Kein Mann für eine Nacht

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Kein Mann für eine Nacht
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Fae Clarke

Hommes à Femmes

Kein Mann für eine Nacht

Das Leben ist ein Arschloch.

So oder ähnlich würde Abby sagen. Nur mit großer Kraft entkommt sie einer miserablen Beziehung und lernt auch recht bald die wahre Liebe mit all ihren Ecken und Kanten kennen. Und das ist kein Leichtes für sie.

Allein auf eigenen Beinen stehend, wankt sie zwischen Euphorie und tiefem Fall. Doch die Freundin und vor allem ER stehen ihr stets zur Seite. Vor allem er, der sie ein ums andere Mal um den Verstand zu bringen scheint.

Fae Clarke ist das Pseudonym einer deutschen Autorin.

Bereits als Kind war sie eine Leseratte und verschlang reihenweise Bücher. In frühester Jugend schrieb sie immer wieder Kurzgeschichten und Gedichte.

Erst etliche Jahre später entschloss sie sich, ihren ersten Roman "Das bittersüße Traumkonzert" zu veröffentlichen. Eine Fortsetzung folgte allerdings sehr schnell.

Und jetzt wird eine erotische Reihe begonnen.

Bereits erschienen:

»Das bittersüße Traumkonzert«

Eine Vorgeschichte aus der Lilith-Chronik

»Bitter Elation«

Band II aus der Lilith Chronik

Fae Clarke

Hommes à Femmes

~

Kein Mann für eine Nacht

Band I


Impressum

© 2021 Fae Clarke

1. Auflage 2021

Autor: Fae Clarke

c/o autorenglück.de

Franz-Mehring-Str. 15|01237 Dresden

Umschlaggestaltung: Fae Clarke

Druck und Verlag: epubli GmbH|Berlin|www.epubli.de

ISBN: 978-3-754926-52-9

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhalt

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W

ieder warte ich sprichwörtlich Stunde um Stunde; mir reißt bald der Geduldsfaden. Wieso hält er mich fortwährend so hin? Warum gibt es jedes Mal solch ein Theater? Es ist Samstagabend und wie immer, wenn es daran geht, in den Club zu fahren, lässt er sich Zeit, stellt meine Geduld auf die Probe. Es macht mich wahnsinnig, lässt mich regelrecht unruhig werden. Einmal, wenn wir nach drei Monaten wieder weggehen, stellt er sich wie ein kleines, bockiges Kind an. Seit einer halben Stunde befinde ich mich nun fertig angezogen in der Küche und tigere auf und ab. Der Herr bewegt sich keinen Millimeter von der Couch.

»Nur noch diese eine Folge!«, meinte er vorhin noch schnippisch, bevor ich ins Badezimmer hinaufgegangen war, um mich fertigzumachen. Ich schaue auf die Uhr - das war vor über einer Stunde. Das ist aber eine merkwürdige Serie. Vorsichtig schleiche ich mich hinüber und linse ins Wohnzimmer.

»Gleich!«, bekomme ich prompt zu hören.

»Ich dachte … «, beginne ich und werde auf der Stelle von einem schweren, theatralischen Seufzer unterbrochen.

»Dann schau ich es eben nicht mehr an!«, mault er mich an und schaltet demonstrativ den Fernseher aus, um danach die Fernbedienung lautstark auf den Tisch zu werfen.

Verunsichert schaue ich ihn an. »Du meintest doch vorhin, dass du ›nur noch diese eine Folge‹ anschaust.«

»Ja, da wusste ich aber noch nicht, dass drei Folgen hintereinanderkommen. Aber nun habe ich ihn ja ausgemacht. Zufrieden?« Sein eiskalter Blick macht mir von Mal zu Mal mehr Angst. Wortlos ziehe ich mich in die Küche zurück.

Was will er eigentlich noch von mir? Warum ist er noch mit mir zusammen, wenn er sich doch ständig über mich beschwert und nichts mehr mit mir unternehmen will, sogar nur auf sein Recht pocht? Diese Fragen schwirren mir bereits seit Monaten durch den Kopf.

Tagtäglich behauptet er, dass er mich liebt, doch davon merke ich nichts. Außer Grapschen und feuchten Küssen gibt es nichts Liebevolles mehr in unserer Beziehung. In letzter Zeit komme ich immer öfter zu dem Schluss, dass das Ganze ein Ende haben muss, nur weiß ich noch nicht wie ich das anstellen soll. Die Angst vor einem kompletten Neuanfang hält mich nach wie vor bei ihm.

