe, dass nie wieder er komme in mein Fürstenland!«

 305 Das Volk hieß allenthalben man weichen von den Wegenvor der minnigen Frauen. So manchen kühnen Degensah man in Züchten mit ihr zu Hofe gehn.Da ward von ihr geschieden dieser Recke ausersehn.

 306 Dann ging man zu dem Münster. Ihr folgte manches Weib.Da war so gezieret Kriemhildens Leib,dass von hohen Wünschen mancher ging verloren.Sie war zur Augenweide vielen Recken da geboren.

 307 Kaum konnte er erwarten, dass man die Messe sang.Er mochte in seiner Sälde immer sagen Dank,dass die ihm so gewogen, die er im Herzen trug.Doch war auch er der Schönen nach Gebühren hold genug.

 308 Als sie kam aus dem Münster, wie man ihn schon eher gesehn,schaute man ihn in Freundschaft hin zu Kriemhild gehn.Da begann ihm zu danken die vielschöne Maid,dass er vor ihren Magen so herrlich gefochten im Streit.

 309 »Nun lohn Euch Gott, Herr Sigfrid«, sprach das schöne Kind,»dass Ihr es habt verdienet, dass hold Euch alle sind,wie sie fürwahr es schuldig, wie ich sie hör gestehn.«Minniglich begann er da Frau Kriemhild anzusehn.

 310 »Ich will Euch immer dienen«, also sprach der Degen;»mein Haupt will ich nimmer eher zur Ruhe legen,bis ich verdient die Hulde, da mir liegt daran.Um Eurer Huld, Frau Kriemhild, ist eifrig alles dies getan.«

 311 Innerhalb zwölf Tagen, sooft ein Tag verstrich,sah man bei dem Recken die Maid wonniglich,wenn sie zu Hofe sollte zu den Fürsten gehn.Die Ehre war dem Degen aus großer Liebe geschehn.

 312 Freude und Wonne und mächtigen Schallhörte man da täglich vor König Gunthers Saal,draußen und drinnen von manchem kühnen Mann.Ortwein sowie Hagen große Taten da begann.

 313 Was man beginnen sollte, sie waren stets bereitmit ihren vollen Kräften, die Helden froh im Streit.So wurden den Gästen die Recken wohl bekannt.Sie wurden eine Zierde für König Gunthers ganzes Land.

 314 Die vordem wund gelegen, man nun gehen sah.Kampfspiel wollten sie üben mit Gunthers Recken da:sich schirmen mit den Schilden und werfen oft den Schaft.Dazu verhalf ihnen mancher. Sie hatten mächtige Kraft.

 315 Bei dem Feste ließ sie der König verpflegenmit der besten Speise. Er war allerwegenentgangen jedem Tadel, den je ein Fürst gesehn.Man sah ihn in Freundschaft hin zu seinen Gästen gehn.

 

 316 Er sprach: »Ihr guten Degen, ehe ihr von uns geht,nehmet meine Gaben! Darauf mein Sinnen steht,euch immerdar zu dienen. Verschmäht nicht mein Gut!Ich will es mit euch teilen, willig ist dazu mein Mut.«

 317 Die vom Dänenlande sprachen kurzerhand:»Eh wir wieder reiten heim in unser Land,begehren wir Versöhnung und geben reiches Gutund gewähren Euch die Sicherheit, wie Ihr es immer wünschen tut.«

 318 Von seinen Wunden war da Lüdegast geheilt;der Herrscher der Sachsen gesund bei Gunther weilt’.Etliche Toten ließen sie im Land.Da ging der König Gunther dorthin, wo er Sigfrid fand.

 319 Er sprach zu dem Degen: »Nun ratet, was zu tun!Unsere Widersacher wollen scheiden nun.Dauernde Versöhnung begehren sie von mir.Nun rat mir, kühner Degen, was da richtig scheinet dir.

