Liebe ist...

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Aus der Reihe: Liebe ist... #1
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Liebe ist...
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Evanda Klug

Liebe ist...

sich zu vertrauen

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog:

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

Kapitel 71

Kapitel 72

Kapitel 73

Kapitel 74

Kapitel 75

Kapitel 76

Kapitel 77

Kapitel 78

Kapitel 79

Kapitel 80

Kapitel 81

Kapitel 82

Kapitel 83

Kapitel 84

Kapitel 85

Kapitel 86

Kapitel 87

Epilog:

Impressum neobooks

Prolog:

Liebe ist…

sich zu vertrauen!

Dirk und Lisa

Für Ernst und Dina

...weil ihr mich unterstützt und an mich geglaubt habt!

Ich weiß nicht, was ich mehr fürchte, die Einsamkeit, die vor verletzten Gefühlen und einem gebrochenen Herzen schützt, oder die Liebe, die viel zu oft mit Schmerz und schlussendlich dann doch mit einem gebrochenen Herzen einhergeht! Wahre Liebe habe ich noch nie erfahren, Einsamkeit schon.

Lisa Adams

Mir wurde schon einmal das Herz gebrochen, als ich es mir gestattete, eine Frau zu lieben. Ich will diesen Schmerz nie wieder fühlen. Lieber bleibe ich alleine.

Dirk Kovacs

18 Jahre zuvor:

Hey kleine Schwester, was machst Du hier?“

Ich schaue nicht auf, als mein großer Bruder Stefan in die Küche kommt. Ich muss mich schließlich auf meine Arbeit konzentrieren. Ein Lächeln kann ich mir allerdings nicht verkneifen. Ich liebe meine ganze Familie – meistens jedenfalls. Stefan aber ganz besonders, er ist einfach toll. Obwohl er 8 Jahre älter ist, kann ich mich immer an ihn wenden, wenn ich ein Problem habe.

Hallo, ich versuche die leckeren Schokocrossies nach Mom´s Rezept zu machen, sieht man doch.“

Ach ja? Für mich sieht es so aus, als ob Du in einem viel zu großen Topf irgendeine undefinierbare Pampe zusammenrührst!“

Er schnappt mich und wirbelt mich durch die Küche. Ich quietsche vor Lachen. Es macht Spaß, mit Stefan rumzualbern. Aber jetzt muss ich mich doch konzentrieren.

 

Lass mich runter, sonst wird mir noch schlecht und meine Schokocrossies brennen an. Ich muss doch ständig rühren, hat Mom gesagt.“

Er stellt mich wieder auf meinen Hocker, auf dem ich vor dem Herd stehe, um überhaupt in den Topf sehen zu können, und ich rühre meine Masse fleißig weiter.

Dirk, das ist meine kleine Schwester Lisa.“

Bis jetzt habe ich gar nicht bemerkt, dass Stefan nicht alleine gekommen ist. Jetzt schaue ich doch noch hoch und sehe einen Jungen, der mich frech angrinst. Ich starre ihn an. Ich habe noch nie so schöne Augen gesehen. Ein strahlendes blau und seine Haare schwarz wie Kohle.

Hey kleine Schwester, vergiss das Rühren nicht, oder wie war das?“, macht sich Stefan über mich lustig. Ich senke augenblicklich meinen Blick und rühre, ohne ein Wort zu sagen, einfach weiter. Außerdem korrigiere ich meine Meinung über Stefan von toller Bruder zu Blödmann. Dass er mich beim Starren erwischt hat ist schon schlimm, aber dass er das auch noch laut kundgeben muss, das ist nur peinlich. Normalerweise ist das nicht seine Art.

Hallo Lisa, schön, Dich kennenzulernen. Ich würde mich freuen, wenn ich später von Deinen Schokocrossies probieren dürfte!“, sagt Stefans Freund und ich starre wieder in diese blauen Augen. Beinahe falle ich von meinem Hocker, daher senke ich meinen Blick schnell wieder und rühre weiter. Er will meine Schokocrossies probieren. Soeben habe ich mich das erste Mal verliebt, und zwar in den Freund meines Bruders.