»Bist du nun zufrieden?«, blafft er mich an, als er mir in die Küche folgt.

Wenn ich jetzt nicht irgendetwas erwidere, bricht gleich wieder ein großes Donnerwetter über mich herein. »Dann schau weiter.« Wieso sage ich das, spinne ich jetzt vollkommen? Nun hat er mich doch wieder in der Hand?

»Ich mach mich jetzt fertig, obwohl ich wirklich keine Lust habe«, hält er mir buchstäblich vor und trottet ins Badezimmer hinauf. Das wird nun wieder eine Stunde dauern, wie immer. Verdammt! Und wieder werden es bloß zwei Stunden im Club werden. Aufseufzend zünde ich mir eine Zigarette an; ich rauche mittlerweile viel zu viel.

Vor acht Jahren hatten wir uns in ebendiesen Club kennengelernt. Wir hatten uns unterhalten und uns bereits nach wenigen Sätzen sympathisch gefunden, aber anscheinend nicht anziehend genug, um uns zu verabreden. Bei einem zweiten zufälligen Aufeinandertreffen einige Wochen später, hatte er mir Komplimente über meinen Tanzstil, meine Kleidung, meine fröhliche Art gemacht. Damals hatte ich eine enganliegende kurze Hose und eine Korsage getragen, das weiß ich noch bis heute. Genauso wie ich mich daran erinnern kann, dass er mit einer dunkelblauen Jeans und einem schwarzen Shirt bekleidet war. Insbesondere waren mir seine außergewöhnlichen Chucks aufgefallen, woraufhin ich ihn auch ansprach.

Auf meine Frage, ob er überhaupt etwas mit der Szene anfangen könne, da er so schlicht gekleidet war, hatte er gemeint: »Ja klar, sonst wäre ich ja nicht hier, oder?«

Schon bald stellte sich heraus, dass dies eine Lüge war, denn er hatte nur vorgegeben, diese Art Musik zu mögen. Nach kurzer Zeit hatte ich den Eindruck, dass er das nur gesagt hatte, um auf diese perfide Weise an eine Frau heranzukommen, dabei war ihm anscheinend egal, wen er da anbaggerte. Wieso er sich überhaupt in dieser Szene aufgehalten hatte, kann er mir bis heute nicht beantworten.

Bei dem dritten Treffen und dem tatsächlich ersten Date, nach über drei Monaten, waren wir zusammengekommen, obwohl ich mich dabei nicht wirklich wohlgefühlt hatte. Irgendetwas in meinem Inneren hatte mir damals gesagt, dass ich es bleiben lassen sollte, doch ich tat dieses Gefühl als trügerisch ab, ignorierte meine Intuition und verrannte mich prompt in eine für mich beinahe ausweglose Situation.

Die ersten Wochen waren romantisch, zu romantisch, wenn ich genau darüber nachdachte. Dieses Level konnte er auf Dauer nicht halten. Oft hatte er mir irgendwelche Kleinigkeiten geschenkt, meist alte oder gebrauchte Dinge von sich, was mich eigentlich stutzig hätte machen sollen. Stattdessen hatte ich mich über diese kleinen Gaben gefreut, wenngleich es schon merkwürdig war, dass er mir CDs und Filme aus seiner Sammlung geschenkt hatte. Nach Monaten stellte sich dann auch heraus, dass er damit nichts mehr anfangen konnte. Diese wären ihm zu düster, wie er meinte. Demzufolge gab er diese Dinge einfach an mich weiter und beschenkte mich damit nicht, wie ich anfangs annahm.

Zu Beginn hatte er mir unmissverständlich erklärt, dass er nicht mit mir zusammenziehen wolle, da er seinen Individualismus beibehalten und sein eigenes Leben weiterführen möchte. Das wäre ja an und für sich in Ordnung gewesen, wenn er sich nicht nach nur vier Wochen klammheimlich bei mir eingerichtet hätte. Wieso kam ich damals nicht auf den Gedanken, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging? Denn er bestand nach wie vor darauf, offiziell nicht bei mir zu wohnen. Immer mehr meiner Dinge wurden verdrängt, da er seine eigenen Sachen platzieren wollte. Was ich damals nicht merkwürdig fand, sondern toll. Wie dumm, wie blauäugig von mir!