 320 Was mir die Helden bieten, das will ich dir sagen:was fünfhundert Rosse an Golde können tragen,das tragen sie mir gerne für ihre Freiheit an.«Da sprach der Herr Sigfrid: »Übel wäre das getan.

 321 Ihr sollt sie beide ledig von hinnen lassen ziehn.Und dass die Recken beide sich wahren fürderhin,dass sie nie wieder führen ein Heer in Euer Land,dafür lasst Euch Sicherheit geben durch der Herren Hand!«

 322 »Dem Rate will ich folgen.« Sie gingen fort alsdann.Seinen Feinden wurde dieses kundgetan,ihr Gold begehre niemand, das sie geboten eh;daheim ihre lieben Freunde um die Heermüden fühlten Weh.

 323 Gefüllt mit Schätzen viele Schilde man trug.Er verteilte ohne Waage seinen Freunden genug,an Mark wohl fünfhundert und etlichen noch mehr.Gernot riet das Gunther, dieser Degen kühn und hehr.

 324 Urlaub nahmen sie alle, die scheiden wollten dann.Da sah man die Recken zu Kriemhild gehen hinanund auch, wo Frau Ute, die Königin, weilt’.Noch nie wurde Degen ein bessrer Urlaub erteilt.

 325 Leer die Herbergen wurden, da sie von dannen ritten.Daheim aber blieben mit ritterlichen Sittender König und seine Magen, so mancher edle Mann;die sah man alle Tage zu Frau Kriemhild gehen hinan.

 326 Urlaub wollt auch nehmen Sigfrid, der Recke gut:er hoffte nicht zu erreichen, worauf ging sein Mut.Der König hörte das sagen, dass er wollte ziehn.Giselher, der junge, begann dringend zu bitten ihn.

 327 »Wohin wollt Ihr nun reiten, vieledler Sigfrid?Bleibet bei den Degen – tut, worum ich Euch bitt! –bei Gunther, dem König, und auch bei seiner Schar!Hier sind viel schöne Frauen; die lässt man gern Euch sehn fürwahr.«

 328 Da sprach der starke Sigfrid: »Die Rosse lasset stehn!Ich wollt von hinnen reiten; das soll nun nicht geschehn.Tragt auch fort die Schilde! Ich wollte in mein Land.Das hat nun Herr Giselher mit großer Treue abgewandt.«

 329 So blieb der kühne Recke den Freunden zuliebe dort;er hatte in seinem Leben an keinem andern Ortsich so wohl gefühlet. Denn nunmehr das geschah,dass er, sooft er wollte, die schöne Kriemhilde sah.

 330 Wegen ihrer hohen Schönheit der Degen da blieb.Mit so mancher Kurzweil man die Zeit vertrieb.Dass ihn zwang die Minne, das schuf ihm viele Not.Darum dereinst der Kühne lag zu großem Jammer tot.

 331 Da erhob sich neue Märe übern Rhein.Es sagten zu dem König die höchsten Magen sein,warum er nicht zur Ehe sich nähme ein Weib.Da sprach der reiche König: »Nicht lange mehr ich ledig bleib.

 332 Drum will ich mich bedenken, wo ich die nehmen soll,die mir und meinem Reiche zur Frau geziemte wohlan Adel und an Schönheit, der geb ich meine Hand,wenn ich die rechte finde. Das soll euch werden wohlbekannt.«

Sechstes Abenteuer

Wie Gunther gen Island zu Brünhild fuhr

 333 Es war eine Königin gesessen überm Meer;eine, die ihr gliche, fände man wohl schwer:schön war sie über die Maßen, gewaltig ihre Kraft;sie warf mit schnellen Degen um die Minne den Schaft.

 334 Den Stein warf sie ferne, danach sie weithin sprang.Wer auf sie richten wollte seine Wünsche frank,drei Spiele musst er gewinnen mit der Frau, hochgeboren;verlor er auch nur eines, so hatte er das Leben verloren.