Verlegen sage ich: „Vielleicht, sie müssen ja erst noch gelingen!“

Außerdem, bleibt nichts übrig, wenn ich sie in die Finger bekomme und sie so schmecken, wie Mom´s.“, sagt Stefan und gibt mir zum Abschied einen Kuss auf die Stirn und schon bin ich mit meinem Topf wieder allein in der Küche und starre den beiden nach.

Kapitel 1

„Mist, verdammter, wie konnten wir das nur übersehen?!“ Die wütenden Worte meines Vorgesetzten, als er von der Verhandlung ins Büro kam, hängen mir immer noch nach. Und da ich inzwischen gelernt habe, zwischen den Zeilen zu lesen, weiß ich auch, dass er eigentlich meinte: Wie konnte ich, Lisa Adams, das nur übersehen!

Tja, ich kann die Frage immer noch nicht beantworten und dabei brüte ich schon geraume Zeit bei meinem, nun ich glaube, fünften Bier darüber nach, was mir entgangen ist. Nein, die Frage ist nicht was, die Frage ist, wie ich quasi einen vor mir tanzenden riesigen Elefanten im rosa Tutu nur habe nicht sehen können. Nun gut, das rosa Tutu ist vielleicht etwas übertrieben und melodramatisch, und vielleicht bin ich gerade auch nicht wirklich objektiv aber nun zum Anfang.

Ich bin Lisa Adams, 30 Jahre alt, wobei noch nicht ganz, erst in drei Wochen, aber wer will schon so kleinlich sein, wenn er, in diesem Fall ich selbst, sich gerade erfolgreich bemitleidet. Da kann man doch die ganze Packung Elend auf einmal mitnehmen. Also, ich, Lisa Adams, 30, suhle mich gerade in meiner Lieblings-After-Work-Kneipe im Selbstmitleid und versuche, mich zu betrinken. Was aktuell sehr erfolgsversprechend erscheint. Mache ich normalerweise nicht, da ich nichts von Kontrollverlust halte, aber heute ist das auch schon egal. Ich habe Dirk, meinen Chef, enttäuscht und dabei war ich bisher so stolz auf unsere bemerkenswert gute Zusammenarbeit. Gut es ist mir nicht gerade schwergefallen, da er nicht nur ein sehr gut aussehender, sondern auch ansonsten toller Mann ist. Seine Nähe, auch wenn natürlich nur auf absolut professioneller Arbeitsebene, hat jede Überstunde wettgemacht.

Dirk Kovacs, 38, Rechtsanwalt, ist also mein überaus attraktiver Chef und absoluter Workaholic. Und er hat seinen ersten Fall verloren, weil ich nicht aufgepasst habe. Nun gut, verloren ist vielleicht auch etwas übertrieben, aber die erste Runde ist durch mich an den Staatsanwalt gegangen. Ich hätte einfach merken müssen, dass die Gutachten zum Tathergang nicht mit den Aussagen unseres Mandanten übereinstimmen. Aber ich habe es nicht gesehen. Ich habe diese doofen Gutachten nur quergelesen. Die sind aber auch immer so unendlich lange und kommen einfach nicht auf den Punkt. Scheiße, ich brauche noch mehr Bier. Wodka oder Whisky würden den Prozess zwar beschleunigen, aber ich kriege den Scheiß einfach nicht runter. Also muss einfach mehr Bier her.

„Hey Lisa!“, höre ich gerade noch, bevor ich die Bierflasche an den Mund setze, einen großen Schluck nehme und mich prompt verschlucke. Hustend kralle ich mich an die Theke. Vielleicht war es doch keine so gute Idee mit dem Bier. Jetzt beginnt sich irgendwie alles zu drehen. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um einigermaßen wieder klarzukommen. Tut weh, hilft aber.

Langsam drehe ich mich um, damit ich sehen kann, wem ich meinen Beinahe-Tod durch Ersticken verdanke. Mist, ich bin anscheinend doch schon so betrunken, dass ich noch nicht mal mehr die Stimme von meinem Boss erkenne. Nur schade, dass meine Augen noch so gut funktionieren. So ein Mist! Mist! Mist!

„Ähm, hallo Herr Kovacs.“, bringe ich gerade noch heraus, in der Hoffnung, dass meine Zunge mich jetzt nicht im Stich lässt.