 

Nach einem halben Jahr gab er seine Einzimmerwohnung endgültig auf. Ab diesem Zeitpunkt änderte sich einfach alles. Er mäkelte an meinem Kleidungsstil herum, wollte nicht, dass ich so gekleidet in den Club ging. Warum? Immerhin hatte er mich doch genauso kennengelernt. Auf meine Fragen hatte er keine für mich befriedigenden Antworten. Dennoch, ich unternahm schlichtweg nichts! Wieso hatte ich ihn nicht spätestens in diesem Moment meiner Wohnung verwiesen?

Nach und nach schränkte er mich ein, ich durfte mich nicht mehr allein mit Freunden treffen, was ich auch noch okay fand, da er mich immer und überallhin begleitete. Meine Freunde erklärten mich für verrückt, ich empfand es als normal. Dieser Eindruck änderte sich, sobald er nicht mehr mit mir weggehen wollte und mir dementsprechend nicht mehr erlaubte, weiterhin meine Bekannten zu besuchen oder allein in den Club zu gehen. Damit verlor ich nach und nach alle, die mir lieb waren und war plötzlich allein. Zumindest fast, denn meine beste Freundin Alice blieb an meiner Seite, bis heute.

Was ich an ihm von Anfang an mochte, war, dass er sich pflegte. Jeden Tag rasierte er sich, duftete fantastisch und seine glatte Brust lud dazu ein, diese berühren zu wollen. Bis der Zeitpunkt kam, als er sich zu vernachlässigen begann. Plötzlich sprießten Bart- und Brustbehaarung. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Haare auf der Brust, solange es gut aussieht, aber das ist bei ihm eben nicht der Fall. Sein Bart ist zudem äußerst kratzig und ungepflegt, und er ist irrsinnigerweise stolz darauf.

Am schlimmsten war aber der Geruch. So etwas Grauenvolles hatte ich noch nie zuvor wahrgenommen. Zum ersten Mal fiel es mir beim Sex auf. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich auch, warum er immer so viel Deodorant und Eau de Toilette verwendete. Gut, er kann nichts dafür, das sah ich ein, aber die Körperpflege vernachlässigte er schließlich ebenfalls. Er duschte sich nicht mehr regelmäßig und wo sich vorher seine Duschgels stapelten, gähnte auf einmal Leere.

Nach gut zwei Jahren begann die für mich schlimmste Zeit, die bis heute andauert. Er fing an, mich zu bedrängen, immer und überall Sex zu wollen. Am liebsten hätte er täglich gewollt, doch das konnte ich nicht, weil sich in mir alles blockierte. Durch meine Zurückweisungen wurde er aggressiv und enthüllte sein wahres Ich, welches er so lange vor mir versteckt hielt. Deshalb lasse ich ihn bis heute zuweilen über mich rutschen, damit ich für die nachfolgenden Tage meine Ruhe habe.

Obwohl ich es nicht mag, befummelt er mich in der Öffentlichkeit. Er verstand mein Nein nicht, im Gegenteil, er deklarierte es sogar als Spiel, als ob ich ihn damit anheizen wolle. Manchmal packte er mich auch am Arm und tat mir weh, wenn ich ihm sagte, dass ich keine Lust habe. Seine laute Stimmlage machte mir immer öfter Angst, ebenso wie seine Wutausbrüche. Vermehrt zog ich mich deshalb zurück, wollte von mir aus nicht mehr weggehen.

Selbst wenn wir uns mit seinen Freunden trafen, zog er mich vor ihnen durch den Kakao, verkaufte sich als starken Macker. Ich war nur sein lästiges Anhängsel, das er fertigmachen konnte, wann und wo er wollte. Nach einer Weile ertrug ich das nicht mehr und stellte ihn nach etlichen Malen zur Rede. Das war ein großer Fehler, denn nun muss ich mir beinahe täglich anhören, dass ich mich nicht anstellen soll. Schließlich habe ich gewusst, worauf ich mich einlasse. Was aber schlichtweg gelogen war, denn so gab er anfangs überhaupt nicht.