 335 Die Königin hatte sehr oft das schon getan.Da vernahm es an dem Rheine ein Ritter wohlgetan;der richtete seine Sinne auf das herrliche Weib.Darum mussten der Helden viel verlieren Leben und Leib.

 336 Als sie eines Tages saßen, der König und seine Schar,auf mancherlei Art sie ermaßen, was dafür und dawider war,welche ihr Herrscher sollte bitten um ihre Hand,die zur Frau er wollte und die geziemen würde dem Land.

 337 Da sprach der Vogt vom Rheine: »Ich will nieder zur Seehin zu Brünhilde, was mir auch gescheh.Um ihrer Schönheit willen wage ich Leben und Leib.Die will ich gerne verlieren; Brünhild werde denn mein Weib.«

 338 »Dem muss ich widerraten«, sprach da Sigfrid.»Es macht ihre Sitte gefährlich solchen Schritt.Wer wirbt um ihre Minne, dem kommt es hoch zu stehn.Das mögt Ihr für die Reise aus meinem Rate wohl ersehn.«

 339 Da sprach der König Gunther: »Nie ward geboren ein Weib,so stark und so kühn auch, dass ich ihren Leib,im Streit nicht bezwänge mit meiner eignen Hand.«»Schweigt!« sprach da Sigfrid. »Euch ist ihre Stärke nicht bekannt.

 340 Und wären ihrer viere, die könnten nicht bestehnvor ihrem grimmen Zorne; den Wunsch lasst Euch vergehn!Das rat ich Euch in Treuen. Wollt Ihr nicht liegen tot,so lasst durch ihre Minne Euch bringen nimmermehr in Not!«

 341 »Sie sei so stark sie wolle, ich lasse die Reise nichthin zu Brünhilde. Was mir auch geschieht,um ihrer Schönheit willen muss gewagt es sein,ob Gott es mir gewähret, dass sie mir folget an den Rhein.«

 342 »So will ich Euch wohl raten«, sprach da Hagen,»dass Ihr Sigfrid bittet, mit Euch zu tragendie starke Beschwerde. Mein Rat dahin geht,da es ihm so bekannt ist, wie es um Brünhilde steht.«

 343 Er sprach: »Willst du mir helfen, Degen Sigfrid,die Minnige zu erwerben? Tust du, worum ich bitt,und wird mir zur Trauten das herrliche Weib,so will nach deinem Willen ich wagen Ehre und Leib.«

 344 Zur Antwort gab da Sigfrid: »So wie es steht mit mir,gibst du mir deine Schwester, so will ich helfen dir,die schöne Kriemhilde, die Königstochter hehr;keinen Lohn begehr ich für meine Hilfe dann mehr.«

 345 »Das gelobe ich«, sprach Gunther, »Sigfrid, dir in die Hand.Kommt die schöne Brünhild her in dieses Land,so will ich dir zum Weibe meine Schwester geben,so magst du mit der Schönen immerdar in Freuden leben.«

 346 Sie schwuren darauf Eide, die beiden Recken hehr.Doch schuf es ihnen Mühe bei weitem noch mehr,ehe sie die Wohlgezierte brachten an den Rhein.Drum mussten die Vielkühnen noch in starker Sorge sein.

 347 Von manchem wilden Zwergen habe ich hören sagen,es sei in hohlen Bergen und zum Schirm zu tragen,was Tarnkappe heißet, von wunderbarer Art:wer sie hat an seinem Körper, der solle sein gar wohlbewahrt

 348 vor Hieben und vor Stichen. Ihn könne auch niemand sehn,wenn er darein gehüllet. Aber hören und spähnkönne er nach seinem Willen, obwohl ihn niemand sieht.Er sei auch viel stärker, teilt uns dies Abenteuer mit.

 349 Mit sich führte Sigfrid die Tarnkappe dann,die der kühne Degen mit großer Mühe gewanneinst von einem Zwerge; der hieß Alberich.Da rüsteten die kühnen Recken zu der Ausfahrt sich.