„Sind Sie betrunken?“, fragt er mich mit einem Ausdruck in den Augen, den ich nicht ganz zuordnen kann. Besorgt? Amüsiert? Man, bin ich breit, wie ist das jetzt so schnell passiert. Gerade war ich doch noch nüchtern und wollte mehr Bier. Ich beschließe, nicht zu antworten, nur kurz zu lächeln und zu nicken, bevor ich mich noch völlig blamiere. Das ist sowas von peinlich. Was macht er überhaupt hier? Das ist meine Kneipe und es ist mein Mitleid, er hat kein Recht, hier reinzuplatzen. Irgendwie werde ich gerade ziemlich wütend. So ein Mist, jetzt also auch noch Stimmungsschwankungen, na das kann ja heiter werden.

„Sie machen sich zu viele Gedanken. Die Sache ist einfach dumm gelaufen. Ich habe mit Herrn Schuster das weitere Vorgehen bereits besprochen. Wir kriegen das alles wieder hin. Und es tut mir leid, dass ich vorhin so wütend war. Ich war nicht wütend auf Sie. Ich war und bin immer noch wütend auf Schuster.“, sagt er und schaut mich voller Mitleid oder was auch immer, jedenfalls irgendwie komisch, an. Ich schaue weg, ich kann ihm gerade nicht in die Augen sehen. Das ist in meinem Zustand nicht gut. Seine verboten gutaussehenden blauen Augen, ich könnte mich immer in sie hineinstürzen, wie ins offene Meer. Oh Man, ich muss hier schleunigst weg. Heute ist kein guter Tag für mich und schon gar nicht für das hier. Ich kann jetzt nicht rational denken und erst recht keinen anständigen Satz formulieren. Und normalerweise bin ich eine rational denkende Frau. Jawohl! Und in den seltenen Momenten, wenn es mal nicht so ist, dann will ich gefälligst alleine sein. Das ist so ungerecht.

„Ich sollte nach Hause gehen.“, lalle ich vor mich hin.

„Ich bringe Sie nach Hause.“, sagt er, als ich mich an den Barkeeper wende und winke.

„Nein!“ Mist, das war jetzt vielleicht doch etwas laut. Erschrocken von mir selbst blicke ich den Barkeeper an und er schaut etwas irritiert zurück. Jetzt wünsche ich mir ein Schwarzes Loch herbei, welches mich unverzüglich verschluckt.

„Keine Widerrede. Sie sind betrunken und ich will nicht, dass Ihnen noch etwas passiert!“, sagt mein Boss in diesem strengen Tonfall, den ich schon kenne. Hier sind Einwände sinnlos, habe ich in der Vergangenheit schon ausprobiert und bin jedes Mal aufs Neue gescheitert. Man muss wissen, wann die Schlacht verloren ist, denke ich bei mir im Stillen und oh Man, ich bin so richtig am Arsch.

„Also gut!“, sage ich laut. Dabei schaue ich ihn bitterböse an. Jedenfalls hoffe ich, dass ich den „Ich könnte Dich gerade töten“-Blick, so gut es eben in meinem Zustand geht, hinbekomme. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, versage ich kläglich dabei.

Ich zahle meine Zeche bzw. ich versuche es, er ist schneller. Gerade könnte ich tatsächlich einen Mord begehen. „Ich kann meine Getränke immer noch selbst bezahlen!“, keife ich. Und werde sogleich noch wütender, weil er einfach nur grinst. Oh mein Gott! Mein Chef grinst nie!!! Nie!! Was soll das?

Ich nehme mir vor, das morgen zu analysieren. Heute bin ich dazu nicht mehr in der Lage. Nur gut, dass „Heute“ Freitag ist. Dann habe ich wenigstens das ganze Wochenende Zeit, mir eine gute Strategie zur Wiederherstellung meines Rufes am Montag zu überlegen.

„Na dann mal los!“, sagt er und nimmt meinen Arm. Man, ist das peinlich. Ich komme mir vor, wie ein kleines Kind. Warum kann sich jetzt nicht einfach der Boden auftun und mich verschlucken? Wo ist das Schwarze Loch, wenn man es mal braucht? Aber nein, das wäre ja auch zu einfach und ich bin wohl zu etwas Höherem bestimmt. Gottes Wege sind unergründlich, denke ich und begebe mich in mein Schicksal. Ich folge Dirk ohne ein Wort.