Vermehrt lud er all seinen Frust auf mir ab, seine Ausbrüche eskalierten immer mehr. Die Arbeit ist Scheiße, alle Mitmenschen sind dämlich und das Leben ist eh sinnlos und stinklangweilig, es gab andauernd etwas auszusetzen. Sobald sich der Unmut in meiner Mimik widerspiegelte, weil ich seine Tiraden einfach nicht mehr ertrug, donnerte er los, warum ich solch ein Gesicht ziehe, ich habe schließlich keinerlei Probleme. Die habe doch nur er. Bis heute tut er so, als ob das ganze Leid der Welt auf seinen Schultern laste.

In all diesen Jahren waren wir nie gemeinsam im Urlaub, wobei ich sagen muss, dass das wohl auch besser ist, denn ich möchte nicht wissen, wie er sich gibt, wenn ich ihn zwei Wochen am Stück um mich habe. Nichtsdestotrotz vermisse ich es sehr, mich an den Strand zu setzen, um abschalten zu können. Oder Städtereisen zu unternehmen. England hat so viel zu bieten, es muss ja kein Auslandsaufenthalt sein.

Verträumt blicke ich auf die Postkarten meiner ehemaligen Freunde, die sich über die Jahre bei mir angehäuft haben und mit Magneten an dem großen Kühlschrank heften. Madeira, Toskana, Alpen, sogar eine aus Florida ist dabei. Aber am schönsten finde ich die aus der Provence und den Highlands. Sacht streiche ich über die farbenprächtigen Karten und verliere mich in meinen verflixten Gedanken.

Als wir vor drei Jahren in dieses Haus zogen, hätte ich das nicht tun sollen, ich hätte stattdessen die Flucht ergreifen müssen. Warum tat ich es nur nicht? Ob es daran gelegen hatte, dass er all meine Sachen zuvor entsorgte? Ich hatte zu dem Zeitpunkt kaum mehr etwas besessen, was rein mir gehörte. Als er vor dem Umzug meine Bücher auszusortieren begonnen hatte, bin ich das erste Mal ausgetickt. Niemand darf sich an meiner heiß geliebten Bibliothek vergreifen! Nicht einmal mein cholerischer Freund.

Das hatte er sich natürlich nicht gefallen lassen. Er hatte mich damals gegen das Regal gestoßen, sodass ich mir eine Prellung zuzogen hatte. Ab diesem Moment hatte er anscheinend Blut geleckt, denn die harten Klapse auf mein Hinterteil empfindet er bis heute als lustig, sogar anregend, genauso wie seine Kniffe in meine Brust oder den Bauch. Ich konnte es ihm hundert Mal erklären, dass ich das nicht mag und er mir damit wehtut, es interessierte ihn nicht.

Schlussendlich hatte er begonnen, mich wegen meiner Figur aufzuziehen. Ich hatte zugenommen, das ist richtig, doch so, wie er mich vorzugsweise vor anderen beschrieb und darstellte, war es dann doch nicht. Allerdings fühlte ich mich seitdem fett. Wenn ich ihn hingegen auf seinen schwabbeligen Bauch ansprach, war er sofort beleidigt und zog noch mehr über mich her, um sogleich von sich abzulenken. Seine Hartherzigkeit zehrte nach und nach an mir.

Bis zum heutigen Tag zieht er über die Menschen und die Musik der Szene her, da er nichts mit ihnen anfangen kann. Dabei sind die meisten intelligente Leute, die genauso ihren Spaß haben wie andere auch. Er behauptet allerdings immer wieder, dass sie alle selbstmordgefährdet und viel zu düster wären. Man könne keine normalen Gespräche führen und die Musik, die sie alle hören, ist krank und öde.

Ja, warum war er damals überhaupt in diesem Club und weshalb lief ihm damit über den Weg? Wieso komme ich verdammt noch mal nicht aus dieser verflixten Beziehung raus? Weswegen lasse ich es zu, dass er mich so behandelt? Immer wieder frage ich mich das - seit Jahren. Die Vermutung liegt nahe, dass ich mich mittlerweile mit all dem abgefunden habe. Zudem bin ich auch nicht mehr die Jüngste, um mich so mir nichts, dir nichts auf Partnersuche zu begeben. Kann ich das überhaupt noch – flirten? Hm, zu gern würde ich wissen, wie sich diese berühmten Schmetterlinge im Bauch anfühlen. Ich weiß es nämlich nicht mehr, denn selbst als ich mit Pete zusammenkam, hatte ich dieses Gefühl nicht verspürt. Leider … oder doch nicht?