 350 Wenn der kühne Sigfrid die Tarnkappe trug,dann hat er in der Hülle Kräfte genug:zwölf Männer Stärke zu seinem eignen Leib.Er gewann mit großen Listen das gar herrliche Weib.

 351 Auch war diese Tarnhaut also getan,dass in ihr wirken konnte ein jeglicher Mann,was er selbst begehrte, so dass ihn niemand sah.So gewann er Brünhild, wodurch ihm Leides einst geschah.

 352 »Du sollst mir sagen, Sigfrid, eh unsere Fahrt ergeh,wie wir mit vollen Ehren kommen über See.Sollen wir Ritter führen in Brünhildes Land?Zweitausend Degen, danach wird leicht nun ausgesandt.«

 353 »So viel«, sprach Sigfrid, »an Volk wir führen hin,die Königin heget so grimmigen Sinn,die müssten alle sterben durch ihren Übermut.Ich will Euch besser raten, Degen tapfer und gut.

 354 Wir müssen in Reckenweise fahren hinab den Rhein;die will ich Euch nennen, die bei uns sollen sein:mit uns zwein noch zweie, sonst keiner auf See.So gewinnen wir die Fraue, wie es auch danach ergeh.

 355 Der Gefährten seid Ihr einer, der andre will ich sein,Hagen sei der dritte – so mögen wir wohl gedeihn.Dankwart sei der vierte, der vielkühne Mann;so mögen wohl zweitausend im Kampf uns nimmer greifen an.«

 356 »Die Kunde wüsst ich gerne«, der König sprach also,»eh wir von hinnen scheiden; darüber wär ich froh,was für Kleidung wir sollen vor Brünhilde tragen,die uns da wohl gezieme, das müsst Ihr mir alsbald nun sagen.«

 357 »Die besten Gewande, die man jemals fand,trägt man zu allen Zeiten in Brünhildes Land.Drum müssen wir reiche Kleidung vor der Fraue tragen,die uns nicht Schande mache, hört man davon die Nachricht sagen.«

 358 Da sprach der gute Degen: »Ausgehe selbst ich dannzu meiner lieben Mutter, ob ich erreichen kann,dass ihre schönen Mägde uns rüsten unser Kleid,das wir mit Ehren tragen vor der herrlichen Maid.«

 359 Hagen von Tronje sagte mit herrlichen Sitten:»Was wollt Ihr Eure Mutter um solche Dienste bitten?Lasst Eure Schwester hören, worauf geht unser Mut!So kunstreich ist die Schöne, dass die Kleider werden gut.«

 360 Da entbot er seine Schwester, dass er sie wollte sehn,und auch der Herr Sigfrid. Eh dass dies geschehn,legte an die Schöne ein gar schmuckes Kleid;dass sie sie sehen wollten, war sie froh und gern bereit.

 361 Geschmückt war ihr Gesinde, wie ihr zu es kam.Die Fürsten kamen beide. Da sie das vernahm,erhob sie sich vom Sitze. In Züchten sie da ging,als sie den edlen Fremdling und ihren Bruder auch empfing.

 362 »Willkommen sei, mein Bruder, und der Gefährte dein!Die Kunde wüsst ich gerne«, sprach das Mägdelein,»was Ihr wollt erreichen, da Ihr zu Hofe kommt.Das lasst mich beide hören, was Euch Hochgemuten frommt!«

 363 Da sprach der reiche König: »Frau, ich will Euch sagen:wir müssen große Sorge bei hohem Mute tragen;wir wollen zu Hofe reiten fern in fremdes Land.Wir müssen zu der Reise haben prächtiges Gewand.«

 364 »Nun setzt Euch, lieber Bruder«, sprach das Königskind,»lasst mich die Kunde hören, wer die Frauen sind,die Ihr begehrt zur Minne in anderer Fürsten Land!«Die Auserwählten beide nahm die Maid da bei der Hand.