Ich wohne nur ein paar Straßen weiter in einem Mehrfamilienhaus. Meine Wohnung ist im zweiten Stock. Außer mir wohnen in dem Haus nur Frauen, Paare und natürlich Frank aus der Wohnung im Erdgeschoss. Aber Frank, so süß er auch ist, ist stockschwul und das ist gut so. Meint er zumindest. Ich finde es ist und bleibt eine Schande für die Frauen dieser Welt.

Obwohl meine Wohnung nicht weit weg ist, führt mich Dirk zu seinem Auto. Schweigend steige ich ein, als er mir die Beifahrertür aufhält. Er macht sie wieder zu und geht um den Wagen zur Fahrerseite. Dann steigt er ein und startet den Motor. Wir schweigen weiter. Ich wüsste auch gerade nicht, was ich sagen sollte.

An meinem Wohnhaus hält er an. Bevor ich überhaupt darüber nachdenken kann, die Wagentür aufzumachen, ist er schon da und hält sie für mich auf. Er bringt mich an die Haustür, ganz Gentleman. Ich hasse ihn. Warum muss er ausgerechnet dann auftauchen, wenn ich meinen Tiefpunkt erreicht habe. Na ja, ich hasse ihn heute. Morgen werde ich ihn wohl schon weniger hassen. Ich muss kichern. Gott ist das peinlich. Nur gut, dass er meine Gedanken nicht lesen kann.

„Schlafen Sie gut und denken Sie nicht mehr darüber nach. Wir setzen uns am Montag zusammen und überlegen uns die beste Strategie.“, sagt er und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Ich hyperventiliere und schaue ihn erschrocken an. Im nächsten Moment bin ich schon im Hausflur und flüchte in meine Wohnung. Was war das denn??

Kapitel 2

Ich erwache am nächsten Morgen und, oh mein Gott, mein Kopf ist ein einziger Schmerz und ich habe Durst. Noch nie habe ich solch einen Durst verspürt. Ich vertrage aber auch gar nichts! Das war doch nur Bier, verfluchter Mist. Ich wusste, dass das keine gute Idee war. Aber das hilft mir jetzt auch nicht. Wo zum Geier sind nur die verdammten Kopfschmerztabletten und wenn wir schon dabei sind, wo ist die verdammte Sonnenbrille? Wo ist der verfluchte Wasserhahn?

Zwei Stunden, zwei Schmerztabletten und mindestens zwei Liter Wasser später setze ich die Sonnenbrille ab und versuche aufzustehen. Ich muss etwas essen. Wie war das nochmal, was sollte man bei einem Riesenkater essen? Salz? Heringe? Egal, ich schaue, was der Kühlschrank hergibt. Das ist leider nicht viel. So ein Mist, ich muss noch einkaufen. Also gut, für den Anfang muss Instantbrühe ausreichen. Die habe ich, Gott sei Dank, immer im Haus.

Ich versuche gerade, den ersten Schluck der noch heißen Brühe zu trinken, als es an meiner Haustür klingelt. Ich gehe kurz in mich, wen habe ich vergessen? Bin ich heute verabredet? Wie spät ist es eigentlich?

Es ist 12 Uhr. An eine Verabredung kann ich mich immer noch nicht erinnern, da klingelt es erneut. So ein Mist. Ich bin unpässlich. Egal wer es ist, ich bin nicht da.

Leider ist mein Besucher nicht sehr einsichtig. Als es zum gefühlt tausendsten Mal klingelt, mir der Kopf quasi schon mehrfach geplatzt ist, gebe ich den Kampf gegen die Klingel auf und schleppe mich an die Gegensprechanlage.

„Ja, bitte?“, krächze ich.

„Lisa mach endlich auf, hier ist Deine Mutter!“ Die Worte meiner Mutter reichen aus, um meinen Puls in bedenkliche Höhen vorschnellen zu lassen und meinen Adrenalinpegel auf den Gipfel des Mont Everest zu katapultieren. Und plötzlich bin ich wieder unter den Lebenden. Fragt sich nur wie lange dieser Zustand anhält. Aber darüber kann ich mir später Gedanken machen. Zunächst eine kurze Bestandsaufnahme. Was habe ich mit meiner Mutter ausgemacht? Wieso ist sie hier? Egal, ich weiß es einfach nicht. Ich mache auf und begebe mich in mein Schicksal. Das nicht lange auf sich warten lässt.