Warum denke ich eigentlich über dieses verfluchte Gefühl der Verliebtheit nach, anstatt erst einmal mit meinem Leben zu Recht zu kommen? Verdammt! Das kann doch nicht sein? Denn falls ich mich endlich dazu aufraffen kann, mich zu trennen, sollte ich erst einmal das Alleinsein genießen, die Ruhe. Niemandem Rechenschaft ablegen zu müssen, das wäre ein Traum! Aber wahrscheinlich kann ich gar nicht allein sein, zumindest vermute ich das.

Obwohl … Ich wäre nie ganz allein, da Alice immer für mich da wäre, auch wenn ich sie in den letzten Jahren sehr vernachlässigt hatte. Aber eine beste Freundin ist kein Partner, der mich vielleicht einmal glücklich machen könnte, woran ich allerdings nicht mehr so recht glaube. Und wieder schweifen meine Gedanken ab. Nein, Stopp, rüge ich mich selbst und schüttle energisch den Kopf.

Langsam ziehe ich mir die kniehohen Stiefel an. Vor Langeweile wische ich noch einmal über das schwarze Leder. Die Zeit rast davon, es ist mittlerweile nach 23 Uhr, wir werden erst kurz vor Mitternacht im Club sein. Mit einem enttäuschten Gefühl krame ich in meiner Handtasche, hole einen Geldschein heraus. Heute muss ich alles bezahlen, damit er überhaupt mitfährt.

Niedergeschlagen setze ich mich auf einen Küchenstuhl, rutsche nervös hin und her. Das Nichtstun lässt mich immer wieder grübeln. Ich empfinde schon lange nichts mehr für Pete und er tut so, als ob er das nicht wüsste. Wie dumm oder blind muss man sein? Der Sex ist stinklangweilig, Einheitsbrei und er merkt nicht einmal, dass ich währenddessen keine Gefühlsregung zeige. Hinterher tue ich so, als ob ich erschöpft wäre, um ihn schnell wieder loszuwerden. Er schwitzt und stinkt dabei. Oh Gott! Was habe ich nur für abscheuliche Gedanken?

Schnell schüttele ich mich, um nicht erneut in einen Strudel aus Hass und Ekel zu fallen. Rücksichtsvoll sollte ich schon noch bleiben. Aber warum eigentlich? Er beschimpft mich aufs Übelste, zieht bei Freunden und hinter meinem Rücken über mich her und denkt, dass ich davon nichts mitbekomme. Nun bin ich auch noch den Tränen nahe! Klasse ganz toll gemacht, Abby! Ich sollte mir abgewöhnen nachzudenken.

Erstaunt höre ich ihn schwerfällig die Treppe heruntertappen. Schnell wische ich mir über die Augen, fächle mir Luft zu, damit er nichts bemerkt.

»Na? War ich schnell, oder was?«, tönt er auch bereits hinter mir.

Der Blick auf die Uhr zeigt mir allerdings, dass mittlerweile vierzig Minuten vergangen sind, von wegen. »Ja, ich bin baff«, sage ich und hoffe inständig, dass ich damit überzeugend klinge.

»Siehst du, so geht das! Ich zieh mich an und schau noch was nach, dann können wir meinetwegen los«, lässt er beinahe stolz verlauten und brummelt etwas, als er denkt, dass ich ihn nicht mehr hören kann. Er meckert wieder herum, dass er keine Lust auf den ganzen Mist hat.

Zorn kocht in mir hoch, ich muss jetzt wahrscheinlich weitere zwanzig Minuten warten. Frustriert rauche ich die nächste Zigarette. Wie oft hatte ich mir schon vorgenommen, einfach jemanden zu kontaktieren, der mich mitnimmt. Immer wieder bot Alice mir an, mich abzuholen. Was will er schon machen, außer toben und das tut er so oder so bereits. Warum habe ich es bloß noch nie gemacht? Weil ich einfach dumm bin, antworte ich mir selbst. Etwas anderes kann es schlichtweg nicht sein.

Hach, wäre es nicht einmal schön, ohne größeren Ärger im Vorfeld in den Club zu fahren und einfach den Abend zu genießen? Die Musik, die Gespräche, das Tanzen. Aber Nein, ich dumme Pute muss mich ja immer runterziehen lassen, sodass ich die Zeit, die eh schon so knapp bemessen und vor allem so selten ist, kaum mehr genießen kann.