 365 Da ging sie mit den Degen, wo sie selber saß.Prächtige Polster – ihr sollt glauben das –bei ihr allenthalben auf dem Boden lagen.Bei der Fraue konnte es den Helden wohl behagen.

 366 Gar liebliche Blicke und minnigliches Sehn,das mochte zwischen beiden da gar viel geschehn:er trug sie in dem Herzen, sie war ihm Leben und Leib.Durch treuen Dienst erwarb ers, dass sie doch später ward sein Weib.

 367 Da sprach der König Gunther: »Vieledle Schwester mein,ohne deine Hilfe könnte es nimmer sein:wir wollen zu Wettspielen ziehn in Brünhilds Land.Da brauchen wir zum Tragen vor den Frauen herrliches Gewand.«

 368 Da sprach die Königstochter: »Viellieber Bruder mein,was ich von meiner Seite Euch kann zur Hilfe sein,des sollt Ihr innewerden, dass ich dazu bereit;versagt es Euch eine andre, das wäre Kriemhilden leid.

 369 Ihr sollt mich, edle Ritter, nicht in Sorgen bitten;Ihr könnt mir gebieten mit hochgemuten Sitten:was Euch gefalle, dazu bin ich bereitund tu es guten Willens«, sprach die herrliche Maid.

 370 »Wir wollen, liebe Schwester, tragen ein gut Gewand.Das soll bereiten helfen Eure weiße Hand.Das fertigen Eure Mägde, dass es uns prächtig steht,da mich für diese Reise niemand anders sonst berät.«

 371 Die Jungfrau da sagte: »Ich will Euch gern es sagen,ich habe da Seide. Nun lasset her uns tragenGestein auf den Schilden! So machen wir jedes Kleid,dass Ihr es tragt mit Ehren vor der herrlichen Maid.«

 372 »Wer sind die Gefährten«, sprach die Königin,»die mit Euch gekleidet zu Hofe sollen ziehn?«»Das bin ich und Sigfrid und meiner Degen zwei,Dankwart und Hagen; die sind auf dieser Fahrt dabei.

 373 Nun merket, liebe Schwester, recht, was wir sagen:dass wir vier Gefährten tragen an vier Tagenje zweierlei Kleider und also gut Gewand,dass wir ohne Schande verlassen können Brünhilds Land.«

 

 374 Das gelobte sie den Recken. Die Herren schieden dann.Da rief von ihren Jungfraun dreißig Maide heranaus ihrer Kemenate Kriemhild, die Königin.Die Wohlgeschickten hatten für die Kunst einen rechten Sinn.

 375 Allerhand Seide und weiß wie der Schneeaus Zazamank, dem Lande, grün wie der Klee,da hinein legten sie Steine. Es ward manch gutes Kleid.Zu schnitt es Kriemhild, die gar minnigliche Maid.

 376 Von fremder Fische Häuten Bezüge wohlgetan,zu schauen wert den Leuten, so viel man deren gewann,die deckte man mit Seide, Gold war aufgetragen.Man konnte große Wunder von der glänzenden Kleidung sagen.

 377 Aus dem Land Marokko und auch aus Libiadie allerbeste Seide, die man jemals sahKönigssippen tragen, die hatte sie genug.Die Frau ließ wohl erkennen, dass Hulde sie im Herzen trug.

 378 Weil zu der Hofreise sie hatten so begehrt,die Hermelinpelze dünkten sie wenig wert;Seide lag da oben, gar schwarz anzusehn,wie sie schnellen Degen mag zu Festlichkeiten stehn.

 379 Aus arabischer Seide glänzte mancher Stein.Die Mühe der Frauen, die war nimmer klein.In sechs Wochen fertig war dann jedes Kleid.Da waren auch die Waffen für die guten Recken bereit.

 380 Als sie gerüstet waren, war ihnen auf dem Rheinfleißig auch gezimmert ein starkes Schifflein,das sie tragen sollte nieder auf die See.Den schönen Jungfrauen schuf da ihre Arbeit Weh.