 

„Du meine Güte, was ist mit Dir passiert? Nur gut, dass ich in der Nähe war und Dir etwas von meiner Hühnersuppe vorbeibringen wollte. Du siehst aber gar nicht gut aus. Kind, was hast Du denn? Eine Lebensmittelvergiftung? Vielleicht sollten wir zum Arzt?“ Bevor meine Mutter noch den Notarzt anrufen kann, sage ich nur: „Ich habe Gestern lediglich meine Trinkfestigkeit getestet und, wie Du sehen kannst, ist es nicht gut ausgegangen.“

Meine Mutter starrt mich nur an. Nach einer gefühlten Ewigkeit sagt sie schließlich: „Ich habe Dich für vernünftiger gehalten Lisa. Das ist nicht meine Erziehung.“ Und schon geht sie in meine Küche. Leicht eingeschüchtert folge ich ihr.

„Wir haben einen Fall verloren und ich bin schuld.“, sage ich leise.

„Das ist doch Unsinn. Dirk hat mich heute angerufen und erzählt, dass es Dir nicht gut geht. Allerdings hätte ich nicht damit gerechnet!“ Sie zeigt auf mich, redet aber gleich weiter: „Und er hat gesagt, dass Du nicht schuld an der Niederlage bist.“

Ich bin sprachlos. Was hat meine Mutter da gerade gesagt? Dirk? Seit wann duzen sich mein Chef und meine Mutter? Erneute Bestandsaufnahme. Was habe ich übersehen? Mist! Habe ich denn gar nichts mehr im Griff?

„Guck nicht so schockiert. Ich habe ihn vor einiger Zeit angerufen und zu Deiner Geburtstagsfeier eingeladen. Schließlich wird man nicht alle Tage 30. Und Du arbeitest seit fast 10 Jahren für die Kanzlei seines Vaters und seit 5 Jahren für Dirk. Außerdem ist er seit Jahren mit Stefan befreundet, wenn Du Dich erinnerst. Damit gehört er quasi zur Familie!“

Ich bin immer noch sprachlos. Memo an mich: Nie wieder Alkohol. Ja, das muss an meinem Zustand liegen. Ich kapiere gerade gar nichts mehr.

„Mom, ich bin etwas angeschlagen. Könnten wir dieses Gespräch ein andermal führen?“, frage ich sie vorsichtig. Ich kenne meine Mutter leider nur zu gut. Wenn sie etwas loswerden will, dann wird sie es los. Aber hoffen kann man ja.

„Für Deinen Zustand bist Du selbst verantwortlich. Aber ich werde gnädig sein und Dir jetzt etwas Anständiges zum Essen machen, und zwar meine Hühnersuppe. Du hast, wie ich Dich kenne, sowieso nichts Essbares im Haus. Und dann gehen wir erst einmal einkaufen. Wie ich richtig vermute, hast Du darauf mal wieder großzügig verzichtet. In Deinem Kühlschrank ist gähnende Leere, wofür hast Du den überhaupt?“

„Es gibt hier einen sehr guten Lieferservice.“, entgegne ich und überhöre den Vorwurf. So kampflos gebe ich nicht auf.

Oh, oh, das war nicht gut. Meine Mutter schweigt und schaut mich an. Diesen Blick kenne ich. Als kleines Mädchen wusste ich sofort, dass ich was ausgefressen habe, wenn sie mich so angeschaut hat. Das heißt: zurückrudern, um zu überleben.

„Du hast ja Recht. Ich bin einfach nicht dazu gekommen. Eigentlich wollte ich heute einkaufen gehen. Ich fühle mich nur nicht so gut.“, versuche ich, zu schlichten.

Sie schweigt immer noch.

„Also gut, wir gehen einkaufen. Gib mir nur noch etwas Zeit, um mich zu sammeln.“, brabble ich vor mich hin.

„Das ist mein Mädchen. So, jetzt ab ins Bad und mach Dich ausgehfertig. Ich mache Dir inzwischen die Suppe warm.“

Und schon flüchte ich ins Bad.

Oh mein Gott, wann bin ich wieder zu der Fünfjährigen geworden, die sich vor ihrer eigenen Mutter fürchtet? Man, heute geht es mir wirklich schlecht.