Grinsend muss ich plötzlich daran denken, dass mich die letzten Male etliche Männer angestarrt haben und ich bis heute nicht weiß, warum. Abgesehen davon war eh keiner darunter, der mir auch nur ansatzweise gefallen hätte. Ja, ich weiß, ich bin oberflächlich, doch seit Monaten habe ich das unergründliche Verlangen, nur einmal einen Mann küssen zu wollen, der ein ansprechendes Äußeres hat. Nur ein einziges Mal, sodass ich mich nur seufzend und schwerlich von ihm lösen kann.

Wieso hege ich solch einen quälenden Gedanken überhaupt? Schließlich weiß ich, dass es nie dazu kommen wird. Klar, ein attraktiver Kerl küsst mich einfach so, ohne Hintergedanken. So was Dummes, schelte ich mich selbst und richte mich auf. Ich gehe in den Vorraum, ziehe meine Jacke über und stelle mich dabei vor den großen Spiegel, um mein Make-up noch einmal zu überprüfen. Das bekommt Pete natürlich im Vorbeigehen mit, fasst es sofort als Druck auf und murrt erneut herum. Mit den Händen in der Jackentasche versuche ich unsichtbar zu wirken, was ihn aber anscheinend noch wütender macht.

»Dadurch gehts auch nicht schneller!« Nicht dass er noch herummault, weil ich atme oder existiere! »Geh doch schon raus, wenn du es nicht erwarten kannst.«

Pete öffnet die Haustür und schmeißt mich tatsächlich hinaus. Es sind Minusgrade, ziemlich kalt in dem gerade einmal knielangen Rock. Zitternd gehe ich zum Zaun und warte frierend weitere fünf Minuten, bis er endlich herauskommt. Aufgebracht knallt er die Tür zu, schließt nicht ab, wie immer. Mittlerweile weise ich ihn nicht mehr darauf hin, da er mich doch nur anfährt. Sollen sie eben bei uns einbrechen, dann hat er wieder etwas zum Meckern, wenn die Versicherung nichts zahlt, da nicht abgeschlossen wurde. Soll mir nur recht sein, gebe ich resigniert auf.

 

Mit schnellen Schritten rauscht er an mir vorbei und lässt mich links liegen. Wie ein begossener Pudel trotte ich ihm zum Auto hinterher. Auf dem Beifahrersitz liegen wie immer CDs, Kopfhörer, Essensreste. Und wieder muss ich warten, nimmt das heute denn gar kein Ende? Kaum sitze ich endlich im Auto, fährt er auch schon los, ohne dass ich mich anschnallen konnte. Hastig greife ich nach dem Gurt, um ihn zu fixieren.

Fluchend, worüber weiß er wohl selbst nicht, rast er die schmale Gasse entlang. Auf dem Weg in den Club herrscht eisiges Schweigen, ich starre aus dem Seitenfenster und tue so, als ob es etwas Interessantes in der Dunkelheit zu sehen gäbe. Besser diese bedrückende Stille ertragen als eine dieser endlos nervigen Diskussionen.

»Was ist los?«, fragt er mich plötzlich allen Ernstes. Zu früh gefreut.

»Nichts«, antworte ich ihm tonlos. Augenverdrehend wende ich mich wieder dem Fenster zu und starre hinaus. Wie sehr ich diese Fragerei satthabe. Was soll schon los sein?

Anfangs habe ich zu Genüge den Fehler begangen und ihm ehrlich darauf geantwortet. Das Ergebnis war meist, dass wir uns stritten, über nichts. Nie wieder werde ich auf diese Frage wahrheitsgemäß Auskunft geben, zumal er weiß, was los ist. Und erst recht nicht jetzt, wo wir doch bald da sind.

Endlich wieder tanzen, mich mit den wenigen Freunden und Bekannten, die mir noch geblieben sind, unterhalten und mit denen ich Spaß haben kann. Er wird wiederum dumm rumstehen und sich deplatziert vorkommen. Über die Musik und die Leute nörgeln, nur ab und an frustriert nach draußen gehen, um zu rauchen. Die restliche Zeit wird er mich genau beobachten, jeden Mann um mich herum mustern, um sich aufregen zu können. Jeder Typ will schließlich etwas von mir.