 381 Da sagte man den Recken, ihnen sei gemacht,die sie da tragen sollten, die prächtige Tracht.Was die Helden begehrten, das war nun bereit.Da wollten sie am Rheine weilen nicht noch lange Zeit.

 382 Nach den Heergesellen ward da bald gesandt,ob sie schauen wollten ihr neues Gewand,ob es den Helden wäre zu kurz nicht, noch zu lang.Den Frauen dafür sie sagten von Herzen den schuldigen Dank.

 383 Von wem sie immer kamen, der musste es gestehn,er hätte auf dieser Erde Schöneres nie gesehn.Das mochten sie gerne da bei Hofe tragen.Von besserer Heldenkleidung wüsste niemand euch zu sagen.

 384 Dank da gar eifrig wurde ihr gesagt.Urlaub erbaten die Helden unverzagt;in ritterlichen Züchten taten die Helden das.Drum wurden lichte Augen vom Weinen trübe und nass.

 385 Sie sprach: »Viellieber Bruder, ändert Euern Planund werbt um eine andre! Das hieße ich wohlgetan;wo Ihr nicht wagen müsset so sehr Leben und Leib!Ihr könnt näher finden auch manches wohlgeborne Weib.«

 386 Mich dünkt, ihnen sagt ihr Herze ihr künftiges Ungemach.Sie weinten alle zusammen, was auch jemand sprach.Auf ihrer Brust der Goldschmuck ward von Tränen fahl;die rannen ihnen reichlich von den Augen zu Tal.

 387 Sie sagte: »Herr Sigfrid, lasst Euch empfohlen seinin Treue und in Gnade den lieben Bruder mein,dass nichts ihm Schaden bringe in Brünhildens Land!«Das gelobte der Vielkühne der Frau Kriemhild in die Hand.

 388 Da sprach der kühne Degen: »Solang mein Leben währt,bleibet von allen Sorgen, Fraue, unbeschwert!Gesund ich ihn Euch bringe zurück an den Rhein.Das glaubet bei meinem Leibe!« Ihm dankte das schöne Mägdelein.

 389 Ihre goldroten Schilde, die trug man an den Strandund brachte zu dem Schiffe all ihr Gewand.Die Rosse ließ man bringen. Sie wollten fahren dann.Manche schöne Fraue bitter zu weinen da begann.

 390 Da stand an dem Fenster manch minnigliches Kind.Das Schiff mit dem Segel trieb ein frischer Wind.Die stolzen Heergesellen waren auf dem Rhein.Da sprach der König Gunther: »Wer soll nun Schiffsmeister sein?«

 391 Da sprach der starke Sigfrid: »Ich kann Euch auf der Flutwohl von hinnen führen. Das wisset, Helden gut!Die rechten Wasserstraßen, die sind mir wohlbekannt.«Mit Freuden sie da schieden aus der Burgunden Land.

 392 Der König von Niederlanden die Ruderstange nahm.Vom Gestade begann zu schieben der Held lobesam.Gunther, der kühne, selbst ein Ruder schlug.Sie entfernten sich vom Lande und waren fröhlich auch genug.

 393 Sie hatten reiche Speise, dazu auch besten Wein,den man irgend finden konnte an dem Rhein.Dankwart, Hagens Bruder, der saß und zogan einem starken Ruder; sein Mut war über die Maßen hoch.

 394 Die starken Segeltaue straffte der Wind mit Macht.Sie fuhren viele Meilen, bevor es wurde Nacht.Mit Freuden sie da kamen auf die hohe See.Ihre starke Arbeit schuf einst den Hochgemuten Weh.

 395 Binnen zwölf Tagen, wie wir hören sagen,hatten sie die Winde weit hinfort getragennach dem Isensteine zu Brünhildes Land.Das war Hagen von Tronje noch mitnichten bekannt.