Nun muss ich doch schmunzeln, er sieht es glücklicherweise nicht. Es ist Jahre her, dass es einer gewagt hatte mich anzusprechen. Sofort stand Pete wutschnaubend neben mir und tötete den Mann mit Blicken. Seitdem versuche ich lieber eine eiskalte Miene aufzusetzen, damit ja keiner auf die Idee kommt mich anzusprechen, obwohl dies gar nicht meiner Natur entspricht. Ich würde mich nämlich sehr gern unterhalten, neue Freundschaften schließen, aber das kann ich mir abschminken. Jeden, den wir bisher zusammen kennengelernt haben, hat er auf seine Seite gezogen, für sich vereinnahmt und ich wurde außen vorgelassen. Allerdings sind das auch nie Leute aus dem Club gewesen. Tom war der Letzte, mit dem ich mich frei unterhalten konnte, bevor Petes Eifersucht zu groß wurde. Beinahe heimlich haben wir uns angefreundet. Ob er heute ebenfalls da ist?

Auf dem Parkplatz hinter dem Club hält Pete an, doch er denkt nicht daran auszusteigen. Er werkelt hier und da herum, tut so, als ob er etwas suchen würde, wie immer eben. Dann schaut er mich gelangweilt an. »Na? Noch immer keinen Kuss?«, fragt er.

Eigentlich ist das keine Frage, sondern eine Aufforderung. Ich weiß, wenn ich ihn jetzt nicht küsse, werde ich wieder vor allen anderen ein Drama erleben. Also beuge ich mich hinüber und spüre seine feuchten, aufgestülpten Lippen auf meinem Mund und Kinn. Rasch muss ich mich innerlich schütteln. Küssen konnte er wirklich noch nie, es ist nur ekelhaft nass. Tief einatmend steige ich nun doch aus, mir ist es plötzlich egal, ob er folgt oder nicht, ich muss auf der Stelle aus diesem Auto raus. Fort von dieser Enge, diesem Gefühl des Ausgeliefertseins und weg von ihm.

Nun kann so einiges nachkommen, allerdings ist er heute erstaunlich gelassen und schlingt nur seinen Arm um mich. Die übliche Demonstration, dass ich ihm gehöre. So betreten wir auch den Club, jedoch muss er sich gezwungenermaßen von mir lösen, damit ich den Eintritt zahlen kann. Max, der Türsteher, zwinkert mir klammheimlich zu, als ich das Geld hinblättere.

In der Garderobe im Eingangsbereich hilft Pete mir wie immer nicht aus der Jacke, sondern stöhnt erst einmal lautstark über die Menschenmassen und wie wenige Kleiderbügel es doch gäbe. Früher hatte er mir galant geholfen, aber auch nur, wenn er wollte, das macht er allerdings schon lange nicht mehr. Somit knülle ich meine Jacke zusammen und lege sie weit hinten in eine Ecke auf den Boden. Was soll ich groß herummachen? Mich über den Mangel an Aufbewahrungsmöglichkeiten ärgern?

Bei dem ersten Schritt in den Barbereich erkenne ich einige bekannte Gesichter, umgehend werde ich kopfnickend gegrüßt. Nur Alice kann ich nirgends entdecken, wahrscheinlich steht sie wie üblich auf der Tanzfläche. Als Erstes besorge ich mir eine Cola und für Pete ein Bier. Kaum stehen die Getränke auf dem Tresen, schnappt er sich seine Flasche und geht seines Weges. Darüber bin ich sehr dankbar, denn nun kann ich mich um die Bekannten kümmern. Nach nur wenigen Minuten bin ich auch schon in ein Gespräch verwickelt und wippe dabei zur Musik, die dumpf aus dem Tanzbereich herüberschallt.

Tom, der sich rasch zu mir gesellt hat, sieht mich nach einer Weile mit einem verschmitzten Grinsen an und meint: »Na los, gehen wir tanzen!« Noch einmal linse ich zu Pete hinüber, der mich aber schon vergessen zu haben scheint, da er einen alten Freund getroffen hat. Heute könnte ich Glück haben und die Zeit genießen, ohne mir ständig sein Gezeter anzuhören, wie Scheiße doch alles wäre. Ist das fies? Nein, es ist nur die Wahrheit!

Aufgeregt folge ich dem Freund in den Tanzbereich hinüber. Sein hellblondes Haar fällt in der Menge ziemlich auf. Er nimmt mir die Flasche aus der Hand und stellt sie mit seiner auf den Tisch neben dem Eingang. Ich kann mich weder umsehen noch nach Alice suchen, denn er zieht mich augenblicklich mit sich auf die Tanzfläche und ich bin sofort in meinem Element.

Diese Musik macht mich glücklich, lässt alle Sorgen von mir abfallen; ich werde augenblicklich zu dem Menschen, der ich eigentlich bin. Rhythmisch bewege ich meinen Körper im Takt, ich weiß selbst, dass das nicht uninteressant wirkt, doch keiner würde es wagen mich anzusprechen, ebenso wenig wie eine der anderen Frauen im Club. Hier wahren die Männer respektvoll Abstand. Die Jungs um mich herum nicken mir nur wiedererkennend zu. Ich bin bekannt, auch wenn ich in den letzten Jahren so selten anwesend war, kenne die meisten, zumindest vom Sehen oder vom Namen her. Früher war ich schließlich Stammgast und immer hier, wenn der Club geöffnet hatte, ließ kaum eine Veranstaltung aus, im Gegensatz zu heute.

Als die Musik umschwenkt, kehre ich zu dem kleinen Tisch zurück. Heute sind ungewöhnlich viele neue Leute zugegen, fällt mir auf, während ich neugierig in die mir unbekannten Gesichter blicke. Aber was weiß ich schon, ich bin nicht mehr allzu oft hier und kann darüber gar nicht urteilen. Wahrscheinlich werde ich bereits als Neuling eingestuft, denke ich schmunzelnd.

Ich greife zu der Flasche und lasse trinkend meinen Blick schweifen, nicke denen, die ich flüchtig kenne, leicht zu. In dem Moment, als ich mich herumdrehe, halte ich abrupt inne, sodass ich mich beinahe an der Cola verschlucke, und schaue ungläubig zurück.

Ein äußerst attraktiver Mann, den ich noch nie hier gesehen habe, blickt mir direkt in die Augen. Er lehnt mit verschränkten Armen nur einige Meter von mir entfernt an der Wand gegenüber und mustert mich ebenfalls neugierig. Trotz der schummrigen Beleuchtung kann ich sein leichtes Schmunzeln, das seine Mundwinkel umspielt, erkennen. Verlegen schaue ich schnell weg, viel zu schnell. Auffälliger konnte ich das Ganze nicht gestalten!

»Hey Süße!«, ertönt es neben mir und werde von der zuckersüßen Alice umarmt. »Bist du auch mal wieder da? Wie gehts dir? Wo ist Pete?«

»Draußen an der Bar«, lasse ich recht abfällig verlauten, nachdem ich mich kurz gesammelt habe.

»Na Gott sei Dank!«, ruft sie. Und schon schnattert die quirlige, schwarzhaarige Schönheit los. Verstohlen blicke ich wieder zu dem dunkelhaarigen Typ hinüber und bemerke, dass er mich unverhohlen von oben bis unten betrachtet. Fahrig streiche ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und versuche die plötzlich aufkommende Nervosität unter Kontrolle zu bekommen. Meine Hände zittern, als ich die Flasche auf den Tisch stelle. Was ist denn nur los mit mir? Ich muss mich auf der Stelle ablenken!

»Entschuldige, ich geh tanzen«, unterbreche ich hastig den nicht enden wollenden Redeschwall der Freundin und flüchte regelrecht auf die Tanzfläche. Normalerweise lasse ich niemanden einfach so stehen, aber dieses Mal muss ich es tun. Alice wird das sicherlich verstehen, wenn ich es ihr in einer ruhigen Minute erkläre.

Mal sehen, ob der alte Trick noch funktioniert, um herauszufinden, ob ich mir das nur einbilde oder er tatsächlich Interesse an mir zeigt. Ich positioniere mich so, dass er sich etwas vorbeugen muss, um mich beobachten zu können. Doch selbst nach einigen Minuten kann ich ihn nicht entdecken. Was solls, dann genieße ich eben seine Blicke, wenn ich wieder am Tisch stehe. Schulterzuckend drehe ich mich herum und tanze zu einem langsamen Lied.